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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Das Hamburger Auswahlverfahren in der Zahnmedizin – Einführung des HAM-Nat als fachspezifischer Studierfähigkeitstest

Forschungsarbeit Zahnmedizin

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  • author Christian Kothe - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Experimentelle Medizin, Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie, AG Auswahlverfahren, Hamburg, Deutschland
  • author Johanna Hissbach - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Experimentelle Medizin, Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie, AG Auswahlverfahren, Hamburg, Deutschland
  • corresponding author Wolfgang Hampe - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Experimentelle Medizin, Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie, AG Auswahlverfahren, Hamburg, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2013;30(4):Doc46

doi: 10.3205/zma000889, urn:nbn:de:0183-zma0008894

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2013-30/zma000889.shtml

Eingereicht: 27. Februar 2013
Überarbeitet: 21. Juni 2013
Angenommen: 15. August 2013
Veröffentlicht: 15. November 2013

© 2013 Kothe et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Einleitung: In der vorliegenden Untersuchung wird der Frage nachgegangen, ob die Auswahl der Studierenden in der Zahnmedizin alleine durch die Abiturdurchschnittsnote erfolgen sollte oder ob sie durch den Einsatz eines fachspezifischen Studierfähigkeitstest verbessert werden kann.

Methoden: Der Naturwissenschaftstest HAM-Nat wurde in den Jahren 2006 und 2007 in der Erstsemesterwoche an den Studienanfängerinnen und -anfängern* erprobt sowie 2009 und 2010 im Auswahlverfahren eingesetzt. Die Stichprobengrößen der Regressionsmodelle variieren in allen Jahrgängen zwischen 32 und 55 Teilnehmern.

Ergebnisse: Der HAM-Nat erklärte zusätzlich zur Abiturdurchschnittsnote bis zu 12 % der Leistungsvarianz in den vorklinischen Prüfungsleistungen. Die in anderen Studien gefundene prognostische Güte der Abiturdurchschnittsnote konnte für einige, aber nicht für alle Einzelprüfungen bestätigt werden.

Schlussfolgerung: Der HAM-Nat erwies sich als zuverlässiges Auswahlinstrument in der Zahnmedizin. Durch den Einsatz des HAM-Nat wird die Vorhersage des vorklinischen, akademischen Studienerfolgs in der Zahnmedizin deutlich verbessert.

Schlüsselwörter: Studienbewerberauswahl Zahnmedizin, Prädiktion Studienerfolg, Studierfähigkeitstest


Einleitung

Woher weiß ich eigentlich, ob ich für ein Studium geeignet bin? Diese Frage geht nicht nur für Bewerber oftmals mit der Entscheidung für ein Studium einher, sondern stellt sich im Kehrschluss auch für Fakultäten, um Studienabbrüche zu vermeiden. Eine Antwort auf diese Frage nach der Eignung für ein Studium findet sich in der Definition der Studierfähigkeit von Heldmann, die „nicht allein bestimmte geistige Ausprägungen und fachliche wie auch instrumentelle Voraussetzungen mit einschließt, sondern dass zur Studierfähigkeit auch das gehört, was man gemeinhin als Herzensbildung bezeichnet.“ [1], S. 184.

Wie die Herzensbildung sind aber bestimmte Komponenten der allgemeinen Studierfähigkeit wie Fachinteresse, Neugier oder Kommunikationsfähigkeit, schwierig zu messen [2], weshalb der Fokus zur Beantwortung der Frage nach Studieneignung oft auf den Studienerfolg ausgerichtet ist. Der Studienerfolg ist im Vergleich zur Studierfähigkeit auf vielfältige Art zu erfassen und reicht in seiner Bandbreite von Noten in Zwischen- oder Abschlussprüfungen, Noten in einzelnen Lehrveranstaltungen, Studiendauer oder Prüfungswiederholungen bis hin zur Zufriedenheit mit dem Studium. Studiennoten erweisen sich dabei als gute Quantifizierung der Studienleistung, die auf einer definierten Skala darzustellen und zugleich ökonomisch zu erheben sind [3].

