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26. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

11.09. - 13.09.2009, Leipzig

Musikerfahrung von prälingual ertaubten Kindern nach Cochlear Implantation

Music Experience of prelingually deaf children wearing cochlear implants

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Steffi Johanna Brockmeier - HNO Universitätsklinik Basel, Schweiz
  • Silke Kunze - Kinderzentrum, München, Deutschland
  • Mattheus Vischer - HNO Universitätsklinik, Bern, Schweiz
  • Thomas Stark - Cochlear Implant Zentrum, Universität Bochum, Deutschland
  • A. Hildmann - Cochlear Implant Zentrum, Universität Bochum, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 26. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Leipzig, 11.-13.09.2009. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2009. Doc09dgppV12

doi: 10.3205/09dgpp18, urn:nbn:de:0183-09dgpp180

Veröffentlicht: 7. September 2009

© 2009 Brockmeier et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Abstract

Although children with cochlear implants participate in a number of musical activites, little is known about their musical exposition and activities.

We adapted the MUMU questionnaire for adults for kids and cover musical experience and exposures in 18 questions. There is a version for ci users and normal hearing subjects. We collected the data of 102 Ci users and 29 normal hearing subjects. The data was analysed with the Chi square test in SPSS. The average age of the CI users was 7.3 (SD 3.9) yrs and 5.5 (SD 3.1) yrs for normal hearing children. The average implant experience was 3.7 (SD 2.7) yrs. 16% of the patients were bilaterally implanted, 84% unilaterally. Distribution of implants was 69% Combi 40/40+/Pulsar; 30% Nucleus 22/24; 1% ABC. 13 CI kids had additional handicaps.

Families of hearing impaired rate role music plays in their live less important than those of the normal hearing children, however not significantly so. The overall exposure of music is the same in both groups. However, children with ci are less actively engaged in musical activities.

Although cochlear implanted prelingually deaf children are involved in musical activities, they do not develop a spontaneous approach to music to the extent their normal hearing peers do. Families with cochlear implanted children should be encouraged to participate more in musical activities as this is supportive for speech development also in normal hearing subjects.


Text

Der Fortschritt der Technologie von Cochlear Implant sowie die Ausweitung der Implantationskriterien hin zur größeren Resthörigkeit haben dazu geführt, dass das Verstehen mit den aktuellen Implantatsystemen in Ruhe für westliche Sprachen gut bis sehr gut ist. Die Fähigkeit der Wahrnehmung von komplexen akustischen Ereignissen wie Verstehen von Sprache im Störgeräusch und von tonalen Sprachen sowie das Hören von Musik sind auch heute immer noch nur sehr eingeschränkt möglich.

Musik ist ein wichtiges Element im Leben normal hörender Erwachsener und Kinder. Es wurde gezeigt, dass postlingual ertaubte Erwachsene, unabhängig von der jeweils verwendeten Implantattechnologie, nach der Implantation zu 65% regelmäßig Musik hören [1]. Vongpraisal et al. [2] berichten, dass es für CI-Kinder schwierig ist bekannte Lieder ohne Lyrik zu identifizieren und dass diese Gruppe Musik meist als unangenehm empfindet. Dennoch nehmen die Kinder an einer Vielzahl von musikalischen Aktivitäten teil, nämlich Singen, Tanzen und Instrumentalunterricht [2]. Da es sich bei diesen Studien nur um kleine, nicht repräsentative Patientenkollektive handelt, ist es Ziel dieser Arbeit, die musikalische Exposition und die Aktivitäten einer größeren Anzahl von implantierten Kindern zu erfassen.

Methode

Patienten

Es wurden die Fragebögen von 102 Kindern mit Cochlear Implantaten aus 3 Cochlear Implant-Zentren und von 29 normal hörenden Kindern ausgewertet. Das Alter der CI-Träger liegt im Mittel bei 7,3 Jahren (SD 3,9). Die Implantaterfahrung im Mittel bei 3,7 Jahren (SD 2,7). 16% der Kinder waren bilateral implantiert, 84% unilateral. Das mittlere Alter des Normalkollektivs liegt bei 5,5 Jahren (SD 3,1). Die Implantate verteilen sich wie folgt: 69% Combi 40/40+/Pulsar, 30% Nucleus 20/24; 1% ABC. 13% der CI-Kinder hatten zusätzliche, leichtere Behinderungen; von den normal hörenden Kindern keines. Kinder wurden als normal hörend akzeptiert, wenn sie keine positive Anamnese von rezidivierenden Paukenergüsse, eine regelrechte Sprachentwicklung und keine Risikofaktoren für eine sensorineurale Schwerhörigkeit auswiesen. Im Wesentlichen wurden sie aus einem Münchner Kindergarten rekrutiert.

