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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Die FAMULATUR PLUS als innovativer Ansatz zur Vermittlung praktischer Fertigkeiten in der körperlichen Untersuchung

Artikel Famulaturen

  • corresponding author Achim Jerg - Universitätsklinik Ulm, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Sektion Medizinische Psychologie, Ulm, Deutschland
  • author Wolfgang Öchsner - Universitätsklinik Ulm, Abteilung Kardioanästhesiologie, Ulm, Deutschland; Universität Ulm, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Ulm, Deutschland
  • author Henriette Wander - Universitätsklinik Ulm, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Sektion Medizinische Psychologie, Ulm, Deutschland
  • author Harald C. Traue - Universitätsklinik Ulm, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Sektion Medizinische Psychologie, Ulm, Deutschland
  • author Lucia Jerg-Bretzke - Universitätsklinik Ulm, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Sektion Medizinische Psychologie, Ulm, Deutschland

GMS J Med Educ 2016;33(1):Doc4

doi: 10.3205/zma001003, urn:nbn:de:0183-zma0010038

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2016-33/zma001003.shtml

Eingereicht: 19. Mai 2015
Überarbeitet: 18. August 2015
Angenommen: 13. Oktober 2015
Veröffentlicht: 15. Februar 2016

© 2016 Jerg et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die FAMULATUR PLUS ist ein innovativer Ansatz zur Vermittlung praktischer Fertigkeiten in der körperlichen Untersuchung. Das Konzept richtet sich an Medizinstudierende im klinischen Studienabschnitt und beinhaltet eine um Lehrveranstaltungen („PLUS“) erweiterte Famulatur. Die Lehrveranstaltungen umfassen klinische Untersuchungskurse und problemorientiertes Lernen (POL). Besonderheit des Konzepts ist die vollständige Integration dieser Lehrveranstaltungen in eine 30tägige Krankenhausfamulatur. Dadurch soll der Wissenstransfer von den Lehrveranstaltungen in die tägliche Praxis vereinfacht werden. Jede einzelne Woche der FAMULATUR PLUS ist hinsichtlich der Lehrveranstaltungen strukturiert vorgeplant und steht im Zeichen eines Körperabschnitts (z.B. Abdomen). Zu Wochenbeginn wird ein Untersuchungskurs unter ärztlicher Leitung angeboten. Hier erlernen die Medizinstudierenden die relevanten Untersuchungstechniken zunächst durch gegenseitige Anwendung (Partnerübungen). Anschließend werden die gelehrten Techniken im Stationsalltag eigenverantwortlich angewandt, gegebenenfalls durch den Betreuer nochmals korrigiert, und somit gefestigt. Gegen Ende der Woche findet dann das abschließende POL-Seminar statt. Ausgehend von einem klinischen Fallbeispiel werden hier mögliche Differentialdiagnosen erarbeitet. Diese gilt es dann durch fiktive Anamneseerhebung und vor allem körperliche Untersuchung zu überprüfen sowie eine Verdachtsdiagnose zu stellen. Schlussendlich soll den Medizinstudierenden im POL gezeigt werden, wie Techniken der körperlichen Untersuchung bei der Diagnostik häufiger Leitsymptome (z.B. Bauchschmerzen) effizient angewandt werden können. Bei der ersten Durchführung der FAMULATUR PLUS als Pilotprojekt erwies sich die praktische Umsetzbarkeit des Konzepts. Zudem zeigte die begleitende Evaluation eine Verbesserung der Teilnehmer des Pilotprojekts hinsichtlich der praktischen Fertigkeiten in der körperlichen Untersuchung.

Schlüsselwörter: klinische Fertigkeiten, medizinische Lehre, körperliche Untersuchung, praktisches Training


1. Einführung

Neben der Anamnese ist die körperliche Untersuchung des Patienten ein Grundpfeiler der ärztlichen Fertigkeiten. Rund Dreiviertel aller Diagnosen können allein durch Anamnese und körperliche Untersuchung gestellt werden [1], [2]. Trotz dieser Erkenntnis wird die körperliche Untersuchung in zunehmendem Maße vom Fortschritt der apparativ-medizinischen Diagnostik überholt und kann deshalb sogar als „veraltet“ erscheinen. So verwundert es wenig, dass die Ausbildung des medizinischen Nachwuchses in der körperlichen Untersuchung inzwischen oft eine untergeordnete Rolle spielt. Diese Beobachtung wird vor allem durch Publikationen aus den USA untermauert. Unisono führen diese Veröffentlichungen zu einer Ernüchterung ob der praktischen Untersuchungsfertigkeiten von Medizinstudierenden und Ärzten. Beispielsweise zeigten wissenschaftliche Arbeiten, dass Medizinstudierende, und auch Assistenz- oder Fachärzte oftmals nicht in der Lage waren, häufige Auskultationsbefunde von Lunge und Herz korrekt zu erheben [3], [4], [5]. Auch eine allgemein-internistische Untersuchung konnte von Medizinstudierenden kaum vollständig durchgeführt werden [6]. Wenngleich die bisher vorgestellten Arbeiten aus dem Ausland stammen, ist von ähnlichen Wissensdefiziten bei deutschen Medizinstudierenden auszugehen [7].


