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100 Jahre Phoniatrie in Deutschland
22. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie
24. Kongress der Union Europäischer Phoniater

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

16. bis 18.09.2005, Berlin

Quantitative Autofluoreszenz-Laryngoskopie bei benignen und malignen Stimmlippenveränderungen

Quantitative autofluorescence laryngoscopy of benign and malignant vocal cord neoplasm

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Michael Raap - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie in der HNO-Klinik, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • author Norbert Koop - Institut für Biomedizinische Optik, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • author Rainer Schönweiler - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie in der HNO-Klinik, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Lübeck, Deutschland

100 Jahre Phoniatrie in Deutschland. 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, 24. Kongress der Union der Europäischen Phoniater. Berlin, 16.-18.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05dgppV45

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2005/05dgpp037.shtml

Veröffentlicht: 15. September 2005

© 2005 Raap et al.
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Zusammenfassung

Einleitung: Phoniater sind in die Frühdiagnose von Stimmlippenkarzinomen und anderen Kehlkopfkarzinomen eingebunden. Diese stützt sich bisher auf weißlichtlaryngoskopische und stroboskopische Befunde. Auf der DGPP-Tagung 2003 berichteten wir über eine visuelle Kontrastverstärkung durch Nutzung der natürlichen Autofluoreszenz des Stimmlippenepithels, die bei invasiver Infiltration typischerweise reduziert ist. Die Farbverschiebung konnte durch ein charakteristisches Grün-Rot-Verhältnis quantifiziert werden (QAF).

Methode: Diese Methode haben wir seit 2003 an einem größeren Kollektiv angewendet (57 Patienten mit benignen und 26 mit malignen Larynxneubildungen). Die Korrelationen der Quotienten mit den histologischen Merkmalen wurden nach Spearman auf Signifikanz geprüft und die Sensitivitäten und Spezifitäten mit ROC-Kurven bestimmt.

Ergebnisse: Die Korrelation des Grün-Rot-Quotienten mit dem Merkmal der Malignität betrug 0,325 (p=0,003), bei einem Quotienten von 1,43 war die Sensitivität 77% und die Spezifität 50%. Die Korrelation des Grün-Rot-Quotienten mit dem Merkmal der Gewebsverdickung betrug 0,216 (p=0,05), bei einem Quotienten von 1,43 war die Sensitivität 71% und die Spezifität 43%.

Diskussion: Die QAF ermöglicht eine verbesserte optische Kontrastverstärkung von pathologischem gegenüber gesundem Stimmlippenepithel. Aber als alleinige Methode für eine Differenzierung zwischen benignen und malignen Gewebsveränderungen ist sie aber noch nicht aussagekräftig.


Text

Einleitung

Phoniater und Pädaudiologen sind oft in die Frühdiagnose von Stimmlippenkarzinomen und anderen Kehlkopfkarzinomen eingebunden. Diese stützt sich bisher auf weißlichtlaryngoskopische und stroboskopische Befunde. Aus einem onkologischen Sicherheitsbedürfnis heraus wird dann eine großzügige, aber stimmfunktionell ungünstige Indikation zur Abtragung bevorzugt, wobei sich die Veränderung im Nachhinein als benigne herausstellen kann. Eigentlich vermeidbare dauerhafte Stimmstörungen können die Folge sein. Ein weiteres Problem entsteht bei der Nachsorge von Stimmlippenkarzinomen. Ein Rezidiv kann nicht immer sicher aufgrund des weißlichtlaryngoskopischen und stroboskopischen Befundes ausgeschlossen werden. Deshalb sind Zusatzinformationen zur besseren Differenzierung zwischen benignen und malignen Schleimhautveränderungen wünschenswert. Die positiven Erfahrungen mit der Autofluoreszenzendoskopie z.B. in der Urologie und Pneumologie begründen die Anwendung auch im Kehlkopf. Auf der Jahrestagung der DGPP 2003 berichteten wir bereits über erste Ergebnisse der visuellen Kontrastverstärkung durch die natürliche Autofluoreszenz des Stimmlippenepithels, die bei Infiltration (entzündlich oder tumorbedingt) reduziert ist [4]. Wir konnten eine charakteristische Farbverschiebung durch Quantifizierung des Grün-Rot-Verhältnisses nachweisen (QAF).

