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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Operieren und Lehren

Operating and Teaching

Projekt Humanmedizin

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  • corresponding author Robert B. Brauer - Technische Universität München, Klinikum rechts der Isar, Chirurgische Klinik und Poliklinik, München, Deutschland
  • author Kirsten I. Heiss - Technische Universität München, Dekanat, München, Deutschland
  • author Max Mornau - Technische Universität München, Dekanat, München, Deutschland
  • author Jörg-Rüdiger Siewert - Technische Universität München, Klinikum rechts der Isar, Chirurgische Klinik und Poliklinik, München, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2006;23(2):Doc39

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2006-23/zma000258.shtml

Eingereicht: 16. Januar 2006
Veröffentlicht: 15. Mai 2006

© 2006 Brauer et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Kurzdarstellung:

Die Umsetzung der neuen Approbationsordnung (1.10.2003) für Ärzte erforderte eine erhebliche Umstellung der Studierendenausbildung. An einer chirurgischen Universitätsklinik wurde der gesamte praktische Unterricht in ein dreiwöchiges Blockpraktikum, bestehend aus Skilltraining und Tutorcoaching integriert. Vorgestellt werden die Erfahrungen mit den veränderten Lehrformen in den letzten 12 Monaten.

Zusammenfassung:

In der neuen Approbationsordnung (1.10.2003) wurde für das Fach Chirurgie die Durchführung eines mindestens einwöchigen Blockpraktikums in der klinischen Ausbildung festgelegt. Am Beispiel einer Chirurgischen Universitätsklinik wird die Erfahrung der ersten 12 Monate mit den neuen Lehrformen vorgestellt. Alle praktischen Lehrveranstaltungen der chirurgischen Klinik wurden innerhalb eines dreiwöchigen Blockpraktikums für jeweils 75 Studierende integriert. Alternierend mit den anderen Fächern findet das Blockpraktikum insgesamt viermal im Jahr für 300 Studierende statt. In der ersten Woche dem sogenannten Skilltraining werden praktische Fähigkeiten in völlig neu konzipierten Seminaren über Naht- und Knotentechnik, Osteosynthesetechniken, Verbands- und Gipstechnik und Anastomosen mit selbstständig durchgeführten praktischen Übungen durchgeführt. In der zweiten und dritten Woche werden im Rahmen des Tutorcoachings die erlernten Fähigkeiten im klinischen Alltag angewendet. Die Studierenden rotieren täglich durch alle verfügbaren Stationen, Ambulanzen und Operationssäle. Nach Abschluss des Blockpratikums erfolgte die online Evaluation einzelner Lehrveranstaltungen durch die Studierenden. Neben der Organisation wurde vor allem die erste Woche des rein praktisch orientierten Skilltrainings mit bis zu 95% der Studierenden mit sehr gut und gut bewertet. Auch die Verteilung über die verschiedenen chirurgischen Kliniken fand sehr große Zustimmung bei den Studierenden. Hervorgehoben wird, dass sich die Studierenden im Gegensatz zu den bisher stattfindenden Lehrveranstaltungen der alten Approbationsordnung innerhalb des Blockpraktikums willkommen und ernst genommen gefühlt haben.

Schlüsselwörter: neue Approbationsordnung, Medizinstudium, praktische Ausbildung, Blockpraktikum, ärztliche Ausbildung, Medizinstudent

Abstract

According to the legal regulations of medical education (10/01/2003) in Germany students have to pass at least one week of surgical training in a block practical. We show the 12-months-experience with this new educational model in our surgery department. All practical lessons have been organized in a three-weeks-block practical for 75 students. Alternating with other specialties the block practical takes part four times a year for a total of 300 students. In the first week, the so-called skills-training week, medical students are trained in techniques of skin-suturing and hand-sewn enteral anastomoses, osteosynthesis, wound dressings and plaster bandage in newly designed seminars. These practical techniques are applied in the second and third week, the so-called tutor-coaching weeks. Students randomly rotate through all available wards, clinics and operating rooms on a day-by-day basis. After completion of the block practical students have the opportunity to evaluate every single teaching session through online marks. Apart from the organization 95% of the students rated the first week with practical seminars with highest marks. The daily rotation through the different clinics has been well accepted by the students. It has to be emphasized that the students felt much more welcome and taken seriously in the new educational model of the block practical than in former surgery courses.

