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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Lehre 2.0 - Wie werden Social Media und Web 2.0 in die medizinische Ausbildung eingebunden? Ein systematischer Literaturüberblick

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  • corresponding author Anke Hollinderbäumer - Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Mainz, Deutschland
  • author Tobias Hartz - Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Mainz, Deutschland
  • author Frank Ückert - Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Mainz, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2013;30(1):Doc14

doi: 10.3205/zma000857, urn:nbn:de:0183-zma0008572

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2013-30/zma000857.shtml

Eingereicht: 31. Mai 2012
Überarbeitet: 5. November 2012
Angenommen: 13. November 2012
Veröffentlicht: 21. Februar 2013

© 2013 Hollinderbäumer et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Die Studierenden sind mit einem hohen multimedialen Bezug aufgewachsen. Die von ihnen genutzten Kommunikationswege sind schneller, spontaner und unabhängig von Ort und Zeit geworden. Diese neuen webbasierten Informations- und Kommunikationswege werden von Studierenden, Lehrenden und Patienten in vielfältigen Weisen genutzt. Universitäten, die diese Tools in der Lehre einsetzten, berichten über viele positive Auswirkungen auf das Lernverhalten der Studierenden. In einer systematischen Literaturübersicht wird zusammengestellt, für welche Lehr- und Lernformen Social Media und Web 2.0 Tools in der derzeitigen medizinischen Ausbildung eingesetzt werden.

Methode: Es wurde eine systematische Literaturrecherche über die letzten 5 Jahre mit MeSH in PubMed durchgeführt.

Ergebnis: Unter den 20 identifizierten Publikationen konnte nur ein deutscher Artikel identifiziert werden. Mehrheitlich stammen die Artikel aus USA und England. Neuere Veröffentlichungen befassen sich mit dem konkreten Einsatz der Tools in der Lehre. Hierzu zählen Social Networking, Podcasts, Blogs, Wikis, YouTube, Twitter und Skype.

Schlussfolgerung: Die Einbindung von Web 2.0 und Social Media stellt die heutige Form des selbstbestimmten Lernens dar. Es stimuliert die Reflektion und bindet die Lernenden aktiv, ein Wissen zu konstruieren. Mit diesen neuen Tools lernen Studierende Fertigkeiten, die sie sowohl im sozialen als auch im beruflichen Kontext benötigen.

Schlüsselwörter: medizinische Ausbildung, Social Media, Web 2.0


Einleitung

Für die heutigen Informations- und Kommunikationswege sind webbasierte Medien unerlässlich. Die schnelle Entwicklung des World Wide Web produzierte das „Web 2.0“. Die Bezeichnung „Web 2.0“ ist auf Tim O’Reilly (2005) zurückzuführen (http://www.oreillynet.com/oreilly/tim/). Er beschreibt Web 2.0 als „Architektur und Partizipation“. Im Gegensatz zu Web 1.0, das über statische Webseiten verfügt, deren Inhalte nur verändert werden, wenn die zuständigen Personen dieses veranlassen, erlauben die Techniken und Tools des Web 2.0 eine aktive Beteiligung. Die neuen Technologien wünschen das Engagement vieler. Auch Nutzer mit fehlendem oder wenig technischem Verständnis können auf einfache Weise eigene Beiträge erstellen und darüber aktiv Informationen und Meinungen einbringen. Man unterstützt sich gegenseitig ohne kommerzielle Ansprüche [1]. Die so entstehenden Gemeinschaften werden als Netzwerke oder Communities bezeichnet. Social Media – oder Soziale Medien – bündelt die Plattformen und Netzwerke, die soziale Interaktionen im Netz ermöglichen. Über die Sozialen Medien tauschen die Benutzer des Internet Erfahrungen und Meinungen aus und bewerten sich gegenseitig. Im Folgenden werden einige der Haupttools des Webs 2.0 vorgestellt [2]:

