gms | German Medical Science

100 Jahre Phoniatrie in Deutschland
22. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie
24. Kongress der Union Europäischer Phoniater

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

16. bis 18.09.2005, Berlin

Stimm- und Sprechbelastung bei der Bundeswehr

Voice and speech load in military jobs

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Yvonne Stelzig - Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Abt. V, HNO, Koblenz, Deutschland
  • author Roland Jacob - Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Abt. V, HNO, Koblenz, Deutschland
  • author Christian Schmidt - Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Abt. V, HNO, Koblenz, Deutschland

100 Jahre Phoniatrie in Deutschland. 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, 24. Kongress der Union der Europäischen Phoniater. Berlin, 16.-18.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05dgppV29

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2005/05dgpp081.shtml

Veröffentlicht: 15. September 2005

© 2005 Stelzig et al.
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Zusammenfassung

Im Gegensatz zu zivilen Sprechberufen ist der Wissenstand über die besonderen stimmlichen und kommunikativen Anforderungen von Bundeswehrangehörigen als gering anzusehen. Zu nennen sind die stimmlichen und artikulatorischen Erfordernisse bei Verwendung der Nachrichtentechnik, Einflüsse unterschiedlicher Umweltbedingungen wie schnelle Klima- und Luftdruckveränderungen oder starke körperliche Belastungen. In einer ersten Untersuchung erfolgte mittels Fragebogen die spezifische Stimm- und Sprechbelastung von 200 Bundeswehrangehörigen. Neben der beruflichen Tätigkeit sowie Dauer der Stimm- und Sprechbelastung wurde auch der Voice Handicap Index in der Befragung eingesetzt.

In Zusammenarbeit mit dem Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr wurde im Herbst 2004 eine Studie begonnen, welche die körperlichen und psychischen Auswirkungen im Rahme starker Belastung untersuchen sollen. Die Soldaten wurden im Rahmen eines mehrtägigen Häuserkampfes vor, während und danach spezifischen Tests unterzogen. Unter anderem erfolgte eine Stimmaufnahme mittels standardisierten Text (Der Nordwind und die Sonne), bei dem Änderungen der Stimmqualität, der mittleren Sprechstimmlage, Versprecher und Atemtyp ermittelt wurden.


Text

Einleitung

Der verbale Informationsaustausch ist das wichtigste Kommunikationssystem im Rahmen militärischer Aufgaben. Im Gegensatz zu zivilen Sprechberufen ist der Wissenstand über die besonderen stimmlichen und kommunikativen Anforderungen von Bundeswehrangehörigen als gering anzusehen. Zu nennen sind die stimmlichen und artikulatorischen Erfordernisse bei Verwendung der Nachrichtentechnik, Einflüsse unterschiedlicher Umweltbedingungen wie schnelle Klima- und Luftdruckveränderungen oder starke körperliche Belastungen.

In einer ersten Untersuchung erfolgte mittels Fragebogen die spezifische Stimm- und Sprechbelastung von 200 Bundeswehrangehörigen. Neben der beruflichen Tätigkeit sowie Dauer der Stimm- und Sprechbelastung wurde auch der Voice Handicap Index [1], [2], [3] in der Befragung eingesetzt.

Ergebnisse und Diskussion:

Der Hauptteil der Befragten rekrutiert sich aus den Dienstgradgruppen Mannschaft und Unteroffiziere, in den Altersstufen 21-25 Jahre und älter als 31 Jahre. In der Auswertung konnte der Behandlungsgrund (die HNO-Erkrankung) weitestgehend herausgerechnet werden. Interessant ist, dass keiner von den Befragten mit einem Behandlungswunsch bezüglich der Stimm- und Sprachproblem in unsere Abteilung zugeführt wurde.

Es wurden verschiedene Merkmale anhand der Untersuchungsbögen erfragt und miteinander verglichen. Zum einen interessieren besonders die Ergebnisse der Gruppen, die eine so genannte „Kommandostimme" bzw. die „Funktechnik" benutzen, im Vergleich zum Gesamtkollektiv. Von 192 abgegebenen Fragebögen bzw. Soldaten benutzen 13/192 (6,78%) die Funktechnik und 32/192 (16,67%) die „Kommandostimme".

Merkmal

Telefon: 86/192 - (44,79%)

Konferenzen: 26/192 - (13,54%)

Kommandostimme: 32/192 - (16,66%)

Funktechnik: 13/192 - (6,77%)

Einzelgespräche: 125/192 - (65,1%)

Funktechnik

Es haben aus der Gruppe der Funktechniker 38,4% (19,3% Gesamt) bzgl. einer Schluckstörung einen Arzt aufgesucht und jeweils 23% über eine Zunahme der Heiserkeit am Arbeitsplatz (15,1% Gesamt) bzw. eine häufige Schluckstörung (17,7% Gesamt) geklagt.

Kommandostimme

Auch in der Gruppe der Kommandostimme fällt auf, dass bei den abgefragten Merkmalen Veränderungen gegenüber dem Gesamtkollektiv vorhanden sind. Besonders ist hier das gehäufte Auftreten von der Zunahme der Heiserkeit am Arbeitsplatz mit 31,3% (15,1% Gesamt), Zunahme der Heiserkeit in der Freizeit 9,4% (6,8% Gesamt) und Schluckstörungen/Missempfindungen 21,8% (17,7% Gesamt) gegenüber dem Gesamtkollektiv zu erwähnen.

