gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Das FacharztDuell: Innovative Karriereplanung in der Medizin

Projekt Humanmedizin

  • corresponding author Lena Welbergen - Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Severin Pinilla - Ludwig-Maximilians-Universität, Neurologische Klinik und Poliklinik, Klinikum Großhadern, München, Deutschland
  • author Tanja Pander - Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Maximilian Gradel - Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Philip von der Borch - LMU München, Medizinische Klinik IV, München, Deutschland
  • author Martin R. Fischer - Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • author Konstantinos Dimitriadis - Ludwig-Maximilians-Universität, Neurologische Klinik und Poliklinik, Klinikum Großhadern, München, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2014;31(2):Doc17

doi: 10.3205/zma000909, urn:nbn:de:0183-zma0009097

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2014-31/zma000909.shtml

Eingereicht: 4. November 2013
Überarbeitet: 20. Januar 2014
Angenommen: 27. Februar 2014
Veröffentlicht: 15. Mai 2014

© 2014 Welbergen et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Die Entscheidung für eine Facharztrichtung stellt für viele Medizinstudierende eine Herausforderung dar. Derzeit können Medizinstudierende zwischen über sechzig Weiterbildungsmöglichkeiten im Anschluss an das Medizinstudium wählen.

Im deutschen Ausbildungskontext werden bisher wenige strukturierte Entscheidungshilfen für die Weiterbildungs- und Karriereplanung angeboten.

Daten zu Akzeptanz, Formaten und Effekten entsprechender Angebote liegen kaum vor.

Ziel dieser Studie ist es, ein innovatives Format zur Karriereplanung von Medizinstudierenden in Bezug auf die Akzeptanz, Bewertung und möglichen Einfluss auf Facharztpräferenzen zu untersuchen.

Methodik: Der Bedarf nach aktiver Karriereberatung wurde durch thematische Gesprächsanalysen im Rahmen des Mentoring-Programms der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, einer online-basierten Bedarfsumfrage, einer ad-hoc Fokusgruppe und einer Pilotveranstaltung des FacharztDuells erhoben. Ein interaktives Diskussionsformat mit moderierter Gegenüberstellung verwandter Fachrichtung wurde unter dem Namen „FacharztDuell“ konzipiert und bisher viermal durchgeführt. Die Einzelveranstaltungen wurden schriftlich evaluiert und Präferenzänderungen der Teilnehmer durch ein Audience-Response-System (ARS) erhoben. Das FacharztDuell wird regelmäßig organisiert und durch fakultäre Lehrmittel gefördert.

Ergebnisse: Das FacharztDuell wurde von Medizinstudierenden verschiedener Semester sehr gut angenommen (Teilnehmerzahl geschätzt 300/Veranstaltung) und bewertet (Gesamtnotendurchschnitt von 1,7, SD=0,7, 1=sehr gut, 6=sehr schlecht, n=424). Durchschnittlich empfanden 77,8% der Studierenden das FacharztDuell als Entscheidungshilfe für ihre spätere Facharzt- oder Berufswahl. Bis zu 12% der Studierenden änderten ihre Facharztpräferenz im Vergleich zwischen der Auswahl vor und nach den jeweiligen Veranstaltungen.

Schlussfolgerungen: Das FacharztDuell wird von Medizinstudierenden aller Semester gut angenommen und scheint eine Entscheidungshilfe für Ihre zukünftige Facharztwahl zu sein. Longitudinale Folgeuntersuchungen sind notwendig um Entscheidungsprozesse von Medizinstudierenden mittel- und langfristig abbilden zu können. Das FacharztDuell erscheint personell, technisch und organisatorisch gut auf andere Fakultäten übertragbar.

Schlüsselwörter: Ausbildung, Weiterbildung, Facharztwahl, Mentoring, Karriereberatung


Autoren

Lena Welbergen und Severin Pinilla teilen die Erstautorschaft.


Einleitung

Karriereplanung ist ein zentrales Thema in der medizinischen Aus- und Weiterbildung [1], [2]. In Erhebungen, die an der LMU München durchgeführt wurden, äußerten 59,6% der befragten Medizinstudierenden, dass Karriereplanung zu den am meisten besprochenen Themen gehört und 77,2%, dass ihre Mentoren-Beziehung einen positiven Effekt auf ihre Karriereplanung hat (n=534). Viele der Mentees äußerten weiterhin den Wunsch nach mehr Unterstützung bei ihrer Karriereplanung durch die Fakultät [2], [3]. Untersuchungen haben gezeigt, dass etwa 60% der Medizinstudierenden ihre Facharztpräferenzen während des Studiums ändern [4].

