gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Dieter Brockmann, Michael Kühl: Mit Erfolg promovieren in den Life Sciences

Buchbesprechung Lebenswissenschaften

Suche in Medline nach

  • corresponding author Michael Gommel - Institut für systemische Medizin- und Organisationsethik, Berlin, Germany

GMS J Med Educ 2017;34(3):Doc29

doi: 10.3205/zma001106, urn:nbn:de:0183-zma0011067

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2017-34/zma001106.shtml

Eingereicht: 2. Juni 2017
Überarbeitet: 2. Juni 2017
Angenommen: 2. Juni 2017
Veröffentlicht: 15. August 2017

© 2017 Gommel.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Bibliographische Angaben

Dieter Brockmann, Michael Kühl

Mit Erfolg promovieren in den Life Sciences

Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Erscheinungsjahr: 2015, Seiten: 168, Preis: € 19,99

ISBN-13: 978-3825242176


Rezension

Auf den ersten Blick lassen der Titel des Buchs und der Text auf der letzten Einbandseite vermuten, dass sich das Buch vor allem an Promovierende oder Promotionsinteressierte wendet. Welcher Doktorand möchte nicht schnell, komplikationsfrei und erfolgreich seine Promotion zum Abschluss bringen? Der auf der dritten Buchseite genannte Untertitel „Ein Leitfaden für Doktoranden, Betreuer und Universitäten“ weist jedoch auf die beträchtlich größere Zielgruppe hin. Auch das Inhaltsverzeichnis zeigt schnell, dass es nicht nur um das (eigene) Promovieren geht.

Das erste Kapitel „Was ist eine Promotion?“ könnte als Lexikon mit Statistik und Geschichte der Promotion beschrieben werden: Es werden Begriffe erläutert, viele Zahlen zur Promotion genannt und ihre Bedeutung im Laufe der Jahrhunderte erörtert. Im zweiten Kapitel werden der rechtliche Rahmen, die beteiligten Institutionen, Details zu Zulassung und Ablauf beschrieben – insgesamt etwas kurz, wenn man die Bedeutung der formalen Bedingungen bedenkt.

Das dritte Kapitel trägt den Titel „Die Entwicklung der modernen Promotion“. Dieser Titel verwundert nach Lektüre des Kapitels ein wenig, denn eine solche Entwicklung wird darin nicht beschrieben. Stattdessen gehen die Autoren ausführlich auf strukturierte Promotionsprogramme, ihren Aufbau und vor allem auf ihre Vorzüge ein und betonen ihre Präferenz für solche Programme im Vergleich zur Einzelpromotion. Diese Bevorzugung verdanken die Lesenden sicher der langjährigen positiven Erfahrung von Michael Kühl und Dieter Brockmann als Leiter bzw. Managing Director einer International Graduate School.

Im vierten Kapitel widmen sich die Autoren „Optimalen Promotionsbedingungen“: wissenschaftliche, praktische und persönliche Faktoren werden diskutiert. Im Abschnitt über wissenschaftliche Faktoren fällt auf, dass der Reputation des Erstbetreuers viel Platz gewidmet ist, inklusive einer Erörterung von Hirsch-Index, Impact-Faktor und anderen vermeintlichen „Gütekriterien“. Ob der Reputation des Erstbetreuers tatsächlich bei der individuellen Entscheidung für eine bestimmte Promotion so viel Bedeutung zukommt, wäre eine interessante Forschungsfrage. Die These der Autoren, dass bei hoher Motivation und mit einer exzellenten Promotion die wissenschaftliche Karriere umso einfacher sei, „je höher die Reputation des Erstbetreuers ist“, halte ich für gewagt. Immerhin gestehen die Autoren zu, dass „die fachliche Reputation eines Betreuers keine Rückschlüsse auf seine unmittelbaren Qualitäten als Betreuer eines Promovenden erlaubt.“

Das fünfte und sechste Kapitel widmen sich den praktischen Aspekten einer Promotion als Projekt, das mit limitierten Ressourcen gemanagt werden muss. Gerade das fünfte Kapitel beschreibt für die praktische Umsetzung einer Promotion wichtige Aspekte wie Planung, Meilensteine, Kontrollmechanismen, Publikation in Zeitschriften und Abfassung der Dissertation. Im siebten Kapitel werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie es nach der Promotion weitergehen könnte. Das achte Kapitel gibt eine kurze Zusammenfassung über einige Gesetze und Verordnungen, die für Life-Science-Promovierende relevant werden können (Gentechnikgesetz, Tierschutzgesetz u.a.).