Sprechbelastung

Auch das Merkmal der Sprechbelastung zeigte Unterschiede in der Gruppe der Funktechnik im Vergleich zum Gesamtkollektiv. Hier fiel die wesentlich höhere Sprechbelastung mit 5-6 Stunden bei dem Merkmal „Sprechbelastung beruflich" und „Sprechbelastung draußen" ins Auge.

Auch in der Gruppe der „Kommandostimme" fiel im Vergleich zum Gesamtkollektiv eine höhere Sprechbelastung mit „5-6 Stunden draußen" bzw. „> 6 Stunden beruflich" ins Auge.

Nicht einzuordnen ist die hohe private Sprechbelastung mit > 6 Stunden in der Gruppe der Funktechnik.

Voice Handicap Index (modifiziert)

Bei dem Vergleich der Gruppe "Funktechnik" zum Gesamtkollektiv fällt bei dem Merkmal „Voice Handicap Index" auf, dass im Verhältnis zwar mehr Personen subjektiv keine Beeinträchtigung durch eine Kommunikationsstörung haben, aber dennoch im Verhältnis hier mit 7,69% Personen hochgradig beeinträchtigt sind.

Bei dem Vergleich der Gruppe „Kommandostimme" gegenüber dem Gesamtkollektiv, zeigt sich bei dem Beeinträchtigungsmerkmal „mittelgradig" eine Auffälligkeit mit 12,5% der Personen.

Trotz des vorselektiven Untersuchungskollektivs der HNO-Ambulanz des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz konnten Auffälligkeiten von Kommunikationsstörungen bei bestimmten Personengruppen festgestellt werden. So zeigt sich in der Untergruppe „Funktechnik" und „Kommandostimme" ein gehäuftes Auftreten von Heiserkeit und Schluckstörungen, sowie eine zum Teil deutliche tägliche Mehrbelastung der Stimme während der Arbeitszeit, einschließlich einer erhöhten Sprechbelastung draußen. Abschließend sollte man nicht außer Acht lassen, dass 7,69% bzw. 12,5% der Patienten sich subjektiv hochgradig bzw. mittelgradig beeinträchtigt aufgrund ihrer Kommunikationsstörung fühlen. Dies ist mit Studien ähnlicher Berufsgruppen vergleichbar.

Gerade auch im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Bundeswehr hin zu einer Armee, die viele Einsätze im Ausland bestreitet oder auch die Weiterentwicklung in der Ausrüstung des Soldaten (Infanterist der Zukunft, Gruppenfunkgerät inkl. GPS), wird eines immer wichtiger, die Kommunikation mit dem Hilfsmittel „Sprache" Strukturen und Situationen im Verband einer Armee bedürfen heute zwar immer noch den schriftlichen Befehl, aber in Grenzsituationen müssen Befehle schnell aber auch präzise den Empfänger erreichen. Dies erfolgt momentan und wird wohl auch in der Zukunft mündlich, also per Stimme erfolgen. Daher ist es wichtig, dass Kommunikation trainiert, aber auch auf Fehler hin untersucht wird.

Im Rahmen der HNO-ärztlichen Sprechstunde, sowie der phoniatrischen Sprechstunde im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz fallen immer wieder Soldaten auf, die sich mit einer Stimmerkrankung zur weiteren Behandlung vorstellen. Bei weiterer Befragung fällt auf, dass die Sprechbelastungen in der beruflichen Situation zum Teil sehr hoch bzw. in einer besonderen Umgebung (Innenraum eines gepanzerten Fahrzeugs mit Funktechnik ausgestattet) stattfinden. Diese genannten Umstände führen in der Folge häufig zu falschen oder zu lauten Benutzung der Stimme, bzw. des Sprechapparates. Daher hat die Abteilung V, BWZK Koblenz, begonnen, diese Problemstellung zu analysieren und durch ein Behandlungsangebot (Logopädie, Phoniatrie) ein neues Leistungsangebot aufzubauen.

In Zusammenarbeit mit dem Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr wurde im Herbst 2004 eine Studie begonnen, welche die körperlichen, stimmlichen und psychischen Auswirkungen im Rahmen starker Belastung untersuchen sollen. Die Soldaten wurden im Rahmen eines mehrtägigen Häuserkampfes vor, während und danach spezifischen Tests unterzogen. Unter anderem erfolgte eine Stimmaufnahme mittels standardisierten Text (Der Nordwind und die Sonne), bei dem Änderungen der Stimmqualität, der mittleren Sprechstimmlage, Versprecher und Atemtyp ermittelt wurden. Die Untersuchungen zeigen, dass sich die Stimmqualität der Soldaten unter starker körperlicher Belastung nicht signifikant verschlechtert hat.


Literatur

1.
Voice Handicap Index, deutsche Fassung. Dt. Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e.V., www.dgpp.de
2.
Nawka T, Gonnermann U, Wiesmann U (2002) Deutsche Fassung des Voice Handicap Index (VHI). In: Gross M, Kruse E (2002) Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 2002/2003. Median, Heidelberg, S131-136
3.
Weigelt S, Krischke S, Klotz M, Hoppe U, Köllner V, Eysholdt U, Rosanowski F. Voice Handicap Index, Instr. Zur Bestimmung d. subj. Beeinträchtigung durch org. und funkt. Dysphonien. HNO 2004 52: 751-756