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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Die Aufklärung schwer kranker Patienten im interprofessionellen Kontext: Ein Lehrprojekt für Medizinstudenten und Krankenpflegeschüler

Breaking bad news: an interprofessional course for medical and nursing students

Projekt Humanmedizin

  • corresponding author Jan Schildmann - Ruhr-Universität Bochum, Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Bochum, Deutschland
  • author Jürgen Härlein - Staatliche Berufsfachschule für Krankenpflege am Klinikum der Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • author Nicole Burchardi - Philipps-Universität Marburg, Koordinierungszentrum für Klinische Studien, Marburg, Deutschland
  • author Mathias Schlögl - Ruhr-Universität Bochum, Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Bochum, Deutschland
  • author Jochen Vollmann - Ruhr-Universität Bochum, Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Bochum, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2006;23(4):Doc67

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2006-23/zma000286.shtml

Eingereicht: 7. Juli 2006
Veröffentlicht: 15. November 2006

© 2006 Schildmann et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Hintergrund: Das Überbringen schlechter Nachrichten ist eine häufige und schwierige Gesprächssituation im klinischen Alltag. Während das Aufklärungsgespräch ärztliche Aufgabe ist, unterstützen Mitarbeiter der Krankenpflege1, 2 die Patienten im Verlauf des Aufklärungsprozesses bei der kognitiven und emotionalen Verarbeitung einer schlechten Nachricht. Empirische Untersuchungen belegen die Effektivität erfahrungsorientierter Lehrveranstaltungen zur Ausbildung kommunikativer Fertigkeiten. In dieser Arbeit wird das Kurskonzept einer interprofessionellen Lehrveranstaltung für Medizinstudenten und Krankenpflegeschüler zur Kommunikation mit schwer kranken Patienten im Aufklärungsprozess vorgestellt.

Projektbeschreibung: Die fakultative Lehrveranstaltung wurde seit 2002 sieben Mal mit insgesamt 54 Kursteilnehmenden durchgeführt. Lernziele der Lehrveranstaltung sind die Weiterentwicklung kommunikativer Kompetenzen für Gespräche mit schwer kranken Patienten sowie der Erwerb von Kompetenzen zur konstruktiven Rückmeldung (Feedback). In Ergänzung dazu sollen im Rahmen des interprofessionellen Ansatzes Kenntnisse der berufsgruppenspezifischen Aufgaben im Aufklärungsprozess erworben werden. Gespräche mit Simulationspatienten, Diskussionen in Kleingruppen sowie der Austausch mit klinisch erfahrenen Ärzten und Krankenpflegern sind die Wichtigsten in der Lehrveranstaltung eingesetzten Lehrmethoden.

Schlussfolgerung: Das Kursangebot wird von Medizinstudenten und Krankenpflegeschülern gut angenommen. Neben der Analyse des individuellen Gesprächsverhaltens wird die Veranstaltung von den Teilnehmern genutzt, um Möglichkeiten der interprofessionellen Zusammenarbeit bei der Patientenaufklärung zu identifizieren. Es besteht ein Mangel an wissenschaftlichen Arbeiten zur Konzeptionalisierung interprofessioneller Ansätze bei der Patientenaufklärung. Dies ist Voraussetzung für die Definition spezifischer Lehr- und Lernziele interprofessioneller Kursveranstaltungen zum Überbringen schlechter Nachrichten und bildet die Grundlage für zukünftige Evaluationsstudien.

Schlüsselwörter: Schlechte Nachrichten überbringen, interprofessionelle Ausbildung, Teamwork, kommunikative Kompetenzen

Abstract

Background: Breaking bad news is a frequent and difficult communication situation in clinical practice. Informing patients about bad news is part of physicians’ tasks. Nurses may support patients during the process of realising bad news on a cognitive as well as emotional level. Empirical studies show that experiential courses are effective measures to train communication skills. This paper presents the course concept of an interprofessional teaching session for medical and nursing students on the communication with seriously ill patients.