MUMU-Fragebogen

Die Befunde zur Musikerfahrung bei Kindern mit Cochlear Implantaten wurden mittels einer Adaptation des MUMU-Fragebogens [1] erfasst. Der MuMu Kids umfasst 18 Fragen zur musikalischen Exposition und Erfahrung von CI-Kindern. Darüber hinaus werden bei den implantierten Kindern auch Fragen zur Sprachentwicklung gestellt. In dieser Publikation wird ein Teil der Ergebnisse vorgestellt. Alle Fragebögen wurden von den Eltern selbstständig ausgefüllt.

Ergebnisse

Während 54% der Familien mit normal hörenden Kindern Musik eine wichtige Rolle zumessen, ist das bei den Familien mit CI-Trägern nur in 44% der Fall. Der Unterschied ist nicht signifikant. Dennoch haben die Kinder mit CI in vielen Situationen Kontakt mit Musik (Abbildung 1 [Abb. 1]). Die CI-Träger haben diesen Kontakt signifikant häufiger beim Fernsehen und beim Sport, aber signifikant weniger beim Singen. Die Reaktion auf Musik ist in den beiden Gruppen im Wesentlichen gleich. Allerdings lassen sich die normal hörenden Kinder signifikant besser von Musik beruhigen (Abbildung 2 [Abb. 2]). Die aktive Teilnahme am Musikgeschehen ist bei den CI-Trägern geringer ausgeprägt außer beim Kaufen von Musik (Tabelle 1 [Tab. 1]). Signifikant wird der Unterschied für „bittet die anderen zu singen“ und „fordert Musik ein“. Was die Beobachtung betrifft, dass das Kind von Musik beruhigt wird, berichten signifikant mehr Eltern von normal hörenden Kindern, dass diese zufriedener werden und alleine spielen (62% vs. 19%).

Diskussion

Es ist eine methodische Herausforderung, Leistungen von kleinen Kindern mit CI mit normal hörenden Kindern zu vergleichen, da das Höralter von der sonstigen Entwicklung abweicht. Wir haben daher die Gruppen so gewählt, dass die normal hörende Kontrollgruppe im Alter zwischen dem kalendarischen Alter der CI-Gruppe und deren Höralter liegt. Obwohl die CI-Träger in denselben Situationen Musik ausgesetzt sind wie normal hörende Kinder, wird die Rolle der Musik in den Familien als geringer eingestuft. Dies ist vor dem Hintergrund, dass die Gewöhnung nach der Implantation auf Sprache fokussiert ist zu verstehen. Erfreulich ist zu sehen, dass beide Gruppen im Wesentlichen gleich auf Musik reagieren, allerdings hat sie bei normal hörenden Kindern eine bessere beruhigende Wirkung. Dies kann durch eine qualitativ bessere Musikverarbeitung und konsekutiv eine bessere Stimulation der basalen Hirnstrukturen bedingt sein. Obwohl die normal hörenden Kinder jünger waren, waren sie aktiver am musikalischen Geschehen beteiligt. Es steht aus zu untersuchen, ob ein systematisches Musiktraining von Kindern die Defizite in der Musikwahrnehmung von sehr jungen CI-Trägern ausgleichen kann. Es wäre zu erwarten, dass dieses Training auch einen positiven Einfluss auf die Sprachentwicklung ausübt.


Literatur

1.
Brockmeier SJ, Grasmeder M, Passow S, Mawmann D, Vischer M, Jappel A, Baumgartner W, Stark T, Müller J, Brill S, Steffens T, Strutz J, Kiefer J, Baumann U, Arnold W. Comparison of musical activities of cochlear implant patients using different speech coding strategies. Ear Hear. 2007;28(2 Suppl):49S-51S.
2.
Vongpraisal T, Trehub SE, Schellenberg EG. Song recognition by children and adolescents with cochlear implants. J Speech Lang Hear Res. 2006;49(5):1091-103.