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20. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12. bis 14.09.2003, Rostock

Untersuchung zur Optimierung eines Lautdiskriminationstests für die Anwendung bei Kindern mit Verdacht auf eine zentral-auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung

Poster

  • corresponding author Claudia Massinger - Klinik für Phoniatrie, Pädaudiologie und Kommunikationsstörungen, Universitätsklinikum Aachen, Pauwelsstr. 30, D-52074 Aachen, Tel.: 0241-8088954, Fax: 0241-8082513
  • Bernd J. Kröger - Klinik für Phoniatrie, Pädaudiologie und Kommunikationsstörungen, Universitätsklinikum Aachen, Pauwelsstr. 30, D-52074 Aachen, Tel.: 0241-8088954, Fax: 0241-8082513
  • Christiane Neuschaefer-Rube - Klinik für Phoniatrie, Pädaudiologie und Kommunikationsstörungen, Universitätsklinikum Aachen, Pauwelsstr. 30, D-52074 Aachen, Tel.: 0241-8088954, Fax: 0241-8082513

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 20. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Rostock, 12.-14.09.2003. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2003. DocP29

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2003/03dgpp070.shtml

Veröffentlicht: 12. September 2003

© 2003 Massinger et al.
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Zusammenfassung

Um bei Kindern mit Verdacht auf eine zentral-auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) die Diskriminationsfähigkeit klanglich enger Lautpaare zu überprüfen, konzipierten wir entsprechend dem Aufbau des Bremer Lautdiskriminationstests (BLDT) eine neue Wortpaarreihe mit den Lautkombinationen /m/-/n/, /m/-/N/, /n/-/N/, /b/-/d/, /b/-/g/ und /d/-/g/ im An-, In- und Auslaut (/N/ = velarer Nasallaut). Nach einer vergleichenden Anwendung der aus 66 Wortpaaren bestehenden Liste und des BLDT extrahierten wir aus der neuen Liste die Wortpaare, die hochfrequent falsch erkannt wurden. Wir reduzierten so die Liste auf 34 Wortpaare, um den Einfluss einer eingeschränkten Aufmerksamkeitsspanne zu minimieren und einen prägnanteren Hinweis auf phonematische Differentierungsprobleme bei Kindern mit AVWS zu erhalten. In der praktischen Anwendung zeigten die Kinder im verkürzten, neu konzipierten Diskriminationstest bislang größere Fehlerzahlen als im ebenfalls auf 34 Wortpaare reduzierten BLDT.


Text

Einleitung

Zur Überprüfung von Differenzierungsproblemen auf Phonemebene werden bei Kindern mit Verdacht auf zentral-auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) in der klinischen Routine verschiedene Testverfahren wie der Bremer Lautdiskriminationstest (BLDT), der Heidelberger Lautdifferenzierungstest nach Brunner oder der Hannoversche Lautdiskriminationstest angewandt [1], [2], [3]. Zur Systematisierung der benutzen Arten von phonologischen Kontrasten kann es bei der Frage nach AVWS sinnvoll sein, einen Test zu konzipieren, der genauen Zielvorgaben gehorcht. So kann eine Reduzierung der distinktiven Merkmale als Zielvorgabe zu Grunde gelegt werden, da insbesondere bei Patienten mit der Verdachtsdiagnose auf eine AVWS zu erwarten ist, dass bei einer Testung mit klanglich kontrastarmen Lautpaaren ein prägnanterer Hinweis auf eine zentral-auditive Diskriminationsstörungen als im Bremer Lautdiskriminationstest zu finden ist [4]

Für eine erste Untersuchung ist eine Wortpaarliste erstellt worden, die entsprechend dem Aufbau des BLDT aus 66 Wortpaaren bestand. [5]. Verwendung fanden nur stimmhafte Plosive und Nasale, so dass die Lautkombinationen /m/-/n/, /m/-/N/, /n/-/N/, /b/-/d/, /b/-/g/ und /d/-/g/ im An-, In- und Auslaut (/N/ = velarer Nasallaut) gegeneinander gestellt wurden. Bereits in einer ersten Testphase mit 32 Kindern mit der Verdachtsdiagnose einer AVWS hatte sich gezeigt, dass die neue Wortliste signifikant mehr Differenzierungsprobleme als der BLDT ergab.

Da die Überprüfung der phonematischen Diskriminationsfähigkeit nur einen Teilbereich der Testung bei Kindern mit Verdacht auf eine AWVS darstellt, war es sinnvoll durch eine Verkürzung des optimierten Tests den Einfluss einer eingeschränkten Aufmerksamkeitsspanne zu minimieren und einen prägnanteren Hinweis auf Probleme in der phonematischen Differenzierung zu erhalten.

Methode

Erstellt wurde ein verkürzter neuer Test aus 34 Wortpaaren, indem die bei der ersten Untersuchung hochfrequent falsch erkannten Wortpaare wiederverwandt wurden. Hierbei handelte es sich bei 26 Wortpaaren um die Lautkombinationen /m/-/n/, /m/-/N/, /n/-/N/ im An-, In- und Auslaut, wobei /N/ nicht im Anlaut existiert. 11 der 34 Wortpaare bestanden aus zwei gleichen Wörtern. Die Reihenfolge der Wortpaare wurde randomisiert.

Zusätzlich verfügten wir über eine phonologisch nicht eingeschränkte Liste mit 34 Wortpaaren, die einen modifizierten BLDT darstellte. Die Liste wurde ohne Beschränkung der zu testenden Lautkombinationen erstellt.