Schulnoten

Schulnoten gelten als beste Prädiktoren des in Studiennoten gemessenen Studienerfolgs [4]. Die 2007 veröffentlichte Metaanalyse von Trapmann et al. [5] beinhaltet alle seit 1980 publizierten Studien innerhalb des europäischen Hochschulraums zum Zusammenhang von Studienerfolg und Schulnoten. Die Autoren berichten mittlere, korrigierte Validitätskoeffizienten im Bereich von ρ=0.26 bis ρ=0.53 für Studiennoten, wobei die höchste prognostische Validität von in Deutschland erworbenen Abiturdurchschnittsnoten erreicht wird. Die unterschiedliche Berechnung der Abiturdurchschnittsnote als Studierfähigkeitsindex, die geprägt ist durch die Bildungspolitik auf föderaler Ebene der Bundesländer [6], stellt aber die Güte und vor allem die Fairness der Abiturdurchschnittsnote in Frage.

Speziell für den Studiengang Zahnmedizin berichten Arnold et al. (2011) [7] mittlere, positive Korrelationen zwischen der in Deutschland erworbenen Abiturdurchschnittsnote und der Naturwissenschaftlichen Vorprüfung (r=0.34, p<.001), der Zahnärztlichen Vorprüfung (r=0.27, p<.001) und dem Staatsexamen (r=0.27, p<.001). 12 % der Leistungsvarianz in der naturwissenschaftlichen Vorprüfung (NVP) wurden durch die Abiturdurchschnittsnote aufgeklärt, jeweils 7% für die zahnmedizinische Vorprüfung (ZVP) und das Staatsexamen. Ähnliche Ergebnisse zeigen nicht nur Studien aus dem europäischen Ausland [8], [9] sondern auch aus Kanada [10], [11], [12] oder den USA [13], [14], [15].

Studierfähigkeitstests

Der Einsatz von fachspezifischen Studierfähigkeitstests zur Messung von für ein bestimmtes Studienfach erforderlichen kognitiven Fähigkeiten [4] soll die Vorhersage des Studienerfolgs zuverlässiger gestalten. Die Metaanalyse von Hell et al. [3] berichtet für den Studiengang Zahnmedizin aus acht kumulierten Primärstudien mit einem Stichprobenumfang von insgesamt 5.871 Studierenden eine mittlere, korrigierte Validität von ρ=0.35 für den Test für Medizinische Studiengänge (TMS) [16], der die Varianz der Studiennoten im vor- und klinischen Studienabschnitt der Zahnmedizin zu 12.4% aufklären konnte. Die Hinzunahme des TMS-Ergebnisses zu der Abiturdurchschnittsnote erhöhte die Genauigkeit der Vorhersage des Studienerfolgs deutlich, auch wenn die Schulnote der bessere Einzelprädiktor war [5]. Der in Deutschland in den 1970er Jahren eingesetzte Studierfähigkeitstest „Besonderer Auswahltest Zahnmedizin“ (BATZ) [17] stützt die Befunde. Hitpass fand 1978 [17] nur schwache Korrelationen zwischen dem ZVP-Ergebnis nach dem fünften Semester und der Abiturdurchschnittsnote (r=0.25) bzw. dem Testergebnis des BATZ (r=0.34). Jedoch führt die Kombination beider Kriterien zu einer moderaten Korrelation von r=0.42; der Zuwachs der aufgeklärten Varianz durch den BATZ betrug 11%.

Das Hamburger Auswahlverfahren

Bis zum Wintersemester (WiSe) 2008/09 wurden die Studienbewerber in der Zahnmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) anhand ihrer Abiturdurchschnittsnote als alleinigem Auswahlkriterium zugelassen. Um die Studienerfolgsprognostik der Abiturdurchschnittsnote mit den Vorhersageeigenschaften fachspezifischer Studierfähigkeitstests zu erhöhen, wurde für die Auswahl von Medizin- und Zahnmedizinstudierenden das „Hamburger Auswahlverfahren für medizinische Studiengänge - Naturwissenschaftstest“ (HAM-Nat) am UKE entwickelt [18].

