gms | German Medical Science

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Die angestrebte oder befürchtete berufliche Zukunft von Wittener Medizinstudierenden

Forschungsarbeit Humanmedizin

  • corresponding author Michaela Zupanic - Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Institut für Didaktik und Bildungsforschung im Gesundheitswesen, Witten, Deutschland
  • author Marzellus Hofmann - Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Studiendekanat, Witten, Deutschland
  • Dorothea Osenberg - Ruhr-Universität Bochum, Medizinische Fakultät, Abteilung für Allgemeinmedizin, Bochum, Deutschland
  • Kerstin Gardeik - Universität Witten/Herdecke, Campus Relations, Witten, Deutschland
  • author Paul Jansen - Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Witten, Deutschland
  • author Martin R. Fischer - Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Institut für Didaktik und Bildungsforschung im Gesundheitswesen, Witten, Deutschland; Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Studiendekanat, Witten, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2011;28(2):Doc25

doi: 10.3205/zma000737, urn:nbn:de:0183-zma0007377

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2011-28/zma000737.shtml

Eingereicht: 5. September 2010
Überarbeitet: 13. Februar 2011
Angenommen: 16. März 2011
Veröffentlicht: 16. Mai 2011

© 2011 Zupanic et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Die aktuellen bildungspolitischen Herausforderungen scheinen sich als direkte Reaktion auf Änderungen im Gesundheitssystem zu manifestieren, um den Befürchtungen von Ärztemangel, Versorgungsengpass und Abwanderung von qualifizierten Fachärzten entgegen zu wirken. Deshalb wurden mit einer Online-Befragung die Erwartungen, Wünsche und Befürchtungen von Wittener Medizinstudierenden bzgl. des antizipierten beruflichen Alltags als Ärztin oder Arzt erfasst. Zum direkten Vergleich standen die Ergebnisse einer bundesweiten Online-Umfrage zur Zukunft von Medizinstudierenden zur Verfügung. Dabei zeigen sich Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Gruppen bzgl. der angestrebten Fachrichtung und der Planung einer Niederlassung, aber auch deutliche Unterschiede in der Einschätzung zukünftiger beruflicher Problemfelder.

Schlüsselwörter: Medizinstudierende, Gesundheitssystem, beruflicher Alltag bei Ärztinnen und Ärzten, Universität Witten/Herdecke, Online-Umfrage Medizin und Zukunft


Einleitung

Die Diskussion um die ärztliche Versorgung in Deutschland auf dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wird in jüngster Zeit intensiv und öffentlich geführt mit den Schlagwörtern Ärztemangel, Versorgungsengpass und Abwanderung. Demgegenüber zeigt die Ärztestatistik der Bundesärztekammer [1] auf, dass sich sowohl die Zahl der ärztlich Tätigen, als auch die Zahl der Ärztinnen und Ärzte ohne ärztliche Tätigkeit in 2009, wie schon in den Jahren zuvor, erhöht hat mit einer Steigerungsrate um 2%. Auch die Zahl der Auswanderungen (insgesamt 2.486), zum größten Anteil in das deutschsprachige Ausland (701 in die Schweiz, 262 nach Österreich), hat nachgelassen und liegt wieder auf dem Niveau von 2007 [2].

Als problematisch wird aber der kontinuierliche Anstieg des Durchschnittsalters der unter 69-jährigen Vertragsärzte auf 51.9 Jahre in 2009 bewertet [3]. Dabei sind die ärztlichen Psychotherapeuten mit 53.6 Jahren die älteste Facharztgruppe, gefolgt von den Allgemeinärzten/Praktischen Ärzten mit 53.1 Jahren. Ein Ärztemangel durch die fortschreitende Überalterung und daraus folgend ein drohender Versorgungsengpass in Deutschland kann vor allem für die ländlichen Gebiete konstatiert werden. Als mögliche Gründe für die sinkende Attraktivität des Arztberufes werden u.a. die höhere Arbeitsbelastung und ein nicht leistungsadäquates Einkommen angesehen [4]. Gesundheitsminister Rösler (FDP) schlug als Lösungsansatz vor, bei der Vergabe von Studienplätzen im Fach Medizin Bewerber zu bevorzugen, die sich für mehrere Jahre als Landarzt verpflichten [5]. Mit einer „Landarztquote“, neuen Auswahlkriterien und Erhöhung der Zahl der Studienplätze könne eine bessere ärztliche Versorgung ländlicher Gebiete erreicht werden. Fraglich bleibt dabei, ob eine solche Entscheidung junger Menschen zu Beginn ihres Studiums tatsächlich in die gewünschte Facharztausbildung und anschließende Niederlassung auf dem Land führen wird [6].

