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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

"Alkohol und Nikotin" − Konzept und Evaluation eines interdisziplinären Wahlfachs mit OSPE im Studienabschnitt Medizin 1

Projekt Humanmedizin

  • author Corinna Bergelt - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg, Deutschland
  • author Heidrun Lauke - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Anatomie und experimentelle Morphologie, Hamburg, Deutschland
  • author Corinna Petersen-Ewert - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg, Deutschland; Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Department Pflege und Management, Hamburg, Deutschland
  • author Manfred Jücker - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Biochemie und Signaltransduktion, Hamburg, Deutschland
  • corresponding author Christiane K. Bauer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Zelluläre und Integrative Physiologie, Hamburg, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2014;31(1):Doc9

doi: 10.3205/zma000901, urn:nbn:de:0183-zma0009016

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2014-31/zma000901.shtml

Eingereicht: 14. Juni 2013
Überarbeitet: 20. November 2013
Angenommen: 6. Januar 2014
Veröffentlicht: 17. Februar 2014

© 2014 Bergelt et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

In der medizinischen Ausbildung wird in den letzten Jahren bei Lehrveranstaltungen zunehmend Wert auf Interdisziplinarität und praktische Bezüge gelegt. In dieser Arbeit werden Implementierung, Prüfungsergebnisse und Evaluation eines vorklinischen interdisziplinären Wahlfachs mit Teamteaching-Konzept vorgestellt, das von FachvertreterInnen der Medizinischen Psychologie, Anatomie, Physiologie und Biochemie entwickelt und realisiert wurde. Wegen der besonderen Berücksichtigung praktischer Unterrichtsanteile erfolgte die fachübergreifende Notenfindung anhand einer abschließenden gemeinsamen OSPE-Prüfung. Die fachspezifische Auswertung der OSPE-Resultate spiegelt die unterschiedlichen Kompetenzfelder der Lehr- und Prüfungsinhalte der Medizinischen Psychologie im Vergleich zu den medizinischen Grundlagenfächern Anatomie, Physiologie und Biochemie wider. Die positiven Ergebnisse der studentischen Evaluation dieses Wahlfachs mit OSPE und die Erfahrungen der Lehrenden zeigen eine erfolgreiche Umsetzung des entwickelten interdisziplinären Konzepts, das auch als Modell für die Entwicklung anderer Lehrveranstaltungen mit interdisziplinärem Charakter dienen kann.

Schlüsselwörter: Medizinische Ausbildung, Wahlfach, OSPE, interdisziplinär, Teamteaching


Einleitung

Die aktuelle Ausbildungsordnung (ÄAppO von 2002) verlangt eine Verknüpfung von Wissen sowohl horizontal zwischen den einzelnen Fächern des ersten Studienabschnittes als auch vertikal mit Bezügen zur klinischen Lehre. Vor diesem Hintergrund entwickelten Fachvertreter der vier Lehrgebiete Medizinische Psychologie, Anatomie, Physiologie und Biochemie ein Teamteaching-Konzept [1] für die Gestaltung eines interdisziplinären Wahlfachs in Medizin 1. Nach der ÄAppO von 2002 und auch speziell in Hamburg besteht für das Wahlfach in Medizin 1 ein weiter Angebotsspielraum [2]. Die minimalen Anforderungen zur Anerkennung einer Lehrveranstaltung der Universität Hamburg als vorklinisches Wahlpflichtfach waren ein Umfang von mindestens 2 SWS, ein medizinischer Kontext und eine definierte Leistungskontrolle. Der durch die aktuelle ÄAppO eingeräumte konzeptionelle Spielraum für Wahlpflichtfächer wurde in den letzten Jahren in Deutschland u.a. zur Implementierung verschiedener interdisziplinärer Lehrveranstaltungen als vorklinisches (z.B. [3]) oder auch klinisches Wahlfach (z.B. [4], [5]) genutzt. In der aktuellen Literatur finden sich jedoch keine Berichte über vergleichbare interdisziplinäre Lehrkonzepte mit Beteiligung aller physikumsrelevanten Fächer.

