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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Zusammenfassung und Kommentar zu: Smith et al.: Why peer discussion improves student performance on in-class concept questions (Science 2009)

Denkanstöße Humanmedizin

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  • corresponding author Christian Scheffer - Universität Witten/Herdecke, Integriertes Begleitstudium Anthroposophische Medizin, Witten, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2011;28(1):Doc08

doi: 10.3205/zma000720, urn:nbn:de:0183-zma0007201

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2011-28/zma000720.shtml

Eingereicht: 7. September 2009
Überarbeitet: 27. September 2010
Angenommen: 5. Oktober 2010
Veröffentlicht: 4. Februar 2011

© 2011 Scheffer.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Denkanstöße - Lesenswerte Veröffentlichungen zu Ausbildungsfragen

Zusammenfassung und Kommentar zu: Smith et al.: Why peer discussion improves student performance on in-class concept questions (Science 2009)

Frage:

Welche Wirkung hat eine Gruppendiskussion auf den Lernerfolg? Muss es einen Experten geben, der die Antwort weiß, damit die Gruppe zu dem richtigen Ergebnis kommt?

Abstrakt:

When students answer an in-class conceptual question individually using clickers, discuss it with their neighbors, and then revote on the same question, the percentage of correct answers typically increases. This outcome could result from gains in understanding during discussion, or simply from peer influence of knowledgeable students on their neighbors. To distinguish between these alternatives in an undergraduate genetics course, we followed the above exercise with a second, similar (isomorphic) question on the same concept that students answered individually. Our results indicate that peer discussion enhances understanding, even when none of the students in a discussion group originally knows the correct answer [1].

Zusammenfassung der Studie:

Es ist ein bekanntes Phänomen, dass Studierende eine Frage besser beantworten können, wenn sie sie vorher in der Kleingruppe diskutieren können. Die vorliegende Studie untersucht die Frage, ob dieser Wissensgewinn durch die Diskussion entsteht oder durch den Einfluss von wissenden Studierenden auf die unwissenden Gruppenmitglieder. Dazu wurde an der Universität Colorado-Boulder in den USA in einem Einführungskurs über Genetik folgender Versuch gemacht: Die insgesamt 350 Studenten bekamen während einer Seminarreihe pro Unterrichtsstunde fünf Fragen gestellt, wobei sie ihre Antwort mit einem elektronischen „Klicker“ dokumentierten. Nachdem jeder Student seine eigene Antwort gegeben hatte, sollte er die Frage nochmals mit seinen Nachbarn diskutieren und erneut seine Antwort geben. Im weiteren Verlauf wurde eine ähnliche Frage gestellt, bei dem der Kontext verändert war, die Konzeption jedoch ähnlich („isomorphe Fragen“). Zwei Ergebnisse lassen die Autoren zu dem Schluss kommen, dass die Studierenden aus der Diskussion gelernt haben: Erstens ist der Anteil der richtigen Antworten nach der Diskussion und auch nach der zweiten Frage höher. Zweitens konnten diejenigen Studierenden, die die erste Frage alleine falsch und nach der Gruppendiskussion richtig beantwortet hatten, die zweite, isomorphe Frage zu 77% richtig beantworten. Dies bedeutet, dass sie das in der Diskussion Erlernte auch in einem neuen Zusammenhang anwenden konnten. Andererseits änderten Studenten, die die erste Frage alleine richtig beantwortet hatten, ihre Meinung in der Gruppendiskussion nicht und konnten auch die zweite Antwort in der Regel richtig beantworten. Selbst Studierende, die sowohl nach alleiniger Überlegung wie auch nach Gruppendiskussion eine falsche Antwort gaben, konnten in 44% die zweite Frage richtig beantworten (bei der Auswahl aus vier möglichen Antworten). Dies bedeutet, dass es offensichtlich einen Lernprozess nach der Diskussion gab. Überraschenderweise gab es auch Kleingruppen, unter denen zu Beginn niemand die Antwort auf die Frage wusste, die aber nach der Diskussion miteinander zu den richtigen Ergebnissen kamen. Einzelne Studierende konnten somit aus dem Prozess des Diskutierens etwas lernen.

Die Autoren schließen daraus, dass Diskussionen unter Lernenden signifikant zum Lernerfolg beitragen können und dass der Lernerfolg eher auf konzeptionellem Verstehen als auf den einfachen Einfluss des Nachbarn zurückzuführen ist. Da auch solche Studierende in und nach der Gruppendiskussion zu den richtigen Antworten finden, in denen zu Beginn kein „Experte“ ist, der die richtige Antwort weiß, scheint der Diskussionsprozess an sich das konzeptionelle Verstehen zu fördern und sich nicht einfach die richtige Antwort des Experten auf seine Kommilitonen zu übertragen.

Kommentar:

Die Studie ist in „Science“ und somit in einer der führenden naturwissenschaftlichen Zeitschriften publiziert, ein Indiz dafür, dass die Konsequenzen aus diesem eigentlich sehr einfachen Versuch seitens der Herausgeber für bedeutsam gehalten werden. Insofern diese Studie unterstreicht, dass Gruppendiskussionen unter Lernenden (Peers) als didaktisches Mittel eingesetzt werden, um den Lernerfolg des Einzelnen zu fördern und um ein „mehr“ an Wissen zu erlangen als die Summe des Wissens der Gruppenmitglieder darstellt, ergeben sich tatsächlich vielfache Implikationen für die didaktische Gestaltung der Lehre. So wird nicht nur der Einsatz kurzer interaktiver Diskussionen in Vorlesungen und Seminaren dadurch unterstützt, sondern auch die lerntheoretische Grundlage des Problemorientierten Lernens ergänzt. Schließlich stellt sich die Frage, ob Gruppendiskussionen nicht auch im klinischen Unterricht und in klinischen Praktika gezielter einzusetzen sind. Einschränkend bleibt anzumerken, dass sich die Studie ausschließlich auf konzeptionelle Fragen bezieht, d.h. also nicht auf reine Wissensfragen, sondern auf solche, die durch lernendes Verstehen zu beantworten sind.


Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass er keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Smith MK, Wood WB, Adams WK, Wieman C, Knight JK, Guild N, Su TT. Why peer discussion improves student performance on in-class concept questions. Science. 2009;323(5910):122-124. DOI: 10.1126/science.1165919 Externer Link