Welche Reaktion zeigen nun diejenigen, die noch am Anfang ihres beruflichen Weges stehen und neben individuellen Neigungen und Präferenzen bei ihrer Wahl der zukünftigen Fachrichtung vielleicht auch die skizzierten Diskussionen und Entwicklungen in Deutschland mit berücksichtigen? Dieser Fragestellung wurde im Online-Befragungsprojekt ‚Medizinstudium und Zukunft’ nachgegangen. Die aktuellen Ergebnisse über die beruflichen Erwartungen und Befürchtungen der Medizinstudierenden der Universität Witten/Herdecke (UWH) im Studienverlauf werden dargestellt und mit den bis 2008 bundesweit erhobenen Daten diskutiert.


Methoden

Die Online-Umfrage ‚Medizinstudium und Zukunft’

Das Online-Befragungsprojekt wird seit dem Wintersemester 2006/2007 auf Initiative der Abteilung für Allgemeinmedizin der Ruhr-Universität Bochum (RUB) unter der Projektleitung von Frau Dr. Osenberg durchgeführt. Nach anfänglicher Beschränkung auf die Bochumer Medizinstudierenden wurde die Befragung in weiteren Erhebungsphasen auf alle deutschen medizinischen Fakultäten ausgedehnt. Bis Ende 2008 beteiligten sich insgesamt 4.398 Studierende der Humanmedizin an dieser Befragung (davon weniger als 0.1% UWH Studierende), deren Ergebnisse somit als Basis zum Vergleich mit den Wittener Ergebnissen zur Verfügung stehen [7].

Anfang des Sommersemesters 2010 wurde in einer Kooperation zwischen der RUB und der UWH die anonyme Online-Umfrage als Nacherfassung für die Wittener Medizinstudierenden frei geschaltet, mit einer Feldlaufzeit von 6 Wochen (12. April – 30. Mai 2010). Die E-Mail des Studiendekanats mit der Bitte, sich an dieser Befragung zu beteiligen, enthielt gleichzeitig den Link zu dem semistandardisierten Fragebogen mit insgesamt 25 Fragen. Neben soziodemografischen Informationen wurden die Themenbereiche berufliche Zukunftsplanung, gewünschte Fachgebiete, erwartete Auswirkungen des Gesundheitssystems auf die berufliche und persönliche Lebensplanung, mögliche Zukunftssorgen und Niederlassungsplanungen erfragt.

