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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Praktische Übungen zur Psychophysiologie im Kurs Medizinische Psychologie

A psychophysiology practical as part of the medical psychology course

Projekt Humanmedizin

  • corresponding author Jochen Kaiser - Johann Wolfgang Goethe-Universität, Fachbereich Medizin, Zentrum für Gesundheitswissenschaften, Institut für Medizinische Psychologie, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Christian F. Altmann - Johann Wolfgang Goethe-Universität, Fachbereich Medizin, Zentrum für Gesundheitswissenschaften, Institut für Medizinische Psychologie, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Christoph Bledowski - Johann Wolfgang Goethe-Universität, Fachbereich Medizin, Zentrum für Gesundheitswissenschaften, Institut für Medizinische Psychologie, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Marcus J. Naumer - Johann Wolfgang Goethe-Universität, Fachbereich Medizin, Zentrum für Gesundheitswissenschaften, Institut für Medizinische Psychologie, Frankfurt/Main, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2007;24(2):Doc108

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2007-24/zma000402.shtml

Eingereicht: 24. Januar 2007
Veröffentlicht: 23. Mai 2007

© 2007 Kaiser et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Die Vermittlung der Zusammenhänge zwischen psychologischen Funktionen und körperlichen Veränderungen sowie deren Relevanz für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Krankheiten stellt ein zentrales Ziel der Ausbildung in Medizinischer Psychologie dar. Zur Veranschaulichung dieser Zusammenhänge führten wir ein Psychophysiologie-Praktikum im ersten vorklinischen Semester ein. Die Studierenden führten in Vierergruppen mit Hilfe ausführlicher schriftlicher Instruktionen jeweils ca. 30 Minuten andauernde praktische Übungen durch, die die folgenden Themen behandelten:

(1) Stress (abhängige Variable: Herzrate),

(2) "Lügendetektor" (abhängige Variable: Hautleitwertsreaktionen),

(3) Biofeedback (abhängige Variable: Hauttemperatur) und

(4) Elektroenzephalogramm (abhängige Variable: Amplituden der vier klassischen Frequenzbänder).

Die praktischen Übungen wurden durch theoretische Gruppenarbeiten und einen Termin zur Zusammenfassung der Ergebnisse der Übungen ergänzt. Die studentische Evaluation des Praktikums war durchweg positiv. So wurde das Praktikum als Bereicherung des Kurses angesehen, und der selbstbeurteilte Kenntnisstand auf dem Gebiet der Psychophysiologie zeigte eine signifikante Verbesserung. Diese Ergebnisse sowie unsere Eindrücke während des Praktikums bekräftigten unseren Entschluss, ein Psychophysiologie-Praktikum als Teil des Kurses der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie fest zu etablieren.

Schlüsselwörter: Medizinische Psychologie, Psychophysiologie, Praktikum, Evaluation

Abstract

Teaching in medical psychology aims at establishing an understanding of the relationships between psychological functions and bodily reactions and of the relevance of these interactions for the development and maintenance of diseases. To illustrate these relationships, a psychophysiology practical was introduced in the first semester. Students performed practical 30-minute exercises in groups of four on the basis of comprehensive written instructions. The following topics were covered:

(1) stress (dependent variable: heart rate),

(2) "lie detection" (dependent variable: skin conductance response),

(3) biofeedback (dependent variable: skin temperature), and

(4) electroencephalogram (dependent variable: amplitude in the four classical frequency bands).

The practical exercises were complemented by theoretical group work and a summary of the results of the exercises. Students evaluated the practical positively. It was considered a benefit to the course, and the self-rated knowledge in the area of psychophysiology increased significantly. These results, as well as our experiences during the practical, have reinforced our decision to establish a psychophysiology practical as part of the medical psychology/medical sociology course.