Conceptual framework

Zielsetzung bei der Konzeptionierung des interdisziplinären Wahlfachs war eine horizontale Vernetzung der vorklinischen Fächer sowohl im Hinblick auf die Lehrinhalte als auch in Bezug auf ein gemeinsames Prüfungsformat. Die Studierenden sollten in den einzelnen Veranstaltungen die individuelle Herangehensweise der einzelnen Fächer ebenso wie deren Berührungspunkte in Bezug auf ein gemeinsames Thema kennen lernen. Ziel war nicht die Vermittlung von Detailwissen, sondern die Studierenden für eine komplexe Betrachtung eines Themas zu sensibilisieren und zu begeistern.

Jedes Fach legte besonderes Gewicht auf die praktischen Implikationen der Lehrinhalte. Dabei sollten die Studierenden als Untersuchende die Rolle des Arztes oder der Ärztin sowie als ProbandInnen die PatientInnen-Rolle einnehmen. Das Einüben der praktischen Fertigkeiten diente gleichzeitig als Vorbereitung auf die abschließende Prüfung. Für das Wahlfach wurden für die Vorklinik innovative Lehr- und Prüfungsformen gewählt. So wurden SimulationspatientInnen eingesetzt und als Bewertungsverfahren eine interdisziplinäre OSPE-Prüfung (objective structured practical (preclinical) examination [6]) durchgeführt, durch welche die Studierenden die Gelegenheit hatten, den Ablauf der in Hamburg im zweiten Studienabschnitt mehrfach eingesetzten OSCE (objective structured clinical examination)-Prüfungen kennen zu lernen.

Bisher wurden an medizinischen Fakultäten in Deutschland im vorklinischen Abschnitt objektiv strukturierte praktische Prüfungen (OSPE) nur extrem selten eingesetzt [7]. Allerdings sind auch die entsprechenden objektiv strukturierten klinischen Prüfungen (OSCE) im zweiten Studienabschnitt noch längst nicht an allen Fakultäten etabliert [7]. International finden sich einige wenige Berichte über den Einsatz von OSPE-Prüfungen im vorklinischen Studienabschnitt für die Fächer Anatomie (z.B. [8], [9], [10]), Physiologie (z.B. [11], [12], [13]) oder Biochemie [14]. In diesen Veröffentlichungen werden OSPEs vorwiegend positiv als eine praktikable und für den entsprechenden Einsatz geeignete zusätzliche Prüfungsform beschrieben. Bei den genannten Beispielen handelt es sich allerdings nicht um interdisziplinäre OSPEs.

Umsetzung des Wahlfachkonzeptes

Fächerübergreifende Aspekte

Als gemeinsames Thema des Wahlfachs wurde „Alkohol und Nikotin“ gewählt, da es von hoher allgemeiner und klinischer Relevanz ist und alle beteiligten Fächer wichtige Lehrinhalte damit verknüpfen können. Gemäß des Konzeptes einer horizontalen Vernetzung von Lehrinhalten wurde das Wahlfach neben den Veranstaltungen der einzelnen Fächer maßgeblich durch die Auftakt- und Abschlussveranstaltungen geprägt, die von allen DozentInnen gemeinsam durchgeführt wurden (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Die Inhalte der Veranstaltungen vor den einzelnen Fachterminen sollten die Studierenden auch anregen, sich mit dem Thema persönlich und außerhalb der Lehrveranstaltungen auseinander zu setzen. Die abschließende gemeinsame summative OSPE-Prüfung basierte nur auf den fächerspezifischen Lehrinhalten und bestimmte die Wahlfachnote mit gleicher Gewichtung der beteiligten Fächer. Die regelmäßig durchgeführten Inhalte der gemeinsamen Wahlfachveranstaltungen sind in Tabelle 1 [Tab. 1] zusammenfassend dargestellt. Die Evaluation des Kurses durch die Studierenden fand nach der OSPE-Auswertung, aber vor der Notenbekanntgabe statt.

