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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Effekte und Nachhaltigkeit von Trainingsworkshops für den mündlich-praktischen Teil des M2-Examens

Forschungsarbeit Humanmedizin

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  • corresponding author Wolfgang Öchsner - Universitätsklinikum Ulm, Abteilung Kardioanästhesiologie, Ulm, Deutschland; Universität Ulm, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Ulm, Deutschland
  • author Sandra Geiler - Universität Ulm, Medizinische Fakultät, Evaluation und Qualitätssicherung Lehre, Ulm, Deutschland
  • author Markus Huber-Lang - Universitätsklinikum Ulm, Abteilung für Unfallchirurgie, Hand-, Plastische- und Wiederherstellungschirurgie, Ulm, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2013;30(3):Doc36

doi: 10.3205/zma000879, urn:nbn:de:0183-zma0008795

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2013-30/zma000879.shtml

Eingereicht: 27. Juli 2012
Überarbeitet: 13. Januar 2013
Angenommen: 2. Mai 2013
Veröffentlicht: 15. August 2013

© 2013 Öchsner et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Die vielfältigen Limitationen mündlich-praktischer Prüfungen können bekanntermaßen durch spezifische Trainings günstig beeinflusst werden. Die vorliegende Studie analysiert daher anhand eines Fragebogens die in Ulm durchgeführten Trainings für Staatsexamensprüfer, deren Nachhaltigkeit und mögliche Unterschiede zwischen den Teilnehmer-Subgruppen.

Methode: Alle 367 Teilnehmer der bisherigen Ulmer Prüfertrainings (2007 – 20012) wurden per e-Mail angeschrieben. 63 Personen beantworteten die Umfrage, die insgesamt 28 Items zu demografischen Daten und zu Effektivität und Nachhaltigkeit der Trainings enthielt.

Ergebnisse: Es ließen sich 6 wesentliche Trainingseffekte nachweisen (Trainingseffekte, die von mindestens zwei Dritteln der Befragungsteilnehmer auf einer Skala von 1 = „trifft zu“ bis 6 = „trifft nicht zu“ mit den Skalenstufen 1 oder 2 beantwortet wurden; kumulierte Prozentzahl in Klammern):

1.
Bewusster Umgang mit Stärken und Schwächen mündlicher Prüfungen (71%)
2.
Kenntnis von Faktoren mit Einfluss auf die Reliabilität mündlich-praktischer Prüfungen (76%)
3.
Kenntnis von Faktoren mit Einfluss auf die Validität mündlich-praktischer Prüfungen (75%)
4.
Erhöhung der Sicherheit bei der Aufgabenkonstruktion (68%)
5.
Erhöhung der Sicherheit in Bezug auf Prüfungsregularien (75%)
6.
Umsetzung des Konzepts des „strukturierten mündlichen Prüfens“ (Festlegung von Themenbereichen, Vorformulierung von Aufgaben und Erwartungshorizonten sowie Bewertungskriterien) (86%)

Die Antworten der Teilnehmer, deren Training länger als 2 Jahre zurücklag, unterschieden sich nicht signifikant von den Antwortmittelwerten der übrigen Teilnehmer, was für die Nachhaltigkeit der Trainingseffekte spricht.

Teilnehmer ohne relevante Vorerfahrung als Prüfer profitierten signifikant stärker von den Trainings, insbesondere in den Bereichen Stressreduktion, Sicherheit in der Notenfindung und kritischere Notengebung.

Schlussfolgerung: Die Studie liefert Hinweise für nachhaltig positive Effekte der M2-Prüfertrainings, die für die weitere Durchführung der Trainings sprechen, insbesondere als Trainingsangebot für unerfahrene Prüfer. Die Ausweitung der Trainings erscheint daher auch für Prüfer in den M1-Prüfungen sinnvoll.

Schlüsselwörter: Lehrforschung, Staatsexamen Medizin, mündlich-praktische Prüfungen, Prüfertrainings


Hintergrund

In der Humanmedizin sind mündlich-praktische Prüfungen fester Bestandteil der Staatsexamina [2]. Daran wird auch in der aktuell anstehenden Änderung der Approbationsordnung festgehalten [http://www.bundesrat.de/cln_116/nn_8538/DE/presse/pm/2012/069-2012.html], [12].