Description of the project: Since 2002, 54 participants took part in seven courses. Teaching aims are the development of competences to provide feedback as well as communication skills with respect to discussions with seriously ill patients. In addition students get to know the specific tasks both professions encounter in the context of discussions with patients who had been diagnosed with a serious illness. Role plays with simulated patients, small group discussions as well as a session with clinically experienced physicians and nurses are the main teaching methods.

Conclusion: The optional course has been well accepted by both student groups. In addition to the analysis of individual communication skills participants use the collaborative teaching sessions to discuss the options of an interprofessional approach of breaking bad news. There is a lack of scientific literature regarding the criteria of interprofessional concepts of breaking bad news. Such research is necessary to define specific teaching aims of collaborative courses on disclosing bad news and will serve as a fundament for future evaluation studies.

Keywords: breaking bad news, interprofessional education, teamwork, communication skills


Hintergrund

Das Überbringen schlechter Nachrichten (breaking bad news) ist eine häufige Aufgabe im Rahmen der klinischen Tätigkeit. Die Durchführung von Aufklärungsgesprächen stellt hohe Ansprüche an die kommunikativen Fähigkeiten von Ärzten. Empirische Studien deuten daraufhin, dass auch klinisch erfahrene Ärzte diese Gesprächssituationen als schwierig und psychisch belastend empfinden [1]. Patienten möchten mehrheitlich auch in Fällen schwerer und lebensbedrohlicher Erkrankungen über ihren Zustand und die möglichen therapeutischen Optionen aufgeklärt werden [2]. Die Qualität der Arzt-Patient-Kommunikation hat Einfluss auf die Zufriedenheit und psychologische Gesundheit von Patienten [3].

Im anglo-amerikanischen Raum, Skandinavien [4] und in zunehmenden Maße auch in Deutschland [5], [6] werden Lehr- und Fortbildungsveranstaltungen zur Patientenaufklärung für Medizinstudenten und Ärzte durchgeführt. Evaluationsstudien zeigen, dass diese Kursveranstaltungen nicht nur die Selbsteinschätzung der Teilnehmer verbessern [7], sondern auch das beobachtbare Gesprächsverhalten beeinflussen [8]. Die Aufklärung über Diagnose, Therapieoptionen und Prognose ist aus juristischer und ethischer Perspektive ausschließlich Aufgabe des Arztes [9]. Lehr- und Fortbildungsveranstaltungen zu diesem Thema werden mehrheitlich für Medizinstudenten und Ärzte angeboten [8]. Empirisch-qualitative Untersuchungen zeigen, dass aus der Patientenperspektive die Aufklärung über eine schwerwiegende Erkrankung als Prozess wahrgenommen wird im Verlauf dessen die Erkrankung und die damit assoziierten Konsequenzen realisiert werden [10]. Krankenpfleger unterstützen die kognitive wie emotionale Verarbeitung einer schlechten Nachricht im Verlauf dieses Prozesses. Informationen über pflegerelevante Aspekte, Angebote psychosozialer Unterstützungsmöglichkeiten sowie die emotionale Begleitung sind Beispiele für den Beitrag dieser Berufsgruppe im Kontext des Aufklärungsprozesses. Angesichts der unterschiedlichen Beiträge von Ärzten und Krankenpflegern bei der Patientenaufklärung und einer möglichen Optimierung der Betreuung von Patienten im Verlauf des Aufklärungsprozesses durch eine verbesserte interprofessionelle Zusammenarbeit bei der Aufklärung werden im angelsächsischen Sprachraum entsprechende Lehr- und Fortbildungsveranstaltungen zunehmend für beide Berufsgruppen gemeinsam angeboten [11], [12].

Gegenstand dieser Arbeit ist die Darstellung von Kurskonzept, Lehr- beziehungsweise Lernzielen und Lehrmethoden eines nach unserer Kenntnis in Deutschland einmaligen Lehrprojekts für Medizinstudenten und Krankenpflegeschüler zur Gesprächsführung mit schwer kranken Patienten im Verlauf des Aufklärungsprozesses. Die Konzeption des Kurses sowie die im Verlauf der Durchführung erworbenen Erfahrungen der Autoren werden im Kontext der relevanten Literatur diskutiert. Ein Ausblick auf den Forschungsbedarf hinsichtlich der Konzeptionalisierung interprofessioneller Ansätze bei der Patientenaufklärung als Grundlage für die Definition spezifischer Lehrziele bildet den Abschluss der Arbeit.


