gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Auf dem Weg zum Web 3.0: Taxonomien und Ontologien für die medizinische Ausbildung - eine systematische Literaturrecherche

Forschungsarbeit Humanmedizin

  • corresponding author Wolf E. Blaum - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Kliniken, Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Berlin, Deutschland; Charité - Universitätsmedizin Berlin, Abteilung für Curriculumsorganisation, Lernzentrum, Berlin, Deutschland
  • author Anne Jarczewski - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Abteilung für Curriculumsorganisation, Lernzentrum, Berlin, Deutschland
  • author Felix Balzer - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Kliniken, Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Berlin, Deutschland; Charité - Universitätsmedizin Berlin, Abteilung für Curriculumsorganisation, Lernzentrum, Berlin, Deutschland
  • author Philip Stötzner - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Abteilung für Curriculumsorganisation, Lernzentrum, Berlin, Deutschland
  • author Olaf Ahlers - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Kliniken, Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Berlin, Deutschland; Charité - Universitätsmedizin Berlin, Abteilung für Curriculumsorganisation, Lernzentrum, Berlin, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2013;30(1):Doc13

doi: 10.3205/zma000856, urn:nbn:de:0183-zma0008568

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2013-30/zma000856.shtml

Eingereicht: 29. Juni 2003
Überarbeitet: 5. September 2012
Angenommen: 12. Oktober 2012
Veröffentlicht: 21. Februar 2013
Veröffentlicht mit Erratum: 27. Oktober 2014

© 2013 Blaum et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Einleitung: Sowohl für die Curriculumsentwicklung und –kartierung als auch zur Orientierung innerhalb der seit Jahren zunehmenden Fülle von Lernressourcen in der medizinischen Ausbildung stellt das semantische Web („Web 3.0“) ein niedrigschwelliges, effektives Hilfsmittel dar, das es ermöglicht, inhaltlich verwandte Elemente über Systemgrenzen hinweg zu identifizieren. Voraussetzung dafür ist der Einsatz eines geeigneten strukturierten Vokabulars zur maschinenlesbaren, inhaltlichen Beschreibung von Objekten, um die bisher notwendige manuelle Verknüpfung durch eine automatisch erzeugte, inhaltsbasierte bzw. semantische Verknüpfung zu ersetzen.

Ziel dieser Arbeit ist es, existierende Taxonomien und Ontologien zur Annotation medizinischer Lernressourcen und -inhalte zusammenzustellen und anhand ausgewählter Kriterien zu vergleichen sowie auf ihre Eignung zum Einsatz im eingangs beschriebenen Kontext zu überprüfen.

Methoden: Anhand einer systematischen Literaturrecherche wurden existierende Taxonomien und Ontologien zur Beschreibung medizinischer Lernressourcen identifiziert. Für jedes so identifizierte strukturierte Vokabular wurden mittels Websuche und/oder Kontakt zu den Herausgebern Thema, Struktur, Sprache, Umfang, Wartung und Technik der Taxonomie/Ontologie ermittelt und deren Eignung für den Einsatz im semantischen Web überprüft.

Ergebnisse: In 20 identifizierten Publikationen wurden 14 strukturierte Vokabulare identifiziert, die sich in Sprache, Umfang, Aktualität und Wartung zum Teil sehr stark unterschieden.

Keines der identifizierten Vokabulare erfüllte die erforderlichen Kriterien zur inhaltlichen Beschreibung medizinischer Ausbildungsinhalte und Lernressourcen im deutschsprachigen Raum.

Diskussion: Auf dem Weg zum Web 3.0 stellen Auswahl und Einsatz eines geeigneten, deutschsprachigen Vokabulars zur maschinenlesbaren, inhaltlichen Beschreibung von Objekten ein relevantes Problem dar. Mögliche Lösungsansätze umfassen die Neuentwicklung, die Übersetzung und/ oder die Kombination vorhandener Vokabulare, ggf. mit einer teilweisen Übersetzung englischsprachiger Vokabulare.

Schlüsselwörter: medizinische Ausbildung, semantisches Web, Web 3.0, Taxonomie, Ontologie, curriculares Mapping, Curriculumskartierung, e-learning, neue Medien


Autorenschaft

Die Autoren Blaum und Jarczewski haben zu gleichen Teilen beigetragen.