  • Blogs: Diese sind elektronische Tagebücher, die als Webseite geführt werden. Einträge, Kommentare und Notizen sind chronologisch geordnet. Themen werden von dem Autor vorgegeben. Weitere Nutzer, auch Blogger genannt, können Beiträge zu diesen Themen erstellen. Ein Blog endet, wenn der Autor es beschließt oder läuft endlos weiter. Beispiele hierfür sind Blogger (http://www.blogger.com) oder Typepad (http://www.typepad.com).
  • Twitter: Hier handelt es sich um eine Anwendung zum so genannten Mikroblogging. Angemeldete Benutzer können eigene Textnachrichten mit maximal 140 Zeichen eingeben. Diese Nachrichten werden all denjenigen angezeigt, die diesem Benutzer folgen. Es sind aber auch Interaktionen möglich. Andere Nutzer können auf die Einträge antworten. Diskussionen können entstehen. Häufig wird es verwendet, um eine bestimmte Personengruppe über aktuelle Ereignisse zu informieren (http://www.twitter.com).
  • Instant Messaging: Dies ermöglicht Echtzeit-Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Teilnehmern. Meist erfolgt es schriftlich in Form von kurzen Nachrichten (Chats), kann aber auch audiovisuell unterstützt werden z. B. Skype (http://www.skype.com).
  • Podcasting: Dieses sind audiovisuelle Dateien, einschließlich Videos, die von einzelnen Autoren erstellt und online allen Nutzern zur Verfügung stehen.
  • Wikis: Diese sind ähnlich wie Blogs, aber hier ist es erlaubt, den Text auf der entsprechenden Webseite durch andere editieren zu lassen. Hierzu wird ein gemeinsames Dokument erstellt, an dem sich viele beteiligen können. Das bekannteste Beispiel ist Wikipedia (http://www.wikipedia.org).
  • Media Sharing: Hier werden visuelle Medien hochgeladen und auf einer Webseite abgelegt, beispielsweise Flickr (http://www.flickr.com) für Fotos und YouTube (http://www.youtube.com) für Videos. Diese Medien können dann mit anderen geteilt, bewertet und kommuniziert werden.
  • Social Networking Sites: Die Seiten geben Gelegenheit, persönliche Profile und Freundschaftslisten zu erstellen. Dort können Blogs, Fotos, Musik, Videos, Gedanken und Meinungen kommuniziert werden. Diese Informationen können als „privat“ deklariert werden und stehen somit nur einer definierten Gruppe, die als „eingeladene Freunde“ bezeichnet wird, zur Verfügung. Wenn diese Einschränkung nicht durchgeführt wird, sind die Inhalte der Seiten öffentlich. Somit sind sie von allen Nutzern der Gemeinschaft einsehbar und teilbar. Das bekannteste Beispiel hierzu ist Facebook (http://www.facebook.com).

Diese Tools und Kommunikationstechniken werden von Studierenden, Lehrenden und Patienten in ihren vielfältigen Weisen zur Information und Kommunikation genutzt [3], [4], [5], [6], [7], [8], [9]. Daher sollten diese Tools auch in die Ausbildung der zukünftigen Ärzte und Ärztinnen aufgenommen werden. Universitäten, die Techniken in die Lehre einbinden, konnten zeigen, dass die Studierenden motivierter sind und lebhafter diskutieren [1], [8], [10]. Die Kommunikation in der Kleingruppenarbeit außerhalb der Universität wird erleichtert und effektiver [10]. Welche weiteren Erfahrungen gibt es hierzu? Wie binden wir in Deutschland die neuen Medien in die medizinische Ausbildung ein? Die Ärztliche Approbationsordnung in der aktuellen Fassung legt in §1 Abs.1. fest [11]: „…Die Ausbildung soll grundlegende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in allen Fächern vermitteln, die für eine umfassende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung erforderlich sind.“ „... Sie soll Grundkenntnisse der Einflüsse von Familie, Gesellschaft und Umwelt auf die Gesundheit, die Organisation des Gesundheitswesen und die Bewältigung von Krankheitsfolgen, … auf der Basis des aktuellen Forschungsstandes vermitteln….“ Somit würde die Aufnahme von Web 2.0 Tools und Social Media die Veränderungen der Kommunikations- und Informationswege beachten und die benötigten Fertigkeiten vermitteln.

Die folgende systematische Literaturübersicht wird von der Frage geleitet: Für welche Lehr- und Lernformen werden Social Media und Web 2.0 Tools in der derzeitigen medizinischen Ausbildung eingesetzt?


Methode

Zu der Fragestellung wurde am 01.05.2012 eine systematische Literatursuche unter Verwendung von PubMed durchgeführt. Genutzt wurden N=16 Suchwörter (MeSH) zu dem Oberbegriff „medical“, N=43 Suchwörter (MeSH) zu dem Oberbegriff „education“ und N=51 Suchwörter (MeSH) zu dem Oberbegriff „social media“. Durch deren Verknüpfung ergaben sich 1245 Treffer. Diese konnten mit den verwendeten limitierenden Faktoren und den entsprechenden Einschluss- und Ausschlusskriterien (vgl. Abbildung 1 [Abb. 1]) auf 84 Treffer reduziert werden. Ein limitierender Faktor war der Publikationszeitraum in den letzten fünf Jahren, der aufgrund der schnellen Entwicklung in diesem Bereich zur weiteren Einengung verwendet wurde. In der anschließenden Prüfung der Abstracts wurden Artikel zur Krankenversorgung, Patientenschulung und Patientenaufklärung ausgeschlossen. Die verbleibenden Publikationen wurden in der Volltextversion bewertet. Hiernach wurden zwei weitere Texte ausgeschlossen. Ein Text bezog sich auf die Schulung von Bibliothekaren, der andere auf das griechische Hochschulsystem. So verblieben N=20 ausführlich bewertete Publikationen.


