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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Dietmar Kreikenbohm-Romotzky: Die Medizinischen Fakultäten in Nordrhein-Westfalen: Strukturdeterminanten, Aufgabengebiete, Kompetenzen und Entwicklungsperspektiven

Buchbesprechung Humanmedizin

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GMS Z Med Ausbild 2012;29(4):Doc50

doi: 10.3205/zma000820, urn:nbn:de:0183-zma0008209

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2012-29/zma000820.shtml

Eingereicht: 31. Januar 2011
Überarbeitet: 22. Mai 2012
Angenommen: 22. Mai 2012
Veröffentlicht: 8. August 2012

© 2012 Putz.
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Bibliographische Angaben

Dietmar Kreikenbohm-Romotzky

Die Medizinischen Fakultäten in Nordrhein-Westfalen: Strukturdeterminanten, Aufgabengebiete, Kompetenzen und Entwicklungsperspektiven

Südwestdeutscher Verlag für Hochschulschriften

Erscheinungsjahr: 2009, 256 Seiten, € 98,00


Rezension

Das Buch mit dem etwas sperrigen Titel „Die Medizinischen Fakultäten in Nordrhein-Westfalen, Strukturdeterminanten, Aufgabengebiete, Kompetenzen und Entwicklungsperspektiven“ überrascht in vielfacher Hinsicht. Man erwartet sich – dem Titel entsprechend – zuerst nur eine detaillierte Übersicht über die sechs nordrhein-westfälischen medizinischen Fakultäten, findet diese dann aber eingebettet in eine breite Diskussion über die theoretischen Grundlagen der tertiären Bildungsstufe wie auch über die Entwicklung der universitären Medizin und ihre politischen Determinanten. Sehr bald wird bei der Lektüre offenkundig, dass für den Autor der Hochschulmedizin für die Weiterentwicklung der Universitäten und ihrer tragenden Rolle im Staatssystem eine zentrale Bedeutung zukommt.

Bemerkenswert ist schon das Einleitungskapitel dieses Buches. Es legt in freundlichen Worten, aber dennoch in entschiedener Klarheit die der derzeitigen prekären Situation der Medizinischen Fakultäten in Deutschland zugrundeliegenden grundsätzlichen, im Wesentlichen aus der Politik herzuleitenden Probleme dar. Obwohl der Autor von einer eher pessimistischen Sicht ausgeht, ist es sein Anliegen, den universitären Verantwortlichen Entscheidungshilfen für die Weiterentwicklung der ihnen anvertrauten Einrichtungen an die Hand zu geben.

Unmissverständlich legt der Autor nach Bewertung verschiedener wissenschafts-theoretischer Ansätze offen, dass er sich in seinem Untersuchungsansatz im Wesentlichen an die Kritische Theorie der Frankfurter Schule anlehnen will, dabei aber in keiner Weise einen Wahrheitsanspruch für seine Analysen und Befunde ableitet. Auch ist für ihn öffentlich finanzierte medizinische Forschung und Lehre kein Selbstzweck, sondern Grundlage für die optimale Gesundheitsversorgung gegenwärtiger und zukünftiger Generationen.

Als Hauptproblem sieht der Autor unter Bezug auf den Wissenschaftsrat, dass Gesundheit und Bildung, Forschung und Lehre von der Politik wesentlich nur als Kostenfaktor gesehen werden und nicht als Voraussetzung für Produktivität und Wachstum der Volkswirtschaft sowie als Grundlage für eine humane Gesellschaft.

So wird es verständlich, dass hier die Herausforderungen der medizinischen Ausbildungsstätten wie des Gesundheitswesens im Allgemeinen in den größeren Rahmen grundsätzlicher sozioökonomischer Theorien gestellt werden und auch die Entwicklung des Gesundheitsmarktes, der Instrumente der Qualitätssicherung und der Einfluss der Gesundheitslobby sowie der Gesellschaftsstrukturwandel von zahlreichen Daten unterlegt in beispielhaft komprimierter Form Berücksichtigung finden.