Projektbeschreibung

Kursformat und Kursleitung

Die fakultative Lehrveranstaltung wird als eintägiges Blockseminar (7,5 Zeitstunden) angeboten und von Mitarbeitern der Professur für Ethik in der Medizin und der Staatlichen Berufsfachschule für Krankenpflege, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg durchgeführt. Die Lehrveranstaltung wurde erstmals im Wintersemester 2002/2003 durchgeführt. Es werden wenigstens zwei Kurse pro Semester für jeweils vier Medizinstudenten beziehungsweise Krankenpflegeschüler angeboten. Das Teilnehmer/Tutoren-Verhältnis pro Kurs beträgt 8 Teilnehmer : 2 Tutoren. Zielgruppe der Lehrveranstaltung sind Medizinstudierende zwischen dem dritten und sechsten Studienjahr sowie Schülerinnen und Schüler der Krankenpflege im zweiten beziehungsweise dritten Ausbildungsjahr. Die Blockseminare werden von Ärzten beziehungsweise studentischen Tutoren sowie Lehrern der Krankenpflegeschule geleitet. In einer zweitägigen Fortbildung bearbeiten die zukünftigen Tutoren das Kursthema anhand von Rollenspielen und Diskussionen in der Kleingruppe. Alle zukünftigen Tutoren müssen im Verlauf der Ausbildung wenigstens einmal eine Gesprächsübung, wie sie im Studentenkurs durchgeführt wird einschließlich der anschließenden Diskussion, leiten und moderieren. In einer weiteren Kurseinheit werden die wichtigsten Elemente konstruktiven Feedbacks erarbeitet und praktisch angewendet. In Kleingruppendiskussionen werden Schwierigkeiten bei der Gruppenleitung identifiziert, mögliche Problemlösungsstrategien analysiert und in praktischen Übungen umgesetzt. Alle Tutoren nehmen an regelmäßigen Besprechungen unter Leitung der Autoren (J.H. und J.S.) teil, um Probleme, die im Verlauf von Lehrveranstaltungen aufgetreten sind, zu analysieren, und Vorschläge zur Verbesserung zu entwickeln. Die Lehrveranstaltungen werden von den Kursleitern mündlich und schriftlich zum Abschluss des Kurses evaluiert.

Tabelle 1[Tab. 1] gibt einen Überblick über den zeitlichen Ablauf der Lehrveranstaltung und die einzelnen Kurseinheiten.

Lernziele

In Anlehnung an Lehrveranstaltungen zur Patientenaufklärung und dem Überbringen schlechter Nachrichten für Medizinstudenten wurden folgende Lernziele formuliert:

  • Sammeln erster praktischer Erfahrungen mit Gesprächssituationen im Aufklärungsprozess
  • Weiterentwickeln kommunikativer Kompetenzen durch Reflexion, Rückmeldung der anderen Kursteilnehmer und Diskussion
  • Erwerben von Kompetenzen zur Rückmeldung (konstruktives Feedback)

In der wissenschaftlichen Literatur wurden nach unserer Kenntnis bisher keine spezifischen Lernziele für interprofessionelle Lehrveranstaltung zur Kommunikation mit schwer kranken Patienten im Verlauf des Aufklärungsprozesses definiert. Ausgehend von den klinisch-praktischen Erfahrungen der Autoren wurde die Vermittlung von Kenntnissen berufsgruppenspezifischer Aufgaben im Aufklärungsprozess als diesbezügliches Lernziel formuliert.