Keywords: Medical psychologoy, psychophysiology, practical exercises, evaluation


Einleitung

Die biologische Psychologie hat in den letzten Jahrzehnten entscheidende Fortschritte bei der Aufklärung der Mechanismen erzielt, die für die Zusammenhänge zwischen psychischen Prozessen und körperlichen Veränderungen verantwortlich sind [1]. Mit Hilfe von modernen computerbasierten Datenanalysemethoden können Veränderungen sowohl zentralnervöser als auch peripherer physiologischer Systeme in engem zeitlichem Zusammenhang zu spezifischen psychischen Verarbeitungsprozessen ermittelt werden [2]. Faktoren wie Stress, negative Emotionen und ungesunde Lebensweise tragen entscheidend zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs bei, die in den modernen Industriegesellschaften die wichtigsten Todesursachen darstellen [3]. Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Lernprozessen und physiologischen Veränderungen stellen die Grundlage für psychologische Interventionen dar (z. B. durch Biofeedback), die bei Störungen vieler Organsysteme eingesetzt werden können [4].

Ein grundsätzliches Anliegen unseres Instituts in der Lehre ist die Vermittlung von Grundkenntnissen über die Zusammenhänge zwischen psychologischen Vorgängen und physiologischen Reaktionen. Im vorliegenden Projekt sollten zunächst durch praktische Übungen Kenntnisse über physiologische Korrelate psychischer Vorgänge vermittelt werden. Zudem sollten die Studierenden lernen, dass physiologische Systeme durch Lernvorgänge (Biofeedback) beeinflussbar sind. Hiervon erhofften wir uns eine Sensibilisierung der Medizinstudenten für die Bedeutung psychophysiologischer Wechselwirkungen.


Methodik

Teilnehmer

Die praktischen Übungen fanden als Teil des Kurses der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie erstmals im Wintersemester 2005/2006 (erstes vorklinisches Semester) statt. Da dieser Kurs mit einer Teilnehmerzahl von ca. 30 Studierenden pro Gruppe durchgeführt wurde, war es notwendig, die Gruppen zu halbieren. Somit führte jeweils eine Teilgruppe von bis zu 16 Studenten in Räumen des Instituts für Medizinische Psychologie (IMP) an zwei Kursterminen zu jeweils 90 Minuten praktische Übungen durch, wohingegen die andere Hälfte sich im eigentlichen Kursraum mit theoretischen Aspekten psychophysiologischer Zusammenhänge beschäftigte.

Messgeräte

Für die praktischen Übungen wurden vier Messplätze aufgebaut, an denen die Studierenden in Gruppen von maximal vier Teilnehmern arbeiten konnten. An jedem der Messplätze wurde eine von vier Übungen durchgeführt, wobei die Gruppen in Abständen von jeweils ca. 45 Minuten von einem Messplatz zum nächsten rotierten. Zur Durchführung der praktischen Übungen wurden aus Mitteln des Fachbereichs Medizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität psychophysiologische Messapparaturen für vier Arbeitsplätze beschafft. Herzstück ist das System "BIOPAC Studentenlabor" (med-NATIC, München), das aus einem Mehrkanal-Verstärker (MP35) mit zugehöriger Hard- und Software besteht. Mit dem BIOPAC-System können eine Vielzahl physiologischer Maße aufgezeichnet werden wie z. B. Hautleitwert, Elektrokardiogramm, Elektromyogramm, Hauttemperatur oder Elektroenzephalogramm.

Beschreibung der Übungen

Übungen wurden von den Studierenden eigenständig mit Hilfe ausführlicher schriftlicher Instruktionen zu den folgenden Themen durchgeführt: Stress, "Lügendetektor", Biofeedback und Elektroenzephalographie. Während der Übungen stand ein Dozent für Rückfragen und Hilfestellungen zur Verfügung. Die Resultate der Messungen wurden anschließend von den Studierenden in vorbereitete Ergebnisblätter eingetragen. Im folgenden werden die einzelnen Übungen näher beschrieben:

1.
Stress. In dieser Übung wurde anhand der Herzrate (gemessen über das Elektrokardiogramm) der Unterschied zwischen Ruhe und zwei Stressbedingungen demonstriert. Nach einer Ruhephase erhielt der/die Proband/in eine mentale Rechenaufgabe (Rückwärtszählen von 3000 in 17er-Schritten), die drei Minuten lang ausgeführt werden musste. Es folgte eine zweite dreiminütige Ruhephase. In der nun folgenden Aktivierungsbedingung sollte der/die Proband/in sich entweder eine psychisch oder körperlich belastende Situation vorstellen. Zum Abschluss folgte erneut eine dreiminütige Ruhephase. Im Anschluss an die Messung berechneten die Studenten die mittlere Herzrate (Schläge/Minute) während jeder der fünf Bedingungen.
2.
"Lügendetektor". Diese Übung demonstriert eindrucksvoll die Aussagekraft psychophysiologischer Maße. Als Indikator wurde die elektrodermale Aktivität herangezogen. Der/die Proband/in sollte sich eine Zahl zwischen 1 und 5 merken und auf einem Zettel niederschreiben. Es wurden nun zunächst von den Versuchsleitern einige neutrale Fragen (z. B. zum Wetter, dem Wochentag etc.) gestellt, um eine Art Standard für die auf solche Fragen auftretende Hautleitwertsreaktion zu ermitteln. Im eigentlichen Versuch fragten die Versuchsleiter nun in zufälliger Reihenfolge nach der gemerkten Zahl, wobei die Versuchsperson immer verneinen musste. Anhand des Vergleichs der Amplituden der Hautleitwertsreaktionen sollte dann ermittelt werden, auf welche der Fragen eine unwahre Antwort gegeben wurde.
3.
Biofeedback. Wir führten eine Übung zur Selbstregulation der Hauttemperatur an der Hand durch. Die Hauttemperatur wurde auf einem Laptopbildschirm in Form eines roten Balkens dargestellt, dessen Fläche sich mit zunehmender Temperatur vergrößerte. Die Studierenden sollten in drei dreiminütigen Biofeedbackphasen durch Konzentration auf beruhigende und entspannende Vorstellungen eine Strategie finden, die zur Erhöhung ihrer Hauttemperatur führte. In der Auswertung wurde der Zeitraum 30-60 Sekunden nach Beginn der Übung mit den letzten 30 s verglichen, um einen möglichen Erfolg der Bemühung zu überprüfen.
4.
Elektroenzephalographie. Bei dieser Übung wurden die Hirnwellen mit zwei Kopfhautelektroden und einer Referenzelektrode am Ohrläppchen aufgezeichnet. Im Wesentlichen sollten die Studierenden die Ausprägung der Hirnwellen in den vier klassischen Frequenzbereichen Alpha, Beta, Theta und Delta während zweier Aktivierungsphasen mit geöffneten Augen und der Aufgabe, von 100 in Siebenerschritten herunterzuzählen, mit zwei Ruhephasen mit geschlossenen Augen vergleichen. Zur Auswertung wurden die Amplituden und Frequenzen der vier Frequenzbänder bestimmt.

Evaluation

Zur studentischen Bewertung des Praktikums verwendeten wir einen Evaluationsbogen, der auf der Basis des Standard-Evaluationsbogens des Fachbereichs Medizin der J. W. Goethe-Universität erstellt wurde. Beurteilungen wurden von 161 der insgesamt ca. 240 Teilnehmer der praktischen Übungen abgegeben.

Der Evaluationsbogen enthielt die folgenden Items, die mit einer Ratingskala von 1 = "trifft völlig zu" bis 5 = "trifft gar nicht zu" beantwortet wurden:

  • Das Praktikum hat regelmäßig und pünktlich stattgefunden.
  • Die inhaltliche Gestaltung war sehr interessant.
  • Der Lehrstoff war gut strukturiert.
  • Der Lehrstoff wurde gut verständlich präsentiert.
  • Das Praktikum hat geholfen, die Zusammenhänge zwischen psychischen Prozessen und körperlichen Vorgängen zu verstehen.
  • Der Lehrende verstand es, die Bedeutung psychophysiologischer Zusammenhänge für die ärztliche Tätigkeit hervorzuheben.
  • Das Psychophysiologie-Praktikum war eine Bereicherung für den Kurs der Med. Psychologie.
  • Der Lehrende stellte häufig Verbindungen zu Nachbardisziplinen her.
  • Das Praktikum hat mein Interesse an psychophysiologischen Zusammenhängen geweckt.
  • Ich habe im Praktikum viel gelernt.
  • Bei Schwierigkeiten mit den Experimenten fühlte ich mich durch die Lehrenden gut betreut.
  • Ich habe die begleitenden Seminarsitzungen (Gruppenarbeiten) regelmäßig besucht.
  • Falls Ja: Die Gruppenarbeiten haben das Praktikum gut ergänzt.