Keywords: medical registry, practical education, block practicum, medical education, medical student


Einleitung

In der Presse wird die deutsche Hochschulausbildung immer öfter thematisiert. Kritisiert wird die fehlende Praxisrelevanz der Studieninhalte, sowie mangelhafte Qualität der didaktischen Stoffvermittlung von Hochschulreformen [1]. Seit Inkrafttreten der neuen Approbationsordnung für Ärzte am 1. Oktober 2003, wurden verschiedene, längst fällige Umsetzungen für die praxisnähere Ausbildung der Medizinstudierenden gesetzlich festgelegt. Für die meisten Universitätskliniken musste der seit vielen Jahren mehr oder weniger unveränderte Lehrplan zum Teil komplett umgestellt werden, damit die gesetzlich verankerten Lehrformen angeboten werden können. Kernpunkte der Approbationsordnung beinhalteten die deutliche Reduktion der Vorlesungsstunden zu Gunsten von Kleingruppenunterricht mit einer festgelegten Gesamtstundenzahl von 476 Stunden pro Student im klinischen Abschnitt und einer festgelegten Gruppengröße von sechs Studierenden bei Patientendemonstration und von drei Studierenden bei der klinischen Untersuchung [2]. Völlig neu war die Einführung von mindestens einwöchiger Blockpraktika mit mindestens 20% des praktischen Unterrichtes in den Fächern Chirurgie, Innere Medizin, Gynäkologie, Pädiatrie und Allgemeinmedizin. Anamneseerhebung und Untersuchungstechniken, die früher ausschließlich dem klinischen Teil des Studiums vorbehalten waren, wurden in den vorklinischen Unterricht exportiert [2].

Ziel der reglementierenden gesetzlichen Festlegung der neuen Approbationsordnung bestand in der Vermeidung von Unterricht am Krankenbett in Großgruppen, bei denen ein Teil der Studierenden die Patienten nur aus weiter Ferne gesehen haben und das Wohlbefinden der Patienten durch die vielen fragenden Blicke beeinträchtigt wurde. Die neue Approbationsordnung bietet aber neben einzelnen Reglementierungen auch neue Freiheitsgrade zur Gestaltung der Lehre in der Medizin. Zusätzlich soll ein deutlich praxisnäherer Unterricht für Lernende und Lehrende ermöglicht werden.

Etwa gleichzeitig zur Planung und Umsetzung der Approbationsordnung musste das Arbeitszeitgesetz genauso berücksichtigt werden, wie ein deutlich stratifizierter klinischer Ablauf mit vermehrten wirtschaftlichen Interessen der Träger unter Einführung der DRGs, die mit der Wunschvorstellung von guter und praxisnaher Lehre der Dozenten nicht immer harmonisierten.

Am Beispiel einer Chirurgischen Universitätsklinik soll die Erfahrung der Studierenden und der Dozenten mit der Umsetzung der neuen Approbationsordnung über 12 Monate vorgestellt werden.


Methoden

Vorgaben

Die neuen Lehrveranstaltungen einschließlich Blockpraktika sollten vollständig in der Vorlesungszeit angeboten werden, um die Semesterferien für Doktorarbeiten und Famulaturen frei zu halten. Inhaltlich sollten die Blockpraktika sich eindeutig von Famulaturen abheben. Innerhalb des zweiten klinischen Studienjahres (3. und 4. klinisches Semester) wurde für 300 Studenten, vier mal im Jahr jeweils am Anfang und Ende eines Semesters ein dreiwöchiger Block für die Praktika eingeplant (Abbildung 1 [Abb. 1]). Ein Rotationsverfahren gewährleistet, dass die Studierenden entweder drei Wochen Blockpraktikum Chirurgie, Innere oder eine Woche Gynäkologie oder Allgemeinmedizin absolvieren. Große Kliniken bieten die Praktika innerhalb dieser Blöcke für 75 Studierende viermal pro Jahr an, Kliniken mit geringerer Kapazität 12 mal für jeweils 25 Studierende. Freie Wochen innerhalb der Blöcke ermöglichen den Studierenden eine optimale Vorbereitung oder Versäumtes nachzuholen. Obwohl die psychiatrische Klinik keine Blockpraktika anbieten muss, war das Konzept so überzeugend, dass der gesamte praktische Unterricht nun innerhalb eines Blockpraktikums angeboten wird. Am Ende des Studienjahres haben alle Studierenden des zweiten Studienjahres alle sechs Blockpraktika absolviert (Abbildung 1 [Abb. 1]). In den acht Wochen zwischen den Blockpraktika findet normaler Vorlesungsunterricht statt. Kernstück ist eine Doppelstunde einer synchronisierten, interdisziplinären Vorlesung der Fächer Chirurgie, Innere Medizin und Pathologie, in der Vorlesungsstoff verzahnt und ohne Redundanz den Studierenden angeboten wird.

