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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Die Bedeutung des Studienaufbaus an der Medizinischen Hochschule Hannover für den Studienerfolg im Medizinstudium

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  • corresponding author Volkhard Fischer - Medizinische Hochschule Hannover, Studiendekanat, Bereich Evaluation & Kapazität, OE 9135, Hannover, Deutschland
  • author Agnieszka Dudzinska - Leibniz-Universität Hannover, Zentrale Einrichtung für Qualitätsentwicklung in Studium und Lehre, Studierenden- & Absolventenbefragungen, Hannover, Deutschland
  • author Ingo Just - Medizinische Hochschule Hannover, Studiendekan Medizin, Hannover, Deutschland

GMS J Med Educ 2018;35(2):Doc22

doi: 10.3205/zma001169, urn:nbn:de:0183-zma0011697

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2018-35/zma001169.shtml

Eingereicht: 22. März 2017
Überarbeitet: 24. Januar 2018
Angenommen: 4. März 2018
Veröffentlicht: 15. Mai 2018

© 2018 Fischer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Der klassische, durch Teilprüfungen des medizinischen Staatsexamens unterteilte Aufbau des Medizinstudiums wird in der Regel als sinnvoll und deshalb unveränderbar hingenommen. Der Modellstudiengang der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) weist statt zwei Studienabschnitten nur einen integrierten fünfjährigen Studienabschnitt vor dem Praktischen Jahr (PJ) auf. In ihm kann deshalb der Einfluss struktureller Modifikationen auf den Studienerfolg verschiedener Zulassungsgruppen beispielhaft untersucht werden.

Methodik: Betrachtet wurde der Studienerfolg der über die Vorabquoten und die drei Hauptquoten zwischen 2006 und 2008 an der MHH zugelassenen Studierenden. Studienerfolg wurde dabei als erfolgreicher Abschluss des gesamten Studiums definiert, ohne den Abschluss des ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung (M1) auszublenden.

Ergebnisse: Die Studierenden aus der Abiturbesten-Quote schlossen ihr Studium an der MHH im Untersuchungszeitraum häufiger erfolgreich ab als die Studierenden, die über das Auswahlverfahren der Hochschulen an die MHH gekommen waren. Diese waren wiederum häufiger erfolgreich als MHH-Studierende aus der Wartezeitquote. Gleichzeitig waren letztere häufiger innerhalb der Regelstudienzeit mit dem Studium fertig, obwohl sie seltener innerhalb der Regelstudienzeit alle Teile der M1-Prüfung bestanden hatten.

Schlussfolgerung: Die Daten verdeutlichen, dass ein integrierter Studienabschnitt vor dem PJ insbesondere für Studierende aus der Wartezeitquote die Chance bieten kann, Studienzeitverzögerungen aus den ersten Studienjahren im weiteren Verlauf des Studiums zu kompensieren. Ein einstufiger Studienabschnitt kann also die Möglichkeit erhöhen, zügiger zu studieren. Auch wenn die Komplexität der Daten verschiedene Erklärungsansätze erlaubt.

Schlüsselwörter: Studierendenauswahl, Zulassungsgruppen, Studienaufbau, Studienerfolg, Medizin


1. Einleitung

1.1. Nationaler und internationaler Kontext

Studien zum Einfluss der Art der Hochschulzulassung auf den Studienerfolg im Medizinstudium, wie die aktuelle von Heidmann, Schwibbe, Kadmon und Hampe [1], stehen vor zwei Herausforderungen: Erstens müssen sie ein komplexes System von Input-, Struktur- und Outputvariablen auf wenige ausgewählte Vergleiche reduzieren, damit die Forschungshypothesen noch interpretierbar bleiben. Zweitens erfordern diese Arbeiten einen langen Atem, denn im Medizinstudium liegen über sechs Jahre und drei Monate zwischen der Hochschulzulassung und dem frühestmöglichen Studienabschluss.

