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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Interprofessionelle Ausbildung am Standort Erlangen – Bedarfsanalyse und Konzeptarbeit einer studentischen Arbeitsgruppe

Artikel Interprofessionelle Ausbildung

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  • corresponding author Raffael Konietzko - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Luca Frank - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Nils Maudanz - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Johannes Binder - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland

GMS J Med Educ 2016;33(2):Doc18

doi: 10.3205/zma001017, urn:nbn:de:0183-zma0010179

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2016-33/zma001017.shtml

Eingereicht: 15. August 2015
Überarbeitet: 21. Dezember 2015
Angenommen: 27. Januar 2016
Veröffentlicht: 29. April 2016
Veröffentlicht mit Erratum: 11. Juli 2016

© 2016 Konietzko et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Einleitung: Interprofessionelle Ausbildung (IPA) gewinnt national und international zunehmend an Bedeutung. Dennoch stellen organisatorische und curriculäre Umstrukturierung eine Herausforderung dar. Im Raum Erlangen soll untersucht werden, welchen Bedarf es an IPA gibt und wie curriculäre und infrastrukturelle Veränderungen angestrebt werden können.

Methodik: Dieser Fragen nimmt sich die studentische AG Interprofessionelle Lehre (AGIL) an. Diese setzt sich aus Studierenden der Human-, Zahn- und Molekularen Medizin, Medizintechnik und Logopädie zusammen. Im Juni 2015 wurde eine Bedarfsanalyse, zur Erhebung des Ist-Soll-Zustandes der IPA, unter den Studierenden der in der AG vertretenen Studiengängen durchgeführt (n=1105). Auf der Suche nach Lösungen und zur besseren Auslotung des Bedarfs wurde der Kontakt mit Dozenten gesucht.

Ergebnisse: Die Mehrheit der Studierenden fühlt sich in interprofessionellen Fähigkeiten unzureichend ausgebildet. Zu gleich wünscht sich der Großteil der Studierenden eine Ausweitung des Angebots an IPA. Die Studierenden sprechen sich zudem für zusätzliche Räumlichkeiten aus und befürworten ein interprofessionelles Lernzentrum. Die AGIL begann im Oktober 2015 mit der Etablierung interprofessioneller Wahlfächer. Es wurde ein Konzept eines interprofessionelles Lern- und Begegnungszentrum ausgearbeitet.

Diskussion: Aus den Ergebnissen der Umfrage kann ein Bedarf an curriculärer und infrastruktureller Verbesserung der IPA in Erlangen abgeleitet werden. Die Ergebnisse sind allerdings auf die studentische Sichtweise begrenzt. Die AGIL möchte weitere interprofessionelle Wahlfächer etablieren. Diese sollen die curriculäre Implementierung erleichtern. Moderne Konzepte zur Lernraumgestaltung könnten für IPA nutzbar gemacht werden, besonders um die informelle Form des Lernens zu fördern. Der Kontakt mit Dozenten stellt sich als essentiell für die Projektarbeit dar und soll ausgebaut werden. Die Verwirklichung und Finanzierung des Lernzentrums in Erlangen sind zukünftige Ziele der AGIL. Hierfür wird eine Stiftungsgründung angestrebt.

Schlüsselwörter: Interprofessionalität, Ist-Analyse, Studentenperspektive, Projektbericht, Lernzentrum, Konzeptentwicklung


Einleitung

Das Gesundheitswesen ist vom Zusammenspiel unterschiedlichster Fachkräfte geprägt. Die Bandbreite reicht von Ausbildungsberufen bis hin zu neuen spezialisierten Studiengängen. All diese Akteure werden Tätigkeiten verrichten, mit dem Ziel, Patienten bestmöglich zu versorgen. Der Austausch zwischen den Gruppen ist hierfür unverzichtbar.

Im internationalen Raum wird die IPA bereits immer mehr zu einem festen Bestandteil der medizinischen Ausbildung. Ein gutes Beispiel sind die Vereinigten Staaten, wo in einer aktuellen Untersuchung ca. 90% der medizinischen Fakultäten angaben, interprofessionelle Kurse und klinischen Unterricht anzubieten. Mehr als die Hälfte hatte ein Büro oder Zentrum für IPA eingerichtet [1]. In Großbritannien wird an 69% der Universitäten (n=113), welche einen oder mehrere Gesundheitsberufe ausbilden, IPA betrieben. Ferner gaben 17% an, in dieser Richtung auch forschend tätig zu sein [2]. Laut der WHO ist die interprofessionelle Zusammenarbeit eine der erfolgversprechendsten Lösungen zur Bekämpfung des weltweiten Fachkräftemangels in den Gesundheitsberufen und der Primärversorgung [3]. Auch konnte schon nachgewiesen werden, dass IPA Liegezeit und Outcome der Patienten positiv beeinflusst, sowie zu einer Kostensenkung in Krankenhäusern führen kann [4].