Die horizontale Vernetzung in diesem Wahlfach setzte regelmäßige Besprechungen der beteiligten DozentInnen vor Kursbeginn und nach den gemeinsamen Auftaktveranstaltungen voraus. So wurde beispielsweise gemeinsam versucht, auf Ergebnisse der Erwartungsabfrage mittels aktueller Änderungen von Seminarthemen einzugehen. Die interdisziplinäre Abstimmung beinhaltete auch, dass alle DozentInnen die Lehrinhalte der jeweils anderen Fächer kannten und Bezug und Einfluss darauf nehmen konnten. Eine vertikale Vernetzung wurde in jedem der beteiligten Fächer durch Bezugnahme auf klinische Inhalte realisiert.

Fächerspezifische Aspekte

Die Inhalte der einzelnen Fächer wurden so gewählt, dass einerseits der Beitrag des jeweiligen Faches zum gemeinsamen Thema deutlich werden konnte und andererseits die besondere Sichtweise der Fächer berücksichtigt wurde. Die Inhalte der Medizinischen Psychologie fokussierten auf psychosoziale Aspekte von Suchterkrankungen und die Interaktion mit PatientInnen. Das Fach Anatomie betrachtete die makro- und mikroskopische Struktur der gesunden und geschädigten Organe Lunge und Leber. In der Physiologie standen akute Auswirkungen von Rauchen und Trinken ebenso wie die funktionelle Analyse von Langzeitschäden der Lunge und Leber im Vordergrund. In der Biochemie wurde die Fehlregulation von Signaltransduktionsprozessen in Lungenkrebszellen analysiert. Ein Überblick über die Zuordnung der Fächerinhalte zu den Themen „Alkohol“ und „Nikotin“ ist in Abbildung 2 [Abb. 2] dargestellt.

Inhalte und Methodik der fachbezogenen Veranstaltungen führt Tabelle 2 [Tab. 2] auf.

Zielsetzung dieses Beitrags ist neben der Darstellung des Konzeptes und der Umsetzung einer interdisziplinären Lehrveranstaltung auch deren Evaluation. Darüber hinaus werden die über sechs Jahre erhobenen Ergebnisse der interdisziplinären OSPE-Prüfung explorativ hinsichtlich möglicher Unterschiede zwischen den einzelnen Fächern analysiert.


Methodik

Evaluation durch die Studierenden

Entsprechend der zentralen Evaluation von Veranstaltungen der Pflichtlehre durch das Dekanat der medizinischen Fakultät wurde eine 6-stufige Likert-Skala verwendet (von „1=nicht zutreffend“ bis „6=sehr zutreffend“). Die summative Auswertung der Evaluationsbögen erfolgte durch MitarbeiterInnen des Dekanats. Als statistische Daten sind Mittelwert (M) und Standardabweichung (SD) angegeben. Durch speziell für das Wahlfach angepasste Items zu Interdisziplinarität und OSPE ebenso wie durch offene Fragen hatte die Evaluation des Kurses auch einen formativen Charakter. Die Freitextkommentare der Studierenden wurden bei der nächsten Durchführung des Wahlfachs nach Möglichkeit berücksichtigt, beispielsweise durch die frühzeitigere Bereitstellung der Vorbereitungsmaterialien. Alle verwendeten Items sind in Anlage 1 [Anh. 1] tabellarisch aufgelistet.

