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20. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12. bis 14.09.2003, Rostock

Die Erkrankung des gastroösophagealen Refluxes im Bereich der HNO Heilkunde

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  • corresponding author Hans-Joachim Radü - St. Elisabeth Hospital Bochum, Bleichstr. 16, 44787 Bochum, Telefon 0234-612470 Fax: 0234-612-393

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 20. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Rostock, 12.-14.09.2003. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2003. DocP38

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2003/03dgpp079.shtml

Veröffentlicht: 12. September 2003

© 2003 Radü.
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Zusammenfassung

Der gastroösophageale Reflux kann in den verschiedenen Ebenen des Pharynx Krankheitsbilder auslösen, deren gemeinsame Ursache sich nur schwer erschließt. Die Symptome des Refluxes im Hypopharynx Heiserkeit, Husten, Neubildungen des Kehlkopfes, Brochitis, Asthma sind bekannt. Im Bereich des Mesopharynx werden Zahnschäden und Schäden des Zahnhalteapparates auf den Reflux als mögliche Ursache zurückgeführt. Im Epipharynx muß man davon ausgehen, daß Schleimhauterkrankungen der Nase und der Nasennebenhöhlen sowie Erkrankungen der tuba eustachii und darausfolgend einige Mittelohrerkrankungen ebenfalls auf den Reflux zurückgehen. Durch gezielte Diagnostik ist es uns gelungen, in einigen Fällen von chronischer Ohrsekretion nachzuweisen, daß der gastroösophageale Reflux der zugrundeliegende Pathomechanismus für das Krankheitsbild ist.


Text

Einleitung

Die Behandlung von chronischen Entzündungen stellt den Diagnostiker vor große Aufgaben. In der Pathologie [1] wird klar definiert, kommt es nach einer „Entzündung" zu einer Restitutio ad integrum so ist die Ursache der Entzündung adäquat behandelt worden. Dolor, Calor, Rubor, Tumor, Functio laesa sind die Zeichen einer Entzündung. Auslöser für eine Gewebsschädigung sind Mikroorganismen, Fremdkörper und Gewebszerstörung (Mechanisch, Chemisch, Physikalisch, Körpereigene Auslöser, Kristalle). Eine chronische Entzündung entsteht dann, wenn der verursachende Faktor nicht ausgeschaltet wird. In diesem Fall bilden sich Nekrosen oder Narben mit Fibrosen oder Granulomen. Es ist also sehr schwer zu verstehen, wenn nach Erwerb der Immunkompetenz rezidivierende Infekte der oberen Luftwege -bakteriell und viral - allein verantwortlich für die „Infekte" der oberen Luftwege sein sollen. Sind nicht auch andere Faktoren möglich, das Gewebe zu schädigen? Wenn eine solche Noxe auf die Gewebsstrukturen einwirkt, kommt es zu Reparationsvorgängen, d. h. der Körper versucht die Abfallstoffe wegzuschaffen und die Heilung einzuleiten (Entzündung).

Nach unserer Auffassung ist die Häufigkeit der Schädigung allein durch eine körpereigene Schädigung möglich. Internistischerseits wird die Bedeutung des Refluxes als Folge einer Überernährung bei weiten Teilen der Bevölkerung in den Überflussländern höher und höher eingeschätzt.

Material und Methoden

Im klinischen Alltag geht man zu schnell von einer bakteriellen oder viralen Verursachung eines solchen Geschehens aus und behandelt entsprechend. In der Vergangenheit mussten wir bei Kindern, die mit einer Paukendrainage versorgt wurden, feststellen, dass in einem Teil der Fälle sicherlich bakterielle Infektionen eine Rolle spielten. Wenn diese dann adäquat behandelt wurden (lokalantibiotische Behandlung) dann heilten sie aus.

Allerdings sehen wir in der Gruppe der Kinder einige wenige, bei denen wir ein Ohrenlaufen über Monate und Jahre beobachteten, ohne dass mit allen Methoden der Infektbehandlung ein Erfolg erzielt werden konnte. In diesen Fällen wurde ein anderes Agens für die chronische Entzündung verantwortlich gemacht. Wir stellten bei einigen wenigen Kindern fest, dass eine chronische Ohrsekretion offensichtlich durch einen gastrosöphagealen Reflux verantwortlich war.

Seit 01.02.1995 haben wir bei 2354 Kindern (1483 Jungen / 871 Mädchen) mit einer Paukendrainage 19008 Kontakte (Durchschnittliche Anzahl 8,07) in der Abteilung gehabt

Kind 1, geb.03.11.1992, Erstkontakt 12.04.1995, Paukendrainage am 03.08.1995, Tonsillektomie am 08.11.1996, Beginn der Ohrsekretion 03.02.1997 bis zum 13.01.2002, Gastroskopie am 07.02.2001, Refluxösophagitis Stadium II, Behandlung mit 2 x 20 mg Omeprazol Kontrollgastroskopie und pH-Metrie am 12.01.2002. Es bestätigt sich ein gastroösophagealer Reflux. Erhöhen der Dosierung 40mg morgens, 20 mg abends, strenge Diät, Sistieren der Sekretion am 07.02.2002. Insgesamt hatte der Patient 84 Abteilungskontakte [2], [3], [4], [5], [6], [7].