Ergebnis

19 Publikationen beziehen sich auf die Ausbildung in England, Neuseeland, Australien und USA [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10], [12], [13], [14], [15], [16], [17], [18], [19], [20]. Es konnte nur eine deutsche Publikation identifiziert werden [21]. 12 der 20 Titel wurden in den USA verfasst [3], [5], [6], [7], [9], [12], [13], [14], [15], [16], [19], [20]. Die Designs werden nach Anwendungsartikel und Primärliteratur zu durchgeführten Studien unterschieden, die beide gleich stark vertreten sind. In der Literatur der ersten beiden Jahrgänge (2007/2008) wird das allgemeine Nutzerverhalten beschrieben [1], [2], [3], [4], [12], [13] und sich ableitende Forderungen nach dem Einsatz der neuen Medien in der medizinischen Ausbildung postuliert. Mit den Veröffentlichungen in 2009 beginnt man über negative Effekte der Nutzung von Social Media im Ausbildungskontext nachzudenken [5], [14]. Diese kritische Auseinandersetzung setzt sich in den folgenden Jahren (2010/2011) fort [7], [8], [9], [10], [15], [16], [18], [19], [21], [20]. Es erscheinen Studien zum Einsatz konkreter Web 2.0 Tools bei speziellen Lehr- und Lernformen, beispielsweise im Problemorientierten Lernen (POL) [10]. Die häufigsten in der Literatur beschriebenen Tools für die medizinische Ausbildung werden in Abbildung 2 [Abb. 2] dargestellt:

Die inhaltlichen Ergebnisse zu den einzelnen Tools werden im Folgenden beschrieben:

Der Einsatz von Social Networking [1], [2], [5], [8], [10], [17], [20] ermöglicht den Studierenden über die gewohnten Kommunikationswege Kontakt zu den Lehrenden aufnehmen zu können. Es motiviert sie eher, mit ihnen in eine Diskussion zu treten, Fragen zu stellen und eigene Gedanken mitzuteilen. Viele Studierende bemerken, dass sie sich dieses im Internet eher zutrauen als im persönlichen Kontakt [20]. Social Networking ermöglicht die Interaktion zwischen Studierenden, Lehrenden, mit der Fakultät und über Fakultäten hinweg. Auf diesem Wege können schnell Informationen weitergegeben, Projekte konstruiert und in Kleingruppen zusammen bearbeitet werden [1]. Podcasts [1], [3], [5], [8], [15], [21] werden zur Nachbereitung von Vorlesungen oder zur Nacharbeit von versäumten Lehrveranstaltungen eingesetzt. Bei der Nacharbeit anhand der Vorlesungsfolien stehen nur die wichtigsten Fragmente einer Vorlesung zur Verfügung. Bei der Verwendung von Podcasts kann der Gesamtkontext der Vorlesung erfasst und die Inhalte entsprechend eingeordnet werden [8]. Darüber hinaus wurde ein positiver Effekt nachgewiesen, wenn Studierende praktische Fertigkeiten erlernen. Hierzu hatten Studierende die Möglichkeit, in der Folgezeit per Podcasts die Fertigkeiten wiederholt nachvollziehen zu können [21]. Blogs [1], [2], [3], [5], [6], [13] können ähnlich wie Wikis eingesetzt, ergänzend aber auch als reflektierendes Tagebuch genutzt werden, in dem wichtige Erfahrungen notiert werden [1]. Über Wikis [1], [3], [5], [6], [10], [18] geben die Lehrenden ihre Materialen an die Studierenden, die sofort auf diese zugreifen können und die Möglichkeit haben, direkt mit den Lehrenden in eine interaktive Diskussion zu treten. Die vorteilhafte Nutzung von Wikis konnte auch in der Vorbereitung auf POL-Diskussionen nachgewiesen werden [10]. Die Nutzung von Wikis und Blogs vertieft das Lernen der Studierenden. Darüber hinaus lesen sie kritischer und werden zum analytischeren Denken und klarerem Schreiben angehalten [18]. Der Einsatz von Video Streams über YouTube [5], [6], [13], [19] findet schon seit längerer Zeit durch die Einbeziehung von E-Learning-Einheiten statt. Die gemeinsame Erstellung von Video Streams wird von den Studierenden sehr positiv bewertet [19]. Den Einsatz von Twitter [6], [16], [19] und Skype [19] bewerteten die Studierenden für die entsprechenden Lehreinheiten als qualitativ hochwertig.