OSPE

Die OSPE-Prüfung wurde als summative Prüfung mit kompensatorischer Form eingesetzt [15]. Der Parcours bestand aus sechs Stationen à 5 Minuten (2 pro Fach, siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) sowie einer Biochemie-Station à 10 Minuten, die zweimal aufgebaut war. Die Stationen waren mit je einem Prüfer/einer Prüferin besetzt, der/die von den vier FachdozentInnen sowie KollegInnen aus den jeweiligen Fächern gestellt wurde. An jeder Station konnten maximal 25 Punkte erreicht werden, wobei die Leistungsbewertung anhand von standardisierten Checklisten erfolgte. Die an der Biochemie-Station erzielten Punkte wurden zur Berechnung des Gesamtergebnisses verdoppelt, sodass die Leistung in jedem der vier Fächer mit maximal 50 Punkten gleichwertig zu dem Gesamtergebnis beitrug. Die Aufgaben der einzelnen OSPE-Stationen und die Checklisten blieben über die Jahre im Wesentlichen unverändert. Eine schematische Auflistung der an den einzelnen Stationen abgeprüften Kompetenzen ist in Tabelle 3 [Tab. 3] dargestellt.

Eine Korrelationsanalyse der individuell in den vier Fächern erzielten Punktzahlen erfolgte nach Pearson mit Angabe des Korrelationskoeffizienten r und der Irrtumswahrscheinlichkeit p.

Auf Unterschiede zwischen den vier Fächern bezüglich der über die sechs Jahre erzielten mittleren Punktzahlen wurde mit dem zweiseitigen ungepaarten t-Test geprüft. Das Signifikanzniveau α wurde auf 5% festgelegt.


Ergebnisse

Das interdisziplinäre Wahlfach wurde einmal im Jahr als Blockveranstaltung in der vorlesungsfreien Zeit im Sommer für maximal 20 Studierende angeboten. Im Zeitraum von 2006 bis 2011 nahmen insgesamt 103 Studierende an Wahlfach und OSPE teil, davon 67% weibliche Studierende. Terminbedingt waren fast alle TeilnehmerInnen im 2. Fachsemester (96 von 103), was einen einheitlichen Kenntnisstand der Studierenden in Bezug auf das Vorwissen in den beteiligten Fächern gewährleistete.

Evaluation durch die Studierenden

Die mittlere Gesamtzufriedenheit der Studierenden mit dem Wahlfach lag mit Werten zwischen 5,1 und 5,3 (M=5,21; über 6 Jahre gemittelte Mittelwerte mit SD=0,10) durchgängig bei guten bis sehr guten Werten. Die vollständigen Evaluationsergebnisse finden sich tabellarisch nach Jahren aufgelistet in Anlage 2 [Anh. 2]. Positiv beurteilt wurde insbesondere der interdisziplinäre Charakter des Wahlfachs. Dabei bewerteten die Studierenden die Idee ein interdisziplinäres Wahlfach anzubieten mit M=5,84 (SD=0,10). Die Realisation dieser Idee, also die tatsächliche Abstimmung der Fächer untereinander, wurde mit M=4,95 (SD=0,25) immer noch gut beurteilt. Die Prüfungsform OSPE fand bei den Studierenden eine hohe Akzeptanz. Die „Allgemeinzufriedenheit OSPE“ betrug M=4,98 (SD=0,27) und das Item „eine OSPE-Prüfung halte ich für besser geeignet, den Lernerfolg in diesem Wahlfach zu überprüfen, als eine Klausur“ wurde mit M=5,11 (SD=0,37) beurteilt.

OSPE-Resultate

Die erzielte Wahlfachnote spiegelte ausschließlich das Ergebnis der OSPE-Prüfung wider. Die Verteilung der individuell erreichten Noten reichte von sehr gut (1) bis ausreichend (4), die mittleren Noten lagen zwischen 1,3 und 2,2 (M=1,61; SD=0,30).

Korrelationen der fachspezifischen OSPE-Ergebnisse der einzelnen Studierenden aller 6 Teilnehmergruppen sind in Abbildung 3 dargestellt. Die individuellen Ergebnisse der Studierenden sind jeweils für die Fächer Anatomie, Physiologie und Biochemie hoch signifikant und ähnlich stark (mit einem r um 0,46) miteinander korreliert. Die an den Stationen der Medizinischen Psychologie erzielten OSPE-Punkte korrelieren jedoch nicht mit den Ergebnissen der drei anderen Fächer (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]).