Konzept des chirurgischen Blockpraktikums

Das Chirurgische Blockpraktikum für ca. 75 Studierende beinhaltet alle praktischen Lehrveranstaltungen für die chirurgische Ausbildung der Medizinstudierenden. Konzeptionell wird es in zwei Teile unterteilt. Die erste Woche wird als Skilltraining bezeichnet, die zweite und dritte Woche als Tutorcoaching. Während des Skilltrainings werden den Studierenden die praktischen Fähigkeiten und theoretischen Grundlagen vermittelt, die ein Student zum Antritt seines Praktischen Jahres aufweisen sollte. Innerhalb der Tutor-Coaching Wochen wird der Student einem Arzt zugeteilt. Unter ärztlicher Supervision innerhalb der Alltagsroutine einer Chirurgischen Klinik wird der Patientenkontakt hergestellt und bereits erlernte Fähigkeiten und Kenntnisse nach Möglichkeit praktisch angewendet.

Skilltraining

Nach einer theoretischen Auffrischung der chirurgischen Untersuchungstechniken in Seminarform werden die Studierenden zur praktischen Umsetzung für den gesamten Nachmittag auf alle verfügbaren chirurgischen Stationen verteilt. Alle Gruppen sind möglichst klein gehalten (maximal n=6) und so untersuchen nicht mehr als drei Studierende einen Patienten. Ein Oberarzt betreut die Untersuchungen und bespricht im Anschluss die Ergebnisse gemeinsam mit den Studierenden.

Am zweiten Tag werden die Studierenden bereits in die täglich stattfindende Chirurgische Frühbesprechung integriert und erleben hautnah wie wichtige Therapieentscheidungen im Tumorboard getroffen werden und anschließend der diensthabende Oberarzt von den Ereignissen des Nachtdienstes berichtet. Da manche Entscheidungen für Studierende nicht gleich zu verstehen sind, findet jeweils direkt im Anschluss eine ausführliche interdisziplinäre Nachbesprechung zwischen einem chirurgischen und einem internistischen Onkologen statt. Kernstück des Skilltrainingswoche sind vier weitere, rein praktische Seminare die jeweils vier mal ab dem späten Vormittag für jeweils 20 Studierende nach einer theoretischen Einführung stattfinden (Abbildung 2 [Abb. 2]). In jeweils sechs akademischen Stunden werden im Osteosyntheseseminar an Plastikknochen mit echten Bohrern, Schrauben und Platten die Grundlagen der Osteosynthesetechnik beigebracht. Jeder Student muss Zug- und Stellschrauben einbringen, offen reponieren, K-Drähte bohren, Plattenosteosynthesen durchführen und zum Abschluss eine Tibiaschaftfraktur mit einem ungebohrten Marknagel stabilisieren (Abbildung 3 [Abb. 3]). Im Gips- und Verbandskurs werden sechs grundlegende Verbandstechniken zunächst auf Video vorgeführt, vom Dozenten vorgemacht und anschließend von jedem Studierenden am Partner geübt. Zuerst wird eine "Zehenfraktur" im Pflasterzügelverband fixiert, danach eine "luxierte" Schulter im Gilchristverband ruhig gestellt, ein Kornährenverband bei einer "Handgelenksdistorsion" und eine volare Unterarmschiene bei einer "Metacarpale II Fraktur" angelegt. Nach der Mittagspause wird eine "distale Radiusfraktur" reponiert und eine dorsovolare Gipslongette von jedem Studierenden angelegt (Abbildung 4 [Abb. 4]). Nur die Zirkulierung des Gipses erfolgt bereits nach dem Abbinden am gleichen Tag unter anschließender Mitnahme der Souvenirs nach Hause (Abbildung 5 [Abb. 5]). Im Naht- und Knoten Seminar werden die grundlegenden Knotentechniken beigebracht und anschließend die Nahttechniken von Allgöwer und Donati an Schaumstoffpäparaten geübt. Im Anastomosenseminar stehen die Nahttechniken und Schlingenführungen der Viszeralchirurgie im Vordergrund. An Schaumstoffrohren und Schaumstoffmägen wird die Rekonstruktion nach Billroth I und II durchgeführt.