Einleitung

Die seit Jahren zunehmende Fülle von insbesondere online verfügbaren Lernressourcen in der medizinischen Ausbildung kann derzeitig kaum sinnvoll genutzt werden, weil es für Lehrende und Lernende an einem systematischen und einfachen Zugang zu deren Inhalten fehlt [1]. Die stetig steigende Zahl von verfügbaren Quellen stellt Studierende zunehmend vor die Schwierigkeit, thematisch passende, qualitativ hochwertige und didaktisch sinnvolle Angebote, welche zudem ihrem Ausbildungsniveau entsprechen, in einem Meer von Möglichkeiten zu identifizieren.

Eine beachtliche Zunahme von Ressourcen erlebt dabei insbesondere das computerbasierte Lernen. In einem kürzlich erschienenen Review zum Effekt von computerbasierten virtuellen Patienten – einer Teilmenge der computerbasierten Ressourcen – haben Cook et al. allein zu diesem Thema 698 Publikationen identifiziert [2]. Gleichzeitig wird das PC-basierte Lernen mit der Immatrikulation der „Generation Y“ zunehmend wichtiger [3].

Lehrende und Planende stehen darüber hinaus vor der Herausforderung, die inhaltlichen Zusammenhänge in den von ihnen verantworteten Curricula darzustellen (zu kartieren) [4], was bisher eine manuelle Verknüpfung von curricularen Elementen voraussetzt.

Semantisches Web

Besonders die Entwicklung des Internets hin zum semantischen Web (Web 3.0) birgt ein erhebliches Potential zur inhaltlichen Verknüpfung von Lernressourcen ebenso wie zum Einsatz in der Curriculumskartierung [5], [6].

Während die Inhalte des Internets in seiner Entstehung im Wesentlichen bestimmt waren durch von wenigen Autoren bereit gestellte Informationen für ein breites, konsumierendes Publikum, ist das aktuelle „Web 2.0“ gekennzeichnet durch vom Nutzer erzeugte Inhalte [7]. Den Daten beider Versionen ist gemein, dass die darin enthaltenen Informationen ausschließlich von Menschen verstanden und interpretiert werden können. Jede inhaltliche Verknüpfung der Daten setzt demnach eine menschliche Aktion voraus.

Der Begriff „Web 3.0“ (auch „semantic Web“ genannt) bezeichnet ein Konzept zur Speicherung von Daten im Netz, welches durch Hinzufügen von maschinenlesbaren Metainformationen (z. B. mittels strukturierter Vokabulare) die Möglichkeit bietet, inhaltliche Verknüpfungen zwischen Datenobjekten von Maschinen automatisch generieren bzw. aufdecken zu lassen [8]. Voraussetzung dafür ist eine maschinell lesbare, inhaltliche Beschreibung der in den Daten enthaltenen Informationen [6], [9].

Eine geeignete Art der inhaltlichen Beschreibung ist der Einsatz strukturierter Vokabulare. Dabei wird jede Ressource mit definierten Begriffen eines strukturierten Vokabulars verschlagwortet.

Taxonomie und Ontologie

Taxonomien und Ontologien stellen formalisierte Vokabulare zur inhaltlichen Beschreibung (semantische Annotation) von Objekten, wie zum Beispiel Lernressourcen, dar [10]. Durch die darüber hinaus in Taxonomien hinterlegten Beziehungen der Vokabeln untereinander kann eine (manuell angestoßene) automatische Suche Lernressourcen mit inhaltlich ähnlichen Beschreibungen auch an voneinander unabhängigen Orten identifizieren [1], [11], [12].

Die Beziehungen der Vokabeln einer Taxonomie sind in der Regel monohierarchisch, jeder Vokabel sind also exakt eine (oder keine) übergeordnete Vokabel („ist ein“- oder „ist Teil von“ - Beziehung) und beliebig viele nachgeordnete Vokabeln zugeordnet. Ein klassisches Beispiel einer streng monohierarchischen Taxonomie ist die International Classification of Diseases http://www.dimdi.de/static/de/klassi/index.htm. Ontologien hingegen bilden auch polyhierarchische Strukturen mit der Zuordnung einer Vokabel zu mehr als einer übergeordneten Vokabel ab. Grundlegender Unterschied zu Taxonomien ist dabei, dass keine sprachlichen Konstrukte, sondern logisch definierte Formalismen dafür verwandt werden, Gegenstände und Zusammenhänge der Realwelt zu definieren. Durch diese Unabhängigkeit von sprachlichen Eigenschaften stellen Ontologien ein solides Instrumentarium für semantische Beschreibungen dar und können so eine große Hilfe in der Standardisierung von Begrifflichkeiten bieten [13].