Erhellend sind die Kapitel, in denen die finanzielle Situation der nordrhein-westfälischen Universitäten dargelegt wird. Dabei wird deutlich, dass gegenüber der Entwicklung in anderen Bundesländern durchaus ein Aufwärtstrend feststellbar ist. Klar wird allerdings auch, unter welch enormem Druck die Universitäten in ihrem Bemühen stehen, sich aus einem kaum mehr überschaubaren Kompetenzgewirr über verschiedenste Programme und Fördereinrichtungen die Mittel für ein erfolgreiches Behaupten in der internationalen Wissenschaftsszene zu beschaffen. Die Exzellenzinitiative des Bundes mit ihren durchschlagenden Auswirkungen auf die deutsche Forschungslandschaft wird dabei vom Autor im Sinne einer universitären Weiterentwicklung als durchaus zielführend und erfolgreich angesehen.

Sehr deutlich arbeitet der Autor heraus, dass die Besoldungsstruktur trotz des vollmundigen Anspruchs von Leistungsorientierung letztlich mehr oder weniger als Sparprogramm mit allen negativen Folgen für die Motivierung junger Menschen, in eine universitäre Laufbahn einzusteigen, anzusehen ist.

Bezogen auf NRW werden mit einer gewissen Zurückhaltung das Hochschulfreiheitsgesetz (HFG) wie auch das Hochschulmedizingesetz (HMG) und ihre Konsequenzen für die Interaktion der verschiedenen Ebenen der Universität erläutert. Von nach wie vor aktuellem Interesse ist die Gegenüberstellung von Integrations- und Kooperationsmodell sowie die Erläuterung der verschiedenen in Deutschland etablierten Rechtsformen im Betrieb der Klinika.

Wenn im abschließenden Kapitel des Buches eine ganze Reihe von Forderungen und Empfehlungen aufgelistet werden, so erweisen sich diese aus der grundsätzlichen Diskussion in den Vorkapiteln konsequent abgeleitet. Es bleibt erfreulicherweise nicht bei der allgemeinen Forderung nach höherer Finanzierung; der Bedarf an zusätzlichen Mitteln ist vielmehr jeweils klar begründet; auch die verschiedenen Modelle einer leistungsorientierten Mittelvergabe werden dargestellt.

Der Autor bleibt eben nicht nur an Finanzierungsfragen hängen, er erhebt durchaus seine Stimme zur Forderung nach einem strukturellen Umbau der Fakultäten in Richtung auf Bildung von Departments und Umstellung auf ein BA/MA-System in der Ausbildung bis hin zu einem dringend notwendigen neuen Verständnis von universitärem (professionellem) Management.

Resümmee:

Dieses Buch ist eine Fundgrube für jeden, der – am Beispiel der Universitäten in NRW – an der Diskussion um Lage und Entwicklungsmöglichkeiten der Medizinischen Fakultäten und ihrer Klinika in Deutschland interessiert ist. Es ist der große Vorzug des Werkes, dass es neben einer klaren Darstellung der wichtigsten Kennzahlen diese in den Kontext der theoretischen Grundlage der universitären Ausbildung stellt. Gerade akademische Verantwortungsträger, die sich gerne auf die engere universitäre Sichtweise zurückziehen, finden hier in sauber aufbereiteter Weise eine Vielzahl von aktuellen Daten, die jegliche Diskussion bereichern und klären können. Auch finden sich umfassende Übersichten über rechtliche Grundlagen. Aus den einleuchtenden und anschaulich formulierten Schlussfolgerungen lassen sich damit fundierte und sehr praxisnahe Empfehlungen ableiten. Etwas plakativ ausgedrückt kann man feststellen, dass in diesem Buch zwar alle üblichen Schlagworte in dieser Diskussion bemüht werden, dass sie aber im Gegensatz zu vielen oft unzulässig vereinfachenden Publikationen hier mit Daten und sachlicher Substanz diskutiert werden. Es erübrigt sich fast festzustellen, dass das Buch ein umfassendes Literaturverzeichnis enthält.

Es ist zu wünschen, dass sich viele politische Entscheidungsträger und auch die Verantwortlichen in den Universitäten insbesondere mit den Kapiteln 2 und 5 auseinandersetzen. Ist das Interesse einmal geweckt, werden die übrigen Kapitel viel zum Verständnis der besonderen Situation der medizinischen Ausbildung an unseren Universitäten beitragen.


Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass er keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.