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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Simulationstraining „Patientensturz“ als Weg zur besseren Kommunikation im Alltag: Gemeinsame Ausbildungsmodule für Gesundheits- und Krankenpflegeschüler und PJ-Ärzte

Artikel Interprofessionelle Ausbildung

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  • corresponding author Markus Flentje - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Hannover, Deutschland
  • author Thomas Müßel - Klinikum Region Hannover, Ausbildungszentrum, Hannover, Deutschland
  • author Bettina Henzel - Klinikum Region Hannover, Ausbildungszentrum, Hannover, Deutschland
  • author Jan-Peter Jantzen - Klinikum Region Hannover, KRH Klinikum Nordstadt, Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Hannover, Deutschland

GMS J Med Educ 2016;33(2):Doc19

doi: 10.3205/zma001018, urn:nbn:de:0183-zma0010181

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2016-33/zma001018.shtml

Eingereicht: 15. Juni 2015
Überarbeitet: 21. November 2015
Angenommen: 30. November 2015
Veröffentlicht: 29. April 2016

© 2016 Flentje et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Pflegende und Ärzte agieren im Krankenhaus täglich als Team. In beiden Ausbildungsgängen sind allerdings nur wenige Berührungspunkte mit der anderen Berufsgruppe vorgesehen. Keiner der Berufsgruppen kann seine spätere Rolle mit seinem Gegenüber im geschützten Rahmen einüben. Die interprofessionelle Zusammenarbeit im Berufsalltag wird als stark verbesserungswürdig beschrieben und beinhaltet Konfliktpotential. Zur Verbesserung der interprofessionellen Kommunikation und des Aufgabenmanagements wurde am KRH Klinikum Nordstadt Hannover ein simulatorbasiertes Notfalltraining für Krankenpflegeschüler und PJ-Studenten entwickelt. Der Kurs wurde als Pilotprojekt in Form eines Tageskurses zweimal mit jeweils zehn pflegerischen und vier ärztlichen Teilnehmern durchgeführt.

Projekt: Anhand der Beispielsituation „Sturz eines Patienten“ konnten die Kursteilnehmer sowohl als Zuschauer, als auch als Teilnehmer mehrere Simulationspatienten behandeln. Nach jeder Simulation wurde durch die Trainer ein ausführliches Debriefing durchgeführt. Die Veranstaltung wurde anschließend mittels eines Fragebogens evaluiert.

Ergebnisse: Die Evaluation des Teamtrainings zeigt eine hohe Akzeptanz bei den beteiligten Berufsgruppen. Auf einer Skala von 1 (trifft kaum zu) bis 5 (trifft stark zu) wurde der Kurs von beiden Berufsgruppen mit 4 als relevant für die tägliche Arbeit bewertet. In den Freitexten wurde ausdrücklich der mögliche Perspektivwechsel durch die Simulation gelobt.

Schlussfolgerung: Notfallsituation aus dem Stationsalltag stellen eine gute Möglichkeit dar, interprofessionelles Teamtraining zu etablieren. Mit dem Erkenntnisgewinn im Bereich Kommunikation und Perspektivwechsel erhöhen die Teilnehmer Ihre Kompetenz im Bereich Teamarbeit. Das Training erfuhr bei allen Beteiligten eine hohe Akzeptanz.

Schlüsselwörter: interprofessionelles Zusammenarbeit, Patientensturz, Simulationstraining, Debriefing, Kommunikation


