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21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

10. bis 12.09.2004, Freiburg/Breisgau

„Bamboo nodes“: von der Morphologie zur Diagnose

Poster

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  • author presenting/speaker Susanne Fleischer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Poliklinik für Hör-, Stimm- und Sprachheilkunde, Hamburg, Deutschland
  • author Markus Hess - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Poliklinik für Hör-, Stimm- und Sprachheilkunde, Hamburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Freiburg/Breisgau, 10.-12.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04dgppP04

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2004/04dgpp18.shtml

Veröffentlicht: 9. September 2004

© 2004 Fleischer et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

"Bamboo nodes" sind Veränderungen der Stimmlippen, die häufig in Zusammenhang mit einer Autoimmunerkrankung stehen und als deren erstes Symptom auftreten können. Das Bild wird bestimmt durch subepitheliale Verdickungen im mittleren Anteil beider Stimmlippen, die Stimmlippenzysten ähneln, jedoch im Gegensatz zu diesen typischerweise quer zur Stimmlippenachse stehen. Neben der Behandlung der Grunderkrankung wird in der Literatur die operative Entfernung empfohlen, und es ist auch eine zusätzliche lokale Kortikoid-Injektion intraoperativ beschrieben. In unserer Poliklinik sahen wir vier Patientinnen mit Bamboo nodes (Pat. A: im weiteren Verlauf diagnostizierter Lupus erythematodes; Pat. B: bekannte primär chronische Polyarthritis; Pat. C: bei von uns veranlasster Diagnostik laborchemische Hinweise auf ein Sjögren-Syndrom ohne klinisch manifeste Autoimmunerkrankung; Pat. D: Diagnostik noch nicht abgeschlossen). Wir entschlossen uns bei zwei der Patientinnen zu einem Behandlungsversuch mit einer isolierten lokalen Kortikoid-Injektion in indirekter Technik in beide Stimmlippen. Bei beiden Patientinnen kam es daraufhin zu einer Verkleinerung der Bamboo nodes und zu einer deutlichen Stimmverbesserung, die mehrere Wochen anhielt. Wegen der Konsequenzen für die weitere Therapie sowohl der Grunderkrankung als auch der Stimmlippenveränderung sind Bamboo nodes eine wichtige Differentialdiagnose zu beidseitigen Stimmlippenzysten.


Text

Einleitung

„Bamboo nodes" sind Veränderungen der Stimmlippen, die häufig in Zusammenhang mit Autoimmunmechanismen und einer entzündlichen Systemerkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis stehen. Sie können als deren erstes Symptom auftreten [1], [2]. Das Bild wird bestimmt durch subepitheliale Verdickungen im mittleren Anteil beider Stimmlippen, die Stimmlippenzysten ähneln, jedoch im Gegensatz zu diesen typischerweise quer zur Stimmlippenachse stehen. Die Therapie dieser Stimmlippenveränderung wird kontrovers diskutiert [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8], und neben der operativen Entfernung werden insbesondere eine systemische oder eine lokale Steroid-Therapie empfohlen. Wir berichten über sieben Patientinnen mit dem typischen Bild von Bamboo nodes.

Fallbeschreibungen

Klinisches Bild

An unserer Poliklinik sahen wir sieben Patientinnen im Alter zwischen 17 und 51 Jahren (Durchschnittsalter 35 Jahre) mit dem typischen Bild von Bamboo nodes. Alle klagten über eine seit mehreren Monaten/bis zu 2 Jahren bestehende Heiserkeit. Bei der Videolaryngoskopie zeigte sich das typische Bild von Bamboo nodes mit subepithelialen transversalen Stimmlippenverdickungen beidseits. Stroboskopisch war der Schwingungsablauf unregelmäßig mit deutlichen Einschränkungen der Schwingungsfähigkeit. Der Stimmklang war bei allen Patientinnen deutlich heiser und rauh mit eingeschränkter Steigerungsfähigkeit.