Wegen fehlender Eindimensionalität der an den verschiedenen Stationen abgeprüften Kompetenzen war es nicht sinnvoll, Cronbachs alpha als Maß für die Reliabilität des OSPEs zu bestimmen [16].

Abbildung 4 [Abb. 4] gibt für die verschiedenen Jahre die im Mittel erreichten OSPE-Punkte an sowie eine Aufschlüsselung nach den vier beteiligten Fächern. Die mittleren OSPE-Ergebnisse variierten für die Fächer Biochemie (Mittelwerte±SD über 6 Jahre: 39,65±4,86) und Physiologie (42,73±4,62) stärker als die Ergebnisse für Anatomie (43,90±1,91) und Medizinische Psychologie (43,71±2,62). Insgesamt gab es über die 6 Jahre hinweg gesehen keine signifikanten Unterschiede zwischen den in den einzelnen Fächern erzielten mittleren Punktzahlen (Werte für p liegen zwischen p=0,07 für Anatomie versus Biochemie und p=0,89 für Anatomie versus Psychologie).


Diskussion

Das vorgestellte Konzept mit seiner Mischung von Teamteaching (inklusive interdisziplinärer OSPE-Prüfung) und fachbezogenen Veranstaltungen mit nur je einer Lehrkraft stellt einen praktikablen Kompromiss zwischen erhöhtem personellen und organisatorischen Aufwand und Mehrwert für Lehrende und Studierende dar. Die Evaluationsergebnisse belegen eine insgesamt sehr positive Einschätzung des Wahlfachkonzeptes durch die Studierenden. Allerdings ist aus der Literatur bekannt, dass Wahlfächer von Studierenden generell besser bewertet werden als Pflichtveranstaltungen [17], [18]. Im Hinblick auf die Generalisierbarkeit der hier vorgestellten Ergebnisse ist auch zu beachten, dass aufgrund des Wahlfachcharakters der Lehrveranstaltung eine Selbstselektion der teilnehmenden Studierenden stattfand und keine Aussagen dazu getroffen werden können, wie der gesamte Studierendenjahrgang die Veranstaltung absolviert und bewertet hätte. Vor dem Hintergrund der sehr positiven Bewertungen der Inhalte, der Umsetzung und der Prüfungsform sowie der guten Prüfungsergebnisse kann das hier vorgestellte Wahlfach dennoch als ein gelungenes Modell gelebter Interdisziplinarität im ersten medizinischen Studienabschnitt angesehen werden.

Bei den Studierenden war die Motivation zum eigenständigen Lernen hoch, und die Prüfungsleistungen weisen auf einen hohen Lernerfolg der Studierenden hin. Die Analysen zum individuellen Abschneiden der Studierenden in den OSPE-Stationen der verschiedenen Fächer zeigen interessante Ergebnisse: Obwohl in den Stationen der vier Fächer ganz unterschiedliche Inhalte und praktische Fertigkeiten geprüft wurden, finden sich signifikante Korrelationen zwischen den individuellen Prüfungsergebnissen der Studierenden in den Fächer Anatomie, Physiologie und Biochemie. Für keines dieser Fächer findet sich jedoch eine signifikante Korrelation mit den Ergebnissen in den Stationen der medizinischen Psychologie. Dies kann als klarer Hinweis darauf gewertet werden, dass die dort geprüften kommunikativen Fertigkeiten eine eigene, von anderen praktischen Fertigkeiten unabhängige Dimension darstellen. Die Implementierung von psychosozialen und kommunikativen Kompetenzen findet in den Curricula neuer Modellstudiengänge starke Beachtung [19], [20], [21]. Dabei wird zuweilen angeregt, eine Prüfung kommunikativer Kompetenzen mit der Prüfung klinischer Kompetenzen zu verbinden, indem kommunikative Anteile in OSCE-Stationen klinischer Fächer mitgeprüft werden [19]. Die hier berichteten Ergebnisse, insbesondere die fehlende Korrelation zwischen den Prüfungsergebnissen in den medizinpsychologischen und den anatomischen Prüfungsstationen, die ebenfalls mit Simulationspatienten durchgeführt wurden und einen kleinen Anteil kommunikativer Kompetenzen in die Bewertung einbezogen, legen jedoch nahe, dass eine adäquate Prüfung der kommunikativen Kompetenzen mit diesem Verfahren nicht möglich ist. Kommunikative Anteile können nicht in der nötigen Tiefe abgeprüft werden, wenn sie einerseits eine eigene Fähigkeitsdimension darstellen, aber andererseits nur mittels geringer Punktanteile in OSCE-Stationen abgeprüft werden, in denen andere klinische Fertigkeiten im Mittelpunkt stehen. Bei einer stärkeren Ausrichtung des Medizinstudiums auf klinische ebenso wie auf psychosoziale und kommunikative Fertigkeiten sollte dies bei der Entwicklung und Konzeptionierung entsprechender OSCE-Prüfungen berücksichtigt werden, indem klinische und kommunikative Kompetenzen auch in getrennten Stationen geprüft werden.