Ein bekanntes Beispiel einer polyhierarchischen Ontologie mit Äquivalenzbeziehungen sind die Medical Subject Headings http://www.nlm.nih.gov/mesh/, die zur Beschreibung von in Medline indizierten Publikationen verwendet werden. Abbildung 1 [Abb. 1] verdeutlicht die Unterschiede zwischen Taxonomie und Ontologie.

Taxonomien und Ontologien sind prinzipiell geeignet, inhaltliche Zusammenhänge auch zwischen Objekten herzustellen, die in voneinander unabhängigen Systemen existieren. So können sie beispielsweise helfen, notwendige aber aufwendige manuelle Verknüpfungen zwischen verschiedenen Outcomeframeworks [14] oder Lernzielkatalogen [15], wie sie unter anderem in einer Minderheit der Ansätze zur Curriculumskartierung genutzt werden [5], [16], zumindest entscheidend vorzubereiten, wenn nicht sogar zu automatisieren.

In der Vorbereitung auf die hier dargestellte Arbeit konnten die Autoren keine allgemein akzeptierten Kriterien zur Beschreibung und zum Vergleich strukturierter Vokabulare identifizieren.

Fragestellung

Bei der Auswahl einer geeigneten Taxonomie bzw. Ontologie sehen sich medizinische Fakultäten einer Vielzahl von unterschiedlich umfangreichen, gewarteten und verfügbaren Angeboten gegenüber. Ziel dieser Arbeit ist es, existierende Taxonomien und Ontologien zur Annotation medizinischer Lernressourcen und -inhalte zusammenzustellen, anhand hierfür entwickelter Kriterien zu vergleichen und auf ihre Eignung für den Einsatz im semantischen Web zu untersuchen.


Methoden

Im ersten Schritt wurde eine Literaturrecherche in den Datenbanken der GMS (German Medical Sciences) http://www.egms.de/dynamic/de/index.htm im Juni 2011 durchgeführt, um Publikationen zu identifizieren, die entweder mindestens eine Taxonomie oder Ontologie für die medizinische Ausbildung oder deren dortigen Einsatz beschreiben. Die Suchbegriffe sind in Tabelle 1 [Tab. 1] links zusammengestellt.

Bei dieser Recherche konnten fünf strukturierte Vokabulare identifiziert werden.

Die Autoren extrahierten aus diesen Publikationen im Konsens Kriterien zur Beurteilung der Eignung eines Vokabulars für die Annotation von Elementen der medizinischen Ausbildung.

Diese extrahierten Kriterien umfassen:

  • Thema des Vokabulars: es sollen Ausbildungsformate und -methoden und biomedizinische Inhalte beschreibbar sein.
  • Struktur: Das Vokabular soll durch eine Vielzahl an unterschiedlichen Nutzern zur Beschreibung von Inhalten einsetzbar sein und deshalb Synonym- und Äquivalenzbeziehungen zwischen Termini unterstützen.
  • Sprache: Die zu identifizierenden Vokabulare sollen von deutschsprachigen Lehrenden und Lernenden einsetzbar sein.
  • Umfang: Das Vokabular soll einerseits fein granular genug sein, um Inhalte und Methoden des Medizinstudiums im deutschsprachigen Raum differenziert zu beschreiben, andererseits die annotierenden Nutzer aber nicht durch zu feine Granularität zu irrelevanten Unterscheidungen zwingen.
  • Wartung: Um nachhaltig einsetzbar zu sein, sollte das Vokabular durch eine feste Institution oder Organisation wenigstens jährlich gewartet sein.
  • Technik: Datenformat, Verfügbarkeit und Urheberrecht des Vokabulars sollten einen kostengünstigen Einsatz zur webbasierten Beschreibung von Ressourcen und Elementen medizinischer Curricula ermöglichen.

Im zweiten Schritt wurde die systematische Literaturrecherche im Juni und Juli 2011 auf die Datenbanken Medline http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed und GMS http://www.egms.de/dynamic/de/index.htm unter Einsatz von 7 zusätzlichen, englischsprachigen Suchbegriffen ausgeweitet. Die zusätzlichen Suchbegriffe sind in Tabelle 1 [Tab. 1] rechts zusammengestellt. Anhand der Abstracts der gefundenen Artikel wurden alle Publikationen mit Bezug zur medizinischen Ausbildung, die ein formalisiertes Vokabular beschreiben, zur weiteren Analyse ausgewählt und die in der Publikation beschriebene(n) Taxonomie(n) und Ontologie(n) identifiziert.

