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125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

22. - 25.04.2008, Berlin

Charakterisierung einer seltenen RET-Protoonkogenmutation als Beispiel für den Weg von der Empirie zur Evidenz

Meeting Abstract

  • corresponding author M. Colombo-Benkmann - Klinik und Poliklinik für Allgemeine Chirurgie, Universität Münster, Münster, Deutschland
  • Z. Li - Institut für Vektorologie und Experimentelle Gentherapie, Universität Rostock, Rostock, Deutschland
  • H. Herbst - Klinik und Poliklinik für Allgemeine Chirurgie, Universität Münster, Münster, Deutschland
  • U. Groß - Endokrinologikum, Hamburg, Deutschland
  • S. Rondot - Endokrinologisch-Humangenetische Gemeinschaftspraxis, Heidelberg
  • F. Raue - Endokrinologisch-Humangenetische Gemeinschaftspraxis, Heidelberg
  • N. Senninger - Klinik und Poliklinik für Allgemeine Chirurgie, Universität Münster, Münster, Deutschland
  • B. Pützer - Institut für Vektorologie und Experimentelle Gentherapie, Universität Rostock, Rostock, Deutschland
  • K. Frank-Raue - Endokrinologisch-Humangenetische Gemeinschaftspraxis, Heidelberg

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Berlin, 22.-25.04.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. Doc08dgch9375

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgch2008/08dgch260.shtml

Veröffentlicht: 16. April 2008

© 2008 Colombo-Benkmann et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Bei Diagnose einer RET-Protoonkogenmutation im Rahmen der präoperativen Abklärung einer Struma mit pathologischem Calcitoninspiegel oder des Familienscreenings von Blutsverwandten ist zur Planung des weiteren diagnostischen und therapeutischen Procedere eine Risikoabschätzung hinsichtlich der Entwicklung eines C-Zellkarzinoms der Schilddrüse notwendig. Beim Nachweis einer bislang unbekannten oder sehr seltenen Mutation ist nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich, da prädominant klinische Parameter vormals Betroffener für die Risikostratifizierung herangezogen werden. Zur Charakterisierung einer seltenen RET Protoonkogenmutation sind daher auch funktionelle Untersuchungen zur Einschätzung des Malignitätsrisikos erforderlich. Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Charakterisierung der seltenen transmembranen RET Protoonkogenmutation S649L hinsichtlich ihres Malignitätrisikos und die hieraus folgenden klinischen Implikationen.

Material und Methoden: Sechzehn Individuen aus 5 Familien wurden als Träger einer RET-Mutation in Exon 11 Codon 649 (TCGSe-TTGLeu) identifziert. Zwei der 5 Indexpatienten hatten eine zweite RET-Mutation: S634W und V804L. Das transformierende Potenzial und die mitogenen Eigenschaften der Mutation S649L wurden in vitro anhand von transfizierten Mäusefibroblasten (NIH3T3) durch Zellproliferations- und „colony formation“-Assays untersucht und mit Zelllinien verglichen die mit bekannten RET Protoonkogenmutationen (C634R; M918T) transfiziert waren.

Ergebnisse: Sieben Genträger mit pathologischem basalem bzw.pentagastrin-stimuliertem Kalzitoninspiegel wurden thyreoidektomiert. Histologisch wurden bei drei Indexpatienten ein C-Zellkarzinom und bei vier weiteren Patienten eine C-Zellhyperplasie identifiziert. Einer der Indexpatienten hatte zusätzlich einen histologisch bestätigten Hyperparathyreoidismus. Bei den übrigen Genträgern [Alter 46-64 a] war das basale Calcitonin im Normbereich, das pentagastrinstimulierte unter 100pg /ml, weswegen bislang keine Thyreoidektomie durchgeführt wurde. Diese Patienten werden jährlich nachuntersucht. Ret S649L exprimierende NIH3T3 Zellen wiesen im Vergleich zu nativen NIH3T3 Zellen eine höhere Proliferationsrate auf, im Vergleich zu den beiden anderen transfizierten Zelllinien lag die Proliferationsrate zwischen Ret C634R und M918T. Die Koloniebildungsrate als Zeichen der transformierenden Aktivität war signifikant höher als diejenige nativer Zellen und lag ebenfalls zwischen den beiden Zelllinien mit den genannten Mutationen.

Schlussfolgerung: Die transmembrane RET S649L Mutation besitzt eine mutagene Aktivität und neoplastische Potenz. Die klinischen Daten legen jedoch nahe, dass sie für spät auftretende und wenig aggressive C-Zellkarzinome kodiert. Eine prophylaktische Thyreoidektomie ist daher a priori nicht gerechtfertigt und sollte individuell in Abhängigkeit vom Calcitoninspiegel durchgeführt werden. Eine lebenslängliche Betreuung von allen Mutationsträgern ist anzustreben.