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5. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS)

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V.

03.03. - 05.03.2016, Essen

Die Erkennung und Verarbeitung emotionaler Gesichtsausdrücke bei Jugendlichen mit Anorexia nervosa – Veränderungen auf neurophysiologischer Ebene

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Anca Sfärlea - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Klinikum der Universität München, München, Deutschland
  • author Ellen Greimel - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Klinikum der Universität München, München, Deutschland
  • author Belinda Platt - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Klinikum der Universität München, München, Deutschland
  • author Jürgen Bartling - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Klinikum der Universität München, München, Deutschland
  • author Alica C. Dieler - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Klinikum der Universität München, München, Deutschland
  • author Gerd Schulte-Körne - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Klinikum der Universität München, München, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS). 5. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen. Essen, 03.-05.03.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16dgess014

doi: 10.3205/16dgess014, urn:nbn:de:0183-16dgess0140

Veröffentlicht: 18. Februar 2016

© 2016 Sfärlea et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Anorexia nervosa (AN) geht häufig mit emotionalen und sozialen Schwierigkeiten einher, einschließlich Beeinträchtigungen im korrekten Erkennen emotionaler Gesichtsausdrücke. Obwohl der Beginn der Erkrankung meist im Jugendalter liegt, haben die meisten Studien zum Erkennen emotionaler Gesichtsausdrücke bei AN erwachsene Patientinnen untersucht. Des Weiteren wurden die neuronalen Grundlagen der Gesichterverarbeitung bei AN bisher wenig erforscht. Die vorliegende Studie untersucht zwei Fragen: 1. Weisen bereits jugendliche AN Patientinnen behaviorale Defizite beim Erkennen emotionaler Gesichtsausdrücke auf? 2. Unterscheiden sich die neurophysiologischen Korrelate (ereigniskorrelierte Potenziale; EKPs) der Gesichterverarbeitung und -erkennung bei Jugendlichen mit AN von denen einer gesunden Kontrollgruppe?

Methoden: 20 AN Patientinnen und 24 gesunde Mädchen im Alter von 12-18 Jahren wurden untersucht. EKPs wurden während einer passiven Aufgabe und drei aktiven Aufgaben, die die Verarbeitung emotionaler Gesichter in unterschiedlicher Verarbeitungstiefe erforderten, aufgezeichnet. Eine der aktiven Aufgaben erfasste zudem die Emotionserkennungsfähigkeiten auf Verhaltensebene.

Ergebnisse: Obwohl keine behavioralen Gruppenunterschiede zu finden waren, zeigte sich auf der neurophysiologischen Ebene, dass alle Gesichtsausdrücke bei Patientinnen mit AN eine geringer ausgeprägte Early Posterior Negativity (EPN) auslösten als bei der Kontrollgruppe. Die EPN ist eine frühe EKP Komponente, die eine automatische Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstufe reflektiert und die durch die intrinsische Salienz emotionaler Stimuli moduliert wird. Es fanden sich weder Unterschiede in früheren Komponenten, welche initiale Aufmerksamkeitslenkung (P100) und strukturelle Verarbeitung von Gesichtern (N170) reflektieren, noch in einer späteren Komponente, die elaboriertere, kognitive Verarbeitung repräsentiert (Late Positive Potential; LPP).

Schlussfolgerung: Defizite auf der Verhaltensebene waren in unserer jugendlichen Stichprobe nicht vorhanden. Die weniger ausgeprägte EPN bei Jugendlichen mit AN deutet darauf hin, dass Gesichter anderer Menschen für diese Gruppe weniger intrinsisch relevant sein könnten, d.h. sie diese als weniger „wichtig“ wahrnehmen könnten als gesunde Mädchen. Möglicherweise tragen diese neurophysiologischen Veränderungen dazu bei, dass sich die behavioralen Emotionskennungsdefizite, die häufig bei erwachsenen AN Patientinnen gefunden wurden, im weiteren Krankheitsverlauf entwickeln.