2. Zielsetzung

Ziel des vorgestellten Projekts ist die intensive Vermittlung von Techniken der körperlichen Untersuchung an Medizinstudierende. Dies soll im Rahmen einer Famulatur geschehen die um ein famulaturintegriertes Lehrprogramm ergänzt wird (FAMULATUR PLUS).


3. Projekt und didaktisches Konzept

Eine Famulatur ist aus Sicht des Medizinstudierenden die praktische Ergänzung zum Studium. Ausgehend von dieser Überlegung wurde die FAMULATUR PLUS entwickelt, die sich aus den nachfolgend ausgeführten drei didaktischen Elementen Untersuchungskurs, Famulatur und POL-Seminar zusammensetzt. Die zeitliche Abfolge der didaktischen Elemente folgt dabei einem standardisierten Muster (siehe 3.4).

3.1. Untersuchungskurs

Im Rahmen der FAMULATUR PLUS finden insgesamt fünf Untersuchungskurse statt. Angelegt sind diese Kurse auf rund 120 Minuten und werden von Ärzten abgehalten. Die Lehr- und Lerninhalte aller Untersuchungskurse richten sich dabei nach der gängigen Fachliteratur [7], [8], [9], [10], [11], [12], [13]. Der erste Untersuchungskurs findet bereits im Vorfeld der Famulatur statt und beschäftigt sich mit der allgemein-internistischen Untersuchung („Aufnahmeuntersuchung“). Hier wird auf das vorhandene Wissen der Medizinstudierenden aus den universitären Untersuchungskursen aufgebaut und dieses aufgefrischt. Zudem sollen die Medizinstudierenden lernen, einen Patienten ganzkörperlich orientierend und zeitlich effizient zu untersuchen. Die darauf folgenden Untersuchungskurse „Kopf, Hals, Thorax, Rücken und Lunge“, „Kardiovaskuläres System“, „Abdomen und Peripherie“ sowie „Nerven und Motorik“ bauen thematisch auf dem Untersuchungskurs zur allgemein-internistischen Untersuchung auf und vertiefen die Untersuchungstechniken organ- bzw. strukturbezogen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Beispielsweise wird im Kurs „Aufnahmeuntersuchung“ das Abdomen bereits orientierend untersucht, weiterführende Untersuchungstechniken (z.B. Carnett-Test) jedoch erst im Untersuchungskurs „Abdomen und Peripherie“ gelehrt.

Wenngleich die Schwerpunkte der Untersuchungskurse in Abhängigkeit von Dozent und behandelndem Thema variieren, gilt dies nicht für den curricularen Aufbau. Der Ablauf der Untersuchungskurse ist somit immer identisch und lässt sich nach einer modifizierten Peyton-Technik in die vier Schritte Demonstration, Dekonstruktion, Verständnis und Durchführung unterteilen [14], [15]. Einführend werden die zu erlernenden Untersuchungstechniken durch die ärztliche Kursleitung in normalem Ablauf und Tempo vorgeführt (Demonstration). Anschließend unterteilt der Arzt die jeweilige Untersuchungstechnik in einzelne Handlungen (Dekonstruktion). Ziel der Dekonstruktion ist eine leichtere Nachvollziehbarkeit der Untersuchungstechnik für die Medizinstudierenden. Um zu überprüfen, ob die gelehrte Untersuchungstechnik tatsächlich verstanden wurde, fordert der Arzt die Medizinstudierenden auf die einzelnen Handlungen zu beschreiben während diese vom Lehrenden praktisch nachvollzogen werden. Insofern wird nun der Arzt von den Medizinstudierenden angeleitet, was die fehlerfreie mentale Repräsentation des Handlungsablaufs fördert sowie schnelleres Lernen und besseres Erinnern ermöglicht (Verständnis). Während des letzten Teils des Untersuchungskurses obliegt es dann den Medizinstudierenden, die Untersuchungstechniken unter gegenseitiger Anwendung zu erlernen (Durchführung). Währenddessen steht die ärztliche Kursleitung für Fragen zur Verfügung. Ferner ist es Aufgabe des Arztes bedarfsweise im Rahmen der praktischen Umsetzung der Untersuchungstechniken korrigierend zu intervenieren.