1. Einleitung

Das Ziel der Ausbildung von Gesundheits- und Krankenpflegern und Ärzten liegt in der professionellen und sicheren Versorgung kranker Menschen in Gesundheitseinrichtungen. Dieses Ziel wird gemäß der Untersuchung „To Err is Human“ im amerikanischen Gesundheitssystem nicht immer erreicht. In 44.000 Todesfällen im Jahr konnte ein medizinischer Behandlungsfehler zugeordnet werden [1]. In britischen Krankenhäusern wurden in einer Untersuchung die Hintergründe von Fehlern in 11% der Fälle als menschliche Ursache und in 46% der Fälle als vermeidbare Ursache beschrieben [2]. Teams, die eine hohe Verantwortung für das Leben und die Gesundheit anderer tragen und deren Handlungen unter Zeitdruck und unumkehrbar sind, werden auch High Responsibility Teams genannt [3]. Neben dem Gesundheitssystem werden u.a. auch die Polizei und die Luftfahrt zur diesen Hochrisikobereichen gezählt. Um dem menschlichen Funktionieren in diesen Systemen gerecht zu werden, wurden v.a. in der Luftfahrt unter dem Begriff „Crew Ressource Management“ Zwischenfallmanagementseminare entwickelt. Die Absolvierung ist während der Ausbildung und der beruflichen Tätigkeit Pflicht. Die effektive Teamarbeit unter hohem Handlungsdruck ist das Ziel dieser Ausbildung. In der Medizin werden Schlüsselinhalte, wie u.a. „Kommunikation“ und „Qualität der Teamarbeit“ definiert, die eine erfolgreiche Teamarbeit unterstützen. Diese Fähigkeiten sollen vor allen in interprofessionellen Simulationstrainings eingeübt werden [4].

In den Kursen des Simulationszentrums des Klinikum Nordstadts werden neben den medizinischen Themen Möglichkeiten der verbesserten Zusammenarbeit trainiert. Die Fähigkeiten zur Bewältigung einer Situation werden in technische und nicht-technische Fähigkeiten eingeteilt [5]. In der medizinischen Umgebung werden diese Seminare auch „Crisis Resource Management“ genannt. Um kritische Situationen und vor allem die nicht-technischen Fähigkeiten besser bewerten zu können, kommen in den Nachgesprächen die Leitsätze von Gaba und Rall (siehe Anhang Textkasten 3 [Anh. 1]) zum Einsatz.

Derzeit werden Gesundheits- und Krankenpfleger und Ärzte voneinander getrennt ausgebildet. Ein Pflegepraktikum in der Vorklinik des Medizinstudiums stellt einen kurzen Kontakt zwischen beiden Gruppen her. Aufgrund der mangelnden praktischen Berufserfahrung ist es zu diesem Zeitpunkt dem Studenten nicht möglich, die Kompetenzen abzuschätzen, derer es für die erfolgreiche Bewältigung der Teamarbeit in einem interprofessionellen Team bedarf. Zu Projektbeginn war der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin noch nicht vorhanden [http://www.nklm.de].

Aufgrund dieser Voraussetzungen verwundert es kaum, dass sich im Internet zahlreiche Diskussionen und Blogs über die Sinnhaftigkeit dieses Pflegepraktikums finden, ebenso wie Diskussionen und mitunter sehr emotionale Beiträge zum Thema „Arzt-Pflege-Konflikt“. Bei Erstellung dieses Artikels ergab eine Suche mit der Kombination dieser drei Begriffe im Internet 383.000 Treffer (gängige Suchmaschine). Kommunikationsprobleme, mangelnde Wertschätzung des Gegenübers sowie unklar definierte Kompetenzen und Aufgabenverteilung werden ursächlich für diese Konflikte angegeben [6]. „Die Kooperation zwischen Ärzten und Pflegenden ist stark verbesserungswürdig“, heißt es im Abschlussbericht einer Studie zur interprofessionellen Kommunikation im Krankenhaus [7].

Unter steigendem wirtschaftlichen Druck und Arbeitsverdichtung ist zu befürchten, dass Konfliktpotential und Kommunikationsprobleme eher zunehmen. Dies stellt in die Qualität der interprofessionalen Zusammenarbeit nicht nur einen „Schönheitsfehler“ dar, vielmehr werden Zusammenhänge zwischen Kommunikation, Hierarchie, Teammanagement und der Qualität von Patientensicherheit und Patientenversorgung gesehen [4]. Daher wurde die Hypothese entwickelt, dass eine gemeinsame Unterrichtseinheit vor Abschluss der Ausbildung von beiden Berufsgruppen positiv bewertet wird.