In Deutschland werden erste Erfahrungen mit Interprofessioneller Ausbildung im Gesundheitssektor gewonnen, der Austausch zwischen den Gesundheitsberufen findet jedoch nicht hinreichend statt. Nach Einschätzungen des Ausschusses Interprofessionalität der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung gilt es, ein Gesamtkonzept für IPA zu entwickeln. Identifizierte Probleme sind vor allem organisations- und systembedingtem Ursprungs. Es sind noch viele Erkenntnisse zu gewinnen und die Forschung ist gerade erst im Anlaufen [5]. In den Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Weiterentwicklung des Medizinstudiums wird IPA als einer der fünf Grundsätze zur Neuausrichtung des Medizinstudiums genannt [6]. Der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog für Medizin widmet der IPA ein eigenes Kapitel [http://www.nklm.de].

Die Notwendigkeit von organisatorischen, infrastrukturellen und curriculären Voraussetzungen für die erfolgreiche Implementierung der IPA wird stets angeführt und wurde bereits im Jahr 1977 durch die OECD im Konzept der so genannten Health Universities berücksichtigt [7]. Health Universities sollen eine ganzheitliche interprofessionelle Ausbildung bieten, welche sich am lokalen Versorgungsbedarf orientiert. Dieses Konzept stellt einen Optimalzustand dar, welcher jedoch laut einem Review über die Entwicklung der Health Universities nur schwer zu erreichen scheint [8]. Im Sinne der Health Universities wurde Infrastruktur für IPA in Deutschland bisher in unterschiedlichem Umfang geschaffen. So gibt es interprofessionelle Skillslabs, wie das Medizinische Interdisziplinäre Trainingszentrum in Dresden [http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/medizinische_fakultaet/inst/mpz], oder ganze interprofessionelle Gesundheitscampus, wie die Hochschule für Gesundheit in Bochum [http://www.hs-gesundheit.de/de/thema/die-hochschule/]. Während an diesem Gesundheitscampus die gesamte Ausbildung der Studierenden an einem Ort stattfindet, kommen in dem interprofessionellen Skillslab die Studierenden zum Erlernen praktischer und kommunikativer Fertigkeiten, also nur zu speziellen Teilen der Ausbildung zusammen.

Die interprofessionelle Zusammenarbeit findet an der medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) bisher lediglich vereinzelt statt. So finden gemeinsame Kurse unterschiedlicher Fachdisziplinen (z.B. Präparierkurs mit Zahn- und Humanmedizinern, Bildgebungskurse mit Humanmedizinern und Studierenden des Masterstudiengangs Medical Process Management) statt. Die fächerübergreifende Kommunikation scheint außerhalb dieser vereinzelten Schnittstellen curriculär nicht gegeben. Hierbei bietet die infrastrukturelle Ausgestaltung der IPA in Erlangen noch viel Potential. Aus dieser Betrachtung heraus ergeben sich für Erlangen die folgenden Fragestellungen:

1.
Ist-Zustand: Ist aus studentischer Sicht der Bedarf an IPA in Erlangen gedeckt?
2.
Soll-Zustand: Wünschen sich die Studierenden mehr IPA in ihrer Ausbildung?
3.
Durch welche curriculären und infrastrukturellen Konzepte könnte IPA in Erlangen implementiert werden?

Zur Beantwortung dieser Fragen wurde im Dezember 2014 die studentische AG Interprofessionelle Lehre (AGIL) gegründet. Die AGIL besteht aktuell aus Studierenden der Molekular-, Zahn- und Humanmedizin, Medizintechnik und Logopädie. Die Studierenden kommen dabei aus unterschiedlichen Semestern.


Methodik

In wöchentlichen Treffen wurden mit Hilfe von Soft-Skill-Trainings die Voraussetzungen für eine effektive Projektarbeit geschaffen. Im Mai 2015 wurde ein Planungstreffen zur Erarbeitung eines konkreten Zeitplans für die umzusetzenden Aufgaben abgehalten. Die bereits genannten Fragestellungen sollten zunächst in eigenständigen Untergruppen der AG beantwortet werden. Für jede Untergruppe wurde ein Hauptverantwortlicher festgelegt.