3.2. Famulatur

Die Famulatur ist zentraler Bestandteil des vorgestellten Konzepts, ermöglicht sie doch den Wissenstransfer aus den Untersuchungskursen in die tägliche stationäre Arbeit. Um die Medizinstudierenden zur praktischen Anwendung der gelehrten Untersuchungstechniken zu animieren, werden jede Woche praktische Aufgaben gestellt. Diese Aufgaben können von den Medizinstudierenden flexibel bearbeitet werden. Wöchentlich sollen dabei mindestens drei allgemein-internistische sowie drei organspezifische Untersuchungen passend zum jeweiligen Untersuchungskurs durchgeführt werden. Fand beispielsweise in der ersten Woche der Untersuchungskurs „Kopf, Hals, Thorax, Rücken und Lunge“ statt, sind die Medizinstudierenden aufgefordert, drei allgemein-internistische Untersuchungen sowie drei Untersuchungen von Kopf, Hals, Thorax, Rücken und Lunge in der entsprechenden Woche durchzuführen. Dieses Vorgehen gilt analog für alle anderen Famulaturwochen. Zur Dokumentation der Untersuchungsbefunde erhalten die Medizinstudierenden Anamnese- und Untersuchungsbögen. Auf diesen ist auch ein kurzer Untersuchungsbefund schriftlich festzuhalten. Die ausgefüllten Anamnese- und Untersuchungsbögen werden dem Stationsarzt zur Durchsicht vorgelegt und müssen von diesem gegengezeichnet werden. Mittels der Kontrolle der Anamnese- und Untersuchungsbögen wird erreicht,

1.
dass die Medizinstudierenden „gezwungen“ sind die Patienten körperlich zu untersuchen und
2.
Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung der Untersuchungstechniken offenkundig werden und als Grundlage für das optionale Feedbackgespräch mit dem Stationsarzt dienen (siehe 3.4).

Zudem ist der Stationsarzt aufgefordert den Medizinstudierenden wochenweise konstruktive Rückmeldung zu ihren Untersuchungsfertigkeiten zu geben und Optimierungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Darüber hinaus steht es den Medizinstudierenden frei sich jederzeit selbst zu überprüfen, indem sie ihre Untersuchungsbefunde mit den in der Patientenakte dokumentierten Arztbefunden abgleichen.

3.3. Problemorientiertes Lernen

Neben Untersuchungskursen und Famulatur bildet das problemorientierte Lernen (POL) das dritte didaktische Element. Während der FAMULATUR PLUS finden fünf POL-Seminare statt. Basierend auf einem klinischen Fallbeispiel werden zunächst viele verschiedene Differentialdiagnosen postuliert. Durch fiktive Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung soll die Anzahl der Differentialdiagnosen sukzessive auf eine konkrete Verdachtsdiagnose heruntergebrochen werden. Nach dem POL obliegt es dann den Medizinstudierenden dieses eigenverantwortlich nachzubereiten. Eine solche Nachbereitung kann beispielsweise die Erarbeitung eines Diagnosealgorithmus für ein bestimmtes Leitsymptom (z.B. akuter Bauchschmerz) sein. Mittels POL und dessen Nachbereitung wird einerseits die Bedeutung der körperlichen Untersuchung im diagnostischen Prozess verdeutlicht. Andererseits ist die Lehrform POL aufgrund der Erübung von Problemlöseprozessen gut geeignet das klinischen Denken der Medizinstudierenden zu schulen [15], [16]. Wie schon beim ersten Untersuchungskurs („Aufnahmeuntersuchung“) findet auch das erste POL vor Beginn der eigentlichen Famulatur statt. Abgesehen von Termin und Thema unterscheiden sich die POL-Veranstaltungen aber hinsichtlich ihres curricularen Aufbaus nicht. Die einzelnen POL-Fälle wurden anhand der sieben Schritte des POL erstellt [17], [18]. Eine genaue Übersicht über die Veranstaltungsinhalte ist Abbildung 1 [Abb. 1] zu entnehmen.