2. Projektbeschreibung

Das am Klinikum Nordstadt etablierte Simulationszentrum FIPPS (Akronym für Fehlermanagement und Notfallversorgung, Interdisziplinär, Professionell Per Simulation) ist der Klinik für Anaesthesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie angegliedert und hat seit 2009 für den Bereich Anästhesie mehrere Simulationskurse zum Thema „kritische Situationen im Krankenhaus“ und Patientensicherheit entwickelt [8]. In den einzelnen Situationen, wie z.B. Notsectio [9], Atemwegsmanagement und Reanimation waren in den Übungen stets die Berufsgruppen vertreten, die diese Positionen auch in der Realität einnehmen. Dabei erhielten die Organisatoren explizit für den Bereich „Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegenden“ positive Rückmeldungen. Insbesondere die Verbesserung der Kommunikation zwischen den Berufsgruppen wurde immer wieder als lohnenswertes Ziel für die Kursbesuche genannt. Aufgrund dieser positiven Erfahrungen mit Teamtrainings stellte sich die Frage, warum gemeinsames Teamtraining erst nach Abschluss der Berufsausbildung sinnvoll sein sollte. Als Pilotprojekt wurde ein Teamtraining für Auszubildende der Gesundheits- und Krankenpflege gemeinsam mit Medizinstudenten im praktischen Jahr initiiert. Ziel des Projektes war, zu erkennen, ob bereits in diesem Ausbildungsstadium die Vermittlung von Inhalten des Zwischenfallmanagements als sinnvoll erachtet wird. Die Teilnehmer sollten in verschiedenen Simulationen sowohl als Teammitglied, als auch als Beobachter lernen, wie Kommunikation, Ressourcenmanagement und Problemlösungsfähigkeiten zur erfolgreichen Bewältigung einer kritischen Situation auf der Station beitragen kann. Die für den Beruf zu erreichenden Kompetenzen wurden für den Kurs als Lernziel für eine kritische Situation im Vorfeld definiert (siehe Anhang Textkasten 1 [Anh. 1]). Dabei wurde das Kompetenzmodell des klinikinternen Ausbildungszentrums, basierend auf der Rahmenrichtlinie des Niedersächsischen Kultusministeriums für die Berufe Gesundheits- und Krankenpflege genutzt [10]. Der Schwerpunkt sollte nicht in der Methodenkompetenz liegen, da dieser nach Meinung der Autoren in Studium und Ausbildung hinreichend Beachtung geschenkt wird. Insbesondere die unter „Sozialkompetenz“ beschriebenen Eigenschaften erfüllen die Kriterien, die mit der sicheren Patientenversorgung in Zusammenhang gesetzt werden.

Die Simulationsszenarien – Sturz

Die offensichtlichste Indikation für ein gemeinsames Training für Stationspersonal ist die Reanimation. Hierzu gibt es etablierte Trainingsabläufe und Ausbildungsmaterial. Die Organisatoren hielten die Reanimation für die Ziele des Kurses jedoch für ungeeignet. Die Gründe hierfür lagen darin, dass bei einer Reanimation die Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Berufsgruppen klar verteilt, die medizinischen Abläufe klar durch Leitlinien vorgegeben und die Übergabe des Patienten an eine Intensivstation geregelt ist. Die zu treffenden Entscheidungen sind zu eindeutig, um die Kompetenz der Kommunikation und Konfliktfähigkeit für den Stationsalltag zu trainieren. Auf der Suche nach einer Übungssituation, die die Kriterien relevant und realistisch für die Teilnehmer erfüllte, einigten sich die Organisatoren auf das Ereignis „Sturz“ als generelles Übungsszenario. In dieses Gesamtbild konnten unterschiedliche Pathophysiologien und anschließende Behandlungswege hinterlegt werden, so dass es zwischen den Trainingsteilnehmern zu einer intensiven Kommunikation kommen muss (Szenarien siehe Anhang Textkasten 2 [Anh. 1]).