Die Wittener Stichprobe

An der Online-Befragung haben 105 Studierende teilgenommen. Bei insgesamt 317 im SoSe 2009 an der UWH eingeschriebenen Medizinstudierenden entspricht dies einer Rücklaufquote von etwa einem Drittel (33.1%). Sechs Teilnehmer/innen konnten aufgrund definierter Ausschlusskriterien (Fragebogen unvollständig beantwortet oder keine Medizinstudierende) nicht berücksichtigt werden. Die Antworten von 99 Medizinstudierenden (52 Frauen, 47 Männer) im durchschnittlichen Alter von 24.9±2.9 Jahren (Min. 21 Jahre, Max. 42 Jahre) gingen in die Berechnungen ein. Die Hälfte (50.5%, N=50) studiert in den ersten vier Fachsemestern, 39.1% (N=39) im 5. bis 10. Fachsemester und 10.1% (N=10) sind im Praktischen Jahr (PJ). Etwa ein Drittel (33.3%) der Stichprobe hat bereits ein berufliche Ausbildung angefangen oder abgeschlossen, zum überwiegenden Anteil im Bereich des Gesundheitswesens, z.B. als Rettungsassistent oder Intensivpfleger. Im Vergleich zur bundesweiten Stichprobe [7] ist das durchschnittliche Alter vergleichbar, aber der Anteil weiblicher Studierender um etwa 10% und der Anteil an Studierenden im PJ um etwa 4% geringer. Die Stichprobe kann demnach nur als eingeschränkt repräsentativ für Medizinstudierende in Deutschland [8] angenommen werden. Sie stellt explizit die Zukunftserwartungen und –befürchtungen aus Sicht der UWH Studierenden dar, deren beruflichen Erwartungen zusätzlich mit der tatsächlichen Berufssituation und gewählten ärztlichen Fachrichtung von 264 ehemaligen Wittener Medizinstudierenden, die 2005 an einer Alumni-Befragung teilgenommen haben [9], verglichen werden können.

Statistische Analysen

Unter Berücksichtigung des Messniveaus der Variablen und deren Verteilung wurden die geeigneten statistischen Verfahren (Chi-Quadrat-Test, Varianzanalyse) ausgewählt und mit SPSS 17.0 durchgeführt [10]. Unter einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% werden die Ergebnisse der Analysen als statistisch signifikant bezeichnet.


Ergebnisse der Online-Umfrage

Die Ergebnisse der Wittener Stichprobe werden differenziert nach der Studiendauer vorgestellt, gruppiert nach „Vorklinik“ (1. bis 4. Fachsemester) vs. „Klinik“ (5. bis 10. Fachsemester und PJ). Mögliche Änderungen der Einschätzungen zur beruflichen Zukunft im Studienverlauf können so verdeutlicht werden. Die beiden Gruppen der UWH Studierenden Vorklinik (N=50) und Klinik (N=49) unterscheiden sich signifikant hinsichtlich der unabhängigen Personvariablen Alter (Varianzanalyse: F=28.7, p=.000) und Geschlecht (Chi-Quadrat-Test: χ²=4.5, p=.027), mit einem höheren Anteil von jüngeren und männlichen Studierenden in der Gruppe Vorklinik.

Motivation zur Studiengangswahl

In der Motivation zur Studiengangswahl zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden UWH Gruppen. Die meisten Studierenden nennen als Hauptmotivationsgrund das Interesse an medizinischen Zusammenhängen (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]), gefolgt von der Motivation zur Hilfeleistung (Vorklinik), bzw. Freude am Kontakt mit Menschen (Klinik). Nur bei wenigen Studierenden der UWH Gruppe Klinik lag eine eigene Anamnese als Hauptmotivationsgrund vor.

Angestrebte Fachrichtung

Bei der Frage zur angestrebten Fachrichtung der späteren beruflichen Tätigkeit bestand die Möglichkeit, mehrere Alternativen zu benennen. 39.4% der Studierenden nutzte diese Möglichkeit und gab im Median zwei Fachrichtungen an. Die Ergebnisse für die gesamte Wittener Stichprobe sind als prozentuale Häufigkeiten dargestellt (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Die Fachrichtung Pädiatrie (23.3%) führt zugleich mit der Inneren Medizin die Rangliste der angestrebten Fachrichtungen an, gefolgt von der Chirurgie (18.4%) und der Allgemeinmedizin (17.5%). Im Mittelfeld befinden sich die Gynäkologie, Anästhesiologie, Neurologie und Psychiatrie (alle >10%). Schlusslichter der gewünschten Fachgebiete bilden die Arbeitsmedizin, HNO und Pathologie (alle 1%). Signifikante Unterschiede (Chi-Quadrat-Tests) zwischen den beiden UWH Gruppen können für die Allgemeinmedizin (χ²=6.5, p=.011), Chirurgie (χ²=7.6, p=.006) und Gynäkologie (χ²=6.6, p=.010) berichtet werden. In der Vorklinik ist das Interesse an der Allgemeinmedizin (28% vs. 8.2% der jeweiligen Gruppe) und der Chirurgie (30% vs. 8.2%) stärker ausgeprägt, in der Klinik das Interesse an der Gynäkologie (6% vs. 24.5%).