Die durch Multiple-Choice-Fragen erreichbare hohe Reliabilität und gute rechtliche Überprüfbarkeit der schriftlichen Examina [10], [13] ist bei mündlich-praktischen Prüfungsteilen allerdings eingeschränkt [14], [17]. Ungenügende Reliabilität führt zu mangelnder Validität; diese beide Größen sind aber wesentliche Gütekriterien für Prüfungen [10], [16].

Trotzdem tragen die Noten aus beiden mündlich-praktischen Examensprüfungen (M1 und M2) hälftig zur Gesamtnote für die Ärztliche Prüfung bei; der Anteil der mündlich-praktischen M2-Prüfung beträgt immerhin 33% [2].

In Baden-Württemberg wurde 2007 das „Kompetenznetz Lehre in der Medizin“ als Verbund aller fünf Fakultäten des Landes gegründet [4]. In diesem „Kompetenznetz Lehre“ wurde für den mündlich-praktischen Teil des M2-Examens ein Grundkonzept für Prüferschulungen im Umfang von 8 Unterrichtseinheiten entwickelt. Dieses Konzept bildet auch die Grundlage für die M2-Prüfertrainings der Medizinischen Fakultät Ulm. Ziele und Inhalte sind dabei folgende:

  • Sicherer Umgang mit den einschlägigen formalen Bestimmungen
  • Beurteilung von Stellenwert, Stärken und Schwächen mündlich-praktischer Prüfungen
  • Beherrschen des „strukturierten mündlichen Prüfens“ (Festlegung von Themenbereichen, Vorformulierung von Aufgaben und Erwartungshorizonten sowie Bewertungskriterien)
  • Kenntnis von und Umgang mit positiven und negativen Einflussgrößen auf Reliabilität und Validität mündlich-praktischer Prüfungen

Die Trainings beinhalten seminaristische (Experten-Inputs mit interaktiven Elementen, Eigen- und Gruppenarbeit) und praktische Anteile (Prüfungssimulationen mit Peer- und Expertenfeedback).


Zielsetzung

Dass die Limitationen mündlicher Prüfungen durch kriterienorientierte Auswahl der Prüfer (beispielsweise Fachkompetenz mit im Prüfungsteam einheitlich akzeptierten Denkweisen und Handlungsstrategien, spezifische Prüfungskompetenz in Planung und Durchführung mündlicher Prüfungen, konstruktive Teamfähigkeit im kleinen Prüfungsteam), sowie durch Training und kontinuierliches Monitoring der Prüfer günstig beeinflusst werden können, ist aus der Literatur bekannt [14], [17], [18]. Die in vorliegender Studie verfolgte Fragestellung war daher, welche positiven Effekte sich durch die seit 2007 an der Medizinischen Fakultät Ulm durchgeführten M2-Prüfertrainings denn tatsächlich erreichen lassen.

Zudem galt es im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Trainings zu untersuchen, inwieweit positive Effekte auch nach einem längeren Zeitraum noch nachweisbar sind.


Methode

Alle Ulmer Prüfertrainings werden seit 2007 kontinuierlich unter Leitung desselben Trainers standardisiert durchgeführt; der Trainer ist Arzt und verfügt über einen Masterabschluss in der Medizindidaktik (Master of Medical Education).

Bis zum Zeitpunkt der Umfrage hatten 367 Personen an den freiwilligen Trainings teilgenommen. Alle Teilnehmer wurden per E-Mail gebeten, an einer quantitativen Befragung teilzunehmen, die mit dem Umfragetool EvaSys Version 5.0 durchgeführt wurde. Aufgrund der im Universitätsbetrieb üblichen Fluktuation konnten erwartungsgemäß einige der angeschrieben Personen nicht mehr erreicht werden. Der Rücklauf betrug n=63 Personen, davon 32 Personen, die in den akademischen Lehrkrankenhäusern der Medizinischen Fakultät als Prüfer für den mündlichen Teil des M2-Staatsexamens eingesetzt werden, und 31 Personen aus dem Universitätsklinikum Ulm. Die Stichprobe setzt sich sowohl aus Medizinern aus dem operativen Bereich (n=28), als auch aus Medizinern nicht-operativer Fachdisziplinen (n=35) zusammen.

