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Molekularbiologische Aspekte der Neuroplastizität – Ansätze für die Therapie bei Tinnitus und Hörstörungen
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Veröffentlicht: | 25. August 2010 |
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In die Tinnitusentstehung sind periphere und zentrale Strukturen involviert. Für die zentrale Tinnitusentstehung und -persistenz sind Plastizitätsgeschehen von besonderer Wichtigkeit.
Die neuronale Plastizität ist die Fähigkeit des Gehirns, seine eigene Struktur (Synapsen, Nervenzellen oder auch ganze Hirnareale) und Organisation den veränderten biologischen Anforderungen anzupassen. Dabei ist die Neuroplastizität ein dynamischer kontinuierlicher Prozess. Generell unterscheidet man eine synaptische und eine kortikale Plastizität.
Die kortikale Plastizität beinhaltet die aktivitätsabhängige Änderung der Größe, Konnektivität oder des Aktivierungsmusters von kortikalen Netzwerken. Die synaptische Plastizität beschreibt die aktivitätsabhängige Änderung der Stärke der synaptischen Übertragung und kann sowohl die Morphologie als auch Physiologie der Synapse betreffen. Die Stimulation von afferenten Fasern führt zu lang anhaltenden Veränderungen der synaptischen Übertragung. Dieses Phänomen wird als Langzeitpotenzierung („long-term potentiation“, LTP) oder Langzeitdepression („long-term depression“, LTD) bezeichnet. Aus molekularbiologischer Sicht ist die synaptische Plastizität für die Tinnitusentstehung/-persistenz von besonderer Bedeutung.
Letztendlich führen Schäden der Haarzellen, des Hörnervs und Exzitotoxizität zur Dysbalance zwischen LTP und LTD und damit zur Änderung der synaptischen Plastizität. Nach exzessiver akustischer Stimulation kann eine LTP durch die Zunahme der afferenten Inputs induziert werden, während verringerte afferente Inputs eine LTD entstehen lassen.
Die Dysbalance zwischen LTP/LTD führt zur Veränderung der Genexpression und betrifft Veränderungen der Neurotransmission, der Rezeptoren, Ionenkanäle, regulatorischen Enzyme sowie direkte Veränderungen der Synapsen. Dies verursacht eine Zunahme der Erregung auf zellulärer Ebene. In der Folge kann die Dysbalance zu einer Hyperaktivität im dorsalen kochleären Nukleus, im Colliculus inferior sowie im auditorischen Kortex und im weiteren Verlauf über die Veränderung der kortikalen Plastizität zu Tinnitus führen.