Der HAM-Nat ist ein Multiple-Choice-Test zu medizinisch relevanten Aspekten der Fächer Mathematik, Physik, Chemie und Biologie auf gymnasialem Oberstufenniveau. Die Bewerber können sich anhand eines Themenkataloges auf den HAM-Nat und somit auf die Inhalte der ersten Studiensemester vorbereiten, sodass motivierte Bewerber durch intensives Lernen einen Vorteil erfahren [19]. Der HAM-Nat wurde in den Jahren 2006 und 2007 mit den nach anderen Kriterien ausgewählten Medizin- und Zahnmedizinstudierenden in der Studieneingangsphase erprobt [18], bevor er in der Zahnmedizin erstmals im WiSe 2009/10 zur Auswahl eingesetzt wurde. Zum HAM-Nat wurden die 200 abiturbesten Studienplatzbewerber eingeladen, die den Studienort Hamburg mit 1. Ortspräferenz gewählt haben. Die Zulassung erfolgte aufgrund der Kombination des HAM-Nat Ergebnisses (max. 59 Punkte) mit der Abiturdurchschnittsnote (max. 60 Punkte), sodass einige Bewerber mit einer Abiturdurchschnittsnote bis zu 2.2 aufgrund eines guten HAM-Nat Ergebnisses eine Zulassung erhielten. In 2010 wurde das Auswahlverfahren um einen Drahtbiegetest (HAM-Man) erweitert, um bei der Studierendenauswahl das manuelle Geschick als Prädiktor der praktischen Studienleistung in den vorklinischen Laborkursen einzubeziehen [20] [Manuskript in Vorbereitung].

Für den Naturwissenschaftstest HAM-Nat existieren bereits zwei Validierungsstudien in der Humanmedizin. Hampe et al. [18] fanden für den HAM-Nat eine höhere prognostische Validität bezogen auf den vorklinischen, akademischen Studienerfolg der ersten zwei Semester (R2=0.095, p<0.001) als für die Abiturdurchschnittsnote (R2=0.066, p<0.001). Die Hinzunahme des HAM-Nat als weiteren Prädiktor zur Abiturdurchschnittsnote führte zu einer inkrementellen Validität von 6.4%. Hissbach et al. [21] wiesen für den Naturwissenschaftstest HAM-Nat in einer weiteren Validierungsstudie Paralleltest-Reliabilitäten im Bereich von 0.53<rt<0.67 sowie Retest-Reliabilitäten von 0.53<rt<0.67 nach. Die Autoren berichteten eine Korrelation zwischen HAM-Nat und der Abiturdurchschnittsnote von r=-0.24; das Testmodul Naturwissenschaftliches Denken, welches inhaltlich und strukturell dem Modul „Medizinisch-naturwissenschaftliches Grundverständnis“ des TMS entspricht, korreliert mit verschiedenen HAM-Nat Versionen zwischen r=0.21 und r=0.34.

Der Einsatz eines weiteren Auswahlinstruments ist insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass zum WiSe 2012/13 noch 8 von 29 staatlichen Fakultäten Zahnmedizinstudierende allein auf Basis der Schulnoten auswählten. Nur in einer weiteren medizinischen Fakultät, Witten-Herdecke, wird ebenfalls ein selbstentwickelter Studierfähigkeitstest eingesetzt, sieben Fakultäten verwenden den TMS [22], [http://www.hochschulstart.de/index.php?id=3683]. Die Vorhersage des praktischen Studienerfolges in den technischen Kursen der zahnmedizinischen Vorklinik ist mittels Kriterien, die auf kognitiven Fähigkeiten basieren, wenig sinnvoll [23], weshalb der HAM-Nat nicht in Beziehung zu diesen gesetzt wird.


Fragestellung

In der vorliegenden Studie wird untersucht, ob die prognostische Güte des Auswahlverfahrens zur Vorhersage des vorklinischen, akademischen Studienerfolgs in der Zahnmedizin durch den Einsatz des HAM-Nat zusätzlich zur Abiturdurchschnittsnote steigt. Es wird erwartet, dass sich der HAM-Nat als Auswahlinstrument zusätzlich zur Abiturdurchschnittsnote bewährt, indem die Ergebnisse der Physik- und Chemiekurse als auch die Prüfungsleistungen in der NVP sowie ZVP durch den HAM-Nat prädiziert werden. Gleichzeitig geht damit die Frage einher, ob Aufwand und Kosten für die Durchführung eines erweiterten Auswahlverfahrens gerechtfertigt sind. Der Fragestellung, ob durch den HAM-Nat im Zahnmedizinstudium ähnlich wie in der Medizin [18] die Anzahl von Studienabbrechern verringert wird, kann aufgrund der geringen Fallzahlen und des zu kurzen Beobachtungszeitraums nicht nachgegangen werden.