Die Umfrage umfasste insgesamt 28 Items zu demografischen Daten und zur Effektivität der Trainings, unter Berücksichtigung der im Jahr 2012 in einem Positionspapier der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung in Anlehnung an Griffith et al. [1], [6] vorgestellten Kriterien zur Überprüfung der Wirksamkeit medizindidaktischer Maßnahmen [3]. Die Bewertung der Effektivität der Trainings erfolgte über Skalen zur Selbsteinschätzung des eigenen Kompetenzgewinns. Insbesondere waren die Items konzipiert, um auf seiten der Trainingsteilnehmer Veränderungen von Einstellungen, von Wissen und Fertigkeiten zu erfragen, sowie die Bereitschaft, diese Veränderungen in künftige mündlich-praktische Prüfungen einzubringen.

Alle Daten wurden anonymisiert erfasst und ausgewertet. Es wurden sowohl Lage- und Streuungsparameter berechnet als auch bei angenommener Normalverteilung t -Tests für unabhängige Stichproben durchgeführt. Eine Signifikanz wurde bei p<0.05 angenommen.


Ergebnisse

Rücklauf

An der Befragung nahmen 63 von insgesamt 367 angeschriebenen Trainingsteilnehmern teil.

Die Häufigkeit des Einsatzes als M2-Prüfer liegt bei den Personen, die an der Studie teilnahmen (n=63), mehrheitlich bei mindestens 2-4 Prüfungstagen pro Jahr.

Wesentliche Trainingseffekte der M2-Trainings

Als wesentliche Trainingseffekte wurden Trainingseffekte definiert, die von mindestens zwei Dritteln der Teilnehmer mit den Skalenstufen 1 oder 2 auf der 6-stufigen Antwortskala (von 1=„trifft zu“ bis 6=„trifft nicht zu“) bewertet wurden.

Die Befragung ergab sechs solcher Effekte (in Klammern die kumulierte Antworthäufigkeit der Skalenstufen 1 und 2, siehe Tabelle 1 [Tab. 1]):

1.
Das M2-Training hat dazu beigetragen, dass ich mit den Stärken und Schwächen mündlicher Prüfungen (im Vergleich zu schriftlichen Prüfungen) bewusster umgehen kann (71%)
2.
Durch das M2-Training wurden mir Faktoren bewusst, die die Reliabilität (formale Verlässlichkeit: „Kommen alle Prüfer zum gleichen Ergebnis?“) mündlich-praktischer Prüfungen beeinflussen (76%)
3.
Durch das M2-Training wurden mir Faktoren bewusst, die die Validität (Gültigkeit: „Erfasst meine Prüfung die Kompetenz, die ich abprüfen will?“) mündlich-praktischer Prüfungen beeinflussen (75%)
4.
Das M2-Training hat meine Sicherheit in Bezug auf die Aufgabenkonstruktion in mündlich-praktischen Examensprüfungen erhöht (68%)
5.
Das M2-Training hat meine Sicherheit in Bezug auf Prüfungsregularien erhöht (75%)
6.
In meinen M2-Prüfungen strebe ich an, das Konzept des „strukturierten mündlichen Prüfens“ umzusetzen (Festlegung von Themenbereichen, Vorformulierung von Aufgaben und Erwartungshorizonten sowie Bewertungskriterien) (86%)

Unterhalb der 2/3 Zustimmung (bei 47%) lag der Bereich „Kompetenzzuwachs als Prüfungsvorsitzender “.