Hier soll am Beispiel von drei Jahrgängen des Modellstudiengangs HannibaL an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gezeigt werden, dass neben der Art des Hochschulzugangs (Abiturbeste, Wartezeit, Auswahlverfahren der Hochschulen [AdH], Vorabquoten) auch die Studiengangsstruktur einen wesentlichen Einfluss auf den Studienerfolg haben kann. Dass diese meistens nicht thematisiert wird, dürfte vor allem daran liegen, dass Änderungen des grundsätzlichen Aufbaus eines Studiengangs einen deutlich längeren Vorlauf und eine Umsetzungsphase erfordern, die zusammen mindestens eine Dekade umfassen.

In den älteren Analysen des Einflusses verschiedener Auswahlverfahren auf den Erfolg im Medizinstudium war es noch naheliegend, den Aufbau des Medizinstudiums komplett auszublenden, weil alle Fakultäten innerhalb der gleichen durch die Approbationsordnung vorgegebenen Studienstruktur ausbildeten [2]. Auch die Konzentration auf das M1-Examen (vormals Physikum) war naheliegend, weil dieses die erste zentrale Prüfung war, die überall gleich ablief und der Erfolg in ihr den Erfolg im nächsten Abschnitt des Staatsexamens sehr gut vorhersagte [3]. Trotzdem reduzierten diese älteren Arbeiten die Zielgröße „Studienerfolg“ nicht auf das Bestehen des ersten Studienabschnittes. Auch in internationalen Studien wird der Studienerfolg an der Abschlussnote festgemacht (vgl. z.B. [4]), aber zugleich auch betont, dass Leistungskriterien nicht das alleinige Maß sein dürfen [5].

1.2. Ausgangslage an der MHH

Seit den 90er Jahren hat sich eine größere Vielfalt in der Studierendenauswahl als auch im Aufbau des Medizinstudiums in Deutschland herausgebildet. So wurde das Hochschulzulassungsrecht für alle Studiengänge geändert, um neben reinen Leistungskriterien anderen Bewerber/-innenmerkmalen größeren Raum zu geben (vgl. z.B. http://www.schure.de/22220/nhzg.htm). Und mit der Modellklausel (§ 41) der Approbationsordnung für Ärzte von 2002 wurde die Möglichkeit eröffnet, den Einfluss alternativer Studienstrukturen zu erproben.

Der zum Wintersemester 2005/06 gestartete Modellstudiengang HannibaL lässt sich wie folgt charakterisieren:

  • Vorklinischer und klinischer Studienabschnitt sind zu einem integrierten Studienabschnitt verschmolzen. In jedem Studienjahr tragen ein bis zwei interdisziplinäre für den Modellstudiengang spezifische Module dazu bei, die Integration vorklinischer, klinisch-praktischer und klinisch-theoretischer Inhalte sicherzustellen. Patientenbasierter Unterricht findet bereits in den ersten beiden Studienjahren statt. Um eine Mobilität zwischen dem Modellstudiengang und den Regelstudiengängen zu ermöglichen, kann die M1-Äqivalenz nach zwei Jahren erworben werden. Darüber hinaus ist die Mehrheit der Module aber an den Leistungsnachweisen der Approbationsordnung ausgerichtet.
  • Im integrierten Studienabschnitt steht an der MHH von Beginn an die Ausbildung eines einheitlichen Grundgerüstes an Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten bei allen Studienanfängern im Vordergrund. Dies schließt vom ersten Semester an Unterricht mit Patienteneinbindung in Form von klinischen Lehrvisiten und Unterricht am Krankenbett mit ein.
  • Der erste Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M1) wird an der MHH nicht in einer großen schriftlichen und einer mündlich-praktischen Prüfung abgelegt, sondern wird kumulativ durch Bestehen aller Module der ersten beiden Studienjahre erworben. Dabei müssen alle in die Äquivalenz für M1 eingehenden Prüfungen separat bestanden werden. Ein endgültiges Nichtbestehen einer dieser Einzelprüfungen entspricht daher dem endgültigen Nichtbestehen der M1-Prüfung. Tabelle 1 [Tab. 1] skizziert diese separaten Prüfungen aus den ersten beiden Studienjahren hinsichtlich ihrer Positionierung im Studienverlauf. Durch die Integration der beiden Studienabschnitte können die Studierenden mit kleineren Einschränkungen aber im Studium voranzuschreiten, auch wenn sie noch nicht alle Teile der M1-Äquivalenz abgelegt haben. D.h. die Teilnahme an den Modulen der Studienjahre drei bis fünf setzt an der MHH nicht das Bestehen aller Module der ersten beiden Studienjahre voraus. Für alle von Heidmann et al. [1] ausgewertete Fakultäten gilt hingegen, dass die Studierenden erst dann Lehrveranstaltungen im klinischen Studienabschnitt besuchen dürfen, wenn Sie den ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M1) erfolgreich abgeschlossen haben.