Niederlassungspläne

Etwa die Hälfte der Wittener Medizinstudierenden ist zum Zeitpunkt der Befragung im Hinblick auf eine Niederlassung noch unentschieden. Auf die Frage „Können Sie sich langfristig die Niederlassung in eigener Praxis vorstellen?“ antworteten 21.2% der Studierenden mit „ja, auf jeden Fall“, 55.6% mit „ja, denkbar“, 19.2% mit „eher nicht“ und 4% „nein, keinesfalls“. Eine angestrebte ärztliche Tätigkeit in der Klinik wird von 27.3% bejaht, von 16.2% verneint und ist bei über der Hälfte (56.6%) denkbar, aber nicht sicher. Eine patientenferne Tätigkeit wird von zwei Dritteln (65%) der Studierenden verneint, ist für 26.2% denkbar und wird nur von 3.9% angestrebt. In der Abbildung 2 [Abb. 2] sind die prozentualen Häufigkeiten der eindeutigen Präferenzen (ja/nein) dargestellt.

Bei Wiederholung der Frage zur späteren Niederlassung im Forced-Choice-Format („Angenommen, Sie würden eine Niederlassung in Erwägung ziehen. Welchen Standort Ihrer Praxis würden Sie bevorzugen?“) entscheiden sich 65.7% für die Stadt und 34.3% für einen ländlichen Standort, unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit.

Auswirkungen des Gesundheitssystems

Die Einschätzung der Auswirkungen des Gesundheitssystems auf die berufliche und persönliche Lebensplanung ist in den beiden UWH Gruppen vergleichbar. Studierende der Vorklinik benennen zu 58% deutliche Auswirkungen, 38% wenige und nur zu 4% keine Auswirkungen. In der Gruppe Klinik erwarten 50% deutliche, 37.5% wenige und 12.5% keine Beeinträchtigungen durch aktuelle Entwicklungen im deutschen Gesundheitssystem. Die Rangreihe der antizipierten negativen Auswirkungen ist in der Tabelle 2 [Tab. 2] nach den Häufigkeiten in der Vorklinik gelistet.

An erster Stelle steht für etwa zwei Drittel in beiden Gruppen die Option, ihre ärztliche Tätigkeit in einem anderen Land auszuüben. Die Gruppe Klinik sieht sich weniger beeinträchtigt in der familiären Lebensplanung und in ihrer Wahl der medizinischen Fachrichtung. Eindrücklich ist hier die Tatsache, dass keiner der Wittener Studierenden einen Studienabbruch in Erwägung zieht.

Problemfelder des beruflichen Alltags

Die Problemfelder des zukünftigen beruflichen Alltags, die den Studierenden bislang nur aus den Praktika bekannt sind, werden von den beiden UWH Gruppen vergleichbar eingeschätzt. Bei möglichen Mehrfachnennungen wurden an erster Stelle die Arbeitszeiten (71.7%) angegeben, gefolgt von der Versorgungsqualität der Patienten (70.7%), der Budgetierung der Leistungen (62.6%), das berufliche Stressniveau (55.6%) und die erwarteten Kommunikationsstile (52.5%). Die fachlichen Anforderungen werden nur von 5.1% der Studierenden als zukünftiges berufliches Problemfeld benannt (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]).

