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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Kooperation der Gesundheitsberufe: die Rolle von Aus- und Weiterbildung

Leitartikel Humanmedizin

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  • corresponding author Eckhart G. Hahn - Vorsitzender der GMA, Universitätsklinikum Erlangen, Medizinische Klinik 1, Erlangen Externer Link

GMS Z Med Ausbild 2007;24(3):Doc153

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2007-24/zma000447.shtml

Eingereicht: 14. August 2007
Veröffentlicht: 15. August 2007

© 2007 Hahn.
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Leitartikel

Selten haben Empfehlungen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung des Gesundheitswesens so am Berufsbild der Gesundheitsberufe gerüttelt wie in dem Gutachten, dass die Gesundheitsweisen an Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt am 3. Juli 2007 übergeben haben: Kooperation und Verantwortung - Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung [1]. Deshalb titelt die Ärztezeitung „Sachverständige rütteln am Arztbild“ und „Mediziner fordern klare Grenzen für die nicht-ärztlichen Berufe“ (Nr.141, Dienstag 31. Juli 2007). Dies bezieht sich auf das Kapitel 2 des Gutachtens: Die Entwicklung der Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe als Beitrag zu einer effizienten und effektiven Gesundheitsversorgung. Dabei wird die wahre Bedeutung dieser fast 1000 Seiten starken Analysen und Vorschläge erst klar, wenn auch die anderen 4 Themen zum Thema „Kooperation und Verantwortung“ zur Kenntnis genommen werden: Kapitel 3. Integrierte Versorgung in der GKV: Entwicklung, Stand und Perspektiven, 4. Krankenhauswesen: Planung und Finanzierung, 5. Qualität und Sicherheit: Angemessenheit und Verantwortlichkeit in der Gesundheitsversorgung, 6. Primärprävention in vulnerablen Gruppen, und wenn man auch den ersten Abschnitt 1. Einleitung: Kooperation und Verantwortung als Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung gelesen hat. Die Kurzfassung des Gutachtens (106 Seiten) erlaubt dies recht schnell [1].

Alles auf dem Prüfstand

Dabei wird deutlich, dass fast alle Gewohnheiten unseres Gesundheitswesens auf dem Prüfstand stehen. Das Gutachten fordert eine neue, moderne Definition des Heilkundebegriffs (Heilpraktikergesetz 1939!), eine neue Verteilung der Zuständigkeit und Haftung der Gesundheitsberufe bei der Arbeit für den Patienten und Gesunden für Prävention, Diagnose, Therapie und Rehabilitation, eine sektorenübergreifende interprofessionelle Verantwortlichkeit (Poolkompetenz), eine monistische Krankenhausfinanzierung, veröffentlichte Patientensicherheitsindikatoren und Qualitätsdaten, qualitätsbezogene Vergütungselemente, die Verantwortlichkeit der Medizinischen Fakultäten für die abgestimmte Ausbildung akademischer und aller weiteren Gesundheitsberufe nach den neuen Regeln: nichts weniger als ein komplettes Umdenken der Akteure im Gesundheitswesen; die Sachverständigen nennen es adaptive Reformvorschläge.

Und wo kommt die GMA ins Spiel? Dort, wo nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen (Haftung) und die institutionellen Vorraussetzungen (baulich, prozessural, interprofessionelle Leitlinien und klinische Pfade) Schritt für Schritt überprüft werden müssten, sondern auch das System der Aus-, Weiter- und Fortbildung aller Gesundheitsberufe zur Anpassung an die geforderten Gegebenheiten! Müsste? Ist das Gutachten vielleicht am grünen Tisch entstanden?

Transparenz und Fakten

Wenn man sich die Zusammensetzung des Sachverständigenrats betrachtet [1], sind drei von sieben Mitgliedern Mediziner mit ärztlicher Erfahrung – dennoch ist eine gewisse Ferne von der medizinischen Praxis erkennbar. Die lange Liste der befragten Persönlichkeiten lässt vermuten, dass mutige Denkerinnen und Denker aus dem Lager der Gesundheitswissenschaften, „Public Health“ und Allgemeinärzte eine herausragende Rolle spielen. Auf der anderen Seite sind eine größere Zahl von verkammerten und anderen Berufsverbänden um eine Stellungnahme zu konkreten Fragen gebeten [2] und zu einer Anhörung in Berlin am 24. August 2006 eingeladen worden, auch die Bundesärztekammer. Zudem wurde dem Gutachten wie immer eine umfangreiche Dokumentation beigefügt. Transparenz und Faktenlage sind deshalb insgesamt gut. Aber die Empfehlungen? Hier kann man gespannt sein, auf klare Zuständigkeiten hoffen und die Erfahrungen von Patienten beobachten.