Mit der Novelle des Hochschulrahmengesetzes 2004 und seiner Präzisierung für Niedersachsen durch das Niedersächsische Hochschulzulassungsgesetz (NHZG) im Jahre 2005 (zur aktuellen Fassung vgl. http://www.schure.de/22220/nhzg.htm) wurden die Hochschulen verpflichtet, im AdH-Verfahren neben der Abiturdurchschnittsnote mindestens ein weiteres Kriterium zu berücksichtigen, das die besondere Eignung der Bewerber/-innen erkennen lässt. Die MHH hat sich dabei bewusst für Auswahlgespräche entschieden. Die Intention war, auch den Bewerber/-innen eine Chance auf einen Studienplatz einzuräumen, die im Rahmen eines Auswahlgespräches anhand ihrer persönlichen Voraussetzungen, fachlicher Aspekte und/oder ihrer außerschulischen Interessen deutlich machen können, dass sie über eine ausgeprägte Studienmotivation verfügen. Sie hat dabei den vom NHZG eingeräumten, verglichen mit anderen Bundesländern, engen Spielraum fast maximal ausgenutzt. Dazu werden im AdH-Verfahren nach einer Vorauswahl anhand der Abiturdurchschnittsnote dreimal so viele Bewerber/-innen eingeladen, wie Plätze zu vergeben sind. Aus der Gesamtpunktzahl für das Auswahlgespräch und den Punkten für die Abiturdurchschnittsnote wird ein gewichteter Mittelwert errechnet, der zu einem Ranking führt, das die Grundlage für die Studienplatzvergabe innerhalb des AdH-Verfahrens ist (zur aktuellen Fassung vgl. [6]). Für die anderen Zugangsquoten (Vorabquoten, Abiturbeste und Wartezeit) erfolgt die Vergabe nach den bundesweit üblichen Kriterien.

Viele, nicht alle Fakultäten, fokussieren im Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH-Verfahren) auf Leistungsparameter. Beide Punkte treffen auf die Situation an der MHH und ihren Modellstudiengang HannibaL so nicht zu. Deshalb können Daten, die MHH-Studierende betreffen, einen kritischen Blick auf die impliziten Annahmen der neueren deutschsprachigen Arbeiten [7], [8] ermöglichen.


2. Methode

Der erste Jahrgang des Modellstudiengangs hatte noch keine Auswahlgespräche im AdH-Verfahren, weil das NHZG verspätet in Kraft trat. Bei den Jahrgängen drei und vier lag der Abschluss des Studiums innerhalb der Regelstudienzeit zwar vor dem Beginn dieser Studie. Allerdings war bei ihnen ein verzögerter Studienabschluss nur eingeschränkt abbildbar. Für eine genauere Analyse wurden deshalb insbesondere jene 307 Studierenden betrachtet, die zum zweiten Jahrgang des Modellstudiengangs gehören, weil für diese Kohorte erstmals Auswahlgespräche im AdH-Verfahren durchgeführt wurden und die Regelstudienzeit einen frühestmöglichen Studienabschluss für den Herbst 2012 vorsah. Somit konnten auch jene Studierenden der Kohorte hinsichtlich des Studienabschlusses berücksichtigt werden, die im Herbst 2015, also bis zu drei Jahre nach dem frühest möglichen Zeitpunkt, am zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung teilgenommen haben.