Patient 2, geb. 23.04.43, Erstkontakt 11.03.1999. Der Patient leidet an einer chronisch hyperplastischen Laryngitis, Stimmleistungsminderung seit 4 Jahren bemerkt. Schlafmedizinisch wird ein Schlafapnoe-Syndrom festgestellt am 02.07.1999. Eine nCPAP Beatmung wird eingeleitet, Abtragung von Papillomen am 29.07.1999. Histologie: Kein Malignom. Rezidivpapillom am 06.03.2000. Fundoplicatio am 02.04.2000, Rückgang der Papillome, Erneute Mikrolaryngoskopie am 31.05.2002 zur Abtragung einer Zyste [8], [9], [10].

Resultate

Nach Behandlung mit Protonenpumpeninhibitoren, Diät und geeigneter Lagerung während des Nachtschlafs gelingt es uns, länger andauernde Ohrsekretionen und eine Papillomatose im Kehlkopf in der Rezidivhäufigkeit zu senken.

Diskussion

In der Literatur wird seit langem beschrieben [11], [12], dass auch ein gastroösophagealer Reflux für die verschiedenen Zustände der Infekte des oberen Respirationstraktes vorkommen können. Es wird darauf hingewiesen, dass im Bereich des Kehlkopfes, der Lunge, im Bereich des Mundes (Zähne), bei der Nase und im Bereich des Mittelohres, Anzeichen eines gastroösophagealen Refluxes nachzuweisen sind. Wir gehen also davon aus, dass bei länger bestehenden Reizzuständen beim Abstrich zwar eine bakterielle Infektion nachzuweisen ist, dass es sich hier aber lediglich um eine Sekundärinfektion handelt und nicht dass die chronische Entzündung unterhaltende primäre Agens ist. Erstaunlich für uns war, dass nach Behandlung des Refluxes chronische Reizzustände ad integrum ausheilen. Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass solche anderen Verursachungen mitverantwortlich sein können, chronische Entzündungen im oberen und unteren Respirationstrakt aufrecht zu erhalten.


Literatur

1.
Silbernagl St, F. Lang Taschenatlas der Pathophysiologie, Georg Thieme Stuttgart 1998
2.
Bluestone CD (1985) Current concepts in Eustachian tube function as related to otitis media. Auris Nasus Larynx 12: S1-4
3.
Contencin P, Maurage C, Ployet MJ, Seid AB, Sinaasappel M (1995) Gastroesophageal reflux and ENT disorders in childhood. Int J Pediatr Otorhinolaryngol 32: S
4.
Tasker A, Dettmar PW, Panetti M, Koufman JA, Birchall JP, Pearson JP (2002) Reflux of gastric juice and glue ear in children. Lancet 359: 493
5.
Tasker AD, Panetti M, Koufman J, Birchall J, Pearson JP (2002) Is gastric reflux a cause of otitis media with effusion in children? Laryngoscope 112: 1930-4
6.
Velepic M, Rozmanic V, Bonifacic M (2002) Gastroesophageal reflux, allergy and chronic tubotympanal disorders in. Int J Pediatr Otorhinolaryngol 55: 187-90
7.
White DR, Heavner S, Hardy SM, Prazma J. (2002) Gastroesophageal reflux and eustachian tube dysfunction in an animal. Laryngoscope 112: 955-61
8.
Borkowski G, Sudhoff H, Koslowski F, Hackstedt G, Radü HJ, Luckhaupt H (1997) A possible role of Helicobacter pylori infection in the etiology of chronic laryngitis. Eur. Arch Otorhinolaryngol. 254 (9-10) : 481-2
9.
Borkowski G, Sommer P, Stark T, Sudhoff H, Luckhaupt H (1999) Recurrent respiratory papillomatosis associated with gastroesophageal reflux disease in children. Eur. Arch Otorhinolaryngol. 256 (7) : 370-2
10.
Halstead LA (1999) Role of gastroesophageal reflux in pediatric upper airways disorders. Otolaryngol Head Neck Surg 120: 208-14
11.
Deschner WK, Benjamin SB (1989) Extraesophageal manifestations of gastroesophageal reflux disease. Am J. Gastroenterol 84: 1-5
12.
Stein M, (1999) , Gastroesophageal reflux disease an airway disease, Executive Editor: Lenfant C Lung biology in health and Disease Volume 129