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21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

10. bis 12.09.2004, Freiburg/Breisgau

Narbige Fixierung des Larynx als Folge von Halsoperationen: Nachweis durch eine sonografische Analyse der Larynxelevation beim Schlucken

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  • author presenting/speaker Ines Plank - HNO-Univ.-Klinik, Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie, Ulm, Deutschland
  • author Helge Sönke Johannsen - HNO-Univ.-Klinik, Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie, Ulm, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Freiburg/Breisgau, 10.-12.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04dgppP17

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2004/04dgpp49.shtml

Veröffentlicht: 9. September 2004

© 2004 Plank et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Patienten klagen nach Strumektomien oder anderen Operationen im Halsbereich häufiger über Schluckbeschwerden und Stimmproblemen, ohne das Stimmlippenlähmungen oder Intubationstraumen zu verzeichnen wären.

Als Ursache für diese Beschwerden weisen wir eine narbige Fixierung des Larynx sonografisch durch eine eingeschränkte Larynxelevation beim Schlucken nach. Es wird ein Fallbeispiel exemplarisch für 30 Patienten in den letzten 4 Jahren dargestellt.


Text

Einleitung

Patienten klagen des Öfteren nach Strumektomien oder Operationen mit Interventionen an der Halsgefäßscheide oder der HWS über Schluckbeschwerden, Kloßgefühl und Einschränkung der Stimmqualität, ohne dass Stimmlippenlähmungen oder Intubationstraumen zu verzeichnen wären.

Die Beschwerden entwickeln sich erst postoperativ zu ihrem Maximum nach etwa 2 bis 3 Monaten. Diese können danach abklingen oder überdauernd bleiben. Die Patienten schildern die Symptomatik als erhebliche Einschränkung ihrer Lebensqualität, da ihre Nahrungsaufnahme deutlich erschwert ist. („Ich muss über einen Berg hinwegschlucken.") Ihre Stimmen sind nicht ausgesprochen heiser. Ihr Stimmumfang ist aber deutlich reduziert. Fast immer fehlen die höheren Töne des Kopfregisters.

Sie haben meist Ärzte konsultiert, die entweder diese Symptomatik in eine normale Wundheilung nach Operation einordneten oder eine funktionelle Ursache bei regelrechten endolaryngealen Befunden in Betracht zogen.

Als Ursache für diese Beschwerden weisen wir eine narbige Fixierung des Larynx sonografisch durch eine eingeschränkte Larynxelevation beim Schlucken nach.

Methode

Wir möchten exemplarisch 2 Fälle für insgesamt 30 in den letzten 4 Jahren aus dem Patientengut der phoniatrischen Ambulanz der Univ.-HNO-Klinik Ulm vorstellen.

Dazu wurden jeweils ein männlicher (Alter 61 Jahre) Patient und ein weiblicher (Alter 57 Jahre) Patient ausgewählt, die im folgenden als Fall A (m) und Fall B (w) dargestellt werden.

Schon bei der Erhebung der Anamnese kann häufig ein Vorwärtsneigen des Kopfes zur Brust beim Schlucken der Patienten bemerkt werden. Die Larynxfixierung kann man durch Palpation am äußeren Hals während des Schluckens nachweisen. Zur Objektivierung führen wir eine sonografische Analyse durch und messen den Abstand zwischen Hyoid und Oberrand des Schildknorpels im B-Mode-Verfahren mit einem 7,5 MHz Linearschallkopf (Siemens Sono Line Versa, L 70) in Ruhe und beim Schlucken (5ml Wasser). Anschließend berechnen wir die relative Verkürzung beim Schlucken.

Die Untersuchung wird in Rückenlage bei 45° geneigtem Oberkörper durchgeführt. Die ermittelten Werte haben wir mit vorgegebenen Normwerten aus einer Mainzer Studie [3] verglichen.