Internistisch-rheumatologische Diagnostik

Vor der Entscheidung bezüglich der weiteren Therapie wurde eine internistisch-rheumatologische Diagnostik veranlasst. Eine Patientin wurde wegen einer primär chronischen Polyarthritis bereits seit Jahren mit Methotrexat behandelt, bei den anderen Patientinnen waren jedoch zunächst keine entzündlichen Systemerkrankungen bekannt. Im weiteren Verlauf wurde bei einer Patientin ein systemischer Lupus erythematodes diagnostiziert und bei einer anderen Patientin ergaben sich laborchemische Hinweise auf ein Sjögren-Syndrom ohne klinisch manifeste Autoimmunerkrankung. Bei zwei Patientinnen waren bis auf eine leichte juvenile Arthritis bzw. diskrete Zeichen eines Sicca-Syndroms keine klinischen oder laborchemischen Hinweise auf eine Systemerkrankung zu finden. Die Diagnostik bei einer weiteren Patientin mit unklaren subkutanen Schwellungen und Entzündungszeichen ist noch nicht abgeschlossen - bei ihr stand eine parasitäre Erkrankung zur Abklärung und durch den laryngoskopischen Befund der Bamboo nodes ergaben sich für die internistische Abklärung wesentliche neue Aspekte. Bei der letzten der sieben Patientinnen stehen die Untersuchungsergebnisse noch aus.

Therapie und weiterer Verlauf

Bei zwei Patientinnen entschlossen wir uns zu einem Behandlungsversuch mit einer isolierten lokalen Kortikoid-Injektion in indirekter Technik. Dazu wurde jeweils 4 mg Triamcinolon (entsprechend 0,1 ml Volon® A 40) in beide Stimmlippen direkt neben die Bamboo nodes injiziert. Bei beiden Patientinnen kam es nach der Kortikoid-Injektion zu einer Verkleinerung der Bamboo nodes und zu einer deutlichen Stimmverbesserung, die mehrere Wochen anhielt. Bei einer Patientin wurde die lokale Kortikoid-Injektion in indirekter Technik in beide Stimmlippen im weiteren Verlauf nochmals wiederholt, wiederum mit dem Erfolg einer Stimmverbesserung. Weitere Kontrollen und Behandlungen stehen noch an.

Bei zwei weiteren Patientinnen wurde eine Stimmlippen-Exploration mit Eröffnung des subepithelialen Raumes im Rahmen einer Stützlaryngoskopie vorgenommen. Intraoperativ zeigte sich nach Abheben des Epithels, dass der „Bamboo node" in einer strangförmigen Kontinuität von anterior-posterior verlaufenden Faserzügen fest verankert war und sich nicht wie eine Retentionszyste mit Kapsel herausschälen ließ. Bei einer der Patientinnen wurde keine Exzision vorgenommen sondern lediglich eine intraoperative Kortikoid-Injektion in das darunterliegende Gewebe. Bei der anderen Patientin mit sehr ausgeprägten subepithelialen Verdickungen beidseits erfolgte zunächst an einer Stimmlippe eine scharfe Absetzung des Bamboo node zur Massenreduktion. Der postoperative Verlauf zeigte ein sehr gutes Ergebnis, so dass der große Bamboo node der Gegenseite bei einer zweiten Operation ebenfalls entfernt wurde, diesmal mit intraoperativer Kortikoid-Injektion in das darunterliegende Gewebe. [Abb. 1], [Abb. 2]

Diskussion

„Bamboo nodes" werden wegen ihres häufigen Auftretens mit Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis in der Literatur auch als Rheumaknötchen der Stimmlippen oder „vocal fold rheumatoid nodules" [4], [5], [6] beschrieben. Die Diagnose „Bamboo nodes" wird durch das typische laryngoskopische Bild gestellt. Sie sind differentialdiagnostisch insbesondere von beidseitigen Stimmlippen-Zysten abzugrenzen, da dies wichtige Konsequenzen für die weitere Diagnostik und Therapie hat. Bei dem Bild von Bamboo nodes sollte an eine Autoimmunerkrankung gedacht und eine rheumatologische Diagnostik veranlasst werden. Besteht eine ungeklärte entzündliche Systemerkrankung mit dem Begleitsymptom der Heiserkeit, so kann das laryngoskopische Bild wichtige Hinweise für die weitere internistische Diagnostik geben.