Der Kursablauf

Das Training wurde als Eintageskurs in sechs Unterrichtseinheiten (UE-45 Minuten) konzipiert. An zwei Trainingstagen nahmen insgesamt zwanzig Auszubildende der Gesundheits- und Krankenpflege sowie acht PJ-Studenten teil. Der Kurs wurde in den Pflegeunterricht der Auszubildenden in den Ausbildungsmodulstein „Pflege organisieren und gestalten“ integriert. Dabei handelt es sich um das interne Curriculum des Ausbildungszentrums. Die acht PJ-Studenten waren im KRH Klinikum Nordstadt tätig und meldeten sich freiwillig zum Kurs an. Die Teilnahme an der Evaluation des Kurses war für alle Probanden freiwillig und konnte jeder Zeit zurückgezogen werden. Eine Aufwandsentschädigung wurde nicht gezahlt. Alle schriftlichen Evaluationen wurden anonym abgegeben. Die Trainingseinheiten wurden in einem Simulations-Krankenzimmer durchgeführt. Teilnehmer, die nicht unmittelbar am Ablauf beteiligt waren, konnten im Zimmer zuschauen und Notizen anfertigen. Eine Videoaufnahme wurde nicht erstellt. Fast alle Simulationen wurden am Patientensimulator Kelly® (Laerdal Medical, Norwegen) durchgeführt. Dieser Ganzkörper-Pflegesimulator ermöglicht bei realitätsnaher Anatomie die verschiedenen Formen der Vitalfunktionen. Über eine Fernbedienung kann der Operator den Patienten sprechen. Nur die Simulation „Demenz“ wurde von einem Ausbilder gespielt. Geleitet wurde das Training von einem geschulten CRM-Trainer und Arzt und zwei Pädagogen des Ausbildungszentrums.

Da die Inhalte des Zwischenfallmanagements in dem Ausbildungsgang Gesundheits- und Krankenpflege und im Studium nicht sicher vermittelt werden, begann der Tageskurs mit einer Unterrichtseinheit „Einführung Zwischenfallmanagement“. In dieser Unterrichtseinheit (UE) wurden auch Vorbehalte vor der Simulation benannt, wie z.B. die Angst, auf „einer Bühne vorgeführt zu werden“. Das Ziel der Trainier, die Moderation und Lernbegleitung im Sinne des Zwischenfallmanagement, wurde noch einmal ausdrücklich benannt. Die sechs Kernelemente des Debriefings des Center of Medical Education Boston [11] wurden als Grundlage für ein erfolgreiches Training vermittelt.

In einer zweiten Unterrichtseinheit wurde das Thema „Konflikte zwischen den Berufsgruppen“ angesprochen. Im Unterrichtsgespräch wurden beispielhaft Konfliktsituationen aus dem klinischen Alltag rekapituliert und unter verschiedenen Blickwinkeln bearbeitet. Die Situationen wurden aus persönlichen Erfahrungen der Teilnehmer eingebracht. Ziel dieser UE war es, Konfliktpotentiale zu erkennen und sie als Einfluss auf die Alltagskommunikation zu akzeptieren.

Als dritte theoretische Einheit wurde auf die Pathosphysiologie des Sturzes von der Entstehung mit Synkope, bzw. Stolpern, bis zu möglichen Verletzungsmustern eingegangen. Den Teilnehmern wurde ein mögliches Vorgehen mit dem Überprüfen der Vitalfunktionen, körperlicher Untersuchung und Fragestellung der notwendigen Weiterversorgung des Patienten präsentiert. Als Ziel sollten sich alle Teilnehmer dem Ablauf einer Notfallversorgung bewusste sein. Alle drei theoretischen Einheiten sollten die Teilnehmer auf einen gemeinsamen theoretischen Wissenstand hinsichtlich der benötigten Kompetenzen zur Notfallversorgung heben.