Für eine gesonderte Analyse der zweiten Kohorte spricht auch, dass es auf Grund der fehlenden Erfahrungen mit dem AdH-Verfahren 2006 zu einer deutlichen Überbuchung kam und deshalb in den ersten Jahren des Modellstudiengangs keine Quereinsteiger zur Auffüllung für höhere Studienjahre eingeschrieben wurden. Denn auch wenn die Zahl der Quereinsteiger an der MHH unter fünf Prozent pro Jahr liegt, verändert ihr verspäteter Einstieg in den integrierten Studienabschnitt natürlich dessen Auswirkungen auf die verschiedenen Zulassungsgruppen.

Für alle Studierenden wurden folgende Variablen ausgewertet:

  • die Art ihrer Hochschulzugangs (Vorabquote, Abiturbeste, AdH-Verfahren, Wartezeit),
  • die Abiturdurchschnittsnote,
  • der Zeitpunkt des Erreichens der M1-Äquivalenz in Semestern,
  • der Zeitpunkt des erfolgreichen Abschlusses der M2-Prüfung in Semestern, wenn sie vor dem Landesprüfungsamt Niedersachsen abgelegt wurde,
  • und der Immatrikulationsstatus im November 2015.

Zusätzlich wurde bei den Studierenden, die über das AdH-Verfahren an die MHH gekommen waren, vermerkt, ob sie die Zulassung ausschließlich über die Abiturdurchschnittsnote geschafft hätten, oder ob dazu auch die Punkte aus dem Auswahlgespräch notwendig waren.

Diese Studie soll explorieren, ob strukturelle Veränderungen des Medizinstudiums deutliche Auswirkungen auf den Studienerfolg haben können. Wegen ihrer Beschränkungen (ein Standort, bisher nur wenige Kohorten auswertbar, deutliche Unterschiede in der Personenzahl der verschiedenen Zugangswege), würden eine ganze Reihe von Zusatzanalysen notwendig werden, wenn man die Stärke der verschiedenen Effekte bestimmen will. Dadurch würde aber die eigentliche Fragestellung immer mehr aus dem Blick geraten: Sind strukturelle Veränderungen des Studiengangs Humanmedizin denkbar, die die Erfolgsaussichten der verschiedenen Wege der Hochschulzulassung zu mehr Chancengleichheit hin verändern?


3. Ergebnisse

Die Abiturdurchschnittsnoten verteilten sich in den verschiedenen Zulassungsgruppen genauso, wie man es aufgrund der Gruppenzuordnung erwarten konnte. Die Abiturbesten wiesen bessere Abiturnoten auf als die über das AdH-Verfahren zugelassenen Studierenden, während die Studierenden der Wartezeitgruppe den schlechtesten Notenschnitt hatten. Jene, die ihren Studienplatz über eine der Vorabquoten bekommen hatten, streuten über das Spektrum der anderen Zulassungsgruppen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]), da diese Quote sehr heterogen zusammengesetzt war (Nicht-EU-Bürger, Studierende über die Bundeswehr und persönliche Härtefälle).

Neun Jahre nach Studienbeginn hatten alle Abiturbesten die M1-Äquivalenz im Modellstudiengang erworben. Auch in der Wartezeitgruppe hatten 84% der MHH-Studierenden diese Zwischenprüfung erfolgreich bestanden. Die über das AdH-Verfahren an der MHH zugelassenen lagen, wie bei den Abiturnoten, zwischen den beiden Gruppen, was diesen Zwischenschritt auf dem Weg zu einem erfolgreichen Studienabschluss anging. Lediglich bei den über Vorabquoten zugelassenen Studierenden entsprach der Anteil erfolgreich abgelegter Zwischenprüfungen nicht den Vornoten (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

