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Untersuchung zur Anwendbarkeit des "Sprachverständnistests für komplexe syntaktische Strukturen (nach D.V. Bishop)" bei Grundschülern
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Veröffentlicht: | 12. September 2003 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Bei Auffälligkeiten im Hör- und Sprachbereich von Kindern ist es wichtig, Aufmerksamkeitsstörungen, Wahrnehmungsstörungen oder Sprachverständnis-störungen gegeneinander abzugrenzen. In der Differentialdiagnostik ist die Durchführung eines Sprachverständnistests für Kinder in den ersten Grundschulklassen sinnvoll. Der Sprachverständnistest für komplexe syntaktische Strukturen" (nach D.V. Bishop) von Blaser u. Bürge könnte hierfür zur Anwendung kommen. Ziel unserer Studie war, die Trennschärfe der Prüfsätze zu ermitteln und Richtwerte für die Auswertung zu erstellen. Bei 103 Kindern aus fünf 2.Grundschulklassen wurde der Test gemäß Anleitung durchgeführt. Die Kinder waren im Mittel 8;2 Jahre alt (56% Jungen, 44% Mädchen). 4 Prüfsätze (Sätze 5,9,10,16) waren inhaltlich nicht korrekt oder mehrdeutig, sodass diese Sätze aus der weiteren Auswertung herausgenommen wurden. Bei Ermittlung der Schwierigkeitsindices zeigte sich, dass die verbliebenen 26 Sätze vorwiegend eine geringe Schwierigkeit und nur wenige eine mittlere Schwierigkeit aufwiesen. 16 Prüfsätze wiesen eine geringe Trennschärfe, 8 eine mittlere Trennschärfe und 2 keine Trennschärfe auf. Bei Berechnung der Prozentrangverteilung entsprach eine Fehlerzahl von 4 einem Prozentrang von 17. Aufgrund unserer Ergebnisse halten wir den Test nur als Screeningtest für sinnvoll. Eine Fehlerzahl von 4 und mehr sollte in dieser Altersgruppe als unterdurchschnittlich gewertet werden und bedarf weiterer Abklärung.
Text
Einleitung
Bei Kindern mit Auffälligkeiten im Hör- und Sprachbereich ist es diagnostisch bedeutsam, zwischen Aufmerksamkeitsstörungen, Wahrnehmungsstörungen und Sprachverständnisstörungen zu differenzieren. Die Zuordnung der Störungsbilder fällt nicht immer leicht, Überschneidungen und gegenseitige Verstärkung sind möglich. In der Differentialdiagnostik ist deshalb die Durchführung eines Sprachverständnistests sinnvoll. Hierfür gibt es im Deutschen für Kinder im Grundschulalter nur wenige normierte Tests. Meist liegen Sprachverständnistests als Subtests von Intelligenztests oder als Wortschatztests vor. Diese überprüfen meist mehr die semantischen Fähigkeiten des Kindes und haben weniger Bezug zur Diversität der grammatikalischen Fähigkeiten. Bei Kindern ab 6 Jahren stellt das zunehmende Verständnis für syntaktisch-morphologische Strukturen in der Sprachentwicklung das Hauptmerkmal dar, d.h. Kinder sollten in der Lage sein, komplexe Texte und Aufgaben zu verstehen. Deshalb sollte ein Sprachverständnistest in der Altersgruppe der Grundschüler diese Fähigkeit überprüfen. Der „Sprachverständnistest für komplexe syntaktische Strukturen" (nach D.V. Bishop) von Blaser und Bürge [Ref. 1] überprüft das Verstehen verschiedener grammatikalischer Strukturen, bietet semantische Ablenker und ist, wichtig für die Praxis, in relativ kurzer Zeit durchführbar. Dabei wird in Anlehnung an Bishops „Test for Reception of Grammar" das Bildauswahlverfahren als Prüfmodus gewählt. Die Testsätze sind in 3 Gruppen eingeteilt (Gruppe der Funktionswörter, Gruppe der Flexionen, Gruppe der Wortordnung). Es existieren für diesen Test zur Auswertung lediglich ungefähre Prozentwerte, die an 30 Sechsjährigen und 34 Achtjährigen ermittelt wurden. Ziel unserer Studie war es, die Güte des Tests mittels Ermittlung von Schwierigkeitsindices und Trennschärfekoeffizienten zu überprüfen und Richtwerte für die Auswertung zu erstellen.
Methode
An der Untersuchung nahmen insgesamt 103 Kinder aus fünf zweiten Klassen von zwei Regelgrundschulen teil. An fünf Vormittagen wurde jeweils eine zweite Klasse in den Räumen der Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen sowie Pädaudiologie der Universitäts-HNO-Klinik Heidelberg getestet.
Nach Durchführung einer audiologischen Diagnostik (Ohrinspektion, Tympanometrie, Tonaudiometrie) wurde bei den Kindern der „Sprachverständnistest für komplexe syntaktische Strukturen" (nach D.V. Bishop) gemäß Testanleitung durchgeführt.
Ergebnisse
Nach Feststellen einer Normalhörigkeit konnten alle 103 Kinder in die Auswertung mit einbezogen werden. Die Kinder waren im Mittel 8;2 Jahre alt. Das jüngste Kind war 7;4 Jahre alt, das älteste 10;4. Die Geschlechtsverteilung ergab 58 (56%) Jungen und 45 (44%) Mädchen.
Bei erster Durchsicht der Testsätze waren bei 3 Sätzen (Satz 5, 10, 16) die Antwortmöglichkeiten bzw. die Bildauswahl nicht eindeutig. Testsatz 9 war durch die Übersetzung aus dem Schweizerdeutschen mit dem im Hochdeutschen weniger gebräuchlichem „stoßen" an Stelle von „schieben" ebenfalls nicht eindeutig. Diese Sätze wurden deshalb aus der weiteren Auswertung herausgenommen. Bei der nachfolgend durchgeführten Aufgabenanalyse wiesen die meisten (23) der verbliebenen 26 Testsätze eine geringe Schwierigkeit und nur wenige (3) eine mittlere Schwierigkeit auf. Die Ermittlung der Trennschärfekoeffizienten ergab für 16 Testsätze eine geringe Trennschärfe und für 8 Testsätze eine mittlere Trennschärfe. Zwei der Sätze (Satz 23,28) wiesen keine Trennschärfe auf und wurden von allen Kindern richtig gelöst.
Bei Berechnung der Prozentrangverteilung entsprach eine Fehlerzahl von 3 einem Prozentrang von 26 und eine Fehlerzahl von 4 einem Prozentrang von 17.
Diskussion
Aufgrund der relativ geringen Trennschärfe der einzelnen Testsätze sowie der insgesamt geringen Schwierigkeit halten wir den oben genannten Test nur als Screeningtest für sinnvoll. Zur Aufstellung von Richtwerten für die Auswertung des Tests wurden Prozentränge ermittelt. Nach Lienert/Raatz [Ref. 2] sind Testergebnisse, die mehr als eine Standardabweichung unterhalb des Mittelwertes liegen, als unterdurchschnittlich zu bewerten. Dies entspricht einem Prozentrang von <16. Prozentränge zwischen 16 und 24 sind als grenzwertig einzustufen. Eine Fehlerzahl von 4 entspricht aufgrund unserer Ergebnisse somit einem grenzwertigen Ergebnis, eine Fehlerzahl von 5 und mehr Fehlern sollte in dieser Altersgruppe als unterdurchschnittlich gewertet werden und bedarf weiterer Abklärung.