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21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

10. bis 12.09.2004, Freiburg/Breisgau

TEOAE-Screening bei Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom

Poster

  • author presenting/speaker Conny Heß - Universitätsklinikum Erlangen, Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie, Erlangen, Deutschland
  • Ulrich Eysholdt - Universitätsklinikum Erlangen, Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie, Erlangen, Deutschland
  • Frank Rosanowski - Universitätsklinikum Erlangen, Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie, Erlangen, Deutschland
  • author Maria Schuster - Universitätsklinikum Erlangen, Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie, Erlangen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Freiburg/Breisgau, 10.-12.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04dgppP14

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2004/04dgpp39.shtml

Veröffentlicht: 9. September 2004

© 2004 Heß et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Zusammenfassung

Hintergrund: Die Messung der transitorischen evozierten otoakustischen Emissionen TEOAE liefert eine schnelle und hoch sensitive Aussage zur Funktion der äußeren Haarzellen. In der klinischen Audiometrie dient sie als objektive Aussonderungsuntersuchung zur Erkennung hörgesunder Kinder. Rahmenbedingung für den Nachweis der TEOAE ist eine in gewissen Grenzen regelrechte Schalleitung. Diese ist bei Kindern mit einem Down-Syndrom nach aller Erfahrung häufig gestört. Diese Untersuchung zielt auf die Frage, wie häufig die TEOAE Messung bei Kindern mit einem Down-Syndrom keine ausreichende Aussage zur Innenohrfunktion erlaubt.

Probanden und Methoden: Untersucht wurden 64 Kinder bzw. Jugendliche mit einem Down-Syndrom im Alter zwischen 3 Monaten und 19 Jahren. Neben der Messung der TEOAE (ILO-88, Madsen Electonics) wurde eine Ohrmikroskopie, eine Reaktions- bzw. Spielaudiometrie und bei unklarer Hörschwelle eine BERA durchgeführt.

Ergebnisse: Bei 21 der Patienten war die Messung wegen großer Unruhe bzw. lauten Atemgeräuschen nicht aussagekräftig. Bei 22 Patienten zeigten sich im Hinblick auf die Innenohrfunktion falsch auffällige Ergebnisse teils wegen zu enger Gehörgänge bzw. übermäßiger Störgeräusche (13x einseitig, 9x beidseitig).

Schlussfolgerung: Die Messung der TEOAE stellt eine ressourcengünstige Screening-Methode dar. Bei Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom jedoch muss mit einem hohen Anteil falsch auffälliger Ergebnisse gerechnet werden.


Text

Einleitung

Das Down-Syndrom ist die häufigste numerische Chromosomenstörung beim Menschen. Es tritt bei einem von 700 Neugeborenen auf. Neben syndromspezifischen morphologischen Charakteristika und der geistigen Behinderung mit der ihr assoziierten Störung der Sprachentwicklung kommt im phoniatrisch-pädaudiologischen Funktionsbereich der persistierenden Einschränkung des Hörvermögens eine besondere Bedeutung zu: Sie wird in der Literatur - mit erheblichen Schwankungen - mit 40 bis 77% angegeben.

Gegenstand dieser Studie ist die Frage nach der Häufigkeit und der Art permanenter Hörstörungen bei Kindern und Jugendlichen mit einem Down-Syndrom mit dem besonderen Schwerpunkt der Frage nach dem Wert der Messung der TEOAE als Aussonderungsuntersuchung („Screening").

Patienten und Methoden

Grundlage der Datenerhebung waren die Krankenakten der Kinder und Jugendlichen mit einem Down-Syndrom, die im Zeitraum vom 1.1.2000 bis 30.6.2003 in der Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie des Universitätsklinikums Erlangen vorgestellt wurden. Bei EDV-gestützter Führung der Krankenakten mit einer vollständigen Diagnosekodierung liegen komplette Datensätze aller in diesem Zeitraum vorgestellten Patienten mit einem Down-Syndrom vor. Einschlusskriterien für die Datenerhebung dieser Studie waren ein Mindestalter von 3 Monaten und ein Höchstalter von 20 Jahren. Im Berichtszeitraum waren dies 115 Patienten im Alter von 3,2 ± 2,9 Jahren (Median 2,3 Jahre), davon 53 Mädchen (46%) und 62 Jungen (54%) im Alter zwischen 4 Monaten und 20 Jahren.

In dieser Studie wurden folgende Aspekte erfasst: das Alter der Kinder bei der Erstvorstellung, ohrmikroskopische sowie audiometrische Befunde. Auf die Messung der TEOAE wurde bei Kindern mit bekannter Schalleitungshörminderung verzichtet. Als „permanente" Schwerhörigkeit wurde eine Schwerhörigkeit mit einer Dauer von mehr als 3 Monaten angenommen. Zur Auswertung der Daten diente das Programm Microsoft Excel®.

