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21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

10. bis 12.09.2004, Freiburg/Breisgau

Heidelberger Lautdifferenzierungstest (H-LAD): Ermittlung von Normen für Klassenstufe 3

Vortrag

  • author presenting/speaker Sonja Dockter - Univ.-HNO-Klinik, Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen sowie Pädaudiologie, Heidelberg, Deutschland
  • author Friederike Feldhusen - Univ.-HNO-Klinik, Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen sowie Pädaudiologie, Heidelberg, Deutschland
  • author Monika Brunner - Univ.-HNO-Klinik, Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen sowie Pädaudiologie, Heidelberg, Deutschland
  • author Ute Pröschel - Univ.-HNO-Klinik, Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen sowie Pädaudiologie, Heidelberg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Freiburg/Breisgau, 10.-12.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04dgppV28

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2004/04dgpp54.shtml

Veröffentlicht: 9. September 2004

© 2004 Dockter et al.
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Zusammenfassung

Seit 1998 findet der Heidelberger Lautdifferenzierungstest (H-LAD) breite Anwendung in der differentialdiagnostischen Abklärung von auditiven Wahrnehmungsstörungen und Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten. Bisher fehlten Normen für Klassenstufe 3, eine Altersklasse in der diese Schwierigkeiten häufig erstmals in Erscheinung treten und eine standardisierte Bewertung notwendig ist.

Es wurden 8 dritte Grundschulklassen (N=141) untersucht. Innerhalb einer umfangreichen Testbatterie wurden Lautdifferenzierung (H-LAD) und Rechtschreibung (DRT3) geprüft.

Die Mittelwerte (MW) der Rohwerte (RW) lagen im Untertest auditive Analyse bei 21, im Untertest kinästhetische Analyse bei 17,3 von je 25 und bei der Anlautanalyse bei 10,1 von 12 Items. Nach Ermittlung der Prozentrang-Normen erstreckt sich der Durchschnittsbereich zwischen RW 18 u. 24 (auditive Analyse), zwischen 12 u. 22 (kinästhetische Analyse) und zwischen 7 u. 11 (Anlautanalyse).

Im Vergleich (2., 3. u. 4. Klasse) zeigt sich ein kontinuierlicher Lernzuwachs im auditiven Bereich während dieser in den anderen Bereichen bereits in der 2. Klasse weitgehend abgeschlossen ist. Wie bereits für 2. und 4. Klassen zeigt sich eine hohe Korrelation zwischen DRT und H-LAD. Der H-LAD ist somit auch für 3. Klassen zur Abklärung einer Lese-Rechtschreibstörung und zur Indikationsstellung einer entsprechenden Förderung aussagekräftig.


Text

Einleitung

Bereits 1998 entwickelten Brunner und Körkel den Heidelberger Lautdifferenzierungstest (H-LAD) [1], [2]. Dieser findet seither breite Anwendung in der differentialdiagnostischen Abklärung von auditiven Wahrnehmungsstörungen und Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten. Bisher lagen Normwerte nur für Klassenstufe 2 und 4 vor. Es fehlten Normwerte für die Klassenstufe 3. Das ist eine Altersklasse, in der die genannten Schwierigkeiten häufig im Rahmen ungeübter Diktate erstmals in Erscheinung treten und dementsprechend eine standardisierte Bewertung besonders wichtig ist.

Methode

An der Untersuchung nahmen insgesamt 144 Kinder aus acht dritten Klassen mehrerer Regelgrundschulen teil. An acht Vormittagen wurde jeweils eine dritte Klasse in den Räumen der Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen sowie Pädaudiologie der Univ.-HNO-Klinik untersucht. In unterschiedlicher Reihenfolge wurde bei den Kindern eine ohrenärztliche und audiologische Diagnostik (Ohrmikroskopie, Tympanometrie, Tonaudiometrie) durchgeführt und die Lautdifferenzierung mit dem H-LAD überprüft. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde im Rahmen einer Gruppentestung in der Schule bei allen Kindern die Rechtschreibleistung mittels des diagnostischen Rechtschreibtests (DRT 3, Normierungszeitraum wurde beachtet) sowie die Leseleistung mittels der Würzburger Leise Leseprobe (WLLP) untersucht.

Der H-LAD berücksichtigt die sprachpathologischen Gesetzmäßigkeiten einer mangelnden Lautdifferenzierung. In dem Test sind die zu differenzierenden Laute systematisiert nach Lautbildungsart (stimmhaft/stimmlos) und Lautbildungsort (z.B. labial, dental, laryngeal). Die Trennschärfegenauigkeit wird im auditiven sowie im kinästhetischen Bereich über die Nachsprechleistung geprüft. Zusätzlich werden die metasprachlichen Fähigkeiten anhand der Fähigkeit, Konsonantencluster am Wortanfang zu analysieren, untersucht.

Der DRT 3 überprüft die Rechtschreibung in Form von Lückentext-Diktaten und kann differenziert nach Art der Fehler ausgewertet werden (Wahrnehmungsfehler, Regelfehler, Merkfehler).