Die differenzierte Ergebnisdarstellung kann Tabelle 1 [Anh. 1] im Anhang entnommen werden.


Diskussion

Die Literatursuche zeigt, dass Social Media und Web 2.0 Tools in die medizinische Ausbildung vermehrt eingebunden werden. Dieses belegt die zunehmende Anzahl an Studien in der Literatur seit 2010. Parallel zu der Einführung von Social Media und Web 2.0 Tools fand in Deutschland die Umsetzung der Ärztlichen Approbationsordnung statt. Mit der Etablierung eigener Curricula, der Einführung von Kleingruppenunterricht und fächerübergreifendem Unterricht waren vielerorts die Ressourcen der Hochschulen erschöpft. Bedingt durch die Implementierung der neuen Lehr- und Prüfungsformen wurden vermehrt E-Learning-Programme in die Lehre einbezogen. Somit wäre es konsequent, im nächsten Schritt die entsprechenden Social Media und Web 2.0 Tools in die Ausbildung an deutschen Fakultäten aufzunehmen. Dieses sollte nicht ohne Reflektion der Ergebnisse aus England und USA geschehen [22], [23], [24], aus denen abgeleitet werden muss, welche Tools sinnvoll in der Lehre eingesetzt werden können und welche Maßnahmen eingeleitet werden sollten, um den beschriebenen Defiziten entgegen zu wirken [25], [26], [27].

Im Folgenden werden Vorschläge zur Integration von Tools in die medizinische Ausbildung dargestellt, die in der Literatur am häufigsten beschrieben sind:

Podcasts: Diese werden in der Literatur häufig im Zusammenhang mit der Nachbereitung von Lehrveranstaltungen genannt. Diese Lernphase erwartet, wenn nicht direkt prüfungsrelevant, eine hohe intrinsische Motivation der Studierenden. Der Einsatz von Podcasts erhöht deutlich die Motivation zur Nachbereitung von Vorlesungen [1], [3], [15], [21]. In aktueller Diskussion um ein familienfreundliches Studieren werden neue Ausbildungskonzepte gefordert. Diese sollen eine „… zeitliche Flexibilität und Unabhängigkeit ermöglichen, z. B. E-Learning und Aufzeichnungen von Vorlesungen, Kompensationsmöglichkeiten für Prüfungsleistungen und anwesenheitspflichtige Veranstaltungen…“ [28]. Hierfür wäre der Einsatz von Podcasts prädestiniert.

Blogs und Wikis: Diese ermöglichen einen schnellen Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden [6]. Die Studierenden interagieren über die Unterrichtszeit hinaus. Sie erleben sich als „aktive“ Lernende und nicht als „passive“ Konsumenten von Lernmaterialien. Die Studierenden lesen kritischer und werden zum analytischen Denken und klarerem Schreiben angehalten [18]. Zusätzlich können Studierende Blogs als elektronisches Logbuch, beispielsweise im Praktischen Jahr, einsetzen. Mittels Wikis können kollaborativ Themenbereiche erarbeitet werden.

YouTube: Durch den Einsatz von Video Streams in der Lehre z. B. während der Vorlesung, können Inhalte verdeutlicht werden. Der punktuelle Einsatz von kurzen Video Streams erhöht die Aufmerksamkeit der Studierenden während der Veranstaltung, unterstützt die Einführung von Fertigkeiten oder das Darstellen von Verhaltensmustern. Eine neue Herausforderung wäre in der Erstellung von Video Streams durch die Studierenden selbst zu sehen [6], [19]. Hiermit würden über das Lernen fachlicher Inhalte hinaus soziale Fertigkeiten trainiert, z. B. Arbeiten und Kommunizieren im Team.

Social Networking: Da gerade der kommunikative Aspekt die häufigsten Ergebnisse in der Literatur aufzeigt, soll dieser ausführlicher diskutiert werden. Die Einbeziehung der Kommunikation und Informationsnutzung über Social Networking bietet eine gute Vorbereitung auf eine Arbeitswelt, die immer globaler und vernetzter wird, und in der sich angehende Mediziner genau dieser Tools bedienen und sie beherrschen müssen.

