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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Analyse zur Ausbildungsforschung an einer medizinischen Fakultät in Deutschland und Vorschläge zur strategischen Entwicklung – eine Fallstudie

Artikel Medizinische Ausbildungsforschung

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  • Sarah Prediger - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, III. Medizinische Klinik, Hamburg, Deutschland
  • corresponding author Sigrid Harendza - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, III. Medizinische Klinik, Hamburg, Deutschland

GMS J Med Educ 2016;33(5):Doc71

doi: 10.3205/zma001070, urn:nbn:de:0183-zma0010707

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2016-33/zma001070.shtml

Eingereicht: 24. November 2015
Überarbeitet: 7. Juli 2016
Angenommen: 29. Juli 2016
Veröffentlicht: 15. November 2016

© 2016 Prediger et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Evidenzbasierte medizinische Ausbildung spielt eine immer wichtiger werdende Rolle bei der Auswahl didaktischer Methoden und der Entwicklung medizinscher Curricula und Prüfungen.

In Deutschland hat eine wachsende Zahl von Ausbildungsforschungsprojekten den fortschreitenden Wandel des medizinischen Ausbildungsprozesses begleitet. Ziel dieses Projektes war es, die medizinischen Ausbildungsforschungsaktivitäten an einer medizinischen Fakultät einzuschätzen, um Prozessempfehlungen zur Unterstützung und Entwicklung von evidenzbasierter medizinischer Ausbildung zu entwickeln.

Methoden: Mit einem neu entwickelten Online-Fragebogen wurden 65 Institute und Abteilungen der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) gebeten, über ihre Ausbildungsforschungs- und Serviceprojekte, ihre Publikationen in der Ausbildungsforschung, Promotionsarbeiten im Bereich der Ausbildungsforschung, Fördermittel für Ausbildungsprojekte und unterstützende Strukturen, die sie als zukünftig hilfreich einstufen würden, zu berichten. Die Daten wurden zusammengestellt und es wurde eine SWOT-Analyse durchgeführt.

Ergebnissen: Insgesamt 60 Wissenschaftler_innen des UKE waren an 112 Publikationen im Bereich der medizinischen Ausbildungsforschung zwischen 1998 und 2014 beteiligt. 25 von ihnen haben mindestens ein Manuskript in Erst- oder Letztautorenschaft veröffentlicht. 33 der Abteilungen am UKE waren an ausbildungsbezogenen Service- oder Ausbildungsforschungsprojekten beteiligt und 75.8% von ihnen erhielten interne oder externe Fördermittel. Regelmäßige Treffen zu Ausbildungsforschungsthemen und Unterstützung bei der Suche nach Kooperationspartner_innen wurden am häufigsten als nützliche unterstützende Strukturen für die Zukunft genannt.

Schlussfolgerung: Eine Erhebung zur Feststellung des Ist-Zustandes der medizinischen Ausbildungsforschung an einer medizinischen Fakultät scheint ein hilfreicher erster Schritt zur Entwicklung von Strategie und Struktur zur weiteren Unterstützung von Forscher_innen in der medizinischen Ausbildungsforschung zu sein.

Schlüsselwörter: Ausbildungsforschung, medizinische Ausbildung, Forschungsnetzwerke, Forschungsprojekte, strategische Entwicklung


Einleitung

Seit einer umfangreichen Novellierung der Approbationsordnung im Jahr 2002 [Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO), abgerufen: 05.11.2015] begann sich die medizinische Ausbildung in Deutschland in einem unumkehrbaren Prozess zu entwickeln [1], der auch heute noch weiter voranschreitet. Die am stärksten verbreiteten Änderungen in den Ausbildungs- und Prüfungsstrukturen waren an vielen medizinischen Fakultäten die Einführung von Problem-orientiertem Lernen (POL), des Prüfungsformats „Objective structured clinical examinations“ (OSCE) und von Kommunikationstraining mit standardisierten Patienten [2], [3], [4]. Des Weiteren haben medizinische Fakultäten oder einzelne Abteilungen medizinischer Fakultäten Studien durchgeführt um zu untersuchen, ob ihre curricularen Veränderungen zu einer Verbesserung des Medizinstudiums beigetragen haben [5], [6]. Außerdem haben viele medizinische Fakultäten didaktische Trainingsprogramme für Lehrende initiiert [7], [8], [9] und es wurde zur Professionalisierung medizinischer Ausbilder_innen ein Master of Medical Education Programm in Deutschland etabliert [10].