Lerninhalte und -methoden

1. Einführung in das Thema:

Zu Beginn des Kurses erfolgt die Vorstellung von Teilnehmenden und Tutoren. Als Einstieg in das Thema wird die Vorstellungsrunde verknüpft mit der Frage nach bisherigen Erfahrungen der Teilnehmer mit dem Überbringen schlechter Nachrichten. Dies bietet Medizinstudenten und Krankenpflegeschülern die Möglichkeit ihre Erfahrungen und Beobachtungen im Verlauf der Ausbildung zu diskutieren. Den Grundsätzen eines lernerzentrierten Ansatzes folgend werden die Kursteilnehmer gebeten ihre Erwartungen an den Kurs und mögliche Befürchtungen zu benennen. In einer weiteren Kurseinheit zu Beginn des Blockkurses werden unter der Überschrift „Aufklärung: Pro und Kontra“ Argumente für beziehungsweise gegen die Aufklärung von schwer kranken Patienten gesammelt, für alle sichtbar an einer Flipchart festgehalten und anschließend diskutiert. Lernziele dieser Kurseinheit sind die Sensibilisierung für unterschiedliche moralische Bewertungen, das Kennenlernen verschiedener Argumente und der zugrunde liegenden ethischen Prämissen (z.B: Selbstbestimmungsrecht des Patienten) in der Debatte über die Aufklärung schwer kranker Patienten.

2. Gespräche mit Simulationspatienten:

Gespräche mit Simulationspatienten bilden einen zentralen Bestandteil des Blockseminars. Hierfür werden Laien-(schauspieler) ausgebildet, die die Rolle eines Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung simulieren. Die Ausbildung der Simulationspatienten erfolgt in drei Schritten:

1.
Die Laien-(schauspieler) erhalten eine schriftliche Rollenanweisung mit Informationen zur Erkrankung, zum psychosozialen Hintergrund und spezifischen Verhaltensweisen, die im Verlauf des Gesprächs umgesetzt werden sollen,
2.
Die Rolle wird praktisch eingeübt und entsprechend der Rückmeldungen der bei dem Simulationspatiententraining anwesenden Tutoren modifiziert.
3.
Alle Simulationspatienten lernen die Regeln konstruktiver Rückmeldung zum Gesprächsverhalten kennen und üben in praktischen Einheiten deren Anwendung [13].

Die Gespräche mit Simulationspatienten finden in zwei Kleingruppen (jeweils zwei Medizinstudenten, zwei Krankenpflegeschüler und ein Tutor) statt. Die Aufteilung der Gruppe ermöglicht allen Kursteilnehmenden die Durchführung und anschließende Analyse eines Gesprächs mit einem Simulationspatienten. Zu Beginn dieser Kurseinheit erfolgt eine Einführung zu den Regeln konstruktiver Rückmeldung (Feedback). Weiterhin wird der Ablauf der Gesprächsübungen festgelegt. Jeder Kursteilnehmer führt ein Gespräch mit einem Simulationspatienten. Das ärztliche Aufklärungsgespräch und das sich zeitlich anschließende beziehungsweise vorausgehende Gespräch mit dem Krankenpfleger bildet jeweils eine Einheit. Für die Gesprächssituationen sind Rollenvorlagen erarbeitet worden, die neben einer kurzen Situationsbeschreibung auch die notwendigen medizinischen beziehungsweise pflegerischen Informationen enthalten. Im Anschluss an die Gesprächsübung beschreiben und bewerten zunächst der gesprächsführende Medizinstudent beziehungsweise Krankenpflegeschüler sowie der Simulationspatient den Inhalt und Verlauf des Gesprächs. In der darauf folgenden Diskussionsrunde wird unter Einbeziehung der Rückmeldungen der Beobachter (Kursteilnehmer und Tutor) das Gesprächsverhalten analysiert und mögliche Alternativen diskutiert. Der Gesprächsführende erhält abschließend die Möglichkeit einzelne Gesprächssequenzen unter Berücksichtigung der Rückmeldungen ein weiteres Mal zu üben. Lehrziele dieser Kurseinheit sind das Sammeln praktischer Erfahrungen für schwierige Gesprächssituationen und die Reflexion des eigenen Gesprächsverhaltens unter Berücksichtigung der Rückmeldungen Dritter. Weiterhin erwerben die Teilnehmer Kompetenzen zur konstruktiven Rückmeldungen und lernen die berufsgruppenspezifischen Aufgaben von Ärzten und Krankenpflegern im Verlauf des Aufklärungsprozesses kennen.