Im letzten Kapitel gehen die Autoren schließlich etwas ausführlicher auf verschiedene Aspekte der guten wissenschaftlichen Praxis und auf wissenschaftliches Fehlverhalten ein. Erörtert werden das Führen von Laborbüchern, Datenspeicherung und –aufbewahrung, Nutzungsrechte, Autorschaftsfragen und das Ombudswesen. Da es zu diesem Thema bisher wenig alltagstaugliche Literatur für Promovierende gibt, möchte ich dieses Kapitel trotz seiner kleinen Defizite besonders hervorheben. Ich halte es jedoch für unglücklich, dass die Autoren sich der US-amerikanischen Definition von Fehlverhalten verschrieben haben, die sich in Datenerfindung, Datenmanipulation und Plagiat erschöpft. Die in den Satzungen deutscher Universitäten und Forschungseinrichtungen enthaltenen Kataloge wissenschaftlichen Fehlverhaltens sind erheblich umfangreicher. Zudem kommen Doktoranden viel häufiger mit einer anderen als den drei genannten Formen von Fehlverhalten in Kontakt, nämlich mit der so genannten „Ehrenautorschaft“, auf die die Autoren leider mit keinem Wort eingehen. Was ebenfalls fehlt, ist eine Positiv-Definition von Autorschaft, wie sie z. B. das International Committee of Medical Journal Editors empfiehlt. Dass es an allen deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen Richtlinien, Satzungen oder Empfehlungen zur guten wissenschaftlichen Praxis gibt, deren Einhaltung für ihre Mitglieder verpflichtend ist, wäre eine wichtige Ergänzung. Ein bedeutsamer Irrtum hat sich in der Aussage über den Beginn der zehnjährigen Daten-Pflichtaufbewahrungsdauer eingeschlichen: Dies ist (völlig plausibel) der Zeitpunkt der Publikation, nicht der Datenerzeugung, so wie dies auch in der Satzung der Universität Ulm zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis erläutert ist.

Dieser Leitfaden hat einen hohen Anspruch: Er will einen umfassenden Einblick in die lebenswissenschaftliche Promotion geben und richtet sich zugleich an alle Akteure. Ich halte ihn für hilfreich für alle, die mit dem Gedanken spielen, eine lebenswissenschaftliche Promotion zu beginnen, weil er einen Überblick über viele Aspekte und Themen gibt, die im Verlauf einer Promotion relevant werden können, und zudem mit vielen Sachinformationen aufwartet. Etwa ein Dutzend Checklisten und Tabellen helfen bei der Identifikation nützlicher Fragen für die Vorbereitung und Durchführung des eigenen Promotionsprojekts. Der Leitfaden eignet sich auch als „Lesebuch“ für alle, die sich einen allgemeinen Überblick über die Promotion verschaffen wollen. Für die Koordinierenden von Promotionsprogrammen gibt er ebenfalls wichtige Hinweise auf das, was in der Planung und Begleitung beachtet werden sollte. Gerade weil auf nur 150 Seiten auf so viele verschiedene Inhalte eingegangen wird, darf man aber keine tiefergehende Auseinandersetzung mit allen wichtigen Aspekten erwarten.

Eine ins Englische übersetzte Ausgabe wäre für die vielen Promovierenden, die weder die deutsche Sprache beherrschen noch in die deutsche Forschungslandschaft hineinsozialisiert wurden, sehr hilfreich – auch für Promovierende außerhalb der Lebenswissenschaften.


Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass er keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.