Der deutsche Wissenschaftsrat hat Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Medizinstudiums in Deutschland auf Grundlage einer Bestandsaufnahme der humanmedizinischen Modellstudiengänge veröffentlicht [11]. Diese Empfehlungen, die besonders auf die Entwicklung von Curricula abzielen, in denen theoretisches Grundlagenwissen mit klinischen Wissenschaften mit einem besonderen Schwerpunkt auf praktischen Fertigkeiten und Kommunikation integriert wird, werden sehr geschätzt, aber ein stärker evidenzbasierter Ansatz wurde gefordert. [Pfeilschifter J. Wissenschaft in hoher Verdünnung, abgerufen: 07.04.2016]. Darüber hinaus hat der Medizinische Fakultätentag (MFT) kürzlich einen Nationalen Lernzielkatalog für das Medizinstudium (NKLM) [NKLM, abgerufen: 17.07.2015] und das Zahnmedizinstudium [NKLZ, abgerufen: 07.04.2016] verabschiedet, die einen neuen Ansatz für die studentische medizinische Ausbildung basierend auf Kompetenzen und anvertraubaren professionellen Tätigkeiten (entrustable professional activities) [12] fördern und möglicherweise weitere curriculare Reformen nach sich ziehen werden.

Forschung im Bereich medizinische Ausbildung unterstützt evidenzbasierte medizinische Ausbildung und fördert die Entwicklung von medizinischen Curricula basierend auf den besten evidenzbasierten Standards [13], [14]. Als Impuls für curriculare Entwicklung hat evidenzbasierte medizinische Ausbildung eine lange Tradition in Nordamerika und einigen europäischen Ländern wie Großbritannien und den Niederlanden, in denen Abteilungen für Ausbildungsforschung und -entwicklung an medizinischen Fakultäten gut etabliert sind [15]. Daher sind diese Länder unter denen mit der höchsten relativen Produktivität, was wissenschaftliche Publikationen in der Ausbildungsforschung angeht [16]. Deutsche Universitäten beginnen damit, Abteilungen für Ausbildungsentwicklung und -forschung in ihren medizinischen Fakultäten zu etablieren, z.B. in München. Zusätzlich werden mit der Einführung des NKLM auf Probe für fünf Jahre Ausbildungsforschungsaktivitäten notwendig für dessen Einschätzung in der Praxis. Außerdem unterstreicht der NKLM selbst die wissenschaftliche Basis der medizinischen Ausbildung. Zudem feierte die deutsche GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung, die wissenschaftliche Zeitschrift der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) zur Förderung von evidenzbasierter medizinischer Ausbildung, 2014 ihren 30. Geburtstag [17]. Außerdem wird seit 2010 der “Ars legendi-Fakultätenpreis für exzellente Lehre in der Medizin” an herausragende medizinische Lehrende und Ausbildungsforscher_innen vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und vom MFT vergeben [18].

Trotz dieser positiven Entwicklungen und der Unterstützung für die Ausbildungsforschung in der Medizin und entgegen der Erwartungen hat die Zahl der Beiträge von Teilnehmer_innen aus deutschsprachigen Ländern auf den Konferenzen der AMEE (Association of Medical Education in Europe) zwischen 2005 und 2013 keinen kontinuierlichen Anstieg gezeigt [19]. Die Anzahl der Publikationen von deutschen Ausbildungsforscher_innen in internationalen medizinischen Ausbildungszeitschriften steigt seit 2009 [20]. Zwischen 2004 und 2013 haben jedoch nur fünf deutsche Universitäten mehr als 10 Manuskripte mit einem/r deutschen Erst- oder Letztautor_in in einer internationalen medizinischen Ausbildungszeitschrift veröffentlich [20].