Zu jedem derart identifizierten strukturierten Vokabular wurde eine Websuche durchgeführt sowie die Herausgeber zu Aktualität, Nutzung, Größe und technischen Details wie Datenformat befragt.

Wo kein Herausgeber des Vokabulars zu eruieren war, wurden die Autoren der beschreibenden Publikationen angeschrieben.

Für jedes strukturierte Vokabular wurden so Sprache, Hierarchieform, Art der Querverweise, Thematik/Fachgebiet, Größe, Aktualität und Pflege, Format und Verfügbarkeit ermittelt.


Ergebnisse

Es konnten 601 Publikationen mit der beschriebenen Suchstrategie gefunden werden. Anhand der Abstracts dieser Publikationen wurden 20 Artikel identifiziert, die die Entwicklung oder den Einsatz eines strukturierten Vokabulars in der medizinischen Ausbildung beschreiben.

In den 20 identifizierten Artikeln werden 14 verschiedene strukturierte Vokabulare beschrieben. Vier davon sind explizit für die Beschreibung von Ausbildungsformaten und -methoden entwickelt.

Mit dem „Unified Medical Language System“ (UMLS) existiert darüber hinaus eine Metaontologie, die ein semantisches Netz von über 130 einzelnen Terminologien umfasst.

Struktur, Anwendungsgebiete und Sprache

Die 14 identifizierten Vokabulare konnten einem von drei primären Anwendungsgebieten zugeordnet werden. Diese umfassen „Ausbildungsformate und -methoden“, „biomedizinische Inhalte“ sowie „Dokumentation und Verwaltung“ (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Im Wesentlichen unterscheiden sich die Vokabulare jedoch in ihrem Aufbau durch die Art der Verknüpfungen zwischen ihren Termini: Die polyhierarchischen Ontologien einerseits umfassen in aller Regel nicht nur Eltern-Kind-Beziehungen zwischen den Termini, sondern ermöglichen auch Äquivalenz- und Assoziationsverweise. Die hier beschriebenen monohierarchischen Taxonomien andererseits lassen regelhaft nur eine Form von Verknüpfung ihrer Termini zu und sind allenfalls teilweise um eine Verknüpfung vom Typ „Synonym“ ergänzt. Die einem Vokabular zugrunde liegende Struktur richtet sich bei den hier Betrachteten wesentlich nach dem Zweck und den durch das Vokabular zu beschreibenden Inhalten. Die eher zur Verwaltung und Dokumentation entwickelten Vokabulare folgen einer monohierarchischen Struktur, die Ontologien zur Beschreibung von Ausbildungsformaten und -methoden sind, ebenso wie jene zur Beschreibung biomedizinischer Inhalte, polyhierarchisch strukturiert.

Weitere zentrale Unterscheidungsmerkmale innerhalb dieser Anwendungsgebiete, wie Sprache und Umfang, sind ebenfalls in Tabelle 2 [Tab. 2] aufgeführt.

Drei der identifizierten Vokabulare zur Beschreibung von Ausbildungsformaten und -methoden liegen primär in Englisch, “Topics for Indexing Medical Education“ (TIME) darüber hinaus auch in Französisch vor. Die TIME-Ontologie ist zur inhaltlichen Beschreibung medizinischer Lehr- und Lerninhalte konzipiert, mit der Taxonomie der „Medical Education Taxonomy Research Organization“ (METRO) können vor allem Methoden und Prozesse der medizinischen Ausbildung annotiert werden. Der „British Education Thesaurus“ (BET) ist ein allgemeiner Ausbildungsthesaurus ohne spezifischen Bezug zur Medizin.

Mit der “Ontology of Bio-Medical Educational Objectives“ (OBEO) steht darüber hinaus eine deutschsprachige Ontologie zur semantischen Annotation vor allem von Lernzielen in der medizinischen Ausbildung zur Verfügung.

Gleichzeitig sind die für die Annotation biomedizinischer Inhalte vorgesehenen Vokabulare teilweise sehr umfangreich und / oder stark spezialisiert. Lediglich vier von ihnen sind für die umfassende Beschreibung der Medizin entwickelt und fokussieren nicht auf ein Themengebiet wie beispielsweise die Anatomie, Onkologie oder Pharmazie (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]), sondern eignen sich zur Beschreibung eines umfassenden Teils der biomedizinischen Inhalte.