Methode

Diese Methode haben wir seit 2003 an einem größeren Kollektiv angewendet. 51 Patienten wiesen benigne Veränderungen (chronische Laryngitis n=16, Reinke-Ödem n=8, Kontaktgranulom n=5, Taschenfaltenzyste n=4, Stimmlippenpolyp n=18) auf, 11 Patienten hatten Stimmlippenleukoplakien und 26 Patienten Stimmlippenkarzinome. Bei den Patienten wurden verlustfreie digitale Fotoaufnahmen mit Weißlicht und gefiltertem Blau-Violett-Licht mit einer Wellenlänge von 380 - 440 nm angefertigt. Visuell ist die Verfärbung und Abdunklung sowohl bei maligne veränderten (Abbildung 1 [Abb. 1]) als auch bei benigne veränderten Stimmlippenbezirken (Abbildung 2 [Abb. 2]) eindeutig abzugrenzen. An solchen Fotoaufnahmen wurden Grün-Rot-Quotienten mit und ohne Einbeziehung des Intensitätsunterschiedes zwischen auffälligen Stimmlippenbezirken der betroffenen Seite und unauffälligen Stimmlippenbezirken der nicht betroffenen Seite unter Verwendung des Graphikprogramms (National Instrument LabView 7.0) berechnet.

Die Korrelationen der Grün-Rot-Quotienten mit den histologischen Merkmalen der Malignität und der Gewebeverdickung wurden unter Verwendung des Statistikprogramms SPSS nach Spearman auf Signifikanz geprüft und die Sensitivitäten und Spezifitäten mit ROC-Kurven bestimmt.

Ergebnisse

Die Korrelation des Grün-Rot-Quotienten mit dem Merkmal der Malignität betrug 0,325 (p=0,003), bei einem Quotienten von 1,43 war die Sensitivität 77% und die Spezifität 50%. Die Korrelation des Grün-Rot-Quotienten mit dem Merkmal der Gewebsverdickung betrug 0,216 (p=0,05), bei einem Quotienten von 1,43 war die Sensitivität 71% und die Spezifität 43%.

Diskussion

Die Autofluoreszenz stützt sich darauf, dass im gesunden Plattenepithel Kollagene und andere Fluophore unter Anregung mit ultraviolettem Licht sichtbares Licht aussenden, ohne dass zuvor eine chemische Substanz verabreicht wurde. Diese Methode wurde von der Arbeitsgruppe um Glanz entwickelt [2]. Im Gegensatz zur Arbeit von Arens et al. [1] wurden in unserer Arbeit nicht nur primär malignitätsverdächtige Stimmlippenveränderungen, sondern auch andere Veränderungen untersucht, weil dies einer späteren Anwendung des Verfahrens in der Praxis wesentlich näher kommt. Es konnte wie in der Arbeit von Arens et al. [1] eine Verbesserung der Erkennbarkeit malignitätsverdächtiger Stimmlippenbezirke festgestellt werden. Aber die Verbesserung reicht noch nicht aus, um die Autofluoreszenz als einziges Klassifizierungskriterium hinsichtlich Unterscheidung zwischen maligne und benigne Veränderungen zu verwenden.

Baletic et al. [3] untersuchten 38 Patienten mit malignitätsverdächtigen Stimmlippenveränderungen. Mit der Autofluoreszenz verbesserte sich die Sensitivität auf 92% gegenüber 73% bei Weißlicht ohne falsch positive Befunde. Wir konnten in unserer Arbeit feststellen, dass auch benigne Stimmlippenveränderungen ähnliche Fluoreszenzbefunde zeigen wie maligne Stimmlippenveränderungen. „Falsch positive" Befunde sind insbesondere bei Verdickung des Stimmlippenepithels zu erwarten, wie z.B. bei chronischer Laryngitis oder neu entstandenes benignes Gewebe bei Kontaktgranulomen oder Stimmlippenpolypen. Daher ist zu vermuten, dass die Autofluoreszenz zumindest für diese Neubildungen aber nicht für die Abgrenzung von benigne und maligne geeignet ist.

Dennoch ermöglicht QAF eine starke optische Kontrastverstärkung von pathologischem gegenüber gesundem Stimmlippenepithel, die es ermöglicht, auch kleine Veränderungen leichter zu erkennen. Als alleinige Methode für eine Differenzierung zwischen benignen und malignen Gewebsveränderungen ist sie aber nicht aussagekräftig.


Literatur

1.
Arens C, Dreyer T, Glanz H, Mahlzahn K: Indirect autofluorescence laryngoscopy in the diagnosis of laryngeal cancer and ist precursor lesions. Eur Arch Otorhinolaryngol 261 (2004) 71 - 76.
2.
Arens C, Malzahn K, Dias O, Andrea M, Glanz H: Endoskopische bildgebende Verfahren in der Diagnostik des Kehlkopfkarzinoms und seiner Vorstufen. Laryngo-Rhino-Otologie 78 (1999) 685 - 691.
3.
Baletic N, Petrovic Z, Pendjer I, Malicevic H: Autofluorescent diagnostics in laryngeal pathology. Eur Arch Otorhinolaryngol 261 (2004) 261 - 267.
4.
Raap M, Koop N, Brandt R, Birngruber R, Hüttmann G, Schönweiler R: Quantitative Autofluoreszenzlaryngoskopie zur Früherkennung maligner Stimmlippenveränderungen. Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 2003/2004, Band 11, 148 - 151.