Inzwischen hat mindestens ein Mitglied jeder medizinischen Fakultät in Deutschland ein Master of Medical Education-Programm abgeschlossen [10] und viele weitere nahmen an Workshops zur Ausbildungsforschung in der Medizin teil [21]. Um die internationale Sichtbarkeit in der medizinischen Ausbildungsforschung zu steigern, die Entwicklung evidenzbasierter Curricula zu etablieren und Ausbildungsforschung an den medizinischen Fakultäten mit einem Netzwerk von Ausbildungsforscher_innen zu fördern, scheint es sinnvoll, den Ist-Zustand der Ausbildungsforschung an einer medizinischen Fakultät zu erheben und strategische Schritte zur Bündelung von Ausbildungsforschungsaktivitäten aus einer Analyse zu entwickeln. Unsere Untersuchung beschreibt den Prozess, der zur Erhebung der medizinischen Ausbildungsforschungs- und Entwicklungsaktivitäten an der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg angewandt wurde und die Entwicklung von strategischen Ideen zur Förderung von evidenzbasierter medizinischer Ausbildung an dieser Fakultät, basierend auf dieser Erhebung.


Methoden

Die Planung eines strategischen Entwicklungsprozesses basiert normalerweise auf einer gründlichen Analyse der spezifischen Situation einer Organisation, die sich auf eine Veränderung vorbereitet, um Empfehlungen für die nächsten Schritte mit größter Genauigkeit anzupassen [22], [23]. Daher entwickelten wir die folgende Strategie zur Untersuchung der medizinischen Ausbildungsforschung und –entwicklungsaktivitäten an der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg, die einen Onlinefragebogen, Telefoninterviews und eine Internetrecherche beinhaltete. Wir entwickelten einen Onlinefragebogen mit 23, vor allem geschlossener Fragen mit der Option, ergänzende Information als freie Antworten einzufügen. Die Fragen beinhalteten die folgenden Themenfelder:

1.
derzeit aktive Ausbildungsforscher_innen der Institution,
2.
Publikationen in der Ausbildungsforschung (Zeitschriften mit und ohne Impact-Faktor, Bücher),
3.
laufende Ausbildungsprojekte (Forschung oder Entwicklung, Themen, Methoden, Zielgruppen),
4.
Finanzierung für Ausbildungsprojekte (Finanzierungsquelle, Höhe der Mittel),
5.
Förderung von Nachwuchsausbildungsforscher_innen (PhD Programm, nicht medizinische Doktorarbeiten),
6.
derzeitige Kooperationspartner_innen,
7.
Erwartungen an Organisationsstrukturen für medizinische Ausbildung an einer medizinischen Fakultät.

Darüber hinaus wurden offene Fragen zu ergänzenden Bedarfen und Vorschlägen für eine mögliche Etablierung eines Netzwerkes für medizinische Ausbildung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) gestellt. Ergänzende Informationen zu Forschungsaktivitäten, Finanzierungsmitteln oder Mitgliedschaften wurden beim Sekretariat des Prodekanats für Lehre erfragt und der Internetseite des UKE entnommen (siehe Anhang 1 [Anh. 1]).

Ein Link zum Online-Fragebogen wurde per E-Mail an die Lehrbeauftragten der Kliniken (n=37) und Institute (n=27) des UKE und den Geschäftsführer des Prodekanats für Lehre der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg (n=1) versandt. Die Kliniken und Institute, von denen keine Antworten aus der Online-Befragung eingingen, wurden nochmals per E-Mail oder Telefon kontaktiert, um eine Teilnahme aller Institutionen zu garantieren. Es wurde ein Datensatz mit allen Informationen erstellt und anschließend ausgewertet. Im Rahmen der Datenauswertung wurde von den Autorinnen eine SWOT-Analyse [24] als ergänzende Auswertung durchgeführt, die Stärken und Schwächen (interne Perspektive) sowie Möglichkeiten und Bedrohungen (externe Perspektive) im Hinblick auf eine Strategie zur Etablierung eines Netzwerkes für medizinische Ausbildungsforschung am UKE betrachtete, um basierend auf dieser Analyse Vorschläge zu entwickeln.


Ergebnisse

32 der 65 Abteilungen beantworteten die Online-Befragung. Alle übrigen Abteilungen wurden per E-Mail oder Telefon nochmals kontaktiert, bis von jedem Institut und jeder Klinik eine Antwort vorlag. Die meisten Abteilungen, die den Online-Fragebogen anfänglich nicht ausgefüllt hatten, waren nicht an Ausbildungsprojekten beteiligt.

