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1. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e. V. (DGESS)

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e. V.

8. ? 10.11.2007, Prien am Chiemsee

Art, Häufigkeit und Ausprägung von Zwangssymptomen bei 14- bis 55-jährigen essgestörten PatientInnen

Meeting Abstract

  • corresponding author K. Seidel - Hochschule Magdeburg-Stendal, Stendal
  • G. E. Jacoby - Bad Oeyenhausen
  • K. Braks - Bonn
  • K. Imbierowicz - Bonn
  • G. H. Franke - Bonn

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen. 1. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS). Prien am Chiemsee, 08.-10.11.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07dgessP16

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgess2007/07dgess90.shtml

Veröffentlicht: 24. Oktober 2007

© 2007 Seidel et al.
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Gliederung

Text

Ziel der vorliegenden Studie ist es, Zwangssymptome bei essgestörten PatientInnen in ihrer Art, Häufigkeit und Ausprägung und unter besonderer Berücksichtigung des Alters zu erfassen.

Im Rahmen einer Studie zum Thema „Kaufzwang und Essstörungen“ (Imbierowicz, im Druck) wurden die PatientInnen des Fachzentrums für gestörtes Essverhalten Bad Oeynhausen (u.a.) mit dem Hamburger Zwangsinventar (HZI, Zaworka et al., 1983) untersucht. In die vorliegende Stichprobe wurden 345 PatientInnen eingeschlossen, die sich zwischen 2003 und 2004 in stationärer Behandlung befanden. Um altersbedingte Unterschiede in der Häufigkeit der Zwangssymptome bei essgestörten PatientInnen feststellen zu können, wurde die Stichprobe in drei Altersgruppen unterteilt: (1) Jugendliche (14-18 Jahre), (2) junge Erwachsene (19-26 Jahre) und (3) Erwachsene (27-55 Jahre).

Von den 345 PatientInnen sind 30 (8,7%) männlich und 315 (91,3%) weiblich, das Durchschnittsalter liegt bei 25,15 Jahren (Range 14-55; SD=9,9). In der essgestörten Stichprobe zeigen sich signifikant höhere Werte im Bereich der Zwangssymptomatik als in einer gesunden Vergleichsstichprobe. Signifikante bis hochsignifikante Unterschiede finden sich hierbei auf vier der sechs Skalen des HZI (""Kontrollieren, Wiederholen“ [p<0,001]; „Zählen, Berühren, Sprechen“ [p<0,001]; „Denken von Worten, Bildern, Gedanken vor einer Handlung“ [p<0,001]; „Gedanken, sich oder anderen ein Leid zuzufügen“[p=0,01]). Auch die Punktprävalenz von 26% liegt weitaus höher, als die Werte für die Allgemeinbevölkerung, welche mit 1-3% beschrieben werden (Flament et al., 1988; Valleni-Basile et al., 1994). Statistisch relevante Unterschiede zur Auftretenshäufigkeit der Zwangssymptome bei anorektischen und bulimischen PatientInnen konnten nicht festgestellt werden. Dies gilt ebenfalls für die adipösen PatientInnen. Jedoch zeigen sich signifikante Gruppenunterschiede bei der Art der Zwangssymptomatik. Demnach unterscheiden sich anorektische PatientInnen auf der Skala "Gedanken, sich oder anderen ein Leid zuzufügen" signifikant zu den bulimischen und hochsignifikant zu den adipösen PatientInnen. Ein geschlechtsspezifischer Unterschied, der das Antwortverhalten im HZI beeinflusst konnte nicht gefunden werden. Es fanden sich ebenfalls keine signifikant altersbedingten Unterschiede in der Ausprägung der Zwangssymptomatik (HZI-Gesamtwert p=0,078), eine deutliche Tendenz ist jedoch erkennbar (M[1]=0,26; M[2]=0,35; M[3]=0,21).

In der vorliegenden Studie konnte nachgewiesen werden, dass Zwangssymptome signifikant häufiger bei PatientInnen mit einer Essstörung auftreten als in einer gesunden Vergleichsstichprobe. Anorektische, bulimische und adipöse PatientInnen unterscheiden sich dabei nicht in der Auftretenshäufigkeit der Zwangssymptome. Eine Unterscheidung bezüglich der Art der Zwangssymptome konnte jedoch für die Skala F ("Gedanken, sich oder anderen ein Leid zuzufügen") getroffen werden. Hier waren anorektische PatientInnen insgesamt stärker belastet als bulimische oder adipöse PatientInnen. Es fand sich kein geschlechtsspezifischer Unterschied, der das Antwortverhalten im HZI beeinflusst. Essgestörte Männer sind demnach gleich häufig von Zwangssymptomen betroffen wie essgestörte Frauen. Weiterhin konnte festgestellt werden, dass junge Erwachsene im Alter von 19-26 Jahren tendenziell häufiger von Zwangssymptomen betroffen sind, als Jugendliche (14-18 Jahre) oder Erwachsene (27-55 Jahre).

Denkbar ist eine hohe Dunkelziffer von Kindern und Jugendlichen, die unbehandelt an Zwängen leiden. Dies begünstigt eine klinisch relevante Manifestation der Zwänge im jungen Erwachsenenalter.