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21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

10. bis 12.09.2004, Freiburg/Breisgau

Auditive Stimmbeurteilung nach dem CAPE-V-Protokoll in einer multizentrischen Studie

Kongress Abstract

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  • author presenting/speaker Ruth Evans - Universität Greifswald, HNO-Klinik, Phoniatrie/Pädaudiologie, Greifswald, Germany
  • author Tadeus Nawka - Universität Greifswald, HNO-Klinik, Phoniatrie/Pädaudiologie, Greifswald, Deutschland
  • author Yan Gong - Copenhagen Trial Unit, Centre for Clinical Intervention Research, Cochrane Hepato-Biliary Group, Kopenhagen, Dänemark
  • author Christian Gluud - Copenhagen Centre for Clinical Intervention Research, Copenhagen Trial Unit, Kopenhagen, Dänemark

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Freiburg/Breisgau, 10.-12.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04dgppV46

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2004/04dgpp75.shtml

Veröffentlicht: 9. September 2004

© 2004 Evans et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Die auditive Stimmbeurteilung ist Bestandteil der Diagnostik. Die ASHA (2002, Pittsburgh) hat eine Consensus Auditory-Perceptual Evaluation of Voice (Cape-V) vorgeschlagen. Folgende auditiv wahrnehmbaren Stimmmerkmale werden auf einer visuell-analogen Skala beurteilt: Gesamtstörungsgrad, Rauhigkeit, Behauchtheit, Anspannung, Tonhöhe, Lautheit. Der CAPE-V ist als Test nicht standardisiert.

Die VONOD-Projektgruppe strebt eine evidenzbasierte Therapiestudie der Behandlung von Stimmlippenknötchen an und prüft die Ergebniskriterien. Hypothetisch bestehen sie in der Kombination aus CAPE-V und Videostroboskopie.

156 Aufnahmen eines deutschen Standardtextes werden nach CAPE-V von 11 Beurteilern aus London (1), Nottingham (2), Kopenhagen (3) und Greifswald (5), aus den Berufsgruppen Ärzte/Phoniater (4), Therapeuten (5), Phonetiker (1) und Laien (1), beurteilt. 14 zufällig ausgewählte Aufnahmen sind doppelt.

Die Zuverlässigkeit nach Cronbach's Alpha liegt bei 0,89 für alle sechs Items. Die intraindividuelle Zuverlässigkeit nach dem Interclass Correlation Coefficient (ICC)lag zwischen 0,67 und 0,88.

Die Einzelurteile innerhalb einer lokalen Gruppe liegen eng beieinander.

Das Item 'Overall severity' = Gesamtstörungsgrad hat nach Faktorenanalyse die stärkste Aussagekraft und könnte als einziges Item zur Bewertung der Stimmqualität dienen. Eine weitere Möglichkeit ist die Kombination der ersten vier Items.


Text

Einleitung

Die auditive Stimmbeurteilung ist Bestandteil der Diagnostik und der Beurteilung von Therapieerfolgen bei organischen und funktionellen Stimmstörungen und wird bisher als Goldstandard angesehen. Ein System der auditiven Stimmbeurteilung ist die Consensus Auditory-Perceptual Evaluation of Voice (CAPE-V) der American Speech-Language-Hearing-Association (ASHA) aus dem Jahre 2002. Folgende auditiv wahrnehmbaren Stimmmerkmale werden auf einer visuellen Analogskala (VAS) beurteilt: Allgemeiner Heiserkeitsgrad (O - overall severity), Rauigkeit (R - roughness), Behauchtheit (B - breathiness), Anspannung (S - strain), Tonhöhe (P - pitch), Lautheit (L - loudness). Der CAPE-V ist als Test nicht standardisiert.

Die VONOD-Projektgruppe, die sich innerhalb von Europa darum bemüht, die Behandlung von Stimmlippenknötchen evidenzbasiert auszuwerten, übernahm den Beurteilungsmodus von CAPE-V, nämlich die VAS, für eigene Stimmproben. Als Sprachmaterial diente in unserer Untersuchung der deutsche Standardtext „Der Nordwind und die Sonne".

Es sollte die Frage beantwortet werden, ob alle beurteilten Parameter gleichermaßen wichtig sind für das Gesamturteil über eine Stimme. Des Weiteren war zu klären, ob man eine Änderung der Stimmqualität nach Therapie mit Hilfe der VAS erfassen kann.

Material und Methoden

156 Aufnahmen eines deutschen Standardtextes werden nach dem CAPE-V-Schema beurteilt [Abb. 1]. Der Untersucher markiert das zu beurteilende Merkmal auf der visuellen Analogskala und vermerkt, ob es ständig oder zeitweilig auftritt. Die 15 Beurteiler kommen aus Kopenhagen (3), Greifswald (5), Erlangen (3), London (1) und Nottingham (3) und sind Ärzte/Phoniater (4), Therapeuten (9), Phonetiker (1) und Laien (1). Die Gruppe der Therapeuten wird von Logopäden, Sprechwissenschaftlern und Patholinguisten gebildet. Die Teilnehmer wurden vor dem „Bewertungsmarathon" (Dauer der Hörtests ca. 3 Stunden) nicht einheitlich in der Methode geschult.