Die Wortpaare des neuen verkürzten Diskriminationstests mit stimmhaften Plosiven und Nasalen und des modifizierten BLDT wurden den Patienten einmalig ohne Mundbild dargeboten. Den Wortpaaren mussten die Begriffe „gleich" oder „nicht gleich" zugeordnet werden. Erfasst wurde die Anzahl der falsch identifizierten Wortpaare.

Untersucht wurden 42 Kinder, die mit der Verdachtsdiagnose einer AVWS in der phoniatrisch-pädaudiologischen Sprechstunde vorgestellt wurden. Die 15 Mädchen und 27 Jungen waren zwischen 6;05 und 14;01 Jahre alt. Die beiden verkürzten Diskriminationstests wurden im Zuge der Durchführung einer Testbatterie mit weiteren sprach- und gedächtnisbezogenen Verfahren und subjektiven Hörtests angewandt.

Ergebnisse

Zum Vergleich der Fehlerzahlen in den beiden Testverfahren wurde der t-Test für zwei verbundene Stichproben verwendet. Die zusätzliche Quartilanalyse gab einen Überblick über die Werteverteilung.

Bei der Testung mit der neu konzipierten und auf 34 Wortpaare reduzierten Wortliste wurden zwischen 0 und 15 Fehler ermittelt (Median 3, Quartil Q1: 1, Quartil Q3: 6, Mittelwert 3,88). Im modifizierten BLDT lag die Anzahl der Fehler zwischen 0 und 10 Fehlern (Median 1, Quartil Q1: 0, Quartil Q3: 4, Mittelwert 2,33). Die Fehlerdifferenz (Fehler im verkürzten neuen Test minus Fehler im modifizierten BLDT) betrug -7 bis 9 Fehler (Median 1, Mittelwert 1,55).

In dem verkürzten neuen Lautdiskriminationstest waren bei 25 Kindern mehr Fehler festzustellen als im modifizierten BLDT. 9 mal war die Fehlerzahl gleich. Bei 8 Kindern fanden sich im modifizierten BLDT mehr Fehler als im neuen Test. Im Durchschnitt wurden in unserem neuen auf 34 Wortpaare reduzierten Test ein bis zwei zusätzliche Wortpaare falsch identifiziert. Im t-Test für zwei unverbundene Stichproben waren für die beiden Tests signifikante Unterschiede im Erwartungswert bei einem Signifikanzniveau von größer 99,5 % festzustellen (t-Wert = 3,259). Die neue verkürzte Wortliste zeigte also signifikant mehr Differenzierungsprobleme als der modifizierte BLDT an.

Diskussion

Ausgehend von der Erfahrung, dass bereits etablierte Verfahren zur Bestimmung der phonematischen Diskriminationsfähigkeit bei Patienten mit Verdacht auf eine AVWS oft nur wenige Testauffälligkeiten zeigen [6], wurde ein komprimierter und bzgl. seiner abgeprüften distinktiven Merkmale modifizierter Test an einer größeren Patientengruppe erprobt. Die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der untersuchten Kinder in dem neuen Testverfahren eine höhere Fehlerquote aufwies als im verkürzten und modifizierten BLDT, unterstützt die Annahme einer höheren Sensitivität des neuen Tests. Diese Annahme wird auch dadurch unterstützt, dass in den Fällen (ein Fünftel der Patienten), in denen die Kinder im modifizierten BLDT eine höhere Fehlerrate zeigten als im neuen Test, die absoluten Fehlerraten in beiden Tests im unteren Bereich lagen. Lediglich bei zwei Patienten ergaben sich testsystematisch nicht begründbare Befunddifferenzen, die wir am ehesten als Ausdruck bestehender Aufmerksamkeitsdefizite werteten.

Insgesamt zeigen unsere vorläufigen Ergebnisse beim Vergleich der beiden verkürzten Testverfahren demnach einen signifikanten Unterschied in den Fehlerquoten der beiden Wortlisten. In weiteren Studien ist vorgesehen, eine Altersnormierung des neuen Tests durchzuführen.


Literatur

1.
Niemeyer W (1976) Bremer Lautdiskriminationstest (BLDT). Herbig Verlag, Bremen
2.
Brunner M, Seibert A, Dierks A, Körkel B (1998) Heidelberger Lautdifferenzierungstest zur Überprüfung der auditiven Wahrnehmungstrennschärfe. Audiometrie Disk 19, Westra Elektroakustik, Wertingen
3.
Ptok M (1997) Kinderaudiometrie. Auditive Verarbeitung und Wahrnehmung. Audiometrie Disk 18, Westra Elektroakustik, Wertingen
4.
Kröger B J, Massinger C, Neuschaefer-Rube Ch (2002) Phonologische Analyse klinischer Testverfahren zur Überprüfung der phonematischen Diskriminationsfähigkeit. In: Gross M, Kruse E (Hrsg.) Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 2002/2003. Median-Verlag, 332-336
5.
Massinger C, Kröger B J, Neuschaefer-Rube Ch (2002) Untersuchung zur Lautdiskriminationsfähigkeit bei Kindern mit Verdacht auf zentral-auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung. In: Gross M, Kruse E (Hrsg.) Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 2002/2003. Median-Verlag, 337-341
6.
Neuschaefer-Rube Ch, Matern G, Meixner R, Klajman S, Neumann H (2000) Zur Problematik auditiver Verarbeitungsstörungen. Sprache Stimme Gehör 24, 113-118