Die durchgeführten Szenarien bestanden grundsätzlich aus drei Phasen. In der ersten Phase mussten die Teilnehmer die akute Gefährdung des Patienten beurteilen. Zu diesem Zweck sollten die Vitalfunktionen erhoben und eine Ganzkörperuntersuchung durchgeführt werden (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). In der zweiten Phase wurde eine Behandlung nach Priorität erwartet. Bei einer Hypoglykämie sollte z.B. die Maßnahmen „Seitenlage bei Bewusstlosigkeit“ und „intravenöse Glucosegabe“ im Vordergrund stehen. Bei einer Fraktur und stabilem Patienten sollte eine Schmerzbehandlung mittels Lagerungsmaßnahmen und Pharmakotherapie erfolgen. In der dritten Phase musste die Weiterversorgung, wie Diagnostik und die Verlegung auf eine Intensivstation geklärt werden.

Nach jeder Simulation fand ein ca. 15 minütiges Nachgespräch statt. Im diesem Gespräch wurden zunächst die positiven Aspekte durch die Trainer verstärkt. Danach mussten die Teams selbständig Optimierungsvorschläge für Ihre Simulation vorschlagen. Es wurde insbesondere darauf Wert gelegt, dass sich das Behandlungsteam zur selben Zeit über den gleichen Verdachtsdiagnosen, Behandlungspläne und Prioritäten in der Versorgung bewusst war. Anschließend konnten die Zuschauer Ihre Sicht einbringen. Dieser Ablauf diente dazu, dass sich die Übenden nicht gleich zu Beginn des Debriefings durch Anmerkungen von außen kritisiert fühlten. Den Teilnehmern wurde das Debriefingkonzept auch als beispielhaft für Nachbesprechungen in der Klinik empfohlen.

Am Ende jedes Unterrichtstages wurde eine kurze Rückmeldung der Teilnehmer (Methode: Blitzlicht) eingeholt, um sofortige Änderungen für das Kurskonzept durchführen zu können.

Die schriftliche Evaluation wurde mittels Fragebogen am Ende des Unterrichtstages durchgeführt. Es sollten sechs Aussagen auf einer 5-Stufenskala von 1 (trifft kaum zu) bis 5 (trifft stark zu) bewertet werden. Die Fragen wurden vom Ausbilderteam mit dem Ziel entwickelt, die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Kollegen hinsichtlich gemeinsamer mentaler Modelle zu beurteilen (Fragen 1 und 2), die allgemeine Teamzusammengehörigkeit zwischen Arzt und Pflege auf der Pflegestation und das Erleben im Training zu bewerten (Frage 3 und 4) und die Bedeutung des Simulationstrainings für die Ausbildung einzuordnen (Fragen 5 und 6). Fragen 1 und 2 stehen für das Kompetenzziel „suffiziente Kommunikation“, Fragen 3 und 4 für die „erfolgreiche Teamarbeit“ und 5 und 6 für die Bewertung der „Simulation“ als Lehrmethode. Die Auswertung und Darstellung erfolgte mit Mittelwerten und Standardabweichung über das Programm Excel© (Microsoft, Redmond USA). Zusätzlich erhielten die Teilnehmer die Möglichkeit über Freitexte eigene Bewertungen über den Kurs einzubringen.


3. Ergebnisse

Die mündlichen Rückmeldungen am Ende der Unterrichtssequenz gaben keinen Anlass für dringende Änderungen im Kurskonzept. Beide Unterrichtstage wurden identisch durchgeführt.