Fakultäten mit großen Studierendenzahlen stehen vor einer entsprechenden logistischen Herausforderung, effektiv und effizient Beratungsangebote zu schaffen. Diese Angebote sollten idealerweise Informationen zu formalen Rahmenbedingungen entsprechender Weiterbildungen bereitstellen, Transparenz in Bezug auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsalltag schaffen sowie Netzwerkmöglichkeiten für Studierende mit Ärzten der jeweiligen Fachbereiche anbieten [5], [6].

Im amerikanischen Ausbildungskontext sind unterschiedliche Lösungskonzepte für die Karriereberatung von Medizinstudierenden bereits weit verbreitet. Beispielsweise wurden an der Mayo Clinic einwöchige sog. „Selectives“ eingeführt, die aus Workshops, Diskussionsrunden und klinischen Einblicken bestehen, um die Studierenden in der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Es handelt sich dabei jedoch im Gegensatz zu allgemeinen Beratungsangeboten um eine fachspezifische Veranstaltung, die eine umschriebene Personen- und Interessentengruppe ansprechen soll [7].

Das „College of Physicians and Surgeons“ der Columbia University bietet Studierenden dagegen ein umfassendes Karriereplanungsprogramm an. Dieses enthält Möglichkeiten zur Hospitation in verschiedenen Fachbereichen, ein eigenes Mentoringprogramm („Advisory Dean Program“) und informelle Gespräche mit Fakultätsmitgliedern. Jährlich werden darüber hinaus Veranstaltungen für Studierende der jeweiligen Studienabschnitte organisiert. Dazu gehören zum Beispiel thematisch geleitete Mittagessen, individuelle Karriereberatungsgespräche, Diskussionsrunden mit Mitgliedern aus unterschiedlichen Fachbereichen und Bewerbungsberatung sowie Probe-Bewerbungsgespräche [8].

Bisherige Studien zu Karriereberatungsangeboten haben sich auch mit der Korrelation von Persönlichkeitstypen und der Facharztwahl [9], den Einflussfaktoren auf Studierende hinsichtlich ihrer Facharztwahl [10], [11], [12], [13], den involvierten Personen und Medien [14] oder der Stabilität von Werten Medizinstudierender während des Studiums beschäftigt [15].

Allerdings existiert derzeit noch wenig richtungweisende Literatur in Bezug auf verschiedene Formate der Karriereberatung vor allem im deutschsprachigen Aus- und Weiterbildungsraum. Die vorliegende Arbeit soll daher einen Beitrag zum Schließen dieser Forschungslücke liefern und aufzeigen, inwiefern das regelmäßige Angebot moderierter Diskussionsrunden im Hörsaal geeignet ist, um Medizinstudierende in ihrer Facharztentscheidung zu unterstützen.

Deshalb wurde im Rahmen des Mentoringprogramms ein innovatives Beratungsangebot etabliert und über ein akademisches Jahr hinweg ausgewertet, das sich speziell auf die Facharztwahl fokussiert. Das Angebot des FacharztDuells wurde konzipiert um eine große Teilnehmerzahl zu ermöglichen und trotzdem Raum für aktive studentische Teilnahme an der Diskussion zu bieten. Wir stellen hier die Auswertung des FacharztDuells nach viermaliger Durchführung vor und diskutieren dessen Eignung für die Unterstützung der Entscheidungsfindung von Medizinstudierenden bezüglich ihrer Weiterbildung und seine Transferierbarkeit an andere Fakultäten.


Methoden

Das grundlegende Konzept des FacharztDuells und die Evaluation des Pilotprojektes wurden bereits an anderer Stelle publiziert [16]. Das FacharztDuell ist eine durch den Studiendekan moderierte Diskussionsrunde mit Ärzten aus unterschiedlichen Fachbereichen, die miteinander verwandt oder benachbart sind. Die Ärzte diskutieren vor den Studierenden anhand von Fragen, die sie zuvor über ein Online-Fragetool auf der Homepage des Mentoringprogramms (https://www.mecum-mentor.de/facharztduell.html) anonym einreichen konnten. Somit können verschiedene Aspekte der ärztlichen Weiterbildung des jeweiligen Faches entsprechend der Interessen der Studierenden diskutiert werden. Im Anschluss an die moderierte Diskussion haben Studierende die Möglichkeit Fragen im Plenum zu stellen. Außerdem besteht nach Beendigung der Diskussion die Chance weitere Fragen mit den einzelnen Duellanten in Kleingruppen zu besprechen und möglicherweise Kontaktdaten auszutauschen.