Eine Begrenzung der hier dargestellten Auswertungen ist die fehlende Überprüfung der Interrater-Reliabilität in Bezug auf die Bewertungen der OSPE-Stationen, die zwar methodisch wünschenswert ist, aufgrund begrenzter Ressourcen jedoch nicht durchgeführt werden konnte. Weiterhin ist anzumerken, dass für die Durchführung eines OSPEs normalerweise eine größere Anzahl an Prüfungsstationen empfohlen wird [15]. Aufgrund des vergleichsweise geringen Lehrumfangs des Wahlfachs waren mehr Stationen pro Fach jedoch nicht realisierbar.

Insgesamt betrachtet war die Verwendung des Prüfungsformats OSPE in mehrfacher Hinsicht vorteilhaft: zum einen erhielten die praktischen Unterrichtsanteile durch ihre Prüfungsrelevanz eine klare Aufwertung („assessment drives learning“; [22], [23], [24]), zum anderen war diese Prüfungsform geeignet zur fächerübergreifenden Notenfindung mit adäquater Berücksichtigung der einzelnen Fächer durch gleich gewichtete Prüfungsanteile [25]. Eine Fehlbeurteilung durch die mit dem Teamteaching verbundene kurze „Kontaktzeit“ der einzelnen DozentInnen mit den Studierenden wurde damit vermieden [1]. Interessanterweise gab es hinsichtlich der Prüfung auch keine eindeutig „leichten“ oder „schweren“ Fächer, da sich die durchschnittlich erreichten Punktzahlen der Studierenden in den Stationen der einzelnen Fächer nicht signifikant unterschieden. Prospektiv können die Studierenden von diesem Wahlfach nicht nur durch ihre Erfahrungen mit der neuen Prüfungsform OSPE, sondern auch durch das Erlernen einer interdisziplinären Betrachtungsweise einer Thematik profitieren.

Das hier vorgestellte Lehrveranstaltungskonzept für ein Wahlfach im Studienabschnitt M1 lässt sich auch mit einem anderen Thema oder anderen Fächerkombinationen umsetzen. Auch vor dem Hintergrund der Einführung neuer Modellstudiengänge in der Medizin, in denen eine immer stärkere horizontale und vertikale Vernetzung von theoretischen und klinischen Studieninhalten angestrebt wird, kann und soll diese Arbeit als Anregung und Vorlage für die Entwicklung und Durchführung interdisziplinärer Lehrveranstaltungen dienen.


Danksagung

Die Realisierung unseres Wahlfachkonzepts mit Teamteaching und OSPE wurde durch zusätzliche Mittel im Rahmen einer Projektförderung als innovatives Lehrprojekt im „Förderfonds Lehre“ der Medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf ermöglicht. Wir danken der Abteilung Qualitätssicherung im Prodekanat für Lehre und besonders Frau Dr. Katja Weidtmann für die Auswertung der Evaluationsbögen.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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