Die Bewertungen sind als Mittelwert aller Teilnehmer der 5-Stufenskala mit Standardabweichung dargestellt (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Die Handlungen der Pflegenden waren im Kurs für die Pflegenden mit einer Bewertung von 4,4 (±SD 0,67) und aus Sicht der PJ-Studenten mit 3,75 (±SD 0,83) nachvollziehbar. Die Handlungen der PJ-Studenten waren mit 4,1 (±SD 0,44) für die Berufsgruppe Pflege mit 4 (±SD 0,71) für beide Teilnehmerkreise gleichermaßen nachvollziehbar. Im Arbeitsalltag wurde die Zusammengehörigkeit des Teams Arzt/Pflege mit 3,15 (±SD 1,19) durch die Pflegenden und mit 3,5 (±SD 1,22)durch die PJ-Studenten beurteilt. In der Simulation waren die Ergebnisse für diese Fragestellung für die Pflegenden 4,5 (±SD 0,59)und für die PJ-Studenten 4,38 (±SD 0,69). Die Lernmethode Simulation mit dem Ziel der erfolgreichen Nachvollziehbarkeit der jeweilig anderen Berufsgruppe evaluierten die Pflegenden mit 4,15 (±SD 0,79) und die PJ-Studenten mit 4,5 (± SD 1,22). Die Frage des Nutzens der erworbenen Erkenntnisse für die berufliche Praxis wurde mit 4,05 (SD ±0,82) durch die Pflege und 4 (±SD 1,23) durch die PJ-Studenten beziffert. Die Fragebögen wurden aufgrund der geringen Fallzahl nicht geschlechtergetrennt ausgewertet.

Die Freitexte zur Frage „mein persönlicher Erkenntnisgewinn“ sind in Textkasten 5 [Anh. 1] auszugsweise dargestellt (insgesamt 16 Pflegekräfte und 6 Ärzte). Es gibt keine negative Äußerung. Der Begriff Kommunikation ist mehrfach genannt und die Möglichkeit der praxisnahen Übung erwähnt. Der Kontakt zur anderen Berufsgruppe wird mit dem Begriff „toll“ belegt.


4. Diskussion

Ziel der Autoren war es, ein Kurskonzept zu entwickeln, das den Auszubildenden in einer möglichst realen Situation die Chance gibt, ihr späteres Rollenverhalten im Versorgungsteam einzuüben. Es wurde mit der Simulation eine Lernmethode angewandt, die einen erfolgreichen Informationsaustausch zwischen den Teammitgliedern bewirken und damit die Versorgungsqualität des Patienten erhöhen kann [12]. Die Simulationen bieten als Training in einem geschützten Raum die bessere Lernumgebung als der klinische Alltag. In den Nachbesprechungen wurde bewusst darauf Wert gelegt, dass die Teams vor fremder Kritik eigene Optimierungsvorschläge vorbringen. Die Selbstkorrektur von angeleiteten Teams soll in Folgesituationen zu höheren Leistungen führen [13]. Im Vorfeld des Kurses wurde keine strukturierte Bedarfsanalyse bei Studierenden und Auszubildenden durchgeführt. Diese wird in der Literatur gefordert, um ein effektives Training zu ermöglichen [14][. Dennoch wird das Seminar in den Freitexten als sehr lohnenswerte Veranstaltung gelobt und scheint damit die Bedürfnisse der Teilnehmer erfüllt zu haben. Bei der Kursplanung fiel auf, dass es in der Struktur keinen einheitlichen Kompetenzkatalog der Berufsgruppen gab. Daher wurden für die Kursdurchführung vor allen die Kompetenzen des Zwischenfallmanagements genutzt und in den internen Katalog des Ausbildungszentrums eingefügt. Für die effektive Behandlung im Sinne der Patientensicherheit werden die Kernelemente Kommunikation und Perspektivwechsel genannt. Insbesondere Teilaspekte wie geschlossene Kommunikationsschleifen ließen sich in den Simulationen üben und sind ein Faktor für die Patientensicherheit [15]. Das Einüben dieser Regeln war für die meisten Teilnehmer der wichtigste Erkenntnisgewinn.