Umfang, Wartung und Technik

Während der BET die umfangreiche Annotation von allgemeinen Ausbildungsinhalten ermöglicht, sind die Möglichkeiten zur Beschreibung medizinspezifischer Inhalte mit diesem Thesaurus eingeschränkt. Wie aus Tabelle 2 [Tab. 2] ersichtlich, sind die anderen drei identifizierten Vokabulare (METRO, OBEO und TIME) zur Beschreibung von Ausbildungsformaten und -methoden weniger umfangreich als die Vokabulare zur Beschreibung von biomedizinischen Inhalten oder Inhalten der Verwaltung und Dokumentation.

Umgekehrt sind die vier identifizierten Vokabulare zur umfassenden Beschreibung biomedizinischer Inhalte teilweise sehr umfangreich, wie aus Tabelle 2 [Tab. 2] ersichtlich.

Um aus diesen Vokabularen zur entweder inhaltlich-biomedizinischen oder methodisch-didaktischen Beschreibung von Objekten ein je nach Anwendungsgebiet geeignetes Vokabular wählen zu können, sind in Tabelle 3 [Tab. 3] Daten zu Aktualität und Pflege, Datenformat und Kosten für diese sieben Ontologien – drei zur Beschreibung von Ausbildungsformaten und -methoden, vier zur Beschreibung biomedizinischer Inhalte – zusammengestellt.


Diskussion

Die Nutzung strukturierter Vokabulare, wie sie Taxonomien und Ontologien darstellen, ermöglicht den maschinellen Vergleich und Austausch von Daten zwischen Institutionen und Systemen [17] und den Vergleich unterschiedlicher Inhalte mit automatischer Identifikation von inhaltlichen Schnittmengen zwischen zwei Informationsmengen: Dadurch wird beispielsweise der automatische Abgleich eines medizinischen Curriculums mit beliebigen Outcomeframeworks möglich [15] – eine Funktion, die nicht zuletzt im Rahmen von Akkreditierungen von besonderem Interesse sein dürfte [4].

Da die Vokabulare prinzipiell zur formalen inhaltlichen Beschreibung beliebiger Objekte einsetzbar sind, können neben klassischen Ressourcen wie Büchern, Medien und Programmen auch Kurse, Lernziele oder Prüfungsfragen und jede Form von Onlineressource annotiert und damit Ausgangspunkt oder Ergebnis einer Suche nach thematisch verwandten Objekten werden. Einige wenige Implementierungen curricularer Kartierung greifen diese Möglichkeit auf, um die inhaltlichen Zusammenhänge von Elementen eines Curriculums aufzuzeigen [5], [15]. Durch die maschinenlesbare inhaltliche Beschreibung von Lernmodulen in e-learning-Systemen mit Hilfe von Taxonomien könnten die Nutzer solcher Module automatisch auf thematisch verwandte Module in denselben (oder auch anderen) e-learning-Plattformen verwiesen werden.

Formalisierte inhaltliche Beschreibungen von Ressourcen sind zudem flexibel zu durchsuchen und leicht zu warten [8].

Der Einsatz solcher Vokabulare setzt die konsequente Annotation aller neuen Objekte mittels des definierten Vokabulars voraus, was einen Mehraufwand beim Erstellen neuer Inhalte bedeutet. Gleichzeitig entfällt die Notwendigkeit der manuellen Verknüpfung neuer Inhalte. Das semantische Beschreiben von Objekten wird also erst mit zunehmendem Umfang an Inhaltselementen effizient.

Im deutschsprachigen Raum konnte keine ad hoc nutzbare Taxonomie oder Ontologie zur Annotation von Ressourcen und Inhalten der medizinischen Ausbildung identifiziert werden.

Die in deutscher Sprache verfügbaren strukturierten Vokabulare sind entweder - wie etwa OBEO - bisher nicht fein granular genug, um eine sinnvolle inhaltliche Unterscheidung zwischen Lernressourcen zu ermöglichen oder zwar sehr fein granular, aber eher für die inhaltliche Annotation von Patientendaten (SNOMED-CT) oder biomedizinischen Publikationen (MeSH) geeignet.

Die teilweise erheblichen Unterschiede im Umfang zwischen den identifizierten Vokabularen, die vor allem aus den sehr spezifischen Einsatzgebieten wie etwa der Beschreibung von Unterrichtsformaten (METRO), resultieren, werfen die Frage auf, ob die Granularität ausreichend fein zur differenzierten Annotation von Inhalten und Methoden der medizinischen Ausbildung ist.