Methoden

In der vorliegenden Untersuchung stellen die HAM-Nat Testergebnisse und die Abiturdurchschnittsnoten aus den Jahren 2006, 2007, 2009 und 2010 die Prädiktoren, d.h. unabhängigen Variablen, dar. Die abhängige Variable Studienerfolg wird über die Leistungen im Physik- und Chemiekurs sowie in der NVP und der ZVP erfasst. Die Stichprobe ist in vier Kohorten unterteilt, die entsprechend des Wintersemesters bezeichnet sind, in welchem die Studienaufnahme und die Teilnahme am HAM-Nat stattfanden. Alle Untersuchungsteilnehmer unterzeichneten eine Einwilligungserklärung zur Studienteilnahme.

HAM-Nat

Der HAM-Nat bestand in 2006 und 2007 aus 52 bzw. 60 Multiple-Choice-Fragen. Für die Aufgabenbearbeitung hatten die über Abiturdurchschnittsnote oder Wartezeit zugelassenen Erstsemesterstudierenden der Zahnmedizin in der Einführungswoche 78 bzw. 90 Minuten Zeit. Die Testteilnahme war freiwillig, eine Vorbereitung auf den Test fand nicht statt.

In den Jahren 2009 und 2010 wurde der HAM-Nat mit jeweils 80 MC-Fragen in 120 Minuten im Auswahlverfahren der Hochschule für die Zahnmedizin eingesetzt. Zur Vorbereitung auf den HAM-Nat waren für alle Bewerber ein Themenkatalog und zwei Übungstests kostenlos über den UKE-Internetauftritt verfügbar.

Der Aufwand für die Durchführung ist vergleichbar mit einer regulären Klausurprüfung an einer Hochschule. In dem von der Universität (kostenlos) gestellten Hörsaal, der eine Kapazität für 200 Teilnehmer besaß, hielten zwei Fakultätsangestellte Aufsicht, die von vier studentischen Aushilfen unterstützt wurden. Die Fragenentwicklung erfolgte in Kooperation mit Gymnasiallehrern und Hochschuldozenten; die automatische Auswertung des HAM-Nat-Lösungsbogens wurde von zwei Fakultätsangestellten durchgeführt.

Abiturdurchschnittsnote

Die Erstsemesterstudierenden gaben in 2006 und 2007 die Abiturdurchschnittsnote (von 1=sehr gut bis 4=ausreichend) selbst in einem Begleitfragebogen zum HAM-Nat an. Im Rahmen des Auswahlverfahrens der Hochschule in den Jahren 2009 und 2010 wurden die Abiturdurchschnittsnoten von der Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) übermittelt.

Akademischer Studienerfolg in der Vorklinik

In der Literatur finden sich keine aktuellen Studien, in welchen die Leistungsprädiktionen für Kurse der ersten Semester oder einzelne Prüfungsfächer der NVP und ZVP berichtet werden, sondern es erfolgt die Vorhersage anhand akkumulierter Gesamtwerte [7], [8], [9], [10], [12], [13], [15]. Dieses Vorgehen führt aber zu einer Mittelung der Studienleistungen, sodass prognostische Einzeleffekte in den Prüfungsfächern nicht eindeutig identifiziert werden. Daher wurde der Studienerfolg als Punktzahl der Physikklausur im ersten Semester und der Chemieklausur im zweiten Semester operationalisiert. Die nach dem zweiten Semester stattfindende NVP beinhaltet die mündlichen Prüfungsfächer Physik, Chemie und Biologie. In der ZVP werden nach dem fünften Semester in mündlichen Prüfungen die Fächer Anatomie, Physiologie, Biochemie und Zahnersatzkunde (ZEK) benotet. Die Prüfung in ZEK besteht aus einem mündlichen und praktischen Teil, die zu jeweils 50% in die Gesamtnote eingehen. Die sowohl in der NVP als auch ZVP vergebenen Noten entsprechen dem Schulnotensystem, von eins (sehr gut) bis sechs (ungenügend).