Nachhaltigkeit der Trainingseffekte

Ein wünschenswertes Merkmal didaktischer Trainings besteht in der Nachhaltigkeit der erzielten Effekte. Hofer et al. [7] haben Effekte didaktischer Trainings als nachhaltig definiert, wenn sie nach Verlauf von 1 Jahr noch entsprechend nachweisbar waren. Da Prüfertätigkeiten im Vergleich zu den von Hofer et al. untersuchten Lehrtätigkeiten weniger kontinuierlich ausgeübt werden, haben wir die zeitliche Marke bei 2 Jahren gesetzt; von Nachhaltigkeit haben wir gesprochen, wenn die erzielten Effekte auch 2 Jahre nach Abschluss des M2-Trainings noch nachweisbar waren. Deshalb haben wir mittels eines t-Tests für unabhängige Stichproben überprüft, inwieweit sich die Antworten der Teilnehmer, deren M2-Training länger als 2 Jahre (24 Monate und länger) zurückliegt (n=28), in Bezug auf die o.g. wesentlichen Trainingseffekte von den Antworten der Teilnehmer unterscheiden, deren Teilnahme am M2-Training weniger als 2 Jahre (1-23 Monate) zurückliegt (n=35). Hierbei ergeben sich bei keinem der 6 wesentlichen Trainingseffekte signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.

Mit der methodischen Einschränkung, dass die Erhebung nicht zu zwei Messzeitpunkten erfolgte, bedeutet das, dass die Trainingseffekte als beständig über die Zeit und damit als nachhaltig bewertet werden können.

Analyse der Subgruppen

Um herauszufinden, ob sich unterschiedliche Subgruppen von Prüfern in ihrem Antwortverhalten unterscheiden, überprüften wir mittels eines t-Tests für unabhängige Stichproben eventuell vorhandene Mittelwertunterschiede folgender Teilnehmergruppen auf ihre Signifikanz: Teilnehmer mit relevanter Vorerfahrung als M2-Prüfer versus Prüfer-Neulinge, Teilnehmer aus den akademischen Lehrkrankenhäusern versus Teilnehmer aus dem Universitätsklinikum Ulm.

Teilnehmer mit relevanter Vorerfahrung als M2-Prüfer versus Prüfer-Neulinge

Als „relevante Vorerfahrung“ in mündlich-praktischen M2-Examensprüfungen wurde eine Vorerfahrung von mindestens 2 Jahren definiert, entsprechend einem Erfahrungsschatz von mindestens 2 – 4 kompletten mündlichen M2-Prüfungen bzw. 4-8 Prüfungstagen. In 2 Fragebögen war dieses Item nicht beantwortet. Für die Subgruppe der Teilnehmer, die noch keine relevante Vorerfahrung als Prüfer mitbrachte (n=29) war die Reduktion des persönlichen Stresslevels als Prüfer in den mündlich-praktischen M2-Prüfungen nach den Trainings signifikant stärker ausgeprägt als in der Subgruppe der Teilnehmer mit einer Vorerfahrung von mindestens 2 Jahren (n=32). (Mittelwert Subgruppe ohne relevante Vorerfahrung: 3,1±1,6; Mittelwert Subgruppe mit relevanter Vorerfahrung: 3,9±1,6; t(59)=2,1; p=0,04; mittlere Differenz 0,8). Weiterhin war in der Subgruppe ohne relevante Vorerfahrung die subjektiv wahrgenommene Sicherheit in der Notengebung signifikant stärker ausgeprägt als in der Subgruppe mit mindestens 2-jähriger Vorerfahrung. (Mittelwert Subgruppe ohne relevante Vorerfahrung: 2,2±0,9; Mittelwert Subgruppe mit relevanter Vorerfahrung: 2,9±1,4; t(55)=2,1; p=0,04; mittlere Differenz 0,7).

Die Subgruppe ohne entsprechende Vorerfahrung gab außerdem einen signifikant stärkeren Einfluss des M2-Trainings in Bezug auf kritischere Notengebung an. (Mittelwert Subgruppe ohne relevante Vorerfahrung: 2,5±1,3; Mittelwert Subgruppe mit relevanter Vorerfahrung: 3,3±1,4; t(59)=2,1; p=0,04; mittlere Differenz 0,8)

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass für die Ulmer Prüfer-Neulinge zusätzlich zu den oben genannten 6 hauptsächlichen Trainingseffekten signifikante positive Effekte der Prüfertrainings in den Bereichen Stressreduktion, Sicherheit in der Notengebung und kritischere Notengebung bestehen.