Ergebnisse

Klinische Befunde

Zu allen Kindern lagen binokularmikroskopische Befunde der Ohren vor. Otoskopische Auffälligkeiten waren eine die Trommelfelluntersuchung behindernde Gehörgangsenge bei 61 Patienten (53%), ein Paukenerguss bei 33 Patienten (28,7%) sowie andere Zeichen einer chronischen Mittelohrbelüftungsstörung bei 42 Patienten (36,5%). Ein Adhäsivprozess wurde bei 2 Patienten (1,7%) gesehen, ein Cholesteatom bei 4 Patienten (3,5%).

Häufigkeit, Art und Ausmaß einer permanenten Schwerhörigkeit

58 Kinder (50%), 23 Mädchen und 35 Jungen, hatten eine permanente Schwerhörigkeit: 48 (82,8%) eine isolierte Schallleitungsschwerhörigkeit, 4 (6,9%) eine kombinierte Schwerhörigkeit, 5 (8,6%) eine isolierte sensorineurale Schwerhörigkeit. Bei einem Patienten konnte keine weitere Differenzierung der Schwerhörigkeit stattfinden.

Otoakustische Emissionen als Screening-Verfahren

Die TEOAE-Messung wurde bei 64 Kindern durchgeführt. Bei 21 war die Messung nicht beurteilbar. Bei 43 beurteilbaren Messungen lag in 19 Fällen ein auffälliger Befund vor: Dabei wurde dann in der Folge bei 9 Kindern eine permanente Schwerhörigkeit festgestellt, bei 9 Kindern wurde der Befund später als „falsch positiv" klassifiziert, ein Kind konnte nicht weiter verfolgt werden.

Diskussion

Die Datengrundlage mit einer Anzahl von 115 Kindern und Jugendlichen mit einem Down-Syndrom ist im Vergleich mit der Literatur verhältnismäßig hoch. Insofern kann eine gute Qualität der Aussage zum Hörvermögen bei Kindern und Jugendlichen mit einem Down-Syndrom unterstellt werden, auch wenn es sich methodisch nur um eine aktengestützte, retrospektive Auswertung sowie um die selektierte Inanspruchnahmepopulation handelt.

Das inhaltliche Konzept der Hördiagnostik nach dem Konsensus-Papier der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie DGPP unterscheidet sich bei Patienten mit Down-Syndrom grundsätzlich nicht von dem bei sonst „gesunden" Kindern. Die Untersuchungsverfahren müssen vor dem Hintergrund der Behinderung ausgewählt und bewertet werden. Im Hinblick auf das Hörscreening hat sich bei Neugeborenen prinzipiell die Messung der transitorischen otoakustischen Emissionen (TEOAE) bewährt. Nachteil dieses Verfahrens ist eine im Vergleich mit der Messung der auditorischen Hirnstammpotentiale größere Zahl an falsch auffälligen Befunden. Auch wenn die Daten zur methodischen Qualität der TEOAE-Messung an Neugeborenen sicher nur bedingt auf ältere Kinder und Jugendliche übertragen werden können, so sind sie beim hier beschriebenen Kollektiv doch ganz offenbar von vorrangiger und ausgesprochen praxisrelevanter Bedeutung: Der Wert der TEOAE-Messung als Screening-Verfahren kann zwar nicht verworfen werden, es muss aber - auch unter dem Gesichtspunkt einer ökonomischen Sprechstundenplanung - bei Kindern und Jugendlichen mit einem Down-Syndrom mit einer sehr viel höheren Zahl notwendiger Kontroll- bzw. Bestimmungsuntersuchungen gerechnet werden als bei anderen Patienten dieser Altersgruppen.

Die in dieser Studie gefundene Häufigkeit einer permanenten Schwerhörigkeit ist mit 50% der untersuchten Kinder und Jugendlichen hoch und bestätigt die Angaben in der Literatur. Es handelt sich zumeist um Schallleitungsschwerhörigkeiten, als deren Ursache v.a. sowohl syndromtypische myofunktionelle Störungen als auch vergrößerte Adenoide und / oder Tonsillen anzunehmen sind. Ähnlich wie bei Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten können sie bei Patienten mit Down-Syndrom bei längerer Persistenz gehäuft zu Cholesteatomen führen. Zur Ursache der Schallempfindungsschwerhörigkeiten bei 15,5% der hier beschriebenen Kinder können keine detaillierten Angaben gemacht werden.

Schlussfolgerung

Das TEOAE-Screening ist als Aussonderungsuntersuchung auch bei Kindern mit Down-Syndrom sinnvoll. Bei erhöhter Inzidienz erworbener Schwerhörigkeiten und bei mangelnder Beurteilbarkeit bei ca. einem Drittel ist allerdings gehäuft mit falsch auffälligen Ergebnissen hinsichtlich der Innenohrfunktion zu rechnen. Regelmäßige pädaudiologische Untersuchungen sind bei Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom erforderlich.