Nach der erfolgreichen Pilotierung (Fächerkombination Herzchirurgie und Kardiologie) wurden die Folgeduelle didaktisch angepasst und über schriftliche Evaluationen sowie den kontinuierlichen Einsatz eines Audience-Response-Systems (ARS – Firma IML in Nürnberg) evaluiert (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Dabei wird jedem Benutzer die Möglichkeit gegeben, anonymisiert auf eine Publikumsfrage zu reagieren. Das Gesamtergebnis der jeweiligen Frage wird unmittelbar in Form eines Balkendiagramms vorgeführt und gegebenenfalls kommentiert.

Als Studiendesign wurde ein Prä-Post-Vergleich der Facharztpräfenzen unter den Teilnehmern gewählt. Für jedes Duell wurden eingereichte Online-Fragen qualitativ ausgewertet, demographische Daten der Teilnehmer erhoben, sowie eine schriftliche Evaluation durchgeführt.

Erweiterte Bedarfsanalyse mit ad-hoc Fokusgruppe

Der Beratungsbedarf wurde basierend auf zum Teil veröffentlichten Evaluationsstudien des Mentoringprogramms der medizinischen Fakultät erhoben [3]. Um eine vorläufige Priorisierung der weiteren sich zu duellierenden Facharztrichtungen aufzustellen, wurde eine ad-hoc Fokusgruppe mit Studierenden (n=23, 30 Minuten) aus verschiedenen Semestern durchgeführt. Zusätzlich wurden von den Studierenden Fragen an die Duellanten eingesammelt, um den Informationsbedarf und relevante Themenfelder einzuschätzen.

Organisation und Aufbau des FacharztDuells

Das Organisationsschema ist in Tab. 1 dargestellt. Nach einer Bedarfsanalyse der schriftlichen Evaluation des Vorduells wurden die sich zu duellierenden Kombinationen von Facharztrichtungen festgelegt (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Jedes Duell wurde über ein eigenes Plakat (Beispiel Duell 1 in Anhang 1 [Anh. 1]), Social Media (Facebook-Präsenz des Mentoring-Programms) und fakultätsinterne E-Mailverteiler beworben. Studierende hatten vor jedem Duell die Möglichkeit (auf Wunsch anonymisiert) Fragen auf der Veranstaltungswebseite zu posten.

Als Vertreter der Fachrichtungen wurden Assistenzärztinnen und -ärzte (Duelle 1 und 2) und Fachärztinnen und-ärzte (Duelle 3 und 4) über das Mentoren-Netzwerk oder durch direkte Anschreiben eingeladen. Die Duellanten wurden im Vorfeld auf die Schwerpunkte der Veranstaltung hingewiesen. Sie wurden gebeten authentische Einblicke in ihren Berufsalltag zu geben und individuelle Entscheidungsgründe für ihre jeweilige Facharztrichtung und Berufswahl kritisch zu reflektieren.

Basierend auf der erweiterten Bedarfserhebung (Mentoringevaluationen und Fokusgruppe) wurden bislang vier FacharztDuelle im Abstand von circa zwei bis drei Monaten im Zeitraum Juli 2012 bis Juli 2013 durchgeführt (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Die Fächerkombinationen der ersten drei Duelle waren Neurologie, Neurochirurgie, Psychiatrie (Duell 1), Pädiatrie, Gynäkologie, Kinderchirurgie (Duell 2) und Allgemeinmedizin und Innere Medizin (Duell 3, die Innere Medizin wurde hier durch einen Onkologen sowie einen Gastroenterologen vertreten). Das vierte Duell wurde als „Alternativen zur Klinik“ beworben. Duellanten waren Ärzte, die in der Forschung (ohne klinische Tätigkeit), in der Pharmaindustrie, bei einer Unternehmensberatung oder in einer gemeinnützigen Organisation (Ärzte ohne Grenzen) arbeiten.

