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23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

15. - 17.09.2006, Heidelberg

Posttherapeutische Ergebnisse bei Auditiver Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung im Kindesalter

Vortrag

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Heidelberg, 15.-17.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06dgppV11

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2006/06dgpp15.shtml

Veröffentlicht: 5. September 2006

© 2006 Wulke et al.
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Zusammenfassung

Einleitung: Eine gestörte auditive Verarbeitung und Wahrnehmung im Kindesalter kann außer Defiziten bei der sprachlichen Kompetenz auch eine reduzierte Bildungsfähigkeit zur Folge haben. Defizitorientierte therapeutische Konzepte zeigen gute Erfolge.

Methoden: Um den Therapieeffekt darzustellen, untersuchten wir 53 Kinder im Alter von 8 bis 14 Jahren, bei welchen nach durchschnittlich 15 Monaten eine Kontrolluntersuchung pathologischer auditiver Verarbeitungs- und Wahrnehmungsleistungen durchgeführt wurde. Im Vorfeld der Untersuchung erhielten die Kinder durchschnittlich 30 Einheiten eines logopädischen störungsspezifischen Hörtrainings. 9 Kinder wurden bei auffälligen Sprachverständnisleistungen im Störgeräusch zusätzlich mit einem Hörgerät versorgt.

Ergebnisse: Unabhängig von den zusätzlich zum Hörtraining angewandten Therapiemethoden konnten deutliche Verbesserungen bei der Sprachverständnisfähigkeit im Störschall, der dichotischen Diskrimination und der Lautdiskrimination festgestellt werden. Nur geringe Verbesserungen mit einer gewissen therapierefraktären Potenz waren bei der Hörmerkspanne und der Zeitkompression zu sehen. Die sprachliche Kompetenz zeigte ebenfalls einen deutlichen Zuwachs. Die Hörgeräteträger zeigten in allen kontrollierten Modalitäten mit Ausnahme der Zeitkompression deutliche Verbesserungen bei unverändert normalem peripheren Hörvermögen.

Zusammenfassung: Der überwiegende Anteil der untersuchten Kinder profitiert von einer störungsspezifischen Therapie nach dem individuellen Störungsprofil, wobei unter den einzelnen Therapieoptionen aufgrund der Inhomogenität der Untersuchungsgruppe noch nicht unterschieden werden konnte. Diesbezüglich ist eine Vergrößerung der Untersuchungsgruppe mit standardisierter und randomisierter Vorgehensweise notwendig.


Text

Einleitung

Eine gestörte auditive Verarbeitung und Wahrnehmung im Kindesalter führt häufig zu Einschränkungen des Hörgedächtnisses, Problemen bei der Unterscheidungsfähigkeit ähnlich klingender Laute, Defiziten bei der sprachlichen Kompetenz und Lese-Schreibfähigkeit. Dies kann auch eine reduzierte Bildungsfähigkeit zur Folge haben. Bei der Diagnostik findet neben einer logopädischen Sprachüberprüfung eine umfassende audiologische Testbatterie Anwendung. Weiterhin werden die Lese-Rechtschreibfähigkeit, visuelle Wahrnehmungsleistungen und die Intelligenz überprüft. Die therapeutischen Empfehlungen erfolgen individuell entsprechend der Störungsschwerpunkte. Ein logopädisches Hörtraining unter restitutiven Ansatzpunkten bildet dabei den Kern der therapeutischen Interventionen. Zur Verbesserung der akustischen Signalqualität kann in ausgewählten Fällen bei eingeschränktem Sprachhörvermögen im Störlärm eine Hörgeräteanpassung empfohlen werden. Weiterhin sind psychologische Ansatzpunkte, insbesondere bei zusätzlichen Begleitsymptomen (z.B. ADHS, Intelligenzdefizit, Verhaltensauffälligkeit) sinnvoll.

Methoden

Um den Therapieeffekt darzustellen, untersuchten wir 53 Kinder im Alter von 8 bis 14 Jahren, bei welchen nach durchschnittlich 15 Monaten eine Kontrolluntersuchung pathologischer auditiver Verarbeitungs- und Wahrnehmungsleistungen durchgeführt wurde. Im Vorfeld der Untersuchung erhielten die Kinder durchschnittlich 30 Einheiten eines logopädischen störungsspezifischen Hörtrainings. 9 Kinder wurden bei auffälligen Sprachverständnisleistungen im Störgeräusch zusätzlich mit einem Hörgerät versorgt.

Ergebnisse

Unabhängig von den zusätzlich zum Hörtraining angewandten Therapiemethoden konnten deutliche Verbesserungen bei der Sprachverständnisfähigkeit im Störschall, der dichotischen Diskrimination und der Lautdiskrimination festgestellt werden. Nur geringe Verbesserungen mit einer gewissen therapierefraktären Potenz waren bei der Hörmerkspanne und der Zeitkompression zu sehen. Die sprachliche Kompetenz zeigte ebenfalls einen deutlichen Zuwachs. Die Hörgeräteträger zeigten in allen kontrollierten Modalitäten mit Ausnahme der Zeitkompression deutliche Verbesserungen bei unverändert normalem peripheren Hörvermögen. Eine Differenzierung der einzelnen therapeutischen Maßnahmen mit ihren Auswirkungen auf die auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsleistungen war im Rahmen unserer Studie nicht möglich, da zum einen die Störungsausprägung einschließlich der Symptomkonstellation sehr inhomogen war und zum anderen die therapeutischen Maßnahmen nicht standardisiert und randomisiert durchgeführt werden konnten. Defizitorientierte therapeutische Konzepte zeigten insgesamt gute Erfolge.

Zusammenfassung

Der überwiegende Anteil der untersuchten Kinder profitiert von einer störungsspezifischen Therapie nach dem individuellen Störungsprofil. Die störungsspezifischen Hörtrainingstherapien nutzen die Plastizität des kindlichen Gehirns aus und führen zu einer Verbesserung der auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsleistungen (insbesondere Sprachaudiometrie im Störschall, Lautdiskrimination, dichotische Diskrimination, Sprachkompetenz) sowie der allgemeinen Lebensumstände des Kindes. Um die verschiedenen Therapiekonzepte hinsichtlich ihrer spezifischen Effizienz bei AVWS differenzieren zu können, ist eine Vergrößerung der Untersuchungsgruppe mit standardisierter und randomisierter Vorgehensweise notwendig.


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