Statistische Analyse

Im ersten Auswertungsschritt werden die deskriptiven Daten inklusive der Pearson-Korrelationen zwischen der Abiturdurchschnittsnote, dem Studierfähigkeitstest HAM-Nat und dem Studienerfolg dargestellt. Der Einfluss der Prädiktoren Abiturdurchschnittsnote und HAM-Nat auf den vorklinischen Studienerfolg erfolgt mittels Regressionsanalyse in zwei Modellen. Während das erste Modell nur die Abiturdurchschnittsnote beinhaltet, wird in das zweite zusätzlich der HAM-Nat aufgenommen, um einerseits die von beiden Prädiktoren sowie die durch die Hinzunahme des HAM-Nat vorhergesagte Studienleistungen zu berechnen. Das Bestimmtheitsmaß R2 zeigt den durch die Prädiktoren erklärten Varianzanteil Studienleistung an. Die prognostischen Beiträge beider Prädiktoren können direkt anhand des standardisierten Regressionskoeffizienten β miteinander verglichen werden.

Die multiplen Regressionsmodelle werden auf Multikollinearität und Autokorrelation der Residuen überprüft, um die Modellinterpretation verzerrende Einflüsse zu identifizieren. Durbin-Watson-Werte gegen null oder vier deuten auf eine Autokorrelation der Residuen hin, während der Variance Inflation Factor (VIF) nicht über zehn und die Toleranzwerte nicht unter 0.2 liegen dürfen, um das Vorliegen von Multikollinearität ausschließen zu können [24]. Die Analyse erfolgt mit der Statistiksoftware PASW Statistics 18.03.


Ergebnisse

Deskriptive Statistik

In demographischen Aspekten weisen die vier Untersuchungskohorten bezgl. Alter und Geschlecht nur geringe Differenzen auf (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]), lediglich in der Kohorte WiSe 2010/11 ist das Geschlechterverhältnis mit 25 Frauen und 23 Männern annähernd gleichverteilt. Generell zeigt die deskriptive Analyse, dass für alle Untersuchungsvariablen recht homogene Ausprägungen über die vier Kohorten bestehen. Die Koeffizienten Schiefe, Exzess und unterschrittene Signifikanzwerte des Shapiro-Wilk-Tests von α<0.05 (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) weisen für die meisten Variablen eine nicht-parametrische Verteilung auf, die aber weniger die Parameterschätzungen der Korrelations- und Regressionskoeffizienten, sondern eher die Signifikanztests beeinflusst, welche dadurch nur bedingt interpretiert werden können [25], [26], [27].

Korrelationen der Prädiktoren mit dem vorklinischen, akademischen Studienerfolg

Zwischen der Abiturdurchschnittsnote und dem fachspezifischen Studierfähigkeitstest HAM-Nat bestehen in allen vier Kohorten nur sehr schwache Korrelationen (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]), die auf eine gute diskriminante Validität beider Prädiktoren hinweisen. Die linearen Zusammenhänge der Prädiktoren Abiturdurchschnittsnote und HAM-Nat auf die Studienleistung fallen einerseits in ihrer Stärke über die vier Kohorten sehr unterschiedlich aus und verfügen anderseits in einigen Fällen über eine inverse Richtung (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Das positive Vorzeichen zwischen Abiturdurchschnittsnote und Physikklausur in der Kohorte 2009/10 (r=0.21, n.s.) deutet beispielweise auf bessere Punktzahl im Physikkurs für Studierende mit einer schlechteren Abiturdurchschnittsnote hin. Für den HAM-Nat findet sich zum Beispiel in der Kohorte WiSe 2006/07 ein sehr schwacher, aber positiver Zusammenhang zur NVP-Biologienote (r=0.16, n.s.), anstelle eines erwarteten negativen, wie in der Kohorte WiSe 2010/11 (r=-0.38, p<.05) der Fall ist.

Vorhersage der vorklinischen, akademischen Studienleistung

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sind in den Tabellen 3 bis 5 dargestellt. Multikollinearität und Autokorrelation der Residuen können ausgeschlossen werden, jedoch sind die Ergebnisse der Signifikanztests mit Vorsicht zu interpretieren. Wie auch bei der Korrelationsanalyse besitzen vereinzelte Regressionskoeffizienten der Prädiktoren Abiturdurchschnittsnote und HAM-Nat inverse Vorzeichen, d.h. hier wird eine Richtung für den Zusammenhang zwischen Prädiktoren und der Studienleistung angezeigt, die nicht nur entgegengesetzt zu den eigenen Erwartungen ausfällt, sondern auch zu den Ergebnissen der Vergleichskohorten.