Jedes Duell wurde in einem Hörsaal (408 Sitzplätze) durchgeführt und durch den klinischen Studiendekan (MRF) moderiert. 100 ARS Geräte wurden zusammen mit den Evaluationsbögen randomisiert an die Studierenden verteilt. Zu Beginn der Veranstaltung wurden die teilnehmenden Studierenden gebeten, allgemeine Fragen zu den vorgestellten Fachrichtungen (unter anderem zu Facharztgebieten, Weiterbildungsordnung oder -dauer) sowie zu den individuellen Facharztpräferenzen über das ARS zu beantworten.

Nach der initialen Vorstellung der Duellanten wurde die Diskussion basierend auf den im Vorfeld online eingereichten Fragen sowie weitere Fragen der Studierenden aus dem Publikum auf dem Podium moderiert. Nach 90 Minuten wurde die Diskussion beendet und die Facharztpräferenzen der Studierenden erneut abgefragt und dokumentiert. Die Ergebnisse der Befragungen wurden den Studierenden jeweils direkt präsentiert.

Im Anschluss an jedes Duell wurden die Teilnehmer zu vertiefenden Gesprächen mit den Duellanten in Kleingruppen eingeladen. Zusätzlich waren weitere Mentoren aus der jeweiligen Fachrichtung für die Kleingruppendiskussionen eingeladen. Zentrale Aspekte zu den einzelnen Fachrichtungen wurden nach den Duellen als Download-Dokumente auf der Veranstaltungswebseite zur Verfügung gestellt.

Messung der Präferenzänderungen in Bezug auf Facharztwahl

Die Studierenden wurden anhand der ARS-Geräte an zwei Zeitpunkten zu ihrer Facharztpräferenz befragt. Zu den Antwortmöglichkeiten gehörten jeweils die vorgestellten Fachrichtungen, ein nicht-genanntes Fachgebiet oder Unentschlossenheit. Nach ca. 60 Sekunden wurde das Abstimmungsergebnis den Studierenden präsentiert und dokumentiert (Angaben in Prozent). Dieser Vorgang wurde nach Ende des Duells wiederholt.

Als Maß für die Präferenzänderung wurde die Differenz aus den Abstimmungsergebnissen gebildet.

Schriftliche Evaluation

Für die FacharztDuell-Evaluation wurde ein Fragebogen mit 22 Items benutzt (18 geschlossene und vier offene Fragen). Die Antwortmöglichkeiten beinhalteten 6-stufige Likert-Skalen (stimme sehr zu bis stimme gar nicht zu) beziehungsweise das Schulnotensystem (1 – 6) für Veranstaltungsbewertungen. In vier Freitextfeldern konnten die Studierenden allgemeine Kommentare und Verbesserungswünsche angeben. Demographische Daten wurden ebenfalls abgefragt. Die Daten wurden deskriptiv ausgewertet.

Statistische Auswertung

Die erhobenen Daten wurden mit Excel (Microsoft Office) verwaltet. Für die Verteilungsberechnungen wurde der chi2 – Test benutzt. Es wurde ein Signifikanzniveau von α<0,05 festgelegt. Die Daten wurden mithilfe der statistischen Software Stata (Version 12.1, StataCorp) ausgewertet.


Ergebnisse

Online-Fragen der Studierenden

Das Online-Fragetool wurde von Studierenden aus allen Semestern vor allem vor Duell 1 und 2 genutzt. Alle Fragen wurden anonym gestellt (nur aktuelles Studiensemester sichtbar) und direkt auf der Website veröffentlicht, um Mehrfacheingaben zu vermeiden. Die Studierenden stellten zwischen 10 - 20 Fragen pro Duell, die verschiedene Bereiche der Weiterbildung betrafen, unter anderem Faktoren für eine erfolgreiche Bewerbung, Berufschancen, Work-Life Balance, Verdienstmöglichkeiten, Arbeitsbedingungen, Gender-Fragen, Weiterbildungsstruktur, Gründe und Eignung für die jeweilige Laufbahn und Patiententypen. Der Fragenkatalog wurde dem Moderator und den Duellanten jeweils vor einem Duell als schriftliche Zusammenfassung zur Verfügung gestellt.

Charakteristika der teilnehmenden Studierenden und der einzelnen Duelle

An den vier Duellen nahmen jeweils zwischen 300 und 450 Studierende teil. Bei den einzelnen Duellen wurde ein durchschnittlicher Evaluationsrücklauf von 24% – 37% erreicht (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Die Duelle 2 und 4 hatten die meisten Teilnehmer. Durchschnittlich war das Geschlechterverhältnis 1:2 (männlich: weiblich). Bei Duell 4 lag das Verhältnis bei 1:1, bei Duell 2 annähernd bei 1:3 und bei Duell 3 annähernd bei 1:4 (p<0,001, Chi2=20,79).