Der eigentliche Studienerfolg kann erst nach dem erfolgreichen Bestehen des dritten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung nach dem Praktischen Jahr festgestellt werden. Bis zum Jahr 2014 enthielt dieser Prüfungsabschnitt auch die jetzt wieder vor dem Praktischen Jahr liegende schriftliche M2-Prüfung. Im November 2015 hatten alle Studierenden der Gruppe der Abiturbesten, die zum Studienjahr 2006/07 angefangen hatten, alle Teile des Staatsexamens bestanden. Aus der über das AdH-Verfahren zugelassenen Gruppe hatten über 86% definitiv das Studium erfolgreich abgeschlossen. Bei weiteren 12 Prozent war ihr Studienerfolg unklar, denn sie hatten die MHH verlassen. Diese Studierenden, die die MHH verlassen haben, verteilen sich auf Studienortwechsler und Abbrecher, aber letztlich liegen uns über sie keine aktuellen Daten vor. In der Wartezeit-Gruppe hatten immerhin 74% das Studium an der MHH erfolgreich abgeschlossen, gleichzeitig 16% die MHH verlassen. Selbst von den schon hinsichtlich der M1-Äquivalenz am schlechtesten abschneidenden Gruppe, den über die Vorabquote zugelassenen Studierenden, hatten drei Jahre nach Ende der Regelstudienzeit über 60% ihr Studium erfolgreich abgeschlossen (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]).

Für die Untergruppe derjenigen, die ihr Studium mit dem Bestehen der Ärztlichen Prüfung erfolgreich abgeschlossen hatten, zeigt Abbildung 4 [Abb. 4], dass es insbesondere die Studierenden der Wartezeitquote und der Vorabquote waren, die innerhalb der Regelstudienzeit ihr Examen erfolgreich abgelegt hatten. Dagegen hatten die Studierenden der Abiturbestenquote oder die der AdH-Quote deutlich häufiger zwei oder mehr Semester länger studiert, als minimal notwendig ist. Möglich wird diese Veränderung gegenüber der benötigten Studienzeit für den erfolgreichen Abschluss des ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung durch den nicht aufschiebenden Charakter der M1-Äquivalenzprüfungen an der MHH.

Betrachtet man abschließend die Gesamtnote im Staatsexamen (getrennt nach Zulassungsquote), so findet sich immer noch ein mit der Abiturnote korrespondierendes Ergebnis (siehe Abbildung 5 [Abb. 5]). Zu beachten ist hierbei, dass sich diese Bestehensquoten und Notenverteilungen auf 27 von 27 ursprünglich über die Abiturbesten-Quote zugelassene, 166 von 191 über das Auswahlverfahren der Hochschulen zugelassene, 37 von 50 über die Wartezeit-Quote zugelassene, sowie 24 von 39 über Vorabquoten zugelassene Studierende an der MHH bezieht.


4. Diskussion

Der erfolgreiche Abschluss des Medizinstudiums hängt nach unseren Daten zumindest in den drei Hauptquoten (Abiturbeste, AdH-Verfahren und Wartezeit) durchaus mit der Eingangsqualifikation zusammen. Dies zeigen die Abbildung 2 [Abb. 2], Abbildung 3 [Abb. 3] bis Abbildung 4 [Abb. 4] für die Bestehensraten und die Abbildung 1 [Abb. 1] und Abbildung 5 [Abb. 5] für die Notenverteilung. Aber unsere Daten belegen auch, dass die von Heidmann et al. [1] berichteten 40% Studierende aus der Wartezeit-Quote ohne bestandene M1-Prüfung nicht nur auf eine geringere Eignung der so zugelassenen Studierenden zurückzuführen ist. Vielmehr lassen sich deren Ergebnisse vor allem auf die im Modellstudiengang HannibaL fehlende Zäsur durch die M1-Zwischenexamen zurückführen, denn in den dort untersuchten Modellstudiengängen erlaubt erst die komplett bestandene M1-Prüfung die Fortsetzung des Studiums. Ansonsten erfolgt wie in den Regelstudiengängen eine mindestens halbjährige Verlängerung des ersten Studienabschnittes. Studierende der MHH, denen noch eine oder mehrere der Äquivalenzprüfungen fehlen, können dagegen in ihrem Studium fortschreiten. Auch die MHH-Studierenden aus der Abiturbesten-Quote schneiden besser ab, als die gleiche Gruppe an den von Heidmann et a. [1] ausgewerteten Fakultäten. Dagegen liegen für die Studierenden aus der AdH-Quote und aus den Vorabquoten vergleichbare Bestehensraten vor.