Die durch die Abiturdurchschnittsnote vorhergesagten Leistungen in den theoretischen Fächern der ersten zwei Semester (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]) und der NVP (siehe Tabelle 4 [Tab. 4]) bewegen sich überwiegend im einstelligen Prozentbereich (<5%); vereinzelt finden sich aber auch herausragende Prädiktionen, wie für den Chemiekurs der Kohorte WiSe 2006/07 (R2=0.204).

Der HAM-Nat zeigt gegenüber der Abiturdurchschnittsnote eine fast gegensätzliche Prognostik, indem in fast allen Kohorten der ersten zwei Semester (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]) mehr als 5% der Studienleistung vorhergesagt wurde. In drei von vier Kohorten erweist sich der HAM-Nat gegenüber der Abiturdurchschnittsnote als stärkerer Prädiktor der Physik- und Chemiekursleistungen, was aus dem Vergleich ihrer standardisierten Regressionskoeffizienten β hervorgeht. Dasselbe Bild zeigen die Ergebnisse der Regressionsmodelle für die NVP-Prüfungsfächer Physik und Chemie, jedoch weniger deutlich für die Biologieprüfung (siehe Tabelle 4 [Tab. 4]).

Nur in der ZVP zeigt sich ein Unterschied zwischen den drei Kohorten hinsichtlich der Studienleistungsvorhersage beider Prädiktoren (siehe Tabelle 5 [Tab. 5]). Während sich in den Kohorten WiSe 2006/07 und 2007/08 die Prädiktion durch Abiturdurchschnittsnote und HAM-Nat in den Prüfungsfächern Anatomie, Physiologie und Biochemie nur bis zu höchstens 4% unterscheidet, ist die Prädiktion durch den HAM-Nat in der Kohorte WiSe 2009/10 in den Fächern Anatomie und Biochemie über 10% sowie in der Physiologie um 6.4% besser als durch die Abiturdurchschnittsnote.


Diskussion

In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob die Auswahl von Zahnmedizinstudierenden durch den fachspezifischen Studierfähigkeitstest HAM-Nat verbessert wird. Die Ergebnisse erweisen sich aufgrund der Stichprobenbeschaffenheit nicht über alle Kohorten und vorklinischen Prüfungen als konsistent, zeigen aber im Trend deutlich, dass der Einsatz des HAM-Nat als zusätzliches Auswahlkriterium zur Abiturdurchschnittsnote die Vorhersagekraft des akademischen Studienerfolgs in der Vorklinik verbessert.

Die insgesamt höhere Vorhersagekraft des HAM-Nat gegenüber der Abiturdurchschnittsnote, insbesondere für die Studienleistungen im Physik- und Chemiekurs, könnte auf den geringeren Anteil an Naturwissenschaften in der Abiturdurchschnittsnote zurückzuführen sein. Die sehr schwachen, negativen Korrelationen zwischen HAM-Nat und Abiturdurchschnittsnote (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) deuten zudem auf hohe diskriminante Validitäten zwischen beiden Prädiktoren hin. HAM-Nat und Abiturdurchschnittsnote erfassen somit unterschiedliche kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, was für den Einsatz beider Prädiktoren im Auswahlverfahren spricht.

Die ZVP-Prüfungsergebnisse der Kohorte WiSe 2009/10 werden deutlich besser vom HAM-Nat als von der Abiturdurchschnittsnote vorhergesagt. Eine mögliche Erklärung ist, dass der HAM-Nat 2009 nicht wie in den Vorjahren freiwillig, sondern als Bestandteil des Auswahlverfahrens eingesetzt wurde. Die in dieser Studie untersuchten Studierenden dieser Jahrgangskohorte verfügten nicht nur über eine intensive Testvorbereitung, sondern waren auch bereits auf Basis ihres naturwissenschaftlichen Wissens zum Zahnmedizinstudium zugelassen. Im Prüfungsfach ZEK wurde kein Unterschied zwischen den Kohorten festgestellt, was sehr wahrscheinlich durch den praktischen Prüfungsteil bedingt ist. In diesem müssen vier praktische Phantomarbeiten angefertigt werden, für deren Vorhersage weder der HAM-Nat noch die Abiturdurchschnittsnote geeignet erscheinen.