Bei allen Duellen waren überwiegend Studierende aus dem vorklinischen Studienabschnitt anwesend, außer in Duell 3, mit Studierenden überwiegend aus dem klinischen Studienabschnitt. Der Altersdurchschnitt der Teilnehmer lag bei 22,8 (SD=3,9) Jahren (erhoben bei den Duellen 3 und 4).

Schriftliche Evaluation der FacharztDuelle

Die quantitativen Ergebnisse der schriftlichen Evaluation sind in Tabelle 3 [Tab. 3] zusammengefasst.

Die Anzahl der vollständig ausgefüllten schriftlichen Evaluationen lag zwischen 75 und 133 pro Veranstaltung. Die Duelle wurden mit einer Durchschnittsnote von 1,7 (SD=,7) bewertet. Duell 3 (Allgemeinmedizin und Innere Medizin) erzielte mit 1,6 (SD=,6) die beste Note. Das Format der moderierten Diskussion wurde als geeignet empfunden um Informationen zur Facharztwahl zu erhalten (durchschnittliche Zustimmung 1,48 (SD=,64, 1=stimme sehr zu, 6=stimme gar nicht zu)). Durchschnittlich 77,8% der Teilnehmer stimmten der Aussage zu, dass das FacharztDuell eine Entscheidungshilfe für die zukünftige Facharztwahl darstellt.

In den Freitextkommentaren wurden verschiedene Einzelaspekte der Veranstaltungen hervorgehoben. Besonders gelobt wurden das interaktive Format, die Möglichkeit direkt Fragen stellen zu können sowie die investigative und aufklärende Moderation. Informationen „aus erster Hand zu erfahren“, „ehrliche Antworten“ durch die Assistenzärzte zu erhalten, die ARS - Fragen und konkrete Informationen zu kleineren Fachrichtungen zu bekommen wurden ebenfalls als positiv bewertet.

Als Verbesserungswünsche für zukünftige FacharztDuelle wurden unter anderem mehr niedergelassene Ärzte und vor allem Fachärzte als Diskussionspartner gewünscht. Mehr beispielhafte Fallvorstellungen für die einzelnen Fachbereiche und eine präzisere Beschreibung eines typischen Arbeitstages in den jeweiligen Fachrichtungen wurden ebenfalls genannt.

Facharztpräferenz der Studierenden vor und nach dem Duell

Bei jedem Duell gaben die Studierenden an, in welcher der sich duellierenden Facharztrichtungen sie sich am ehesten sehen. Die Verteilung der Präferenzen wurde für alle Fachrichtungen in Prozent der Abstimmenden angegeben und die Differenz zwischen den Zeitpunkten t1 (vor Diskussion) und t2 (nach Diskussion) berechnet. Bei jeder Befragung wurden ebenfalls die Optionen „keine der genannten Fachbereiche“ und Unentschlossenheit ausgewertet (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Die stärksten positiven Veränderungen (t2–t1) wurden für die Optionen „keine der vorgestellten Fachrichtungen“ (Duell 2, +12%), Allgemeinmedizin (Duell 2, +11%) und Neurologie (Duell 1, +6%) berechnet. Die stärksten negativen Veränderungen ergaben sich für die Optionen „keine der vorgestellten Fachrichtungen“ (Duell 3, -10%), Innere Medizin (Duell 2, -7%) und die Option „unentschlossen“ (Duelle 1,2 und 4, jeweils -6%).

Durchschnittlich wählten 17,25% (SD=1,5) vor dem Duell die Option unentschlossen und 12,5% (SD=3,3) nach dem Duell mit einem entsprechenden Delta von – 4,8%. Die Option „keine der vorgestellten Fachrichtungen“ wurde vor und nach der Diskussion von durchschnittlich 10,5% (SD=4,43) gewählt.


Diskussion

Zusammenfassung

In der hier vorliegenden Studie wurde das FacharztDuell als innovatives Format für Karriereberatung bei Medizinstudierenden untersucht. Die Fragestellung beinhaltet die Akzeptanz dieses Angebots unter Studierenden, die Bewertung der Veranstaltung sowie die Präferenzänderungen der Medizinstudierenden unmittelbar vor und nach dem FacharztDuell.