Im ersten Teil der Auswertung wurden Mittelwert und Standardabweichung der Rohwerte des H-LAD und des DRT 3 berechnet. Hierbei wurden zunächst der Rohwert (RW) des gesamten Tests sowie die Rohwerte der Untertests bestimmt: Im H-LAD für die Untertests auditive Lautdifferenzierung (H-LAD 1a), kinästhetische Lautdifferenzierung (H-LAD 1b) und Analyse der Anlaute (H-LAD 2, im DRT 3 getrennt nach Fehlerart Wortdurchgliederung und Wahrnehmungstrennschärfe. Für den H-LAD wurden darüber hinaus entsprechende Prozentrang(PR)-Normen aufgestellt, die mit den bereits bekannten Normen für die Klassenstufen 2 und 4 verglichen wurden.

Im zweiten Teil der Auswertung wurden die entsprechenden RW von H-LAD und DRT 3 korreliert.

Ergebnisse

Nach Ausschluss von 3 Kindern aufgrund von mittelohrbedingten Hörstörungen konnten 141 Kinder in die Auswertung einbezogen werden. Die Kinder waren im Mittel 9;1 Jahre alt. Das jüngste Kind war 7;7 Jahre alt, das älteste 11;5. Die Geschlechtsverteilung war mit 71 (50,6%) Jungen und 70 (49,4%) ausgeglichen.

Im Untertest auditive Lautdifferenzierung lag der Mittelwert des RW bei 21 von 25 Items, im Untertest kinästhetische Lautdifferenzierung bei 17,3 von 25 Items und bei der Anlautanalyse bei 10,1 von 12 Items.

Nach Ermittlung der PR-Normen, Durchschnittsbereich PR 15-85, erstreckt sich die durchschnittliche RW-Verteilung zwischen RW 18 u. 24 für die auditive Lautdifferenzierung (Klassenstufe 2: 17-22; 4: 20-24), zwischen 12 u. 22 für die kinästhetische Lautdifferenzierung (Klassenstufe 2: 8-17; 4: 14-21) und zwischen 7 u. 11 für die Anlautanalyse (Klassenstufe 2: 4-10; 4: 7-11) [Tab. 1].

Die Korrelationskoeffizienten zwischen DRT 3 gesamt sowie für die Fehlerarten Wortdurchgliederung und Wahrnehmungstrennschärfe mit dem H-LAD gesamt und mit seinen Untertests zeigen jeweils eine mittelhohe Korrelation (siehe [Tab. 2]). Die meisten Bereiche sind auf dem 0,01 Niveau signifikant. Die höchsten Korrelationskoeffizienten von >0,55 zeigen sich bei Korrelation des H-LAD mit den Rechtschreibfehlern, die der Kategorie „Wahrnehmungstrennschärfe" zuzuordnen sind.

Auswertung

Bei Vergleich der RW des H-LAD der Klassenstufen 2, 3 u. 4 [2], [3] zeigt sich für die auditive Lautdifferenzierung eine Verschiebung des Durchschnittsbereiches zu höheren Werten bei Erreichen einer höheren Klassen- bzw. Altersstufe (siehe [Tab. 1] grau unterlegter Durchschnittsbereich). Hier ist somit ein kontinuierlicher Lernzuwachs zu verzeichnen. Für die kinästhetische Lautdifferenzierung ist eine minimale Verschiebung zu verzeichnen, im Bereich Anlautanalyse ist der Normbereich der RW für Klassenstufe 2 breiter, von einigen Kindern werden jedoch bereits Ergebnisse erreicht, die Kindern der Klassenstufe 4 entsprechen. Somit scheint die Fähigkeit Konsonantencluster am Wortanfang zu erkennen z.T. im zweiten Schuljahr, in der Regel im 3. Schuljahr abgeschlossen zu sein.

Wie bereits für Klassenstufe 2 und 4 zeigen sich mittelhohe Korrelationen zwischen Rechtschreibleistung und H-LAD. Somit ist der H-LAD auch für 3. Klassen zur differentialdiagnostischen Abklärung einer Lese-Rechtschreibstörung und zur Indikationsstellung einer entsprechenden Förderung aussagekräftig. Insgesamt nimmt die Größe der Korrelationskoeffizienten in den höheren Klassenstufen ab (siehe [Tab. 3]). Somit scheint der Einfluß der auditiven Wahrnehmung auf die Rechtschreibung mit Erreichen einer höheren Altersstufe geringer zu werden. Vielmehr scheinen andere Bereiche der Wortdurchdringung, z.B. morphologische Aspekte, relevant zu werden und sollten bei der Wahl einer entsprechenden Therapie berücksichtigt werden.


Literatur

1.
Brunner M, Seibert A, Dierks A, Körkel B. Heidelberger Lautdifferenzierungstest (H-LAD). Wertingen: Westra Elektroakustik, 1998
2.
Dierks A, Seibert A, Brunner M, Körkel B, Haffner J, Strehlow U, Parzer P, Resch F. Test construction, analysis and trial of the Heidelberger Sound Discrimination Test for measuring auditory-kinesthetic perceptual discrimination acuity. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. 27(1):29-36, 1999 Feb.
3.
Möhring L, Scholer H, Brunner M, Pröschel U. On the diagnostics of structural deficits in dyslexia in clinical work: relationship between different achievement indicators. Laryngo-Rhino-Otologie. 82(2): 83-91, 2003 Feb