Die folgenden beiden Fragen wurden mit einer Ratingskala von 1 = "sehr gute Vorkenntnisse" bis 5 = "keine Vorkenntnisse" beantwortet:

1.
Zu Beginn des Praktikums hatte ich zur Psychophysiologie…
2.
Nach Ende des Praktikums hatte ich zur Psychophysiologie…

Ein weiteres Item forderte die Bewertung des Praktikums mit einer Schulnote:

"Bei einer Bewertung mit Schulnoten (von 1-6) würde ich das Praktikum mit _________ bewerten".

Theoretische Gruppenarbeiten und Zusammenfassung der Ergebnisse

Praktikumsbegleitende theoretische Gruppenarbeiten behandelten die Themenbereiche Emotion, Stress und Stressbewältigung sowie Biofeedback. Zum Thema Emotion sollten die Studierenden auf der Basis einer Reihe von Texten (entsprechende Lehrbuchkapitel aus [5], [6], [7] sowie [8], [9]) die folgenden Fragen bearbeiten: Ebenen der Erfassung emotionaler Reaktionen, Dimensionen der Klassifikation von Emotionen, Zusammenhänge dieser Dimensionen mit physiologischen Parametern, Zusammenfassung der wichtigsten historischen Emotionstheorien sowie Argumente für und gegen jede dieser Theorien, Erläuterung der neurowissenschaftlich geprägten Auffassung vom Zusammenhang zwischen peripheren und zentralen emotionalen Reaktionen, Rolle verschiedener Hirnsysteme bei der bewussten und unbewussten Emotionsverarbeitung.

Zum Bereich Stress und Stressbewältigung sollten auf der Basis von Lehrbuchabschnitten [5], [6], [7] und den Texten [8], [9] die folgenden Themen bearbeitet werden: Stressoren/kritische Lebensereignisse, Stressmodell von Selye, Stressbewältigungsmodell von Lazarus, Maßnahmen zur Stressbewältigung, Wirksamkeit von Bewältigungshandlungen, Zusammenhänge zwischen Stress und Krankheit.

Das Thema Biofeedback wurde auf der Basis der Texte [10], [11], [12] mit den folgenden Leitfragen behandelt: Grundprinzip des Biofeedback, Neuroprothesen, Verwendung von EEG-Parametern zum Neurofeedback, EEG-Feedbackanordnungen, zentrale Ergebnisse in den verschiedenen Anwendungsfeldern der Selbstkontrolle langsamer EEG-Potentiale (Epilepsie, ADHS, Kommunikation bei Schwerstgelähmten).

In einer zusammenfassenden Sitzung im Anschluss an die praktischen Übungen und theoretischen Gruppenarbeiten wurden die wichtigsten Ergebnisse der Übungen vorgestellt. Zudem wurden die physiologischen Grundlagen der erhobenen Maße wiederholt und Einschränkungen der wissenschaftlichen Aussagekraft der Übungen mit den Studierenden diskutiert.

Statistische Auswertung

Da es sich bei den Übungen nicht um Experimente zur Hypothesentestung im wissenschaftlichen Sinne handelte sondern um Demonstrationen, bei denen für die Studierenden die Erfahrung der Modulierbarkeit physiologischer Parameter im Zusammenhang mit psychischen Prozessen im Vordergrund stand, wurden die Ergebnisse lediglich deskriptiv ausgewertet. Ebenso wurden für die Items des Evaluationsbogens Mittelwerte und Standardabweichungen berechnet; der einzige statistische (t-) Test wurde für den Unterschied zwischen der Selbsteinschätzung des Kenntnisstands im Bereich Psychophysiologie zu Beginn und nach Ende des Praktikums durchgeführt.


Ergebnisse

Ergebnisse der Übungen

Die Ergebnisse der Übungen sind in Abbildung 1 dargestellt. Für die Übung zum Thema "Stress" zeigte sich eine deutlich erhöhte Herzfrequenz während der Stressphasen im Vergleich mit den Ruhephasen. Zusätzlich konnte ein kontinuierlicher Rückgang der Herzrate über die drei Ruhebedingungen hinweg beobachtet werden (siehe Abbildung 1A [Abb. 1]).