Zur Beantwortung von Fragestellung 1 und 2 führte die Untergruppe Evaluation im Juni 2015 eine Studierendenbefragungen in den beteiligten medizinischen Studiengängen Humanmedizin, Medizintechnik, Zahnmedizin und Molekulare Medizin in Erlangen durch. Zudem wurde ein aktuelles Meinungsbild der Studierenden bezüglich IPA erhoben. In den Studierendenbefragungen wurden der Austausch der Gesundheitsberufe untereinander und das aktuelle Raumangebot untersucht. Die Studierenden der klinischen Semester bewerteten zudem die Präsenz von ausgewählten interprofessionellen Kernkompetenzen [9]. Die Meinung zu neuen Konzepten der medizinischen Ausbildung wurde erfragt. Die Studierendenbefragungen wurden mit der Software “Umfrage Online” erstellt und die Items auf 6-stufigen Likert-Skalen ausgerichtet. Zu den Umfragen wurde über die Emailverteiler der Fachschaften sowie über Facebook eingeladen. Nach einem Zeitraum von 3 Wochen wurden die Befragungen für die Teilnehmer geschlossen.

Zur Beantwortung von Fragestellung 3 setzten sich drei weitere Untergruppen mit Lösungsvorschlägen auseinander: Durch die Untergruppe Recherche wurde der wissenschaftliche Hintergrund von IPA weiter erarbeitet. Sie dient auch als Informationsschnittstelle innerhalb der AG.

Die Untergruppe Lehrveranstaltungen entwickelte vor diesem Hintergrund (extra-)curriculäre (Wahl- und Wahlpflichtfächer) und die Untergruppe Konzept infrastrukturelle Ansätze zur Beantwortung eines erhöhten Bedarfs an IPA.

Zusätzlich sollte von Seiten der AG der Kontakt zu Dozenten hergestellt werden, um auf das Thema IPA aufmerksam zu machen und konkrete Verbesserungsmöglichkeiten in Erlangen herauszuarbeiten. Weiterhin ist dies zwingend notwendig, um den nötigen Rückhalt der Fakultät zur nachhaltigen Umsetzung eines solchen Projektes sicher zu stellen. Um sich auf eine spätere Zusammenarbeit zu einigen, wurden drei Beteiligungsstufen festgehalten: eine beratende Tätigkeit, die Etablierung von Lehrveranstaltungen oder die Mitarbeit in einer Taskforce. Aufgabe dieser Taskforce soll die Ausarbeitung von rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten der curriculären und infrastrukturellen Konzepte sein.


Ergebnisse

Die Ergebnisse der Umfrage wurden in Bezug auf die Fragestellungen ausgewertet und sollen im Folgenden für die einzelnen Studiengänge, und anschließend als Zusammenfassung dargestellt werden.

An der Umfrage nahmen insgesamt 846 Studierende der Humanmedizin 158 Studierende der Medizintechnik, 59 Studierende der Molekularmedizin, sowie 42 Studierende der Zahnmedizin teil. Somit nahmen insgesamt 1105 von 4048 Studierenden der betreffenden Studiengänge in Erlangen (27,3%) teil (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Fragestellung 1:

Zur Untersuchung des Bedarfs an IPA in Erlangen wurden Studierende der klinischen Semester (Humanmedizin: n=554, Zahnmedizin: n=10) bzw. aller Semester (Molekularmedizin: n=59, Medizintechnik: n=158) bezüglich interprofessioneller Kernkompetenzen befragt (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Somit nahmen für diesen Teil 781 von 3033 Studierenden teil (25,8%):

  • Die Mehrheit der befragten Studierenden (mit Ausnahme der Zahnmedizin mit 50%) fühlt sich nicht gut auf die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams im Rahmen ihres Studiums vorbereitet (Humanmedizin: 71,7%, Molekularmedizin: 50,8%, Medizintechnik: 55,2%).
  • Human- und Zahnmediziner sind im späteren Berufsleben am unmittelbarsten an der Patientenversorgung beteiligt. Davon sehen sich die wenigsten durch ihr Studium darauf vorbereitet, sich zusätzlicher Diagnose- und Therapiemöglichkeiten anderer Heilberufe bewusst zu sein (Humanmedizin: 72,6%, Zahnmedizin: 80%).