Die Teilfragen wurden mit einem Mixed-Method-Ansatz (qualitative und quantitative Evaluation) sowie einem Prä-Post-Vergleich der Facharztpräfenzen und des Entscheidungszustandes der Medizinstudierenden untersucht, um ein breites Bild des Veranstaltungsformates vorlegen zu können.

Die Ergebnisse zeigen, dass das FacharztDuell gut angenommen wurde und mit akuten Präferenzänderungen in Bezug auf die Facharztwahl assoziiert ist. Eine Einschätzung der Nachhaltigkeit dieses Formats ist damit nicht möglich. Deshalb sind longitudinale Untersuchungen notwendig, um die komplexe Entscheidungsfindung für eine Facharztrichtung abzubilden.

Akzeptanz des FacharztDuells

Es konnte gezeigt werden, dass das freiwillige Angebot FacharztDuell eine stabil hohe Akzeptanz über die Pilotphase hinaus bei Medizinstudierenden erreicht und durchschnittlich sehr gut bewertet wird. Die Kombination von Online-Plattform und interaktiver Moderation wird in Bezug auf aktive Studierendenteilnahme positiv bewertet. Die deutliche Mehrheit der Medizinstudierenden bewertet das FacharztDuell als Entscheidungshilfe für die spätere Facharztwahl.

Den Autoren sind keine Untersuchungen zu großformatigen Beratungsinterventionen bekannt. Es hat sich gezeigt, dass Studierende schon zu einem frühen Zeitpunkt ihres Studiums mit ihrer beruflichen Karriereplanung beginnen und sich schon vor Beginn des klinischen Studienabschnitts mit der Wahl der späteren Spezialisierung beschäftigen [17]. Diese Annahme spiegelt sich im Besucherverhältnis des FacharztDuells wider: Zwei Drittel aller erfassten Besucher befanden sich im vorklinischen Studienabschnitt.

Die Feminisierung der Medizin [18] lässt sich ebenfalls von den Teilnehmercharakteristika der FacharztDuelle ableiten. Besonders fällt dabei das überproportionale Interesse männlicher Medizinstudierender an Alternativen zur Klinik sowie das überproportionale Interesse weiblicher Studierender an der Kombination Pädiatrie, Gynäkologie und Kinderchirurgie auf. Aus dieser Beobachtung ließen sich weitere Forschungsfragen zum Einfluss des Hidden Curriculum auf geschlechtsspezifische Karrierepräferenzen von Medizinstudierenden entwickeln.

Rolle des FacharztDuells für die Entscheidungsfindung

Der Entscheidungsprozess für eine Facharztrichtung hängt von vielen Faktoren ab [19]. Ob ein Angebot wie das FacharztDuell die letztendliche Entscheidung beeinflusst, ist aus den erhobenen Daten nicht beurteilbar. Trotzdem lassen sich, basierend auf zumindest teilweise starken und signifikanten Präferenzschwankungen vor und nach dem Duell-Besuch, Irrtümer klären, Informationen sammeln und mögliche Alternativen in den frühen Phasen der Entscheidungsfindung effizient und effektiv aufzeigen. 77,8% der Studierenden bestätigten in der durchgeführten Evaluation, dass das FacharztDuell für sie eine Entscheidungshilfe bei der Facharztauswahl darstellt.

In Hinblick auf die Schwierigkeiten medizinischen Nachwuchs für die Allgemeinmedizin zu gewinnen [20], [21], zeigt diese Untersuchung, dass großformatige und interaktive Angebote wie das FacharztDuell geeignet sind, um etwaige Vorurteile und Missverständnisse oder verzerrte Wahrnehmungen unter Medizinstudierenden vor allem in Bezug auf Fachrichtungen wie der Allgemeinmedizin zu korrigieren. Die Relevanz ergibt sich aus der Beobachtung, dass Studierende schon früh ihre Wahl für die Pflichtpraktika festlegen [17].

Die positiven Präferenzänderungen konnten dabei nicht nur im Rahmen der Allgemeinmedizin gezeigt werden, sondern beispielsweise auch für die Weiterbildung im Fach Neurologie. Nachwuchsgruppierungen medizinisch-wissenschaftlicher Fachgesellschaften, wie die „Jungen Neurologen“ [22] könnten dieses Format daher auch auf nationalen Kongressen oder Summer Schools einführen.