3. „Expertengespräch“:

Im Rahmen des so genannten „Expertengesprächs“ mit klinisch erfahrenen Ärzten und Mitarbeitern der Krankenpflege haben die Kursteilnehmer die Möglichkeit über die mit der Aufklärung von schwer kranken Patienten verbundenen Herausforderungen in der klinischen Praxis zu diskutieren. Das Diskussionsforum wird von den Teilnehmern genutzt, um Problemstellungen, die in den Gesprächsübungen bewältigt werden mussten, zu präsentieren und mit Unterstützung der „Experten“ Lösungsstrategien zu identifizieren. Weiterhin werden die Vertreter beider Professionen nach den Chancen und Grenzen interprofessioneller Zusammenarbeit im Verlauf des Aufklärungsprozesses in der klinischen Praxis befragt. Ziel der Kurseinheit ist die Rückkopplung der Lehrinhalte mit den realen Erfahrungen von in der klinischen Praxis tätigen Ärzten und Krankenpflegern.


Diskussion

Die Lehrveranstaltung zur Kommunikation mit schwer kranken Patienten im Verlauf des Aufklärungsprozesses ist nach Kenntnis der Autoren die einzige interprofessionelle Lehrveranstaltung zu diesem Thema in Deutschland. Die Auslastung der Lehrveranstaltung - 54 der 56 zu Verfügung stehenden Kursplätze in den vergangenen sieben Veranstaltungen wurden belegt - zeigt dass das Blockseminar von Medizinstudenten und Krankenpflegeschülern gut angenommen wird. Die Rückmeldungen der Teilnehmer im Rahmen der schriftlichen Evaluation deuten weiterhin auf eine positive Bewertung des Kurskonzepts durch die Teilnehmer [14]. Angesichts des mit der Teilnahme an der Lehrveranstaltung verbundenen zusätzlichen Zeitaufwandes ist davon auszugehen, dass es sich bei den Kursteilnehmern um eine Selektion besonders interessierter Medizinstudenten und Krankenpflegeschüler handelt. Die Erfahrungen der Autoren mit verpflichtenden Lehrveranstaltungen zur Patientenaufklärung für Medizinstudenten deuten daraufhin, dass eine Umsetzung des Kurskonzepts auch im Rahmen von Pflichtcurricula möglich ist [15].

Vor dem Hintergrund der empirisch belegten Effektivität erfahrungsorientierter Lehrmethoden in der Ausbildung kommunikativer Kompetenzen [16] wurden Gespräche mit Simulationspatienten als zentrales Lehrelement in das Kurskonzept aufgenommen. Der hohe personelle und finanzielle Aufwand (7,5 Arbeitsstunden für jeden der beiden Tutoren, 1 Arbeitsstunde pro Experte, 3 Arbeitsstunden für jeden der beiden in den Kleingruppen eingesetzten Simulationspatienten) ist ein Nachteil des erfahrungsorientierten Ansatzes der Lehrveranstaltung unter Verwendung von Simulationspatienten. Nach den Erfahrungen der Autoren und den mündlichen Rückmeldungen der Kursteilnehmer sprechen jedoch mehrere Argumente für den Einsatz von Simulationspatienten: Alle Teilnehmer hatten die Gelegenheit eine für ihre Profession typische Gesprächssituation in realitätsnaher Form zu üben. Weiterhin bietet die Simulationspatienten-Methode in Verbindung mit der Vermittlung von strukturierten Rückmeldungen den Kursteilnehmern die Möglichkeit in einem geschützten Rahmen das eigene Gesprächsverhalten zu reflektieren und gegebenenfalls zu modifizieren. Im Hinblick auf die interprofessionelle Zusammenarbeit bieten die Gesprächsübungen den Teilnehmern einen Einblick in den Aufgabenbereich der beiden Berufsgruppen und die damit assoziierten Herausforderungen im Verlauf des Aufklärungsprozesses. Ausgehend von den Gesprächsszenen werden in den Kleingruppendiskussionen nicht nur das individuelle Gesprächsverhalten analysiert, sondern auch organisatorische und strukturelle Aspekte identifiziert, die die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen bei der Patientenaufklärung fördern beziehungsweise behindern. Die positiven Rückmeldungen der Teilnehmer im Rahmen der mündlichen Abschlussbesprechungen zum Einsatz der Simulationspatienten decken sich mit den Evaluationsergebnissen internationaler Arbeiten zu interprofessionellen Kursveranstaltungen zur Aufklärung von schwer kranken Patienten [12].

