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Wissenschaft – eine Säule der Hebammenarbeit: 1. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V. (DGHWi)

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V.

23.09.2011, Hildesheim

Hebammenarbeit: Von Weisheit, Wissenschaft und Wissen, das wirkt

Midwifery work: About wisdom, science, and knowledge that works

Meeting Abstract

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  • Ans Luyben - Berner Fachhochschule BFH, Forschung & Entwicklung/Dienstleistungen Hebammen, Fachbereich Gesundheit, Bern, Schweiz

Wissenschaft – eine Säule der Hebammenarbeit. 1. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. Hildesheim, 23.-23.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dghwi01

doi: 10.3205/11dghwi01, urn:nbn:de:0183-11dghwi019

Veröffentlicht: 15. September 2011

© 2011 Luyben.
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Gliederung

Text

Seit mehreren Jahrtausenden wird der Hebammenberuf mit Weisheit assoziiert. In einigen Sprachen heisst die Hebamme deshalb noch immer „die weise Frau“. Traditionell war die Hebamme eine ältere Frau in der Gemeinschaft, die sich auszeichnete in Geburts- und Lebenserfahrung. Dieses anerkannte Expertinnentum war auch der Grund, warum sie von Frauen in dieser Gemeinschaft gewählt wurde. Die Weisheit definiert sich aber anders als die Wissenschaft, indem sie auch eine philosophische Perspektive enthält. Sie beinhaltet nicht nur eine exzeptionelle Fähigkeit systematisch zu denken, sondern zeichnet sich durch eine tiefe Einsicht in das Wirkungsgefüge von Natur, Leben und Gesellschaft, insbesondere Lebenswissen, einer herausragenden ethischen Grundhaltung und damit verbundenem Handlungsvermögen aus. Die Hebamme bewegt sich in ihrem beruflichen Alltag in der ganzen Breite dieses Spektrums von Lebensweisheit. Lebenswissenschaften, oder „life sciences“, im Sinne der Hebammenarbeit, sind damit ein Balance-Akt zwischen der Machbarkeit, die die heutige Gesellschaft prägt, und den Grenzen dieser Machbarkeit. Dieser Balance-Akt macht die Weisheit der Hebamme zur Kunst, wobei ethische Werte wie Menschlichkeit und Demut in Bezug zur Lebenssituation von Frauen und ihren Familien im Zentrum stehen.

Hebammenwissenschaft ist weltweit, jedoch insbesondere im deutschsprachigen Gebiet, ein relativ junges Phänomen. Der Bedarf nach Hebammenforschung entstand in den 70er und 80er in den englischsprachigen Ländern infolge der Forderung von Klientinnen und Fachpersonen nach einer Verbesserung der Mutterschaftsbetreuung. Diese Forderung beinhaltete einen Bedarf an Evidenzen hinsichtlich der Effektivität dieser Betreuung als auch der vermehrten Partizipation der Klientinnen in der Gestaltung der perinatalen Betreuung. Infolgedessen versuchten Geburtshelfer und -mediziner durch systematische Evaluationen die mütterliche und perinatale Mortalität und Morbidität zu senken und die Effektivität von Interventionen zu erhöhen (Chalmers et al. 1989). Der Wunsch war es, die perinatale, berufliche Praxis, und damit auch die Hebammenarbeit, vermehrt auf Evidenzen zu basieren. Das deutsch- und auch das französischsprachige Gebiet folgten diesem Trend nur zögerlich, da die notwendigen Strukturen für diese Entwicklung kaum vorhanden waren. Die geschichtliche Entwicklung der Forschung in diesem Gebiet war aber richtungweisend für die Gestaltung der Identität der Hebammenforschung und -wissenschaft in den letzten Jahrzehnten.

Im Jahre 1989 definierte Keirse „Effektive Betreuung“ als: „Was wirkt für Mütter und ihre Kinder“. Das begründet, warum Hebammen Wissen benötigen, das für die Mütter, Kinder und Familien wirkt, die sie betreuen. Hebammen brauchen deshalb Wissen, das die Qualität ihrer Arbeit belegen und verbessern kann und wird. Sie brauchen aber auch Wissen, das die Philosophie ihrer Arbeit reflektiert, und eine Wissenskultur, die wichtigen Charakteristiken der Hebammen- und Frauenkultur, wie Vertrauen, Respekt, Wissen und Erfahrungen miteinander teilen, entspricht. Die zukünftige Herausforderung ist es, in der Hebammenwissenschaft die Traditionen der Wissenschaften und der Hebammenarbeit auf „fruchtbare“ Weise zusammen zu bringen, damit neues Wissen für Mütter, Kinder und Familien auch wirklich wirken kann.