Die heutige Generation der Studierenden ist mit einem hohen technischen Bezug aufgewachsen [7]. Die hiermit verbundene veränderte Kommunikation, die schneller, spontaner und allgegenwärtig getätigt werden kann, hat auch Auswirkungen auf das Verhalten und die Erwartungen der Studierenden an die Lehre und an die Lehrenden. Die permanente Erreichbarkeit und Verfügbarkeit, das Erwarten von direkten Antworten, Feedback oder ähnlichen Reaktionen betrifft auch das Verhältnis zwischen Dozenten und Studierenden. Dieser Zugang vereinfacht Kommunikation, die jetzt nicht mehr an festgelegte Sprechzeiten gebunden ist, birgt aber auch die Gefahr der permanenten Verfügbarkeit.

Die Kommunikation zwischen den Studierenden, z. B. über Facebook, hilft Arbeitstreffen zu organisieren und vorzubereiten, denn das zunehmend projektorientierte Lernen erfordert eine hohe Vernetzung der Lernenden untereinander. Hinzu kommt die schlechte Versorgung mit Lehrflächen, die den Studierenden häufig wenige Möglichkeiten zur entsprechenden Arbeit innerhalb der Fakultäten anbietet. Somit können über Social Networking Informationen mit anderen Gruppenmitgliedern ausgetauscht und der Kontakt mit Tutoren gehalten werden [8].

In der Ausbildung müssen die Studierenden auf die veränderte Arzt-Patienten-Kommunikation vorbereitet werden. Auch Patienten kommunizieren im Internet und sind vernetzt. Sie informieren sich zu eigenen Beschwerden, Diagnosen, Therapien oder recherchieren vor anstehenden Klinikaufenthalten. Häufig werden Informationen über Ärzte abgefragt, besonders vor dem ersten Kontakt. Hierfür müssen die Studierenden sensibel sein. Es sollten ihnen entsprechende Skills zur Kommunikation mit dem „webinformierten“ Patienten, aber auch im Hinblick auf die Kommunikation im Internet vermittelt werden. Im Weiteren muss schon den Studierenden aufgezeigt werden, wie sie ihre Privatsphäre schützen und somit vermeiden können, dass Patienten ungewollte persönliche Informationen erhalten.

Als allgemeine Konsequenz für die Lehre kann aufgezeigt werden, dass mit der Aufnahme dieser neuen Tools in die Lehre neue Ausbildungsaufgaben entstehen, die sich aus den aufgezeigten Schwachstellen bzw. den offenen Fragen ergeben. Hierzu gehört die häufig vorgetragene Forderung nach Regeln und Anleitungen im Umgang mit Social Media und Web 2.0. Es muss im Weiteren geklärt werden, wer die Qualität der zur Verfügung gestellten Informationen testet und die ständig zugefügten Einträge referenziert.

Die Lehrenden müssen in einer Lernumgebung mit grenzenlosem Wissenszugriff die Inhalte filtern. Hier muss geregelt sein, wer die Verantwortung für das generierte Lehr- und Lernmaterial trägt, wenn alle die Möglichkeit haben, Lehrinhalte zur Verfügung zu stellen. Was geschieht, wenn Studierende in Prüfungen schlecht abschneiden und dieses auf Falschinformationen des webbasierten Lehrmaterials zurückführen? Häufig wird ein hochschulinternes Web gefordert, das einen geschützten Rahmen für die Studierenden darstellt. Somit ist der Zugriff begrenzt [13]. Das Angebot trifft an vielen Stellen auf Ablehnung bei Studierenden, die sich hierdurch kontrolliert fühlen [10]. Unbeantwortet bleibt in diesem Zusammenhang die Frage, von wem dieses Intranet für die Lehre betreut werden soll.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Einbindung von Web 2.0 und Social Media die heutige Form des selbstbestimmten Lernens darstellt. Es stimuliert die Reflektion und bindet Studierende aktiv, ein Wissen zu konstruieren [3]. Darüber hinaus lernen Studierenden Fertigkeiten zur Kommunikation und Teamfähigkeit, die sie sowohl im sozialen als auch im beruflichen Kontext benötigen.


Ausblick

Die Einführung der Techniken in die Lehre stellt eine neue Herausforderung an die ausbildenden Fakultäten. Diese Lehrform benötigt begleitende Lehreinheiten, welche auf die Konsequenzen des Gebrauchs von Social Media und Web 2.0 Tools hinweisen und hierzu Wissen und Fertigkeiten vermitteln. Nur so können die Studierenden adäquat vorbereitet werden. Zusätzlich bedarf es einer begleitenden Forschung, die das Lern- und Lehrverhalten untersucht und den Lernerfolg evaluiert.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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