Fragestellung 2:

Zur Untersuchung ob sich Studierende mehr IPA wünschen, wurde die Gesamtheit der Teilnehmer (n=1105) befragt (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]):

  • Die Mehrheit der befragten Studierenden (mit Ausnahme der Zahnmedizin mit 26,2%) sind mit dem Austausch mit Studierenden und Auszubildenden anderer Gesundheitsberufe unzufrieden (Humanmedizin: 71,5%; Molekularmediziner: 57,6%; Medizintechniker: 76,0%)
  • Ein Großteil der Studierenden wünschen sich mehr gemeinsamen Unterricht mit Auszubildenden anderer Gesundheitsberufe (Humanmedizin: 64,4%, Zahnmedizin: 54,7%, Molekularmedizin: 56,0%, Medizintechnik: 71,5%).

Fragestellung 3:

Darauf aufbauend will die Untergruppe Lehrveranstaltungen der AG das Angebot an interprofessionellen Kursen, insbesondere im Wahlfachbereich, ausbauen. Im Oktober 2015 wurden Anamnesegruppen für Studierende der Psychologie, Logopädie, Zahn- und Humanmedizin eingeführt. Ab August 2016 wird es ein Seminar Implantologie für Studierende der Zahn- und Humanmedizin und Medizintechnik geben. Der Kontakt zu Sponsoren zur Finanzierung des Seminars ist bereits hergestellt.

Als infrastrukturelle Säule der Implementierung von IPA am Standort Erlangen wurde die Vision des „Interprofessionellen Lernzentrums für medizinische Ausbildung – ILMA“ entwickelt. Es soll als zentraler Campustreffpunkt für Studierende und Auszubildende der Gesundheitsberufe dienen. Unbedingt sollen Skillslab, Lernräume und Aufenthaltsräume vorhanden sein. Somit bewegt sich das Konzept „ILMA“ über das eines interprofessionellen Skillslabs hinaus. Eigenschaften eines Gesundheitscampus werden teilweise übernommen. Die Ansiedlung (extra-)curriculärer Kurse in dem Lernzentrum beschränkt sich jedoch auf IPA. Primär soll das Lern- und Begegnungszentrum ein Ort des Selbststudiums werden. Der Austausch untereinander kann dabei natürlicher Bestandteil des Studiums und der Freizeit der Studierenden werden. Durch die Präsenz aktueller Forschungstätigkeit der Universität und späterer Karrieremöglichkeiten an einem zentralen Anlaufpunkt kann zudem eine Atmosphäre für innovative gemeinsame Projekte geschaffen werden.

Um den Bedarf der Studierenden an einem solchen Lernzentrum zu bestimmen, wurden sämtliche Teilnehmer der Umfrage auch noch zur räumlichen Situation in Erlangen befragt (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]):

  • Das Angebot an Räumlichkeiten zum selbstständigen Lernen an der Universität wird unterschiedlich bewertet: Eher schlecht wird die Situation vor allem von Humanmedizinern (56,4%) und Molekularmedizinern (56,0%) bewertet. Auch ein beträchtlicher Teil der Studierenden der Medizintechnik ist mit der Situation eher unzufrieden (43,7%). Einzig die Studierenden der Zahnmedizin sind mit der Situation größtenteils zufrieden (73,9%).
  • Ein zentrales Lerngebäude mit Räumen zum selbständigen Studieren und als Ort des Austausches von Auszubildenden untereinander wünschen sich ein Großteil der Studierenden (Humanmedizin: 87,3% Zahnmedizin: 76,2%, Molekularmedizin: 86,4%, Medizintechnik: 89,2%).

In den Gesprächen mit Dozenten wurde eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit von einer Mehrheit der Beteiligten zugesichert: 15 der 25 angeschriebenen Dozenten antworteten auf den Kontaktversuch der AGiL. Eine generelle Zusammenarbeit können sich 13 der 15 Dozenten vorstellen, davon sechs als aktive Mitglieder in der Taskforce.