Unsere Daten widersprechen damit dem Postulat, dass die drastische Reduktion der Wartezeitquote mehr Absolventen/-innen innerhalb der Regelstudienzeit hervorbringen würde. Denn zumindest an der MHH schließen die Studierenden der Wartezeitquote ihr Studium genauso häufig innerhalb der Regelstudienzeit erfolgreich ab, wie die Studierenden der Abiturbestenquote (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]). Dass ihre Noten dabei geringfügig schlechter ausfallen (siehe Abbildung 5 [Abb. 5]), sollte für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und den Berufseinstieg der Absolventen irrelevant sein.

Die uns bisher vorliegenden Daten erlauben keine Aussagen darüber, wieso die Studierenden aus der Abiturbestenquote und der AdH-Quote zwar häufiger ihr Studium an der MHH abschließen, aber gleichzeitig häufiger länger als die Regelstudienzeit studieren, wenn man sie mit Studierenden aus den Vorabquoten oder der Wartezeitquote vergleicht. Mögliche Erklärungen wären, dass sie jünger sind, zusätzlich eine Promotion während des Studiums beginnen und/oder Auslandssemester absolvieren. Es könnte aber auch an einer geringeren Lebenserfahrung, schlechterem Zeitmanagement oder höherem Erfolgsdruck aus dem Umfeld des Studiums liegen. Die zu betrachtenden unabhängigen Variablen sind komplex und zahlreich, wie schon Kadmon, Resch, Duelli und Kadmon [9] feststellten.

Da Hampe et al. [10] gezeigt haben, dass Auswahlverfahren, die spezifische kognitive Leistungsparameter betonen, die Abbrecherquote im vorklinischen Studienabschnitt reduzieren können, stellt sich aber natürlich die Frage, ob Ähnliches auch für motivationale Parameter gilt. Beschränkt man die Analyse ausschließlich auf den Aspekt der Studierendenauswahl, dann gerät aus dem Blick, dass diese Abbrecherquote auch durch eine restriktive Vorstellung von Studienfortschritt determiniert sein könnte, die die vorherige Beseitigung von Leistungsdefiziten in den naturwissenschaftlichen Grundlagenfächern zur conditio sine qua non für eine klinisch-praktische Ausbildung erklärt. Aber nach unserer Auffassung kann man weder aus einem erfolgreichen Abschluss eines vorklinischen Studienabschnittes, noch aus der Art der Hochschulzulassung zwingend auf die Eignung für den ärztlichen Alltag schließen. Anders sieht es mit der Studienabschlussnote für große Stichproben aus [4].

Deshalb halten wir es im Gegensatz zu anderen aktuellen Arbeiten [1], [7] für wichtig, nicht den Studienerfolg in einem, wenn auch wichtigen, Zwischenexamen oder hochschulinternen Prüfungen, sondern das Endergebnis des Studiums als Zielkriterium zu verwenden. Eine solche Betrachtungsweise relativiert die Bedeutung rein kognitiver Leistungsparameter [11]. Und sie bestätigt die Forderung von Conrad, Addams und Young [5], nicht ausschließlich auf Leistungskriterien bei der Studierendenauswahl zu fokussieren. Aber auch sie blendet Faktoren aus, die den Studienverlauf beeinflussen.

Es fällt auf, dass die aktuellen Studien sehr stark (bis ausschließlich) auf den vorklinischen Studienabschnitt fokussieren, während die älteren Arbeiten auch die Wirkung verschiedener Auswahlverfahren auf den Studienerfolg insgesamt thematisierten. Deshalb sind es gerade diese älteren Arbeiten, die in Verbindung mit der neueren internationalen Literatur einen Ausweg aus dem so gefürchteten Landarztmangel eröffnen [2], [3], [4], [12].