Die Ergebnisse der Übung zum Thema "Lügendetektor" variierte zwischen den einzelnen Studierendengruppen. Bei der Mehrzahl der Versuche konnte bereits nach einem bis zwei Durchgängen die gemerkte Zahl anhand der erhöhten Hautleitwertsreaktion ermittelt werden. Ein Beispiel für eine Hautleitwertskurve, anhand derer eine erfolgreiche Lügendetektion stattfinden konnte, ist in Abbildung 1B [Abb. 1] gezeigt.

Bei der Übung zum Thema "Biofeedback" erzielten die Probanden in der Regel nur geringfügige Veränderungen der Hauttemperatur. Im Mittel wurden zwar Temperaturerhöhungen erzielt, deren Ausmaß war aber eher gering (siehe Abbildung 1C [Abb. 1]).

Bei der Übung zur Elektroenzephalographie konnten deutliche Veränderungen der Alpha-Aktivität in Zusammenhang mit Aktivation nachgewiesen werden. Exemplarisch ist in Abbildung 1D [Abb. 1] die Veränderung der Amplitude der Alpha-Aktivität bei geöffneten im Vergleich zu geschlossenen Augen dargestellt.

Ergebnisse der Evaluation

Die Bewertungen von 11 der 13 Items, die mit einer Ratingskala von 1 = "trifft völlig zu" bis 5 = "trifft gar nicht zu" beantwortet wurden, sind in Abbildung 2 dargestellt. In der Abbildung nicht gezeigt sind die Ergebnisse für zwei Items, für die die Varianz sehr gering war: die Frage nach pünktlichem und regelmäßigem Stattfinden des Praktikums (mittlere Bewertung = 1.2, SD = 0.51) sowie nach dem regelmäßigen Besuch der begleitenden Seminarsitzungen (mittlere Bewertung = 1.1, SD = 0.32). Auch für alle anderen Items lagen die mittleren Bewertungen < 3 auf der Fünf-Punkte-Skala, also in der oberen Hälfte. Im Wesentlichen wurden die folgenden Punkte überdurchschnittlich positiv bewertet: Gute Strukturierung, gut verständliche Darstellung, gute Betreuung bei Schwierigkeiten mit den Übungen. Das Praktikum wurde als Bereicherung für den Kurs bewertet, und die theoretischen Gruppenarbeiten wurden als gute Ergänzung für das Praktikum angesehen. Weniger gut bewertet wurden dagegen die Beziehungen zu Nachbardisziplinen und der Lerneffekt. Gegen einen geringen Lerneffekt spricht allerdings die Auswertung der Fragen nach den Vorkenntnissen auf dem Gebiet der Psychophysiologie zu Beginn der Kurseinheit. Hier ergab sich eine hochsignifikante Erhöhung des selbstbeurteilten Kenntnisstandes (mittlere Beurteilung vorher: 4.0 (SD = 1.1), mittlere Beurteilung nachher: 2.6 (SD = 0.8); t(160) = 11.2, p < 0.001) (siehe Abbildung 2 [Abb. 2] und 3 [Abb. 3]). Nach Schulnoten erhielt das Praktikum eine mittlere Bewertung von 2.5 (SD = 0.91).