60 medizinische Ausbildungsforscher_innen, die an 112 Publikationen im Bereich der medizinischen Ausbildung zwischen 1998 und 2014 beteiligt waren – 25 von ihnen als Erst- oder Letztautor_innen – wurden in 23 Kliniken und Instituten der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg identifiziert. Von diesen Manuskripten wurden 99 (88,4%) in Zeitschriften (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) und 13 (11,6%) als Buchbeiträge publiziert. Die erste Publikation zur medizinischen Ausbildung am UKE stammt aus dem Jahr 1998. Von 2000 bis 2002 wurden keine Manuskripte zu medizinischer Ausbildung publiziert. Die individuelle Zahl an Zeitschriftenpublikationen pro Person variiert von einer bis 43.

Zum Zeitpunkt der Befragung waren 24,6% der Kliniken und Institute an der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg an Forschungsprojekten und 46,2% an Serviceprojekten zur medizinischen Ausbildung beteiligt. Als Forschungsprojekte wurden Projekte mit wissenschaftlicher Fragestellung und Beschreibung des methodischen Vorgehens definiert. Serviceprojekte wurden als Projekte zur Implementierung von neuen Kurse oder Ausbildungsmaterial ohne spezielle wissenschaftliche Fragestellung definiert. Insgesamt wurden mindestens 42 laufende Forschungsprojekte und 57 Serviceprojekte identifiziert. Tabelle 1 [Tab. 1] zeigt die verschiedenen Themenfelder der zurzeit laufenden medizinischen Ausbildungsforschungsprojekte. Die Zielgruppen dieser Projekte, die per Mehrfachnennung erfragt wurden, waren vor allem Medizinstudierende im vorklinischen (42,4%) und im klinischen Studienabschnitt (53,1%) oder im Praktischen Jahr (31,2%). Einzelne Forschungsprojekte schlossen Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung, Schülerinnen und Schüler, Studienbewerber_innen, Psychotherapeutinnen und -therapeuten oder Krankenpflegeschüler_innen ein. In einer weiteren Frage mit Mehrfachnennungsmöglichkeit gaben 46,9% der Teilnehmenden an, dass sie quantitative Forschungsmethoden verwenden, 45,5% nutzen qualitative Methoden. Mixed-Method werden von nur 17,6% der Teilnehmenden verwendet.

Aktuell sind 33 Abteilungen an Projekten zur medizinischen Ausbildung am UKE beteiligt. Vier Abteilungen erhalten finanzielle Mittel für Ausbildungsforschungsprojekte, 18 für Ausbildungsserviceprojekte und drei Abteilungen erhalten Mittel für beide Arten von Projekte. Somit erhalten 75,8% der Abteilungen finanzielle Mittel für ihre Ausbildungsprojekte (Förderfonds Lehre des Medizinischen Fakultät: 96%, Bundesministerium für Bildung und Forschung: 12%, Stiftungen: 8%). Acht Abteilungen erhielten keine finanziellen Mittel für medizinische Ausbildungsprojekte.

Zwischen 2005 und 2014 wurden 14 medizinische oder zahnmedizinische und eine nichtmedizinische Promotion mit Forschungsfragestellungen aus dem Bereich der medizinzischen Ausbildung abgeschlossen. 19 Doktorarbeiten (vier davon in einem PhD-Programm) werden derzeit durchgeführt, darunter medizinische, zahnmedizinische und nicht medizinische Doktorand_innen. Eine Habilitation im Bereich der medizinischen Ausbildung wurde 2014 abgeschlossen. 10 derzeitige Fakultätsmitglieder haben ein Master of Medical Education-Programm (MME) abgeschlossen (fünf in Heideberg, fünf in Bern) und sechs weitere studieren aktuell in Heidelberg. Sieben MME-Teilnehmer_innen (fünf mit MME-Abschluss und zwei ohne) haben das UKE verlassen. Ein Fakultätsmitglied bekleidet eine Professur für Innere Medizin/Ausbildungsforschung und drei Fakultätsmitglieder besetzen Lehrprofessuren.

Die Umfrageteilnehmenden wurden außerdem nach ihren Erwartungen, Bedarfen und Wünschen bezüglich möglicher Organisationsstrukturen für medizinische Ausbildungsforschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) gefragt. Regelmäßige Treffen zum Austausch über “Projekte in Arbeit”, Unterstützung bei der Suche nach Kooperationspartner_innen und Methodenworkshops zur medizinischen Ausbildungsforschung waren die am häufigsten genannt Themenbereiche.