Stärken und Schwächen der Studie

Es konnten insgesamt 424 Einzelevaluationen ausgewertet werden. Die Teilnehmerzahl pro Veranstaltung lag regelmäßig zwischen 300 und 450 und dokumentiert das hohe Interesse der Studierenden an einem solchen Angebot. Sowohl die Ausgabe der schriftlichen Evaluationen, als auch der ARS Geräte erfolgte in jeder Veranstaltung randomisiert um den Selektionsbias möglichst gering zu halten. Weiterhin konnte durch die Kombination qualitativer und quantitativer Auswertungsmethoden eine diversifizierte Bewertung des innovativen Veranstaltungsformates dargestellt werden.

Zu den Limitationen der Studie zählt ein möglicher Selektionsbias von Studierenden aufgrund der selbst gewählten Teilnahme und der nicht erfasste Faktor „Duellantenpersönlichkeit“ mit möglichem Einfluss auf die angegebenen Fachrichtungspräferenzen. Schließlich ist die angegebene Präferenz für eine Facharztrichtung, wie in dieser Studie untersucht, nur eine subjektive Momentaufnahme der letztendlichen Entscheidung.

Empfehlungen für weiterführende Studien

Die vorliegende Studie gibt erste Hinweise auf die Akzeptanz, Effektkorrelationen und Einsatzmöglichkeiten von moderierten Podiumsdiskussionen als Beratungsangebot für Medizinstudierende in Bezug auf deren Weiterbildungsentscheidung.

Folgeuntersuchungen sollten den komplexen Entscheidungsprozess der Facharztwahl zu mehreren Zeitpunkten in der medizinischen Aus- und Weiterbildung longitudinal erheben. Qualitative Studien, die Sinngebungs- und Sinnsetzungsstrukturen von Nachwuchsmedizinern in der Tiefe beleuchten, wären besonders geeignet um Rückschlüsse auf diese Entscheidungsprozesse zu ziehen und quantitative Erhebungen darauf basierend zu entwerfen.

Implikationen für die Praxis

Die positiven Bewertungen des FacharztDuells durch die Studierenden und die internationalen Vergleichsprojekte bestärken die Annahme, dass Karriereberatungsveranstaltungen eine wichtige Hilfestellung für Studierende in ihrer Facharztwahl sind. In einer Untersuchung von Bittaye et al. [23] gaben alle der 202 befragten Studierenden an, dass sie eine Karriereberatungsstelle innerhalb der Universität für nötig halten. Ebenso betonen Mellmann et al. [24] die Aufgabe einer Medizinischen Fakultät Medizinstudierende bei ihrem Weg von der Aus- in die Weiterbildung zu unterstützen.

Verschiedene Untersuchungen [5], [14] bestätigen die Annahme, dass Studierende sich auf dem Wege der Entscheidungsfindung zu einer Facharztrichtung an einem Vorbild orientieren. Diese Vorbilder treffen Studierende oft zu einem frühen Zeitpunkt in ihrer Ausbildung – deutlich vor der Wahl der Fachrichtung. Mentoren spielen dabei auch eine Rolle für die Priorisierung möglicher Fachrichtungen und der Wahl wegweisender Praktika.

Neben den direkten Informations- und Beratungselementen bietet das FacharztDuell auch die Möglichkeit, einen geeigneten Mentor oder Mentorin über den persönlichen Austausch mit den Fachrichtungsvertretern zu finden. Falls vorhanden, sollte das FacharztDuell daher in existierende Mentoringprogramme eingebunden werden.

An der Ludwig-Maximilians-Universität München hat sich das FacharztDuell als Angebot der Karriereberatung der Medizinischen Fakultät bewährt. Dabei hat das innovative Format und die innovative Bewerbungsstrategie eine große Rolle gespielt. Das FacharztDuell trifft auf hohe Akzeptanz und subjektive Relevanz auf Seiten der Teilnehmer. Es konnte gezeigt werden, dass die moderierte Diskussionsrunde einen Einfluss auf die kurzfristige Präferenzabschätzung der Teilnehmer hat. Eine Übertragung dieses Beratungsangebots an weitere Fakultäten erscheint sinnvoll und machbar.


Danksagung

Die Autoren sind Herrn Roland Mayer für die Durchführung und Unterstützung mit den ARS Fragen und dem TED-System in allen FacharztDuellen sehr dankbar.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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