Teilnehmer aus den akademischen Lehrkrankenhäusern versus Teilnehmer aus dem Universitätsklinikum Ulm

Da am mündlich-praktischen Teil der Examensprüfungen sowohl Prüfer aus dem Universitätsklinikum Ulm teilnehmen als auch Prüfer aus den assoziierten Akademischen Lehrkrankenhäusern, untersuchten wir, ob sich bei diesen beiden Subgruppen signifikante Unterschiede in der Beantwortung der Umfrage ergaben. Es zeigte sich, dass in keinem der abgefragten Items ein wesentlicher Unterschied zwischen den Teilnehmern aus den Akademischen Lehrkrankenhäusern (n=32) und den Teilnehmern aus dem Universitätsklinikum (n=31) bestand.

Globale Bewertungen der Teilnehmer zum Thema mündlich-praktische Prüfungen im M2-Examen

Die Haltung der Teilnehmer zu den mündlich-praktischen Prüfungsanteilen im M2-Examen stellt sich eindeutig dar: 96% der Teilnehmer sind dafür, mündlich-praktische Prüfungsanteile im M2-Examen beizubehalten. Allerdings votierten 93% der Teilnehmer für eine Splittung der Prüfungsanteile: der schriftliche Teil des M2-Examens sollte bereits vor dem Praktischen Jahr stattfinden, der mündlich-praktische Teil dann erst nach dem PJ. Dies entspricht den Vorgaben im Referentenentwurf zur Novellierung der Approbationsordnung, wie er im Bundesrat abgestimmt wurde [http://www.bundesrat.de/cln_228/nn_1934482/SharedDocs/Drucksachen/2010/0001-0100/96-10,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/96-10.pdf]

Die überwiegende Anzahl der Teilnehmer (86%) sprach eine grundsätzliche Empfehlung zur Teilnahme an einem Prüfertraining zu Beginn der M2-Prüfertätigkeit aus.


Diskussion und Schlussfolgerungen

Die beiden Hauptfragestellungen der Studie nach den Effekten der Ulmer M2-Prüfertrainings und deren Nachhaltigkeit können positiv beantwortet werden: Es zeigen sich 6 wesentliche Trainingseffekte, die mit der Zielsetzung der Trainings gut übereinstimmen und die zur Qualitätsverbesserung mündlich-praktischer Prüfungen beitragen.

Für Prüfer ohne Vorerfahrung bestehen zusätzlich signifikante positive Effekte in den Bereichen Stressreduktion, Sicherheit in der Notengebung und kritischere Notengebung.

Interessant ist die Tatsache, dass sich die positiven Bewertungen der Teilnehmer auch dann nicht abschwächen, wenn das M2-Training schon mehr als zwei Jahre zurückliegt. Das spricht für die Nachhaltigkeit der Trainingseffekte, ähnlich wie es Hofer et al. für die Düsseldorfer Didaktik-Trainings nach einem Jahr Latenzzeit nachweisen konnten [7].

Deutlich geringer fiel in der Selbsteinschätzung der Benefit der Teilnehmer als Prüfungsvorsitzende aus. Da das Thema „Prüfungsvorsitz“ jedoch kein ausgesprochener Schwerpunkt des Trainings war, ist dies nicht überraschend; ein Ausbau des Trainings in diesem Bereich ist hier zukünftig zu erwägen.

Annähernd alle Teilnehmer sprachen sich dafür aus, mündlich-praktische Prüfungsanteile im M2-Examen beizubehalten, wenn auch zeitlich vom schriftlichen Teil des Examens abgekoppelt, und zu Beginn der Prüfertätigkeit ein entsprechendes M2-Prüfertraining zu absolvieren. Das betont die subjektiv wahrgenommene Wertigkeit mündlich-praktischer Prüfungen bei der Erfassung und Bewertung medizinischer Kompetenzen, in Ergänzung zu den schriftlichen Prüfungsanteilen im M2-Staatsexamen. Wenn auch die Gründe für die abgegebenen Voten nicht abgefragt wurden, so muss doch davon ausgegangen werden, dass die Stärken dieses spezifischen Prüfungsformats, wie die Möglichkeit zur direkten Überprüfung praktischer Fertigkeiten sowie zur direkten Entwicklung von Analyse- und Problemlöse-Algorithmen, einerseits als wesentliche Bausteine der Kompetenzüberprüfung angesehen werden, andererseits Planung und Durchführung dieses Prüfungsformats als anspruchsvoll und trainingsbedürftig betrachtet werden. Letzteres könnte auch einer der Gründe für die noch immer relativ geringe Verbreitung mündlich-praktischer Prüfungen bei den fakultätsinternen Leistungsnachweisen sein [9].

