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26. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

11.09. - 13.09.2009, Leipzig

Tenascin-C-Expressionsmuster in der Ratten-Submandibulardrüse bei späten radiogenen Normalgewebsreaktionen

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Sylva Bartel-Friedrich - Abt. Phoniatrie & Pädaudiologie, Halle/S., Deutschland
  • Christine Lautenschläger - Inst. f. Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik, Halle/S., Deutschland
  • Hans-Jürgen Holzhausen - Inst. f. Pathologie, Halle/S., Deutschland
  • Reinhard E. Friedrich - Klinik f. MKG-Chirurgie, Hamburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 26. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Leipzig, 11.-13.09.2009. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2009. Doc09dgppP20

doi: 10.3205/09dgpp69, urn:nbn:de:0183-09dgpp697

Veröffentlicht: 7. September 2009

© 2009 Bartel-Friedrich et al.
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Zusammenfassung

Ziel/Methoden: Tenascin-C (TN-C) gilt als ein histologischer Gewebemarker einer sich entwickelnden Fibrose, einschließlich einer Strahlenfibrose in s. g. Normalgeweben (Gewebe ohne Tumorbefall). Diese Normalgewebsreaktionen können bei Kopf-Hals-bestrahlten Patienten zu Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen führen. Zur Charakterisierung von radiogenen Spätreaktionsmustern untersuchten wir das TN-C-Expressionsprofil bei 124 Submandibulardrüsen (GSM) von 62 Wistar-Ratten nach halbseitiger fraktionierter externer Kopf-Hals-Radiatio (RT; 2 Gy/Tag bis zu einer Gesamtdosis von 20, 40 oder 60 Gy) immunhistologisch in Abhängigkeit von der Strahlendosis, der Latenzperiode nach abgeschlossener RT (6 Monate vs. 12 Monate) und vom Alter der Tiere (1 Jahr vs. 1½ Jahre).

Ergebnisse: Bei bestrahlten GSM zeigten sich leichte bis moderate Alterationen der TN-C-Expression. Das veränderte Expressionsmuster betraf jedoch die verschiedenen Drüsenstrukturen unterschiedlich häufig und unterschiedlich deutlich. Bemerkenswert war vor allem eine deutliche, dosisabhängige Heterogenität mit Färbereaktionsverstärkungen, -abnahmen und -fluktuationen.

Schlussfolgerungen: Die TN-C-Expression zeigte überwiegend eine dosisabhängige Heterogenität. Das Expressionsmuster persistierte bis zu 1 Jahr nach Abschluss der RT und ist daher radiogenen Spätreaktionen zuzuordnen. Die Befunde können wenigstens teilweise zur Erklärung der späten postradiogenen Funktionsstörungen im Bereich der GSM (z. B. der häufigen Xerostomie) beitragen.


Text

Einleitung

Die Strahlentherapie ist in das Behandlungsregime von bösartigen Kopf-Hals-Tumoren oft mit einbezogen. Häufig verursacht dies einen Speicheldrüsenfunktionsschaden mit permanenter Xerostomie und Schluck-, Geschmacks- und Sprechstörungen. Das morphologische Bild des radiogenen Speicheldrüsenschadens zeigt direkte Zellveränderungen, eine zunehmende Parenchymatrophie und eine zunehmende interstitielle Fibrose [1]. Frühere Studien [2], [3], [4] unterstützten Veränderungen im Bereich der extrazellulären Matrix und zeigten eine vermehrte und ausgedehnte Expression verschiedener extrazellulärer Matrixproteine (EMP), einschließlich von Basalmembranveränderungen nach einer fraktionierten Bestrahlung bis zu 60 Gy Gesamtdosis [2], [5], [6].

Innerhalb der extrazellulären Matrix (ECM) stellen die Tenascine eine bemerkenswerte Proteinfamilie dar, deren einzelne Mitglieder unterschiedliche Hauptmerkmale aufweisen [7]. Das erste beschriebene Tenascin-C (TN-C) gilt als ein potentiell hilfreicher Marker bei der Gewebeumstrukturierung, da es bei Gesunden und ausgereiften Geweben nur sehr begrenzt exprimiert wird [7], [8]. Während der Organogenese wird TN-C häufig übergangsweise exprimiert, es fehlt jedoch oder ist weitgehend reduziert in den meisten voll entwickelten Organen. Eine unterschiedlich ausgeprägte und remodellierte TN-C-Expression erscheint jedoch unter pathologischen Bedingungen wieder, beispielsweise bei der Brustdrüseninvolution, bei der Wundheilung, bei Entzündungen oder der Tumorentwicklung [7], [9], [10], [11], [12], [13], [14], [15], [16].

