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Herbsttagung der ADANO 2010

Arbeitsgemeinschaft Deutschsprachiger Audiologen und Neurootologen der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (ADANO)

16.09. - 17.09.2010, Zürich

Auditorisch evozierte Potentiale bei ein- und beidseitig versorgten Hörgeräte-Trägern

Meeting Abstract

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  • corresponding author presenting/speaker Sibylle Bertoli - HNO-Klinik Universitätsspital, Basel, Schweiz
  • author Rudolf Probst - Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie Universitätsspital, Zürich, Schweiz
  • author Daniel Bodmer - HNO-Klinik Universitätsspital, Basel, Schweiz

Arbeitsgemeinschaft Deutschsprachiger Audiologen und Neurootologen der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Herbsttagung der ADANO 2010. Zürich, 16.-17.09.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10adano01

doi: 10.3205/10adano01, urn:nbn:de:0183-10adano014

Veröffentlicht: 25. August 2010

© 2010 Bertoli et al.
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Gliederung

Text

Hörgeräte werden entweder einseitig oder beidseitig angepasst. Obwohl aus hörphysiologischer Sicht die beidseitige Versorgung klare Vorteile hat, tun sich klinische Studien schwer, die Überlegenheit der binauralen Versorgung zu dokumentieren. Als Langzeitfolge der einseitigen Versorgung könnte es zu Veränderungen in der zentralen Hörverarbeitung mit einem Deprivationseffekt auf der Seite des nicht versorgten Ohres und einem Akklimatisationseffekt auf der Seite des versorgten Ohres kommen.

Ziel der Untersuchung war es, mit Hilfe von späten auditorisch evozierten Potentialen (AEPs) – einer objektiven Messmethode – zu untersuchen, welche Auswirkungen die einseitige im Vergleich zur beidseitigen Hörgeräteversorgung auf die AEPs hat. Es wurde angenommen, dass die Stimulation des versorgten Ohrs zu grösseren Amplituden und kürzeren Latenzzeiten der Komponenten P1, N1 und P2 führen würde als auf der Seite des nicht versorgten Ohres.

Je zehn einseitig und beidseitig versorgte Hörgeräte-Träger (Mindestdauer der Versorgung 5 Jahre, tägliche Tragedauer mindestens 8 Stunden pro Tag) mit einem symmetrischen mittelschweren Hörverlust (PTA 40-60 dB) sowie eine Kontrollgruppe von Normalhörenden, alle mindestens 60 Jahre alt, nahmen an der Studie teil. Als Stimuli wurden Töne mit den Frequenzen 0,5, 1 und 2 kHz mit einer Lautstärke von 55, 70 und 85 dB SPL entweder dem rechten oder linken Ohr präsentiert. Die Antworten auf die Reize wurden für jede der 18 Konditionen separat gemittelt und die Amplituden und Latenzzeiten für die obligatorischen Potentiale P1, N1 und P2 bestimmt. Die Antworten der einseitigen Hörgeräte-Träger wurden so gruppiert, dass versorgtes mit nichtversorgtem Ohr verglichen wurde, während für die beidseitig Versorgten und Normalhörenden rechtes und linkes Ohr verglichen wurden. Die Effekte von Probandengruppe, Ohr, Frequenz und Lautstärke auf die Amplituden und Latenzzeiten von P1, N1 und P2 wurden mittels repeated-measures ANOVAs untersucht.

Resultate: Die Reizantworten der einseitig Versorgten wiesen – ebenso wie die der beiden anderen Gruppen – für keinen der Zielparameter einen signifikanten Unterschied zwischen dem versorgten und nicht versorgten Ohr auf. Ein Vergleich der Reizantworten zwischen den drei Gruppen zeigte für die Komponenten P1 und N1 ebenfalls keine signifikanten Unterschiede, aber die einseitig versorgten Hörgeräte-Träger hatten signifikant grössere P2-Amplituden als die beidseitig Versorgten.

Bedeutung: Das P2 ist eine bisher wenig beachtete Komponente des späten AEP-Komplexes, über dessen funktionelle Bedeutung noch wenig bekannt ist. Grössere P2-Amplituden wurden beschrieben bei Schlafenden, Schizophrenen, dyslexischen Kindern und als Folge eines Sprach-Diskriminationstrainings. Auch ältere Menschen haben ein grösseres und viel breiteres P2. Das grössere P2 bei Personen mit einseitiger Hörgeräteversorgung könnte bedeuten, dass mehr Aufmerksamkeit und Energie als normal für die Verarbeitung akustischer Information aufgebracht werden muss und dass das P2 somit ein Mass für die Höranstrengung sein könnte. Danach wäre das Hören mit einem Hörgerät anstrengender als mit zwei Geräten. Ein Deprivations- respektive Akklimatisationseffekt im klassischen Sinn konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.