Auf Basis dieser Daten wurde eine SWOT-Analyse zu Stärken und Schwächen (interne Perspektive) sowie zu Möglichkeiten und Bedrohungen (externe Perspektive) in Bezug auf die Möglichkeit der Etablierung eines Netzwerks für medizinische Ausbildungsforschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg von den Autorinnen durchgeführt (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).


Diskussion

Mit der derzeitigen Anzahl an Publikationen im Bereich der medizinischen Ausbildungsforschung ist die Medizinische Fakultät der Universität Hamburg eine der fünf deutschen Universitäten mit mehr als zehn Publikationen mit Erst- und Letztautorenschaften in internationalen Ausbildungszeitschriften von 2004 bis 2013 [20]. Diese Anzahl an Publikationen scheint eine gute Grundlage für internationale Sichtbarkeit und ein Alleinstellungsmerkmal zu sein, das zurzeit von nicht vielen Universitäten in Deutschland geteilt wird. Darüber hinaus unterstreicht die steigende Anzahl an MME-Absolventen, die Zahl von aktuell 42 Forschungsprojekten und die steigende Anzahl an Drittmittel-geförderten Ausbildungsprojekten das Streben der Fakultät nach forschungsbasierter medizinischer Ausbildung. Gemäß unserer SWOT-Analyse scheint die Gründung eines Ausbildungsnetzwerks ein hilfreicher nächster Schritt zu sein, um die Forschungsaktivitäten und Publikationen der 25 identifizierten medizinischen Ausbildungsforscher_innen am UKE zu unterstützen, die mindestens ein Manuskript mit einer Ausbildungsthematik als Erst- oder Letztautor_in publiziert haben.

Allerdings haben nur drei der 25 Forscher_innen mehr als zehn Manuskripte in nationalen oder internationalen Zeitschriften als Erst- oder Letztautor_in publiziert. Dies wirft die Frage auf, ob am UKE eine kritische Masse an Expert_innen, was äußerst wichtig für Entwicklungsvorhaben ist [25], für diese Unternehmung erreicht werden kann. Die Abhängigkeit von einer kleinen Anzahl an erfahrenen Ausbildungsforscher_innen haben wir als mögliche Schwäche identifiziert. Allerdings könnte ein Netzwerk mit unterstützender Infrastruktur – dessen Fehlen wurde ebenfalls als Schwäche identifiziert – junge Ausbildungsforscher_innen, die gerade erst anfangen zu publizieren oder MME Abschlüsse erworben haben, fördern und motivieren, Ausbildungsforschung weiter zu betreiben.

Mitte der 1990er wurden die Ergebnisse medizinischer Ausbildungsforschung bei der Entscheidungsfindung zu Ausbildungsfragen häufig vernachlässigt [26]. Somit wurden viele Veränderungen ohne wissenschaftliche Evidenz in medizinische Curricula implementiert.

Daher wurde die Idee entwickelt, dass Abteilungen für medizinische Ausbildung „medizinische Ausbildungsforschung fördern und unterstützen“ sollen [26], um Curriculumsentwickler_innen mit Ausbildungsforschungsdaten zu unterstützen und so beste evidenzbasierte medizinische Ausbildung zur ermöglichen [27].

Es wurden Empfehlungen formuliert, wie Abteilungen für medizinische Ausbildung etabliert und Ausbildungsforscher_innen unterstützt werden können [13]. Manche dieser Empfehlungen zur Gründung von Abteilungen für medizinische Ausbildung und zur evidenzbasierten Entwicklung in der medizinischen Ausbildung [28] zielen auch auf die folgenden unterstützenden Notwendigkeiten zur Bewältigung der Schwächen ab, die in unserer SWOT-Analyse zum Aufbau eines Ausbildungsnetzwerkes identifiziert wurden. Erstens ist die Unterstützung des Dekans für eine solche Unternehmung erforderlich, da mit Widerstand von Fakultätsmitgliedern in Bezug auf die Unterstützung von Forscher_innen ihrer Abteilungen mit Interesse an Ausbildungsforschung gerechnet werden kann. Zweitens könnte finanzielle Unterstützung zur Etablierung administrativer Infrastrukturen für ein Netzwerk erforderlich sein. Drittens müsste ein interdisziplinäres Team von Forscher_innen bereit sein, seine Expertise zur Ausbildung junger Akademiker_innen zu teilen.