Die Einschränkung in der Stimmqualität beurteilen wir objektiv mit dem Sprechanalyseprogramm „Multi Speech Model 3700" und dem Stimmanalyse-programm „Multi Dimensional Voice Program" der Fa. Kay Elemetrics Corperation.

Ergebnisse

In der sonografischen Analyse fanden wir im Fall A (m) in Ruhe eine mittlere Distanz von 22,3 mm und eine kürzeste Distanz beim Schlucken von 17,3 mm. Dies entspricht einer prozentualen Verkürzung um 22 %. Im Fall B (w) lag die gefundene Distanz in Ruhe bei 18,6 mm und verkürzt sich beim Schlucken auf 13,8 mm. Hier zeigte sich eine prozentuale Verkürzung um 29 %. Die Normwerte, gemessen an 42 gesunden Personen [3], liegen unter physiologischen Bedingungen bei 61 % prozentualer Verkürzung. Damit ist im Fall A die Larynxelevation um ⅔ und im Fall B bis zu 50% im Vergleich zu gesunden Probanden eingeschränkt.

Die Stimmsignalanalyse weist in beiden Fällen auf deutliche Normabweichungen im unteren rechten Quadrant hin und zeigt damit die kurz- und langzeitlichen Lautstärkeabweichungen an, d.h. die Lautstärke kann innerhalb der einzelnen Schwingungen nicht gehalten werden. Zusätzlich finden wir im Fall B starke Frequenzschwankungen.

Diskrete Abweichungen von der Norm lassen sich in der Sprechanalyse nachweisen. Hier ist einen Absenkung der mittleren Sprechstimmlage erwähnenswert. Im Fall des männlichen Patienten (A), der als Tenor in einem Chor gesungen hat und dieses aufgeben musste, ist die Absenkung auf eine Frequenz von 113 Hz nicht so deutlich wie bei der Frau (B) mit 188 Hz.

Diskussion

Die ungenügende Larynxelevation wird durch die narbige Fixierung im Bereich der Halsmuskulatur bedingt. Wir beobachteten dies besonders nach Strumektomien mit horizontaler Schnittführung und Halsweichteilmobilisation, seltener nach Halsoperationen mit vertikaler Schnittführung in Spannungslinien der Haut.

Die klinische Erfahrung zeigt uns, dass nach 6 Monaten eine Konstanz der Befunde eintritt, die therapeutisch nicht mehr zu beeinflussen ist.

Dass die Patienten trotz der stark eingeschränkten Larynxelevation zwar subjektiv relativ starke Schluckbeschwerden haben, klinisch aber weder eine laryngeale Penetration noch Aspiration nachweisbar war [2], halten wir bei insgesamt intaktem Schluckvorgang den guten Kompensationsmechanismen zu Gute.

Auch in der klinisch phoniatrischen Untersuchung lassen sich mikrolaryngoskopisch und mikrostroboskopisch unaufällige Befunde eruieren. Insbesondere finden wir keine Hinweiszeichen für eine Nervus-laryngeus-superior-Parese, die differential-diagnostisch noch in Betracht käme [1].

Einen kurativ therapeutischen Ansatz sehen wir für dieses Störungsbild bisher nicht.

Erfahrungen zeigen, dass den Patienten mit der Aufklärung über die Ursache ihrer Beschwerdesymptomatik sehr geholfen ist, mit der veränderten Situation besser umzugehen. Die Sänger unter den betroffenen Patienten müssen ihren hobbymäßigen Gesang im Chor aufgeben.


Literatur

1.
Keilmann A, Hülse M, Dysphonie nach Strumektomie bei ungestörter respiratorischer Beweglichkeit der Stimmlippen. Folia Phoniatr. 44, 1992, S.261-268
2.
Logmann JA, Evaluation and Treatment of swallowing Disorders. Second Edition 1998, 1983 by PRO-Ed, Inc
3.
Urban P, Klimpe S, Binz P, Kuhl V, Dieterich M, Sonografische Analyse der Larynxelevation bei neurogener Dysphagie, Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 2003/2004, Band 11, S.28-31