Die in englischer Sprache verfügbaren, speziell für die Domäne der medizinischen Ausbildung entwickelten Ontologien, wie TIME oder METRO, müssten zudem zunächst ins Deutsche überführt werden. Dabei entstehen Probleme in der Auswahl inhaltlicher Entsprechungen. So findet der englischsprachige Begriff „medical education“ eine deutsche Entsprechung nur in der Trias aus medizinischer Aus-, Fort- und Weiterbildung, die im Englischen wiederum eher den Begriffen „graduate- “ , „continous- “ und „postgraduate- “ medical education entsprechen.

Ein weiteres Problem einer Übersetzung ist die Frage, ob und wie eine Übersetzung an die mögliche Weiterentwicklung und Pflege des originalsprachlichen Vokabulars gebunden werden kann.

Eine alternative Neuentwicklung einer primär deutschsprachigen Ontologie ist jedoch in jedem Fall mit erheblichem Aufwand verbunden.

Auffällig bei den identifizierten und in Tabelle 3 [Tab. 3] zusammengefassten Vokabularen ist insbesondere, dass alle wenigstens online verfügbar sind und teilweise direkt Technologien des Internets wie etwa XML als Datenformat einsetzten. Obwohl sie nicht primär für den Einsatz im Web entwickelt wurden, sind sie demnach jedoch zumindest dafür geeignet. Die technischen Grundlagen auf dem Weg zum Web 3.0 sind damit gelegt [9].

Limitationen

Wie jede Literaturrecherche ist diese Arbeit limitiert durch Suche und Auswahl der verwendeten Publikationen.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass strukturierte Vokabulare existieren, zu denen keine in den verwendeten Datenbanken indizierten Publikationen vorliegen.

In der Vorbereitung auf die hier dargestellte Arbeit konnten die Autoren keine allgemein akzeptierten Kriterien zur Beschreibung und zum Vergleich strukturierter Vokabulare identifizieren. In einem ersten Schritt wurden deshalb zunächst in einer Teilmenge der durchsuchten Datenbanken Taxonomien identifiziert und aus diesen Publikationen die von den jeweiligen Autoren selbst verwendeten Kriterien zur Beschreibung ihres strukturierten Vokabulars ermittelt. Aus diesen Kriterien wurden für diese Arbeit im Konsens solche extrahiert, die den Autoren geeignet erscheinen, Taxonomien für die medizinische Ausbildung miteinander zu vergleichen. In der Auswahl dieser Kriterien haben die Autoren sich um die Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf die Situation an den deutschsprachigen medizinischen Fakultäten bemüht. Lokal könnten andere oder weitere, hier nicht behandelte Kriterien von Bedeutung sein.


Fazit

Die inhaltliche Beschreibung (semantische Annotation) von medizinischen Lernressourcen bietet die Möglichkeit, inhaltlich verwandte Elemente über Systemgrenzen hinweg zu identifizieren. Bisher existiert keine geeignete deutschsprachige Taxonomie oder Ontologie, um eine systematische Ressourcenbeschreibung für Medizinstudierende in Deutschland zu realisieren und das Potential des Web 3.0 zur Unterstützung der Curriculumskartierung nutzen zu können. Mögliche Ansatzpunkte sind die Neuentwicklung eines geeigneten strukturierten Vokabulars, die Übersetzung existierender englischsprachiger Vokabulare oder eine Kombination aus bestehenden Teilvokabularen, ggf. mit einer teilweisen Übersetzung englischsprachiger Vokabulare.


Anmerkung

WB leitet das Lernzentrum der Charité und ist Mitglied der GMA und deren Ausschüsse „Praktische Fertigkeiten“ und „Methodik der Ausbildungsforschung“. AJ und PS sind studentische Tutor/-innen des Lernzentrums und Studierende der Charité. FB ist Co-Entwickler der OBEO. OA leitet die Abteilung für Curriculumsorganisation der Charité und ist Mitglied der GMA und deren Ausschuss „Methodik der Ausbildungsforschung“.


Danksagung

Die Autoren danken Dr. Ullrich Woermann, Bern sowie zwei anonymen Reviewern für Ihre kollegiale und konstruktive Kritik am Manuskript und Rudi Mörgli für die Übersetzung des Manuskripts ins Englische.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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Erratum

Der Nachname der Autorin Anne Jarczewski wurde zunächst irrtümlich mit „Jarczweski" angegeben.