Diskussion und Schlussfolgerung

Ziel der praktischen Übungen war die Vermittlung eines besseren Verständnisses der engen Zusammenhänge zwischen psychischen Vorgängen und deren physiologischen Begleiterscheinungen. Stressbedingte Veränderungen der Herzrate, Anstiege der elektrodermalen Aktivität bei emotionalen Ereignissen sowie Veränderungen im EEG-Frequenzspektrum in Zusammenhang mit mentaler Aktivation und Ruhe konnten in der Regel eindrucksvoll beobachtet werden. Die einzige weniger erfolgreiche Übung betraf das Hauttemperatur-Biofeedback; die geringfügigen Veränderungen, die innerhalb der vorgegebenen drei Biofeedback-Phasen erzielt wurden, legen nahe, dass die Fähigkeit zur Selbstregulation der Hauttemperatur eine längere Lernphase erfordert. Anhand der Ergebnisse der Übungen konnten im Abschlusstermin verschiedene Aspekte des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns thematisiert werden. Das Problem der Definition einer geeigneten Baseline sowie von Übungs- oder Ermüdungseffekten wurde bei der Betrachtung der Herzratenveränderungen über die wiederholten Ruhephasen hinweg deutlich. Zusätzlich kann der Rosenthal-Effekt bei der Durchführung und Auswertung der Ergebnisse eine Rolle gespielt haben, da es sich durchweg um interaktive Situationen handelte und die Versuchsleiter über die erwarteten Ergebnisse informiert waren. Gerade beim Biofeedback konnte verdeutlicht werden, dass die Ergebnisse nur dann im Sinne eines Erfolgs der angewendeten Strategien hätten gedeutet werden können, wenn man eine Kontrollgruppe (z.B. mit zufälligem Feedback) herangezogen hätte.

Die überwiegend positiven Ergebnisse der Evaluation sind aufgrund des Fehlens einer Kontrollgruppe ebenfalls vorsichtig zu interpretieren. Beispielsweise wäre es möglich, dass eine Vergleichsgruppe mit rein theoretischem Unterricht eine ähnlich große Verbesserung ihres Kenntnisstandes berichtet hätte. Allerdings scheint uns die für die systematische Untersuchung des Lernerfolgs erforderliche zufällige Zuweisung der Studierenden auf reine Praxis- oder Theoriegruppen kaum vertretbar.

Zukünftige Verbesserungen sollen die Abfolge der einzelnen Termine betreffen. So wurde es im Nachhinein als günstiger angesehen, den Termin zu den Grundlagen der verschiedenen physiologischen Messgrößen vor Beginn der praktischen Übungen durchzuführen, um den Studierenden bessere Voraussetzungen für ein Verständnis der Vorgehensweise und der Ergebnisse zu bieten. In Zukunft werden wir anstelle der Hauttemperatur das Elektromyogramm der Nacken-Muskulatur als Zielgröße für Biofeedback verwenden, da in der kurzen Zeit keine Kontrolle der Hauttemperatur erlangt werden konnte. Die Muskelanspannung ist prinzipiell der willkürlichen Steuerung leichter zugänglich als autonome Funktionen [13] und sollte daher eher zu einem wahrnehmbaren Erfolg der Biofeedback-Übung führen. Zum Erlernen einer messbaren Beeinflussung der Hauttemperatur werden dagegen typischerweise 3-4 Lerneinheiten von jeweils etwa zehn Minuten Dauer benötigt [14].

Von diesen Modifikationen erhoffen wir uns eine weitere Verbesserung des selbstbeurteilten Lernerfolgs. Zusammenfassend haben uns die positiven Ergebnisse der Evaluation ebenso wie der persönliche Eindruck aus den Interaktionen mit den Studierenden während des Praktikums in unserem Entschluss bestärkt, ein Psychophysiologie-Praktikum als Teil des Kurses der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie fest zu etablieren.


Literatur

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Schüler J, Dietz F. Kurzlehrbuch Medizinische Psychologie und Soziologie. Stuttgart: Thieme; 2004.
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Buser K, Schneller T, Wildgrube K. Medizinische Psychologie Medizinische Soziologie. 5. Auflage. München: Urban & Fischer; 2003.
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Rau H, Pauli P. Medizinische Psychologie/Medizinische Soziologie systematisch. 2. Auflage. Bremen: Uni-Med; 2004.
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LeDoux JE. Das Gedächtnis für Angst. In: Güntürkün O. Biopsychologie. Heidelberg: Spektrum. 1998:96-103.
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Strehl U. Neurofeedback. Psychomed. 2004;14:11-17.
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Strehl U, Hinterberger T, Veit R, Birbaumer N. Entwicklungen der medizinischen Psychologie: Neuroprothesen für neurologische Erkrankungen. In Balck F. Anwendungsfelder der medizinischen Psychologie. Heidelberg: Springer. 2005:117-125.
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Kraft U. Lenke deinen Geist! Gehirn Geist. 2005;09:12-19.