Die Vorzeichen einzelner Korrelations- und Regressionskoeffizienten verhalten sich nicht nur entgegengesetzt zu den oben genannten Erwartungen, sondern auch entgegensetzt zu den Ergebnissen in den Vergleichskohorten. Als wahrscheinlichste Erklärung ist die durch das Zulassungsverfahren und das Studium bedingte, hochselektive Stichprobenbeschaffenheit und -größe (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) anzuführen. Die Untersuchungsvariablen verfügen über einen weniger symmetrisch ausgeprägten Wertebereich, was sich in Einzelfällen in inversen Vorzeichen und der sehr schwachen Stärkeausprägung der Koeffizienten widerspiegelt.

Die Daten der vorliegenden Studie stützen die Resultate von Hampe et al. [18] aus der Humanmedizin, welche für den HAM-Nat und die Abiturdurchschnittsnote Vorhersagen des vorklinischen Studienerfolgs im einstelligen Prozentbereich berichteten. Die Vorhersage der vorklinischen Studienleistung durch den HAM-Nat ist ähnlich hoch wie die durch den TMS [16]. Interessant ist dieses Ergebnis hinsichtlich der unterschiedlichen Testökonomie beider Studierfähigkeitstests, da die reine Durchführungszeit des HAM-Nat mit zwei Stunden deutlich geringer ist als die des TMS mit circa sechs Stunden.

In der Literatur allgemein und auch in der vorliegenden Untersuchung zeigt sich, dass der vorklinische, akademische Studienerfolg in der Zahnmedizin oftmals nur in einem geringen Ausmaß durch Studierfähigkeitstests und Schulabschlussnoten vorhergesagt werden kann. Erklären kann man diese Tatsache möglicherweise dadurch, dass diese Auswahlkriterien immer nur Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten auf Schulniveau widerspiegeln. Die Prüfungen im Studium der Zahnmedizin auf universitärem Niveau scheinen damit aber nur bedingt vorhersagbar zu sein; eher sind hierfür Faktoren wie die Leistungsmotivation der Studierenden oder ihre Prüfungsvorbereitungen ausschlaggebend. Insgesamt zeigt die Analyse der Einzelprüfungen ein deutlich differenziertes Bild hinsichtlich der vorklinischen Studienerfolgsprognostik als aggregierte Gesamtprüfungswerte.


Schlussfolgerung

Der Einsatz des HAM-Nat im Studierendenauswahlverfahren der Zahnmedizin verbessert deutlich die Vorhersage des vorklinischen, akademischen Studienerfolgs. Der HAM-Nat kann von jeder Fakultät mit geringem finanziellen und organisatorischen Aufwand eingesetzt werden, um die Auswahlentscheidung zu verbessern und gleichzeitig auch den Bewerbern eine realistische Zulassungschance einzuräumen, deren Abiturdurchschnittsnote über 2.0 liegt.


Limiationen der Studie

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung basieren auf relativ kleinen Stichproben, in denen die Variabilität der Messdaten durch die Einladung zum Auswahlverfahren oder die Studienplatzzulassung eingeschränkt ist. Die Studienstichproben sind zwar repräsentativ, können aber aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht immer alle Voraussetzungen statistischer Verfahren erfüllen.


Anmerkung

*Die geführte männliche Form impliziert gleichzeitig immer die weibliche.


Danksagung

Wir danken dem Dekan der Medizinischen Fakultät Hamburg, Herrn Prof. U. Koch-Gromus, für die Unterstützung der Arbeitsgruppe. Die Hilfe von Herrn Alexander Vogelsang erwies sich als unentbehrlich bei der Zusammenführung der Untersuchungsdatensätze, die Dank des Datensupports von Herrn Marco Böthern sowie den Lehrverantwortlichen der Departements Chemie und Physik der Universität Hamburg erstellt werden konnten. Frau Julia Weinberg und Frau Magdalena Sievers sei gedankt für ihre geduldige Aggregation aller Ergebnistabellen. Diese Studie wird durch den Förderfonds Lehre des Dekanats der Medizinischen Fakultät Hamburg und im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Universitätskollegs unterstützt.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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