Die gemeinsame Bearbeitung von schwierigen Gesprächen im Verlauf des Aufklärungsprozesses bietet Medizinstudenten und Krankenpflegeschülern die Gelegenheit das berufliche Selbstverständnis und die Aufgaben der jeweils anderen Berufsgruppe kennen zu lernen. Entsprechend den mündlichen Rückmeldungen der Teilnehmer und nach den Erfahrungen der Tutoren trägt die Möglichkeit Gesprächsszenen der jeweils anderen Berufsgruppe beobachten und diskutieren zu können zur besseren Kenntnis der kommunikativen Herausforderungen für die verschiedenen Berufsgruppen bei. Dies bildet die Voraussetzung für die Identifizierung von Verbesserungsmöglichkeiten hinsichtlich der Abstimmung zwischen Ärzten und Pflegen im Aufklärungsprozess. In diesem Sinne dient das beschriebene Lehrprojekt dem Lernziel, die Teilnehmenden auf die berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit im Verlauf des Aufklärungsprozesses vorzubereiten. Dieser Lehrinhalt deckt sich mit Forderungen nach einer verbesserten interprofessionellen Zusammenarbeit zur Optimierung der Gesundheitsversorgung [17], [18], [19]. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass einer Implementierung interprofessioneller Ansätze bei der Aufklärung schwer kranker Patienten in der klinischen Praxis erhebliche Hindernisse entgegenstehen. Aufgrund der zeitlichen Belastung beider Berufsgruppen und Differenzen hinsichtlich der Arbeitsabläufe ist bereits die Anwesenheit jeweils eines Vertreters beider Berufsgruppen beim Aufklärungsgespräch - als ein mögliches Element des interprofessionellen Ansatzes - mit einem Aufwand an Absprachen und zeitlicher Koordination der Arbeitsabläufe verbunden. Angesichts solcher praktischen Schwierigkeiten erscheint die Formulierung von Strategien zur Implementierung interprofessioneller Zusammenarbeit ein wichtiges Ziel zukünftiger Forschungsarbeiten. Weiterhin ist die Konzeptionalisierung der interprofessionellen Zusammenarbeit von Ärzten und Krankenpflegern bei der Aufklärung schwer kranker Patienten erforderlich. Darauf aufbauend stellen die Identifizierung spezifischer Lehr- und Lernziele und die Definition von Kriterien zur Evaluation möglicher Effekte interprofessioneller Lehr- und Fortbildungsveranstaltungen weitere Ziele zukünftiger Forschungsarbeiten dar.


Anmerkungen

1 In der vorliegenden Arbeit wird aus Gründen der gebotenen Kürze und Lesbarkeit zur Bezeichnung gemischt-geschlechtlicher Gruppen die männliche Form verwendet. Gemeint sind stets beide Geschlechter, hier z.B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenpflege.

2 In der vorliegenden Arbeit wird aus Gründen der gebotenen Kürze und Lesbarkeit der Begriff "Krankenpflege" für die Berufsgruppe der "Gesundheits- und Krankenpfleger/innen" verwendet.


Danksagung

Die Autoren danken der Stiftung Lehre an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg für die Unterstützung des Lehrprojekts.


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