Die Therapiemöglichkeiten bei Bamboo nodes werden in der Literatur kontrovers diskutiert mit der Empfehlung einer möglichst vollständigen operativen Entfernung der Veränderung [7], einer operativen Entfernung in Kombination mit systemischer bzw. lokalen Steroidtherapie [3], [5], [6] oder einer alleinigen systemischen Steroidtherapie [2], [8]. Auch von einer alleinigen lokalen Kortikoid-Injektion in die Stimmlippen in indirekter Technik wurde berichtet [4], was sich mit dem in der Rheumatologie bekannten Verfahren der lokalen Kortikoid-Injektionen in Rheumaknoten vergleichen lässt [9]. An anderer Stelle wird von einer routinemäßigen Kortison-Injektion auch bei der mikrochirurgischen Abtragung ödematöser oder entzündlicher Veränderungen des Stimmlippenrandes berichtet [10]. In Erweiterung zu der Arbeit von Löhrer und Hacki [4] können wir von einer erfolgreichen lokalen Kortikoid-Injektion auch in solchen Fällen berichten, in denen sich keine rheumatische Grunderkrankung nachweisen ließ. Dabei wählten wir eine höhere Dosis. Die isolierte Therapie mit einer lokalen Kortikoid-Injektion in indirekter Technik ist aufgrund der geringen Belastung der Patienten eine wichtige Alternative zu den anderen Therapieverfahren von Bamboo nodes. Bei sehr großen Befunden ist eine operative Exzision mit zusätzlicher lokaler Kortikoid-Injektion zu empfehlen.


Literatur

1.
Ylitalo R, Heimburger M, Lindestad PA: Vocal fold deposits in autoimmune disease - an unusual cause of hoarseness. Clin Otolaryngol 2003; 28 (5): 446-450
2.
Tsunoda K, Soda Y: Hoarseness as the initial manifestation of systemic lupus erythematosus. J Laryngol Otol 1996; 110 (5): 478-479
3.
Coulombeau B: persönliche Mitteilung, 2003
4.
Löhrer E, Hacki T: Dysphonie bei rheumatischen Erkrankungen. In: Gross M, Eysholdt U (Hrsg.) Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 2002/2003; 153-156
5.
Perouse R, Coulombeau B, Cornut G, Bouchayer M: "Bamboo nodes": étude clinique à propos de 19 cas. Rev Laryngol Otol Rhinol 2001; 122 (5): 299-302
6.
Murano E, Hosako-Naito Y, Tayama N, Oka T, Miyaji M, Kumada M, Niimi S: Bamboo Node: Primary Vocal Fold Lesion as Evidence of Autoimmun Disease. J Voice 2001; 15 (3): 441-450
7.
Hosako-Naito, Tayama N, Niimi S, Aotsuka S, Miyaji M, Oka T, Fujinami M, Kitahara N: Diagnosis and Physiopathology of Laryngeal Deposits in Autoimmune Disease. ORL 1999; 61: 151-157
8.
Ramshorn B, Löhle E: Stimmlippenveränderungen bei rheumatoider Arthritis und bei Kollagenosen. In: Gross M, Eysholdt U (Hrsg.) Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 1996; 40-42
9.
Ching DW, Petrie JP, Klemp P, Jones JG: Injection therapy of superficial rheumatoid nodules. Br J Rheumatol 1992; 31 (11): 263-264
10.
Pröschel U, Kittel G, Eysholdt U: Kortison-Injektionsbehandlung der Stimmlippen bei mikrochirurgischen Eingriffen. Sprache, Stimme, Gehör 1994; 18: 21-23