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1. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e. V. (DGESS)

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e. V.

8. ? 10.11.2007, Prien am Chiemsee

Genetische und psychologische Faktoren bei essgestörten Patientinnen mit selbstverletzendem Verhalten

Meeting Abstract

  • corresponding author B. Bondy - Psychiatrische Klinik der LMU München
  • N. Bachetzky - Medizinisch-Psychosomatische Klinik Roseneck, Prien
  • M. Fichter - Psychiatrische Klinik der LMU München
  • N. Quadflieg - Psychiatrische Klinik der LMU München

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen. 1. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS). Prien am Chiemsee, 08.-10.11.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07dgess06

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgess2007/07dgess06.shtml

Veröffentlicht: 24. Oktober 2007

© 2007 Bondy et al.
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Gliederung

Text

Neuere Studien weisen darauf hin, dass bei essgestörten Patientinnen ein hohes Risiko für selbstverletzendes Verhalten nachzuweisen ist. Selbstverletzungen werden mit Störung der Impulskontrolle und damit mit Borderline Persönlichkeitsstörung in Beziehung gebracht. Hinsichtlich der ätiologischen Faktoren gehören Essstörungen zu den komplexen Erkrankungen, bei denen nicht nur soziokulturelle und biologische Prozesse, sondern in erheblichem Ausmaß auch genetische Faktoren eine Rolle spielen. In einem mulitvariaten Ansatz werden an einer Gruppe von 200 essgestörten Patientinnen verschiedene psychologische Fragestellungen untersucht sowie durch Genotypisierung von Kandidatengenen ein möglicher Zusammenhang zwischen Selbstverletzung und genetischen Markern überprüft.

Die Untersuchungsgruppe besteht aus 100 Patientinnen mit selbstverletzendem Verhalten (SV) die sich häufiger als ein Mal im Monat verletzt haben. Als Kontrollgruppe dienen 100 Patientinnen ohne selbstverletzendes Verhalten (NSV), die anhand von Alter und aktueller Essstörungsdiagnose parallelisiert werden. Zusätzlich werden 196 weibliche gesunde Kontrollen genotypisiert, deren Altersbereich dem der Patientinnen entspricht. Die psychologischen Daten werden mit Fragebögen und Checklistenverfahren erhoben, strukturierte Interviews werden durchgeführt.

Die genetischen Untersuchungen umfassen vor allem Kandidatengene der serotonergen Transmission, da diesem System eine besondere Bedeutung in der Steuerung der Impulsivität sowie bei der Kontrolle des Gewichtes zukommt. Bisher wurden ein Polymorphismus in der Promoter Region des Serotonin-Transporters (5-HTTLPR) einschließlich der triallelischen Variante (Lg), untersucht, sowie Varianten in der Promotor Region des 5-HT2A Rezeptors (-1438G/A), und in der Promotor Region des MAO-A Gens (VNTR).

Unsere Befunde zeigen signifikante Unterschiede zwischen den Patientinnen mit SV und NSV in den Psychopathologie Skalen EDI-2 (p<0.05) und SCL-90-R (p<0.05), ebenso hinsichtlich der Persönlichkeitsmerkmale Impulsivität, Aggressivität und Borderline (jeweils p=0.000). Die Genotypisierungen des 5-HT2A Rezeptors und des 5-HTTLPR ergaben keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten und Kontrollen oder zwischen den beiden Patientengruppen. Ferner bestand keine Beziehung beider Polymorphismen zu Impulsivität oder Aggressivität. Im Gegensatz dazu zeigte sich bei den Patientinnen eine signifikante Häufung des High-Activity- Allels des MAO-A VNTR Polymorphismus im Vergleich zu Kontrollen in der Gruppe mit SV (X2=10,2; p=0.006).

Unsere Untersuchungen machen deutlich, dass essgestörte Patientinnen mit SV im Vergleich zu Patientinnen ohne Selbstverletzung eine höhere allgemeine Psychopathologie, mehr Störungen auf Achse I und II, sowie deutliche Unterschiede in den Persönlichkeitsmerkmalen Impulsivität und Aggressivität aufweisen. Hinsichtlich einer möglichen genetisch bedingten Vulnerabilität ließ sich bisher nur der VNTR Polymorphismus des MAO-A Gens mit der Erkrankung in Beziehung setzen, wobei die Frequenz des High-Activity-Allels (der Variante die zu erhöhter Transkription des Gens führt) bei Patientinnen mit SV besonders hoch war. Obwohl die Befunde hinsichtlich diesem Beziehung zwischen diesem Allel und Aggressivität noch uneinheitlich sind, könnten die Häufung bei essgestörten Patientinnen mit SV auf verminderte serotonerge Ansprechbarkeit hinweisen und somit in der Vulnerabilität für aggressives Verhalten eine Rolle spielen.