Anders als z.B. Kadmon, Resch, Duelli & Kadmon [9] halten wir es für wichtig auch nach strukturellen Gründen für den Studienerfolg zu suchen, statt diesen ausschließlich aus in den Studienplatzbewerbern angelegten Gründen erklären zu wollen. Denn vor dem Hintergrund des aktuellen Urteils des Bundesverfassungsgericht [13] zum Verfahren der Studienplatzvergabe im Studiengang Medizin haben sich die Vergleiche zwischen den bisherigen Quoten weitgehend erledigt, weil diese Quoten eher früher als später durch ein neues Verfahren abgelöst werden. Die Suche nach relevanten strukturellen Varianten des Aufbaus des Medizinstudiums bleibt aber aktuell. Und wenn sich unsere Daten replizieren ließen, könnte man durch einen veränderten Studienaufbau mehr Studierende innerhalb der Regelstudienzeit zu einem erfolgreichen Abschluss des Medizinstudiums führen. Außerdem verkennt die Fokussierung auf den Erfolg im vorklinischen Studienabschnitt unserer Meinung nach die gesellschaftlichen und beruflichen Anforderungen an ausgebildete Ärzte. Was nicht heißen soll, dass ein solides Grundlagenwissen verzichtbar wäre, oder klinische Entscheidungen nicht positiv beeinflusst [14].

Dass der hier beschriebene Studienerfolg der unterschiedlichen Zulassungsquoten kein singulärer Effekt einer einzelnen Studierendenkohorte ist, machen wir mangels anderer Standorte mit diesem Studiengangsaufbau daran fest, dass sich vergleichbare Bestehensraten finden, wenn wir mehrere Kohorten an der MHH zusammenfassen. So haben von den Studierenden der Wartezeit-Gruppe aus den Kohorten zwei (Beginn: WS 2006/07) bis vier (Beginn: WS 2008/09) des Modellstudiengangs immerhin 74,2 % ihr Studium innerhalb der Regelstudienzeit bis zum Herbst 2015 erfolgreich abgeschlossen, weitere 6,5% haben alle Leistungsscheine, aber noch nicht alle Abschnitte der Ärztlichen Prüfung bestanden. Von den Abiturbesten haben 88.9% alle Leistungsscheine und alle Abschnitte der Ärztlichen Prüfung bestanden, weitere 1,1% haben alle Leistungsscheine, aber noch nicht alle Examensteile bestanden. Auch bei dieser größeren Stichprobe ist also zu beobachten, dass die über die Wartezeit zugelassenen Studierenden der Humanmedizin eine, verglichen mit anderen Studiengängen beeindruckende, Erfolgsquote vorweisen können, wenn die fünf Jahre ihres Studiums bis zum Praktischen Jahr einstufig und kontinuierlich aufgebaut sind, und nicht durch ein Zwischenexamen unterteilt werden. D.h. obwohl die Studienabbrecherquote in Medizin [1] schon deutlich unter der für die Bachelor- und Masterstudiengängen [15] liegt, scheint es für Studierende an der MHH noch mal bessere Werte zu geben. Da die Motivation der Studierenden und ihre Qualifikation in unserer Studie sich nicht deutlich von den Studierenden bei Heidmann et al. unterscheiden sollte, bleibt aus unserer Sicht nur der strukturell andere Studienaufbau als Erklärung übrig.

Systematische Längsschnitt-Analysen werden zeigen müssen, wie nicht nur Erfolge in einzelnen Studienabschnitten optimiert, sondern auch der Gesamtstudienerfolg verbessert werden kann. Fest steht schon jetzt, dass es keine einfache Antwort sein wird, wenn man die komplexen Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Erwartungen, individueller Studienwahl, curricularen Vorgaben und Studienerfolg in Einklang bringen will.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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