Die Teamzusammengehörigkeit, ein Erfolgsfaktor für Teamarbeit [16], wird in der Simulation etwas besser als im Alltag bewertet. Bei den Pflegenden fällt diese Unterscheidung stärker aus als bei den PJ-Studenten. Nach unserer Interpretation haben sich die Pflegenden in der klinischen Notfallsituation eher als Erfüllungsgehilfen gesehen. In der Simulation haben die Ausbilder diese Sicht aufgeweicht, da im Vorfeld explizit benannt wurde wie wichtig die aktive Mitarbeit aller beteiligten Personen für die erfolgreiche Bewältigung der Situation ist. Das Simulationstraining scheint hier eine sinnvolle Intervention zu sein.

Die PJ-Studenten konnten in den Simulationen die Handlungen der Pflegenden weniger nachvollziehen. Nach unserer Interpretation war dies auch dem Umstand, geschuldet, dass die Studenten in der Simulation unter hohem Handlungsdruck standen und über die Behandlung des Patienten letztendlich entscheiden mussten. Die Fähigkeit, die Perspektive des anderen Teammitglieds einnehmen zu können ist ebenfalls ein Erfolgsfaktor für Teamarbeit [17]. Die Nachvollziehbarkeit der Handlungen anderer Berufsgruppen kann noch mehr in den Fokus der Trainings aufgenommen werden.

Offen bleibt die Frage, ob sich die Versorgung der Notfallpatienten durch das Wissen um das Zwischenfallmanagement verbessert. Im klinischen Alltag ist dieser Nachweis in einem komplexen Umfeld schwer zu führen. In der Simulation könnten Kriterien aus der Luftfahrt, wie z.B. das entwickelte NOTECHS-System [18], objektive Kriterien für eine Bewertung der Teamleistung liefern. Da im vorliegenden Projekt vor allem die subjektive Einschätzung der Teilnehmer und die Akzeptanz der Lernmethode im Vordergrund stand, hatte die personalintensive objektive Bewertungsmethode den Rahmen und die Ressourcenmöglichkeiten überstiegen.


5. Schlussfolgerung

Ein eintägiges Seminar kann das multifaktoriell entstehende Konfliktpotential im Krankenhaus nicht beseitigen. Dennoch hat die kurze Ausbildungssequenz gezeigt, dass ein im Ausbildungsraum „geschütztes“ Einüben der späteren beruflichen Rolle eine hohe Akzeptanz findet. Aus unserer Sicht ist dabei die klare Definition der Kompetenzziele im Vorfeld mit Priorisierung auf die Nicht-technischen Fähigkeiten notwendig. Die Ausbilder nahmen abseits der Evaluation wahr, dass die Thematik Arzt-Pflege-Konflikt auch in den Pausen unter den Teilnehmern konstruktiv diskutiert wurde. Eine feste transparente Struktur der Nachbesprechungen hilft, das Erlebte von der persönlichen auf die Sachebene zu heben. Diese Nachgespräche finden in klinischen Situationen nur selten statt, so dass sich unterschiedliche Blickwinkel und Wahrnehmungen nicht aufklären lassen. Gemeinsame Trainingsveranstaltung am Anfang der medizinischen Karriere zu etablieren scheint sinnvoll. In diesen Zeitraum findet der Großteil der krankenhausbezogenen Sozialisierung statt. Fraglich bleibt, ob die Teilnehmer die Chance bekommen, die erlernten Nicht-Technischen Fähigkeiten in den klinischen Alltag zu integrieren. Eine langfristige Evaluation der interprofessionellen Ausbildung in diesem Bereich war in dem Projekt nicht vorgesehen. Weitere wissenschaftliche Arbeiten, die eine langandauernde Qualitätsverbesserung der Patientenversorgung durch eine interprofessionelle Ausbildung belegen, wären wünschenswert. Interessant ist, wie und ob objektive Bewertungsfaktoren aus dem Bereich der Nicht-technischen Fähigkeiten Einzug in den medizinischen Bereich finden.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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