Ob die Teilnehmer aus dem Universitätsklinikum oder aus einem der Akademischen Lehrkrankenhäuser kamen, spielte im Antwortverhalten keine Rolle.

In der Konsequenz ist die Weiterführung der M2-Prüfertrainings sinnvoll, insbesondere da durch die im Universitätsbetrieb übliche hohe Fluktuation auch immer wieder „unerfahrene“ Prüfer rekrutiert werden müssen. Äußerst sinnvoll erschiene in diesem Zusammenhang sogar die Ausweitung des Angebots auch für die vorklinischen Prüfer der mündlichen Anteile der M1-Examensprüfung, entweder auf Landesebene im Rahmen des Kompetenznetz Lehre in der Medizin in Baden-Württemberg oder auf Fakultätsebene.

Einschränkend muss erwähnt werden, dass trotz der relativ großen Zielgruppe von über 300 Absolventen der Ulmer M2-Prüfertrainings nur etwas über 60 Personen auf unsere Online-Umfrage geantwortet haben. Dies erklärt sich einerseits aus einer mittlerweile bekannten Umfrage-Müdigkeit bei steigender Anzahl unterschiedlichster Online-Umfragen [15], andererseits aus der Tatsache, dass die Fluktuation der universitären Prüfer durch Stellenwechsel relativ hoch ist. Eine eingeschränkte Repräsentativität kann zu Verzerrungs-Effekten führen, beispielsweise durch die vorwiegende Teilnahme besonders positiv oder negativ engagierter Personen, d.h. von Personen, die entweder dem Training oder der mündlichen M2-Prüfung oder beidem überdurchschnittlich zustimmend oder ablehnend gegenüberstehen. Hier hätte eventuell eine landesweit durchgeführte Umfrage zu einer (absolut gesehen) quantitativen Steigerung geführt, allerdings auch hier wieder mit dem Risiko, vor allem überdurchschnittlich engagierte Prüfer (im positiven oder im negativen Sinn) als Teilnehmer zu gewinnen. Qualitativ hätte dies, trotz höherer Validität, außerdem die Einschränkung bedeutet, alle standort- und trainerspezifischen Besonderheiten der konkreten Trainings-Ausgestaltung zu vermischen und auf die Vorteile der sehr homogenen, standardisierten Durchführung zu verzichten.

Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der Tatsache, dass es sich, zumindest bei den abgefragten Trainingseffekten, jeweils um Selbsteinschätzungen der Teilnehmer und nicht um eine Interventions- oder Vergleichsstudie mit entsprechender Kontrollgruppe handelt. Die Güte von Selbsteinschätzungen wird in der Literatur in verschiedenen Studienszenarien sehr unterschiedlich beurteilt, wird aber durch Kompetenztrainings mit entsprechendem Expertenfeedback (wie in den M2-Trainings durchgeführt) im Hinblick auf die Übereinstimmung von Selbsteinschätzung und Realität günstig beeinflusst [5], [8], [11].

Da es aufgrund des hohen Impacts der mündlich-praktischen Note auf die Gesamtnote der Ärztlichen Prüfung nicht wünschenswert sein kann, im „Ernstfall Examensprüfung“ untrainierte und/oder unerfahrene Prüfer als Ausgangs- oder Vergleichsgruppe einzusetzen, wäre ein „pre-/post-Design“ letztlich auch nur unter Simulationsbedingungen realisierbar.

Zusammenfassend liefert die vorliegende Studie Hinweise, dass sich durch Prüfertrainings eine Reihe von positiven Effekten für mündlich-praktische Prüfungen erzielen lassen, die sich auch durch eine gewisse Nachhaltigkeit auszeichnen. Am stärksten profitieren dabei Prüfer zu Beginn ihrer Prüferkarriere.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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