Diskussion

Die vorliegende Bedarfsanalyse weist einige Stärken und Schwächen auf. Positiv zu bewerten ist der Zeitpunkt der Befragung. Die AGiL hat sich zum Ziel gesetzt die Aufmerksamkeit für IPA durch Öffentlichkeitsarbeit in Erlangen zu erhöhen. Um eine Verfälschung der Umfrageergebnisse zu vermeiden, wurde die Befragung vor Beginn der Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt. Die Teilnahmequote der Umfrage von 27% scheint im ersten Moment repräsentativ, jedoch müssen die Rücklaufquoten der einzelnen Studiengänge kritisch bewertet werden. Die geringe Beteiligung der Zahnmediziner, gerade aus den klinischen Semestern (n=10), könnte jedoch zur Verzerrung der Ergebnisse führen. Von einer zu starken Gewichtung dieser in der Interpretation sollte deshalb abgesehen werden. Weiterhin ist zu beachten, dass die angewendete Methodik lediglich die Sichtweise der Studierenden berücksichtigt. Einzig die Gespräche mit den Dozenten konnten deren Meinung grob wiederspiegeln. Objektiviert werden soll diese in einer weiteren Umfrage. Da in den Fragestellungen explizit die studentische Sichtweise beleuchtet werden sollte, können die Ergebnisse der Umfrage Antworten zu diesen liefern.

Fragestellung 1:

Obwohl Humanmediziner im späteren Berufsleben als zentrale Patientenversorger stets mit anderen Heilberufen zusammenarbeiten, sehen sich diese eher schlecht durch ihr Studium auf zusätzlichen Diagnose- und Therapiemöglichkeiten jener Heilberufe vorbereitet (72,6%). Die Ergebnisse der Zahnmedizinstudierenden können hier leider nicht als repräsentativ angesehen werden (s.o.). Dennoch lässt sich ein Bedarf nach mehr IPA ableiten, da sich die Gesamtheit der Teilnehmer eher schlecht auf die interprofessionelle Zusammenarbeit in ihrem späteren Berufslebens vorbereitet fühlen (66,5%). Da am Standort Erlangen der vorklinische Abschnitt des Studiums kaum klinische Praxis vermittelt, wurde von einer Ist-Analyse der Kernkompetenzen der Human- und Zahnmedizinstudierenden dieses Abschnitts abgesehen.

Fragestellung 2:

Obwohl den Ergebnissen zu Folge IPA in der Zahnmedizin verhältnismäßig gut etabliert zu sein scheint, schränkt auch hier die geringe Beteiligung die Interpretation der Ergebnisse ein. Weiterhin zeigt sich die Mehrheit der anderen drei Studiengänge ebenfalls eher unzufrieden über Austauschmöglichkeiten mit Studierenden und Auszubildenden anderer Gesundheitsberufe (71,4%). Gleichzeitig wünscht sich die Mehrheit aller Studiengänge mehr gemeinsamen Unterricht mit Auszubildenden anderer Gesundheitsberufe (64,6%).

Fragestellung 3:

Die Ist-Soll-Analyse aus Fragestellung 1 und 2 zeigt, dass IPA im Studium breiter etabliert werden sollte. Allerdings kann aus den Ergebnissen nicht geschlossen werden, wie genau dies erfolgen soll. Hierfür ist die Gründung neuer Wahl(pflicht-)fächer durch die Untergruppe Lehrveranstaltungen notwendig. So kann ein Testfeld geschaffen werden, um Erfahrungen zur bestmöglichen curriculären Implementierung von IPA zu liefern. Letztendlich muss diese stattfinden, um IPA allen Studierenden zugänglich zu machen. Die weitere Aufgabe der Untergruppe Evaluation wird daher die wissenschaftliche Begleitung dieser Wahl(pflicht-)fächer sein.

Die räumliche Situation wurde vom Großteil der Studierenden als eher schlecht bewertet. Einzig die Studierenden der Zahnmedizin scheinen größtenteils zufrieden. Dies könnte darauf zurückgeführt werden, dass große Teile des Unterrichts in einer gut ausgestatteten Lehrklinik stattfinden. Ein zentrales medizinisches Lernzentrum, entsprechend der Vision von ILMA, wurde dennoch über alle Fachbereiche hinweg gewünscht.