Versorgungsforschung und interprofessionelle Aus- und Weiterbildung

Wie der Sachverständigenrat im Gutachten nicht müde wird zu betonen: die von der Selbstverwaltung geforderte Begleitforschung zur bisherigen Entwicklung im Gesundheitswesen wurde nicht ausreichend geleistet; Ergebnisse über die Verbesserung der Versorgung von Patienten und gesunden Menschen durch interprofessionelle Ansätze der vorgeschlagenen Art fehlen und sollen durch intensivierte Versorgungsforschungsaufträge (an wen?) geschaffen werden. In Ziffer 99 auf Seite 61 der Kurzfassung [1] spricht sich der Rat dafür aus zu prüfen, welcher Wettbewerbsnachteil Krankenhäusern aus der Tatsache erwächst, dass sie sich überdurchschnittlich stark an der Weiterbildung von Ärzten beteiligen. Für den Fall, dass Wettbewerbsnachteile bestehen, sind angemessene Zuschläge, beispielsweise im Zuge einer ausgleichenden Fondslösung - analog zum Ausbildungsfonds - in Betracht zu ziehen. Wer aber soll sich der Aus- und Weiterbildung annehmen? Läuft dies alles auf einen gemeinsamen Bachelor of Medicine für alle Gesundheitsberufe hinaus, und auf einen zweiten und dritten Zyklus zur gestuften Kompetenz für konkrete, an der Aufgabe ausgerichteten Akteuren der Zukunft? Was kann die GMA dazu beitragen?

GMA ist interprofessionell

In der Satzung der GMA [3] ist in §2 (2), „Die kritische Auseinandersetzung mit Aus-, Weiter- und Fortbildungskonzepten und –methoden“ und „der Kontakt zu den medizinischen Fachgesellschaften und Institutionen sowie zu den medizinischen Assistenzberufen“ als Verwirklichung des Zwecks der Gesellschaft genannt. Im GMA-Eckpunktepapier vom 9.10.2004 [4] ist unter I. festgehalten: „insbesondere sollte der Aspekt des interprofessionellen Lehrens und Lernens Berücksichtigung finden. Es soll die medizinische Ausbildung insgesamt stärker betont werden. Zum Beispiel soll sich ein Ausschuss der GMA (§ 13) mit interprofessionellem Lehren/Lernen beschäftigen.“ Somit hat die GMA schon lange die Notwendigkeit der interprofessionellen Aus- und Weiterbildung vorhergesehen. Sie ist vorbereitet und steht als Partner für jede Herausforderung in der Weiterentwicklung unseres Gesundheitswesens zur Verfügung. Der GMA-Ausschuss Methoden der Ausbildungsforschung wird in diesem Zusammenhang auch die wissenschaftliche, ergebnisorientierte Basis neuer interprofessioneller Lehr- und Lernverfahren unterstützen [5]. Und wenn es um die Verwirklichung des Bologna-Prozesses geht: es gelten unverändert die Empfehlungen im GMA-Positionspapier „Medizinische Ausbildung und der Bologna-Prozess“ [6].


Literatur

1.
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Kooperation und Verantwortung - Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung. Gutachten 2007 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Berlin: Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen; 2007. Zugänglich unter: http://www.svr-gesundheit.de/Startseite/Startseite.htm. Kurzfassung zugänglich unter: http://www.svr-gesundheit.de/Startseite/Kurzfassung%20.pdf.
2.
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Dokumentation einer Anhörung ausgewählter Berufsverbände von Gesundheitsberufen am 24. August 2006 in Berlin. Berlin: Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen; 2006. Zugänglich unter: http://www.svr-gesundheit.de/Startseite/Anh%F6rung%20Berufsverb%E4nde/Anh%F6rung0806.htm.
3.
Gesellschaft für Medizinische Ausbildung. Satzung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Erlangen: Gesellschaft für Medizinische Ausbildung. Zugänglich unter: http://www.gesellschaft-medizinische-ausbildung.org.
4.
Gesellschaft für Medizinische Ausbildung. Eckpunktepapier der GMA vom 9.10.2004. Erlangen: Gesellschaft für Medizinische Ausbildung; 2004. Zugänglich unter http://www.gesellschaft-medizinische-ausbildung.org.
5.
Brauns K, Marienhagen J, Eitel F, Schubert S, Hahn EG. GMA-Ausschuss Methodik der Ausbildungsforschung. GMS Z Med Ausbild. 2006;23(4):Doc74. Zugänglich unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2006-23/zma000293.shtml.
6.
Gerke W, Breipohl W, Forster J, Hahn EG, Kraft HG, Öchsner W, Onur Ö, Schirlo C, Tullius M, Wennekes V. Medizinische Ausbildung und der Bologna-Prozess. GMS Z Med Ausbild. 2006;23(1):Doc24. Zugänglich unter: http://www.egms.de//en/journals/zma/2006-23/zma000243.shtml.