Einstellung zur eigenen Berufswahl

Die abschließende Frage, ob sie sich nochmals für ein Medizinstudium entscheiden würden, wurde von 76.8% der Wittener Studierenden mit „ja, immer wieder“ beantwortet, 21.2% gaben „vielleicht, nicht unbedingt“ an und nur 2% „eher nicht“. Ein signifikanter Unterschied zwischen den UWH Gruppen Vorklinik vs. Klinik zeigte sich nicht (Chi-Quadrat-Test: χ²=5.6, p=.060). Zu Studienbeginn in den ersten vier Fachsemestern würden 86% sich erneut für das Medizinstudium entscheiden, in der UWH Gruppe Klinik 67.3%.


Ergebnisse der UWH Alumni-Befragung

Die Entwicklung und ggf. Verwirklichung der Wünsche zur angestrebten ärztlichen Fachrichtung der Wittener Medizinstudierenden kann nur in prospektiven Längsschnittstudien überprüft werden. Die Beschreibung der Berufssituation von Wittener Alumni ermöglicht aber einen Hinweis auf mögliche Präferenzen bei der fachärztlichen Weiterbildung. 2005 wurde in Kooperation mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) eine Befragung der Wittener Alumni durchgeführt, in der neben Basisdaten und einer umfangreichen Studiumsevaluation auch eine Beschreibung der Berufssituation erhoben wurde [9]. Die Ergebnisse von 264 Alumni (49.8% Frauen, 50.2% Männer) im Alter von 36.6±5.7 Jahren, die ihre ärztliche Prüfung vor 7.3±5.1 Jahren abgelegt haben, stehen zur Verfügung. Als Bereich der gegenwärtigen beruflichen Tätigkeit nennen 37.5% nicht-universitäre Krankenhäuser, 26.5% ein Uniklinikum, 17.4% eine Arztpraxis und 18.6% sonstige Bereiche, z.B. öffentlicher Gesundheitsdienst, Privatwirtschaft oder eine nicht medizinische Tätigkeit. Eine fachärztliche Weiterbildung haben 40% bereits abgeschlossen, 50% befinden sich noch in der Weiterbildung in ihren gewählten Bereichen. Häufige Nennungen der Wittener Alumni finden sich in den Tätigkeitsbereichen Innere Medizin (20.2%), Psychiatrie (15.3%), Allgemeinmedizin (13.2%) und Pädiatrie (11.5%). Weniger häufig werden Neurologie (6.2%), Anästhesiologie (5.4%), Gynäkologie (3.7%) und Chirurgie (3.6%) genannt.


Diskussion und Schlussfolgerungen

Die hier vorgestellten Ergebnisse der UWH-Stichprobe reflektieren in großem Umfang die Ergebnisse der bundesweiten Online-Umfrage ‚Medizinstudium und Zukunft’ [7], zeigen aber auch spezifische Wünsche und Einstellungen der Wittener Medizinstudierenden auf. An der UWH wird der bundesweit kleinste und einzige überwiegend privat finanzierte Modellstudiengang Medizin angeboten, der im 1. Studienabschnitt (1. bis 4. Semester) konsequent problemorientiert aufgebaut ist und im klinischen Studienabschnitt eine starke Praxisorientierung aufweist. Er mündet in einer selbsteingeschätzt hohen Berufsfähigkeit der Absolventen [11]. Zu Studienbeginn (UWH Vorklinik, siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) steht aber das ausgeprägte Interesse an medizinischen Zusammenhängen im Vordergrund, das mit der Häufigkeit in der bundesweiten Stichprobe (>40%) vergleichbar ist.