Wenn der Prozess des “Unfreezing” [29] der Fakultät erfolgreich im Gang ist und die Entscheidung zur Etablierung eines Netzwerks getroffen wurde, müssen einige weitere Empfehlungen im Hinblick auf erfolgreiche Zusammenarbeit in der medizinischen Ausbildungsforschung berücksichtigt werden [30]. Auf die Bedrohung durch eine erhöhte Konkurrenz zwischen den Forscher_innen, wie sie in unserer SWOT-Analyse beschrieben wird, könnte mit einer frühzeitigen Entwicklung von Kriterien zur Vergabe der Autorenschaften reagiert werden [30]. Wenn eine finanzielle Unterstützung nicht sofort verfügbar ist, könnte es notwendig sein, engagierte Fakultätsmitglieder zu identifizieren, die auch ohne finanzielle Mittel in der Gründungsphase mitarbeiten [30]. Darüber hinaus ist es, wie für die Grundlagenforschung auch, erforderlich, Drittmittel von externen Quellen für Ausbildungsforschung zu erhalten, was Expertise im Antragsschreiben für Ausbildungsmittel [31] und die Identifizierung entsprechender Finanzierungsquellen erfordert. Forschung in den USA hat die Nützlichkeit von diversen nationalen Organisation und der Gesellschaft der Forschungsleiter_innen in der medizinischen Ausbildung [32] für die Verbreitung von Ausbildungsforschungsergebnissen und zur Sicherung ihrer Verfügbarkeit für die Entwicklung von Curricula gezeigt. Ein derartiger Ansatz wird in Deutschland besonders in Bezug auf die Integration des NKLM in die studentische medizinische Ausbildung und für die Entwicklung oder Weiterverfolgung der Modellstudiengänge nützlich sein.

Eine Analyse ähnlich der unsrigen zur Erhebung des Ist-Zustands im Hinblick auf medizinische Ausbildungsforschung an einer medizinischen Fakultät könnte ein erster Schritt für eine Fakultät sein um zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, ein Netzwerk oder andere Strukturen zur Verbesserung der Arbeitsweise fortzuführen. Eine Fakultät sollte sich bewusst sein, dass medizinische Ausbildungsforschung unser Verständnis von Lernen vertieft und nicht nur zur Lösung von konkreten lokalen Problemen interessant ist [33]. Sie kann Evidenz liefern, die bei der Entwicklung von Medizinstudiengängen Berücksichtigung finden sollte [34]. Dennoch bedarf die Entwicklung einer Strategie und Struktur für einen Kern und ein Netzwerk in medizinischer Ausbildungsforschung uneingeschränkten Engagements und Unterstützung der Fakultätsleitungsebene sowie einer kritischen Masse an Fakultätsmitgliedern, die bereit sind, Antragsschreiben, Projekteleitungen und Manuskriptvorbereitungen in Angriff zu nehmen.


Schlussfolgerung

Wenn eine medizinische Fakultät darüber nachdenkt, einen Ausbildungsforschungsfokus in ihrem Portfolio zu etablieren, scheint eine Erhebung des Ist-Zustands in Bezug auf medizinische Ausbildungsforschung und -forscher_innen ein wichtiger erster Schritt zu sein. Wenn die Analysedaten vorliegen, könnte ein möglicher nächster Schritt zu einem Netzwerk von Ausbildungsforscher_innen die Durchführung eines Workshops mit Fakultätsmitgliedern, die an Ausbildungsforschung interessiert sind, sein. Ein solcher Workshop kann das Dekanat dabei unterstützen, weitere Informationen für eine SWOT-Analyse zu sammeln, um zu erwägen, ob eine Fakultät bereit ist, eine vollumfängliche Unternehmung zur Ausbildungsforschung zu beginnen oder ob zuerst kleinere ergänzende Schritte anzugehen sind, um eine kritische Masse von Forscher_innen und ausreichende Unterstützung von leitenden Fakultätsmitgliedern zu erhalten.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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