Verantwortlich für die Leitung und Moderation des POL-Seminars sind studentische Tutoren. Ab dem Sommersemester 2015 werden didaktisch-ausgebildete Tutoren („peer teacher“) aus dem Trainingsprogramm „Train the Tutor“ der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm in der FAMULATUR PLUS eingesetzt [http://fakultaet.medizin.uni-ulm.de/fileadmin/Studiengaenge/Humanmedizin/Informationen_Lehren-Lernen-Track_SS15.pdf zitiert am 02.12.2014].

3.4. Integration und Ablauf der Lehrveranstaltungen

Die didaktischen Elemente folgen einem zeitlich standardisierten Muster (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). In der Regel sind alle Lehrveranstaltungen in die reguläre Famulatur integriert. Ausgenommen davon sind der Untersuchungskurs „Aufnahmeuntersuchung“ und das POL „Akutes Abdomen“. Diese beiden Veranstaltungen finden während eines Einführungstags bereits vorab statt. Die Notwendigkeit des Einführungstags ist durch die begleitende wissenschaftliche Evaluation der FAMULATUR PLUS bedingt (siehe 4.). Mittels dieser Studie soll an zwei Erhebungszeitpunkten vor (Einführungstag) und nach der FAMULATUR PLUS evaluiert werden, ob es zu einer Verbesserung der praktischen Fertigkeiten der Medizinstudierenden in der körperlichen Untersuchung kommt.

Die Untersuchungskurse finden im wöchentlichen Turnus jeweils am selben Wochentag statt und behandeln mit Ausnahme des Kurses „Aufnahmeuntersuchung“ jeweils festgelegte Körperorgane und -strukturen (siehe 3.1). Die organ- bzw. strukturspezifischen Untersuchungskurse bauen thematisch auf dem Untersuchungskurs „Aufnahmeuntersuchung“ auf und vertiefen diesen punktuell. Während der darauffolgenden Woche haben die Medizinstudierenden dann die Möglichkeit, die vermittelten Untersuchungstechniken in der Praxis anzuwenden und ihre Aufgaben zu bearbeiten. Diese Aufgaben bestehen aus drei allgemein-internistischen sowie drei organ- bzw. strukturspezifischen Untersuchungen. Letztere beziehen sich immer auf den Untersuchungskurs der aktuellen Famulaturwoche (siehe 3.3). Ebenfalls im wöchentlichen Turnus folgt dann das POL-Seminar. Hierin können die Medizinstudierenden anhand klinischer Fälle das Erheben von Verdachts- und Differentialdiagnosen unter Verwendung vor allem von fiktiver Anamnese und körperlicher Untersuchung üben. Abgeschlossen wird jede Famulaturwoche durch ein kurzes Gespräch mit dem Stationsarzt. Basierend auf den überprüften Anamnese- und Untersuchungsbögen der Medizinstudierenden, soll diesen im Rahmen des Gesprächs konstruktiv Rückmeldung zu ihren Untersuchungsfertigkeiten gegeben werden. Das Gespräch ist optional und soll von den Medizinstudierenden aktiv gesucht werden. Durch das retrospektive anstelle eines unmittelbaren Feedbackgesprächs soll vermieden werden, dass sich die Medizinstudierenden „kontrolliert“ fühlen und dadurch in ihrer individuellen Lernentwicklung möglicherweise eingeschränkt werden [17].


4. Pilotprojekt und Evaluation

Die FAMULATUR PLUS wurde erstmals im August 2014 als Pilotprojekt mit fünf Medizinstudierenden umgesetzt. Hierfür wurde mit der Abteilung für Innere Medizin der Donauklinik Neu-Ulm kooperiert. Im Rahmen des Pilotprojekts sollten zwei zentrale Fragen geklärt werden:

1.
Ist das Konzept praktisch umsetzbar?
2.
Verfügen die Medizinstudierenden nach der FAMULATUR PLUS über verbesserte praktische Fertigkeiten in der körperlichen Untersuchung?

Bezüglich der praktischen Umsetzbarkeit bewährte sich die FAMULATUR PLUS im Pilotprojekt sowohl studierenden- wie auch dozentenseitig. So gab es beispielsweise keine zeitlichen Kollisionen zwischen Lehrveranstaltungen und Aufgaben im Rahmen der stationären Krankenversorgung. Ferner wurden die Lehrveranstaltungen studierendenseitig als willkommene Abwechslung zum Stationsalltag wahrgenommen. Auch die Einbindung der Dozenten erwies sich als problemlos. Zudem hielten sich die Dozenten streng an den Lernzielkatalog und vermittelten das Wissen - wie erwünscht - durch praktische Demonstrationen und Übungen. Weder von Medizinstudierenden noch Dozenten gab es inhaltliche oder organisatorische Änderungswünsche. Somit mussten diesbezüglich keine Veränderungen vorgenommen werden. Aufgrund der gezeigten Realisierbarkeit des Konzepts wurde ferner mit der Akquirierung weiterer kooperierender Krankenhäuser begonnen.