Es dient daher als Gewebemarker einer sich entwickelnden Fibrose, einschließlich einer Strahlenfibrose in s. g. Normalgeweben (Gewebe ohne Tumorbefall, 8). Hier sind besonders die radiogenen Spätreaktionen klinisch relevant. Bisher wurden TN-C-Veränderungen in der Parotis- und Tränendrüse für die frühe Phase nach Radiatio (bis zu einem Monat) vorwiegend unter Verwendung von hohen Einzeldosen oder oligo-fraktionierten Strahlenschemata beschrieben [17], [18], [19], [20]. Es war daher das Ziel unserer Studie, zur TN-C-Expression in der Spätphase nach Radiatio und unter Verwendung eines humantherapeutisch relevanten Strahlenprotokolls in der Submandibulardrüse beizutragen.

Material und Methoden

Wir untersuchten bei 124 Submandibulardrüsen (GSM) von 62 Wistar-Ratten das TN-C-Expressionsprofil und das Verteilungsmuster in Abhängigkeit von der Strahlendosis (fraktionierte Bestrahlung, 2 Gy pro Tag bis zu einer Gesamtdosis von 20, 40 oder 60 Gy), der Latenzperiode nach abgeschlossener Radiatio (6 Monate vs. 12 Monate) und vom Alter der Tiere (1 Jahr vs. 1,5 Jahre) mittels immunhistochemischer Methoden (Antikörper/Quelle: monoklonal Tenascin-TN2, Verdünnung 1:50 / Novocastra Laboratories Ltd., New Castle upon Tyne, England, Visualisierung der Antigen-Antikörperreaktion: Chem Mater™ Kit Detektionssystem, Peroxidase, DAB). Die Befunde wurden semiquantitativ ausgewertet und einer multivariablen Analyse unterzogen.

Ergebnisse

Eine TN-C-Expression zeigte sich bei Kontrolldrüsen ebenso wie bei bestrahlten Untersuchungsproben. Die Immunfärbung differierte jedoch hinsichtlich des Verteilungsmusters und der Färbeintensität beim Vergleich von Kontroll- und bestrahlten Drüsen.

Bei nicht bestrahlten Tieren (Abbildung 1 [Abb. 1] und 2 [Abb. 2]) zeigte sich eine sehr zarte bis leichte TN-C-Expression um die verschiedenen Drüsenstrukturen, einschließlich Azinuszellen (ACI), Schaltstücke (ICD, teilweise mit flächigen Kondensationen), sekretorischer Tubuli (GCT), Streifenstücke (SD) und Gangepithelien (ECD). Zusätzliche Immunreaktionen wurden beobachtet bei Gefäßwänden (mit betonter Färbung im Bereich der Adventitia) und im Nervengewebe (Fibroblasten in der Epineuralregion, teilweise auch Schwann-Zellen). Eine sehr zarte intrazelluläre parenchymale Expression war beschränkt auf die ACI und Myoepithelzellen (MYO). Reaktionen im Bereich der Kapsel, der trabekulären Septen oder bei mesenchymalen Stromazellen (beispielsweise Fibroblasten) waren negativ.

Bei bestrahlten Tieren (Abbildung 3 [Abb. 3] und 4 [Abb. 4]) zeigten sich leichte bis moderate Veränderungen, die von der Bestrahlung oder Strahlendosis oder manchmal von der Latenzperiode oder vom Alter abhingen. Das veränderte Expressionsmuster betraf jedoch die verschiedenen Drüsenstrukturen unterschiedlich häufig und unterschiedlich deutlich. Bemerkenswert war vor allem eine deutliche, dosisabhängige Heterogenität mit Färbereaktionsverstärkungen, -abnahmen und -fluktuationen.

Schlussfolgerungen

Die Expression von TN-C zeigte überwiegend eine bemerkenswerte dosisabhängige Heterogenität mit zunehmender und abnehmender sowie fluktuierender Immunreaktion. Das Expressionsmuster persistierte bis zu einem Jahr nach Abschluss der Bestrahlung. Diese Befunde sind daher radiogenen Spätreaktionen zuzuordnen. Die Veränderungen der TN-C-Expressionsmuster können wenigstens teilweise zur Erklärung der späten postradiogenen Funktionsstörung im Bereich der Gl. submandibularis (z. B. der häufigen Xerostomie) beitragen.

Diese Studie wurde unterstützt durch die Hamburger Stiftung zur Förderung der Krebsbekämpfung (Projekt Nr. 149) und teilweise durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Projekt Nr. FR 1035/1-2).


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