14 zufällig ausgewählte Aufnahmen sind doppelt. Zu den 142 Aufnahmen lagen weitere Daten vor: RBH-Bewertung, Jitter, Maximalfrequenz, Minimallautstärke und Tonhaltedauer, DSI.

Ergebnisse

Cronbachs's Alpha ist der am weitesten verbreitete Reliabilitätskoeffizient. Er liegt in der vorliegenden Auswertung für die VAS bei 0,96.

Die Korrelation zwischen den 15 Bewertern aus fünf Zentren wird mit dem Interclass-Korrelationskoeffizienten (ICC) berechnet [Tab. 1].

Um die Verlässlichkeit der Aussagen eines einzelnen Beurteilers zu bestimmen, wurden ihm 14 Stimmaufnahmen ohne sein Wissen zweimal zur Bewertung vorgegeben. In der statistischen Auswertung wird diese intraindividuelle Zuverlässigkeit ebenfalls mit dem Interclass Correlation Coefficient (ICC) berechnet. Sie wird in Tabelle 2 [Tab. 2] wiedergegeben.

Die Regressionsanalyse zeigt ein Bestimmtheitsmaß von 0.933 [Abb. 2]. Der Vergleich beider Urteile zu den wiederholt dargebotenen Stimmen korreliert hoch: r<0.966. Die mittlere Differenz des Paarvergleiches von 1.82 mm ist nicht signifikant. Das 95%-Konfidenzintervall der beiden Mittelwerte liegt zwischen -2.1 und 5.7und beträgt damit 7,8 mm.

Eine Hauptkomponentenanalyse der Stimmqualitäten (ORBSPL) zeigt, dass der allgemeine Heiserkeitsgrad (overall severity) die Stimmbeurteilung dominiert [Abb. 3]. Der Eigenwert des allgemeinen Heiserkeitsgrads lag bei 5,07 und erklärt 84% der auftretenden Varianz.

Der allgemeine Heiserkeitsgrad vor Therapie lag im Mittel bei 44.1 mm und nach Therapie bei 27.7 mm. Die Differenz von 16,4 mm ist signifikant (p<0.001).

Diskussion

Cronbach's Alpha wird benutzt, um den Grad der Zuverlässigkeit eines Messinstruments zu bestimmen, wenn dieses zu verschiedenen Zeiten, oder an verschiedenen Orten oder von verschiedenen Beurteilern benutzt wird. Allgemein wird angenommen, dass ein Wert von 0.70 oder höher eine hohe Zuverlässigkeit voraussagt.

Die Übereinstimmung in der Bewertung der Stimmmerkmale durch verschiedene Hörer aus mehreren Ländern mit unterschiedlicher Muttersprache ist sehr hoch. Weder nationale Einflüsse noch der deutsche Text haben die Übereinstimmung der Urteile wesentlich gemindert.

Die wiederholte Bewertung einer Stimme sagt etwas über die Verlässlichkeit der auditiven Beurteilung aus. Der ermittelte ICC zwischen 0.79 und 0.98 weist auf eine hohe Urteilssicherheit der Teilnehmer der Studie hin. Einflüsse durch den Beruf oder die professionelle Erfahrung lassen sich nicht finden. Die unterschiedliche Berufserfahrung von Therapeuten, Ärzten oder einer Laienperson spiegelt sich in den Ergebnissen nicht wider.

Aus der zweimaligen Stimmeinschätzung lässt sich folgern, dass auf der 100 mm Skala eine Differenz von 8 mm als Unterschied gewertet werden kann.

Der allgemeine Heiserkeitsgrad allein genügt, um Stimmqualitäten voneinander abzugrenzen. Die anderen Qualitäten haben einen beschreibenden Charakter. Sie ergänzen aber das Gesamturteil zum Heiserkeitsgrad nicht durch andere unabhängige Aspekte.

Zur Validität wurde geprüft, ob die Stimmen vor und nach Therapie ein auditiv anderes Urteil erhalten. Die 16,4 mm Unterschied auf der Skala des allgemeinen Heiserkeitsgrades liegen oberhalb der mindestens nötigen Differenz von 8 mm. Mit der auditiven Beurteilung kann demzufolge die Verbesserung der Stimmqualität nach Phonochirurgie nachgewiesen werden.

Eine Beziehung zwischen der Ordinalskala, wie sie bei der RBH- und GRBAS-Bewertung verwendet wird, und der VAS wird in einem späteren Experiment untersucht.


Literatur

1.
ASHA (2002). "The American Speech-Language-Hearing Association's (ASHA) Consensus Auditory-Perceptual Evaluation of Voice (CAPE-V)." http://www.asha.org/NR/rdonlyres/3FA67246-279B-4DA2-84D8-BEFCA5D99345/0/22559_1.pdf