Zur Beantwortung der zweiten Frage wurde eine wissenschaftliche Studie initiiert. Mittels dieser Studie wird untersucht, ob die Medizinstudierenden nach absolvierter FAMULATUR PLUS über verbesserte praktische Untersuchungen in der körperlichen Untersuchung verfügen. Überprüft wird dies mittels eines Fragebogens zur Selbsteinschätzung und der in der Literatur beschriebenen Tests zur Herz- und Lungenauskultation (Auskultationstests) [4], [5] sowie der Durchführung einer körperlichen Untersuchung (Untersuchungstest) [6]. Sowohl Fragebogen als auch Auskultations- und Untersuchungstests werden im Vorfeld und nach der FAMULATUR PLUS erhoben bzw. durchgeführt. Durch den Fragebogen wird die individuelle und subjektive Einschätzung der Medizinstudierenden hinsichtlich ihrer praktischen Untersuchungsfertigkeiten erfasst. Demgegenüber überprüfen die Auskultations- und Untersuchungstests die praktischen Kenntnisse der Medizinstudierenden in der körperlichen Untersuchung objektiv. Beim Untersuchungstest werden die Medizinstudierenden aufgefordert einen Simulationspatienten allgemein-internistisch zu untersuchen. Der Untersuchungstest wird per Videokamera anonymisiert aufgezeichnet und anschließend von einem neutralen Arzt nach einem standardisierten Katalog ausgewertet. Die Bewertungskriterien des Untersuchungstests sind die vollständige und korrekte Durchführung der laut Literatur vorzunehmenden Untersuchungstechniken [19]. Im Fokus der Auskultationstest stehen dann die Kenntnisse der Medizinstudierenden in der akustischen Befundung von Herz- und Lungengeräuschen. Auch die Auskultationstests werden anonymisiert durchgeführt. Die korrekte Befundung der Auskultationsbeispiele wird wiederum von einem neutralen Arzt überprüft. Wie andernorts erwähnt, werden im Rahmen der Auskultations- und Untersuchungstest etablierte Methoden eingesetzt [4], [5], [6].

Die Auswertung der Pilotstichprobe von fünf Medizinstudierenden zeigte erste Trends: Beispielsweise bewerteten die Medizinstudierenden ihre praktischen Untersuchungsfertigkeiten im Fragebogen vorab durchschnittlich mit der Schulnote 4, wohingegen sie sich nach absolvierter FAMULATUR PLUS die Note 2 gaben. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den Auskultations- und Untersuchungstests. So wurden testübergreifend rund 75 Prozent der gestellten Anforderungen von den Medizinstudierenden nach der FAMULATUR PLUS erfüllt; im Vorfeld war dies nur bei ca. 26 Prozent der Fall.


5. Schlussfolgerung und Ausblick

Die FAMULATUR PLUS erwies sich in einem ersten Pilotprojekt als umsetzbare Lehrform zur Vermittlung von Fertigkeiten der körperlichen Untersuchung. Eine Übertragung des Konzepts auf andere Krankenhäuser ist in Planung. Ferner wird ein möglicher Nutzen der FAMULATUR PLUS für die praktische Ausbildung Medizinstudierender wissenschaftlich erörtert. Die Auswertung bisheriger Daten zeigte eine Verbesserung der praktischen Untersuchungsfertigkeiten teilnehmender Medizinstudierender. Die Aussagekraft dieser Ergebnisse ist aber angesichts der kleinen Stichprobe und der fehlenden Kontrollgruppe limitiert. Aufgrund dessen ist eine Modifizierung des Studiendesigns zu einer randomisierten und kontrollierten Studie denkbar [20]. Darüber hinaus stellt sich die Frage inwieweit der Wissenstransfer von den Untersuchungskursen in die klinische Praxis tatsächlich gelingt. Auch hierzu existieren publizierte methodische Ansätze mit vergleichbaren Fragestellungen, die zur Klärung dieser Frage im weiteren Projektverlauf eingesetzt werden könnten [21], [22], [23].


Anmerkung

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text die männliche Form verwendet. Wenn also von Ärzten, Dozenten, Medizinern, Patienten etc. die Rede ist, sind damit gleichermaßen auch Ärztinnen, Dozentinnen, Medizinerinnen, Patientinnen etc. gemeint!


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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