Ein allumfassendes Konzept eines Gesundheitscampus bietet mit Sicherheit das Modell der Health Universities. Teilaspekte der Health Universities können in unserem Konzept berücksichtigt werden. So wird in dem bereits in der Einleitung erwähnten Review von Sottas et al, der Raumplanung, Architektur und Logistik des Patientenmanagements eine entscheidende Rolle zugeschrieben [8]. Auch der Deutschen Initiative für Netzwerkinformation zu Folge liegen in der Lernraumentwicklung entscheidende, die Ausbildung bestimmende Variablen, welche überhaupt erst eine Kompetenzentwicklung der Studierenden und Auszubildenden ermöglichen. Der Lernraum der Zukunft solle inspirieren, soziale und kommunikative Bedürfnisse berücksichtigen und praktische Umsetzung und Anwendung von Erlerntem unterstützen [10]. Diese Empfehlung richtet sich zwar primär an Bibliotheken, dennoch könnten hieraus Erkenntnisse zur Planung des Lern- und Begegnungszentrums gewonnen werden. Nicht zuletzt wird in einem Systematic Review der Best Evidence in Medical Education (BEME) - Collaboration beschrieben, dass der Austausch neben dem Unterricht, z.B: in Kurspausen, und in gemeinsam verbrachter Freizeit zu positiven Einstellungen der Gesundheitsberufe untereinander führen und formale Lerninhalte festigen kann [11]. Dies wird auch als informelles Lernen bezeichnet und tritt meistens außerhalb des Zeitrahmens der eigentlichen Lehrveranstaltung auf. Gerade die Vereinigung von Aufenthaltsräumen mit Lernraum und Skillslab könnte bezüglich dieser Form des Lernens für IPA von Interesse sein.

Funktionell muss das Zentrum hinreichend ausgestattet und in universitäre Strukturen eingebunden sein. Maßgeblich hierfür waren die Gespräche mit den Dozenten. Nur so konnte die Aufmerksamkeit auf IPA gelenkt werden. Die Kritik aus den Gesprächen war essentiell um das Gesamtkonzept zu schärfen. Gleichzeitig bestärkt die Unterstützung durch Dozenten unser bisheriges Handeln. In Zukunft wird die AGIL den Kontakt und die Zusammenarbeit weiter vorantreiben. Ein neu zu gründender Förderverein für IPA könnte als Ansprechpartner für (außer-)universitäre Interessierte fungieren, Anreize zur Etablierung von IPA setzen und die Finanzierung der Lehre erleichtern. Ziel sollte letztendlich die Gründung einer Stiftung zur Finanzierung des Lern- und Begegnungszentrums sein.

Zu untersuchen ist, ob ein Zentrum Studierende und Auszubildende zum Selbststudium anhält, und den Kontakt zu anderen Gesundheitsberufen verbessert. Auch in wie weit die Konzeption eines solchen Zentrums die Ausbildungsforschung unterstützen kann, ist von Interesse. Weiterführend stellt sich die Frage, ob Grundlagen für interprofessionelle Forschungsprojekte entstehen, es also qualitative Auswirkungen auf die Hochschule als wissenschaftlichen Standort hat. Nicht zuletzt könnte das Zentrum als zentrale Verteilstelle für (außer-) universitäre Einrichtungen dienen.


Schlussfolgerung

Durch die Durchführung der Evaluation wurde der Bedarf an IPA und Infrastruktur verdeutlicht und die Basis für eine spätere Evaluation des Projekteinflusses gelegt. Die AG konnte Konzepte zur Verbesserung der Situation in Erlangen ausarbeiten, welche von Dozenten positiv aufgenommen wurden. Internationale Erkenntnisse zur IPA und moderne Empfehlungen zur Gestaltung von Lernräumen legen die Erprobung eines einheitlichen Vorgehens von Curriculumsänderung und Lernraumentwicklung nahe. Angesichts der Ergebnisse aus der Evaluation, den Erfahrungen aus den Gesprächen mit Dozenten und den (inter-)nationaler Empfehlungen, setzt sich die AGIL die curriculäre Implementierung interprofessioneller Ausbildung und die Verwirklichung und Finanzierung des Lern- und Begegnungszentrums als neue Projektziele.

Auf lange Sicht sollte IPA deutschlandweit etabliert werden. Der Aufbau eines Netzwerkes zum Erfahrungsaustausch könnte hierfür dienlich sein. Die AGiL ist gerne bereit ihre bisherigen Erfahrungen mit anderen studentischen Arbeitsgruppen zu teilen.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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Greer AG, Clay M, Blue A, Evans CH, Garr D. The status of interprofessional education and interprofessional prevention education in academic health centers: a national baseline study. Acad Med. 2014;89(5):799–805. DOI: 10.1097/ACM.0000000000000232 Externer Link
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Erratum

Der letzte Satz in der deutschen Diskussion wurde ergänzt.