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Ein ungewöhnlicher Fall einer idiopathischen arteriellen Kalzifikation mit einer kombinierten Schwerhörigkeit: eine Falldarstellung
An unusual case of idiopathic arterial calcification with a combined hearing loss: a case report
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Autoren
Veröffentlicht: | 15. September 2005 |
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Gliederung
Abstract
Idiopathic infantile arterial calcification (IIAC; OMIM 208000) is a rare congenital, fatal disesase. It is phenotypically characterized by periarticular calcification and calcification of the internal elastic lamina of muscular arteries and myointimal proliferation. Systemic lowering of ecto-nucleotide pyrophosphatase/phosphodiesterase 1 (ENPP1) activity and inorganic pyrophosphate levels is related to IIAC.
We report the case of a 5 year old boy with IIAC syndrome born to consanguineous parents. Homozygosity for a mutation at the ENNP1 locus resulting in the amino acid change R774C was recently described [Ref. 1].
In addition to the the phenotypically characteristics features of IIAC we found ear-lobe calcifications and a bilateral combined hearing loss.
Impedance audiometry was normal. Stapedius reflex was absent in both ears. No otoacoustic emissions (DPOAEs, TEOAEs) were detected. A combined bilateral hearing loss in pure tone audiometry was reflected by the results of the auditory brain stem responses (ABRs). In addition to the hearing impairment a computed tomography of the temporal bone showed abnormalities including calcified and abnormal middle ear ossicles with missing articulations and an inner ear malformation with dehiscence of the right anterior semicircular canal. According to the literature the presence of hearing loss and the temporal bone malformation has not previously been documented in IIAC.
Text
Einleitung
Die idiopathische infantile arterielle Kalzifikation (IIAC) stellt eine äußerst seltene autosomal-rezessive Gefäßerkrankung von Arterien vom muskulären Typ dar, die pathohistologisch durch eine generalisierte Kalzifikation der Membrana elastica interna und Proliferation im Bereich der Tunica intima charakterisiert wird. Diese progrediente Obliteration des arteriellen Lumens führt häufig zu einer myokardialen Ischämie mit konsekutiver letaler kardialer Dekompensation in den ersten Lebensmonaten. Ursache dieser Erkrankung sind Genmutationen auf Chromosom 6q, die die Aktivität des kodierenden Enzyms Ecto-Nukleotid-Pyrophosphatase-Phosphodiesterase 1 (ENPP1) als physiologischen Inhibitor der Kalzifikation unterdrücken.
Fallbeschreibung
Die Vorstellung des 5;2 Jahre alten Jungen erfolgte zur pädaudiologisch-phoniatrischen Untersuchung bei diagnostizierter IIAC. Als ehemaliges Frühgeborenes der 34. Schwangerschaftswoche wurde der Sohn konsanguiner Eltern per sectio caesarea mit einem Apgar von 6/8/8 und einem Geburtsgewicht von 3070 g entbunden. Postpartal bestand bei intubationspflichtiger Ateminsuffizienz und Perikarderguss zunächst der Verdacht auf einen Herzfehler. Röntgendiagnostisch und in der CT zeigten sich Kalzifikationen im Bereich fast aller mittlerer und großer Arterien sowie Verkalkungen im Bereich der Schulter- und Hüftgelenke, die den Verdacht auf eine IIAC äußern ließen.
Diagnostik
Phänotypisch imponierten u. a. bei der Untersuchung des 94 cm großen und 14,5 kg schweren Jungen palpable koronare und sagittale Schädelnähte bei einer insgesamt progeroid-artigen Facies. Im Bereich der äußeren Ohrmuscheln fanden sich beidseits multiple prominente kalkartige Einlagerungen.
Bei der pädaudiologische Diagnostik zeigten sich beide Tympanogramme regelrecht mit einem Maximum der Compliance im Normbereich. Das Reintonaudiogramm zeigt einen Knochenleitungskurvenverlauf rechts zwischen 35-45 dB von 0,5-4 kHz mit einer pantonalen Schalleitungskomponente zwischen 40-45dB. Auf der linken Seite bewegt sich der Knochenleitungskurvenverlauf von 30 dB bei 0,5 kHz bis zu 55 dB bei 2-4 kHz mit einer einer pantonalen Schalleitungskomponente zwischen 40-45dB. Bei der Überprüfung der Stapediusreflexe waren ipsi- und kontralateral beidseits keine Reflexe bis 120 dB auslösbar. Die Überprüfung der transitorisch evozierten otoakustischen Emissionen (TEOAEs) und Distorsionsprodukte otoakustischer Emissionen (DPOAEs) ließen beidseits keine reproduzierbaren Emissionen detektieren. Die Hirnstammaudiometrie (Click-BERA) bestätigte die kombinierte Schwerhörigkeit beidseits. Es ergab rechts eine Luftleitungshörschwelle von 55dB nHL und eine Knochenleitungshörschwelle von 40 dB nHL, links eine Luftleitungshörschwelle von 75dB nHL und eine Knochenleitungshörschwelle von 40 dB nHL. Hinweise für eine retrokochleäre Genese der Innenohrschwerhörigkeit ergaben sich nicht.
Die Computertomografie des Felsenbeines zeigte verplumpte und kalzifizierte Ossiculae mit fehlendem Nachweis einer Artikulation. Auf der rechten Seite fand sich eine Bogengangsdehiszenz des rechten anterioren Bogenganges zur mittleren Schädelgrube.
Schlussfolgerung
Die charakteristischen Merkmale einer weitgehend generalisierten arteriellen Kalzifikation bei dem Krankheitsbild einer IIAC führen in vielen Fällen bereits schon im ersten Lebensjahr zum Tode. Die pädaudiologisch erhobenen Befunde und die in der CT gefundenen Fehlbildungen der Mittelohrstrukturen und der Bogengangsdehiszenz des rechten anterioren Bogenganges dokumentieren in der vorliegenden Falldarstellung einer IIAC erstmalig einen Fall mit kombinierter Schwerhörigkeit beidseits. Es ist angesichts der wenig bekannten und publizierten Fälle nicht auszuschließen, dass die IIAC mit Hörstörungen vergesellschaftet ist.
Grundsätzlich empfehlen wir bei Verdacht auf ein IIAC die frühzeitige Durchführung einer BERA und eine hochauflösende CT des Felsenbeins, um eine Hörgeräteversorgung einzuleiten.
Literatur
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