Die Rangliste der häufigsten Fachgebiete von berufstätigen Ärztinnen und Ärzten in Deutschland [12] scheint zugleich die Wunschfachrichtungen von Medizinstudierenden widerzuspiegeln. Somit stellen die angestrebten Facharztrichtungen der Wittener Medizinstudierenden mit den ersten Rängen für Innere Medizin, Chirurgie und Allgemeinmedizin (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]) keine Überraschung dar, da sie sich bundesweit vor allem zu Beginn des Studiums großer Beliebtheit erfreuen (Innere Medizin 31.2%, Chirurgie 24.6%, Allgemeinmedizin 22.5%). Bei der bundesweiten Online-Umfrage [7] unterliegt die Fachrichtung Chirurgie (-52%) bereits im Verlauf des Studiums einem deutlichen Verlust an Interessenten, aber auch die Pädiatrie (-26%). Bei einer Gegenüberstellung der gewünschten Facharztrichtungen der Wittener Medizinstudierenden mit den historischen Ergebnissen der UWH Alumni-Befragung [9] scheint der prozentuale Anteil der fachärztlichen Weiterbildungen in der Psychiatrie, einschließlich der Kinder- und Jugendpsychiatrie (15.3%), die aktuellen Angaben der Medizinstudierenden zu bestätigen (12.6%; siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Das herausragende Interesse an der Pädiatrie (23.3%) spiegelt sich aber nicht in dem prozentualen Anteil der fachärztlichen Weiterbildungen der Alumni (15.3%) wider.

Bei den befürchteten negativen Auswirkungen des Gesundheitssystems auf die eigene berufliche und private Lebensplanung zeigen sich deutliche Übereinstimmungen zwischen der Wittener Stichprobe und den Ergebnissen der bundesweiten Befragung. Mehr als zwei Drittel erwarten einen Wechsel ins Ausland, um ihre ärztliche Tätigkeit ausüben zu können und mehr als ein Drittel erwartet, dass eine geplante Niederlassung durch die Rahmenbedingungen negativ beeinflusst oder verhindert werden kann (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). In der bundesweiten Umfrage nennen vergleichbare 70.3% einen Landeswechsel und 37.4% eine Änderung im Niederlassungsplan [7]. 2.1% erwägen bundesweit einen Abbruch des Studiums, aber keine UWH Medizinstudierenden. Eine Freitextäußerung bringt die Befürchtungen treffend auf den Punkt: „Ich möchte unbedingt als Haus-/Familienarzt auf dem Land leben und arbeiten, aber momentan keinesfalls in Deutschland!“ Vielleicht zeigt sich hier aber auch eine unmittelbare Reaktion auf die politische Forderung nach einer Landarztquote vom Anfang April 2010, wenn etwa ein Drittel der Wittener Studierenden bei der Mitte April 2010 gestarteten Online-Umfrage angibt, eine spätere Niederlassung im ländlichen Gebiet zu planen.

Die Problemfelder des zukünftigen beruflichen Alltags in Deutschland mit vermeintlich zu langen Arbeitszeiten, erhöhtem Stessniveau und nicht leistungsgerechter Vergütung der ärztlichen Leistungen sind allen Medizinstudierenden hinlänglich bekannt, wie sich in den vergleichbaren Einschätzungen zeigt. Von den in der Wittener Stichprobe prominenten sechs Problemfeldern (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]) wurden in der bundesweiten Befragung ebenfalls fünf am häufigsten genannt [7], wenn auch in anderer Reihenfolge nach den erstplazierten Arbeitzeiten (79.4%). Bei den Wittener Medizinstudierenden steht die Versorgungsqualität der Patienten (70.7%) an zweiter Stelle der antizipierten Problemfelder, bundesweit dagegen erst an sechster Stelle (55.9%).

Als Fazit bleibt festzustellen, dass den oftmals emotional geführten Diskussionen um die ärztliche Versorgung in Deutschland und den widersprüchlichen Informationen bzgl. Verarmung oder auch Spitzeneinkommen von niedergelassenen Hausärzten [13] zum Trotz bei den Ärztinnen und Ärzten das Interesse und die Freude am Beruf bestehen bleibt. Entgegen der resignativen Grundhaltung, die in der Online-Umfrage im Verlauf des Studiums bundesweit festgestellt werden kann [7], würde die überwiegende Mehrheit der Befragten nochmals ein Medizinstudium aufnehmen. Dies gilt bundesweit (61%), aber insbesondere auch für die Wittener Medizinstudierenden (77%) und UWH Alumni (80%).


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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