Tutorchoaching

Am Ende der ersten Woche haben die Studierenden die praktischen Fähigkeiten gelernt, die sie in der zweiten und dritten Woche anwenden sollen. Durch Einbindung aller verfügbaren chirurgischen Kliniken einschließlich Herzchirurgie, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Ortho- und Sportorthopädie, Neurochirurgie, Plastische Chirurgie, Unfallchirurgie, Thoraxchirurgie, Gefäßchirurgie und Viszeralchirurgie konnten 44 unterschiedliche Rotationsplätze in allen geeigneten Operationssälen, Spezialambulanzen, Notaufnahmen und Stationen rekrutiert werden. Durch ein ausgeklügeltes Rotationsprinzip wurde gewährleistet, dass die Studierenden jeweils für einen Tag entweder alleine oder zu zweit für einen Rotationsplatz ausgewählt wurden. Der auf Datenbanken basierende Verteilungsalgorithmus ermöglichte eine gleichmäßige Verteilung zwischen Station, Operationssaal und Funktionsbereich unter Vermeidung von Doppelbelegungen. Die Studierenden begannen den Praktikumstag jeweils mit den fachspezifischen Frühbesprechungen unter Umständen bereits um 7:15 Uhr und konnten die Dozenten den ganzen Tag bei der täglichen Routine begleiten. Nachmittags wurde jeder Tag durch ein Propädeutik Seminar um 16:00 Uhr beendet.

Für die jeweiligen Rotationstypen wurden Arbeitsvorgaben erarbeitet. Auf Station sollten die Studierenden an der Visite teilnehmen und im weiteren Verlauf unter Anleitung neue Patienten aufnehmen, Anamnese und klinische Untersuchung durchführen und diese Ergebnisse einschließlich eines Behandlungskonzeptes mit den Dozenten besprechen. In den Funktionsbereichen bzw. Spezial- und Notfallambulanzen wurde den Studierenden zum Teil Gelegenheit gegeben Endoskopien am Monitor zu verfolgen, Ultraschalluntersuchungen durchzuführen, klinische Befunde unter Anleitung zu ertasten oder die erlernten Nahttechniken an Kopfplatzwunden einzusetzen. Im OP wurden die Studierenden vor Beginn vom Operateur oder Assistenten über den Fall informiert. In der Regel ergab es sich, dass die Studierenden auch als 2 Assistent eingesetzt werden konnten. Während der Operation wurde den Studierenden die einzelnen Schritte der Eingriffe erklärt. Dabei ergab es sich auch, dass die meisten Studierenden die Haut nähen oder klammern konnten oder die Drainagen annähten.

Der tägliche Wechsel der Rotationsplätze während der Tutorcoaching-Wochen ermöglichte den Studierenden einen großen Überblick über die verschiedenen Spezialisierungen des sehr umfangreichen Faches Chirurgie zu bekommen. Vertiefungen sollten durch eine spezielle Famulatur erreicht werden.

Datenbank basierter Verteilungsalgorithmus

Nur durch computergestützte Verteilung war es möglich 300 Studierende in vier verschiedene Blockpraktika mit 44 unterschiedlichen Rotationsplätzen an insgesamt 60 Praktikumstagen zu verteilen. Durch Vorgaben der einzelnen Rotationsplätze und Sprechstundenzeiten der Spezialambulanzen unter Berücksichtigung eines Verteilungsschlüssels zwischen OP, Ambulanz und Station wurde ein Verteilungsalgorithmus erstellt. So erhält jeder Student vor Beginn eines jedes Blockpraktikums einen individuellen Stundenplan über die nächsten drei Wochen, der gleichzeitig als Unterschriften- und Benotungsnachweis verwendet wird. Die einzelnen Rotationsstellen bekommen im Gegenzug eine genaue namentliche Aufstellung der Studierenden für jeden Blockpraktikumstag. Dadurch können die Studierenden bereits mit Namen begrüßt werden und fühlen sich willkommen. Der Clou besteht darin, dass das gesamte System online verfügbar ist. Jeder Student kann sich einige Tage vor Beginn des jeweiligen Blockpraktikums http://www.meditum.de unter Angabe des Namens und der Matrikelnummer einloggen und seinen individuellen Stundenplan herunterladen und ausdrucken. Erforderliche Änderungen und Bekanntmachungen können den Studierenden direkt per E-Mail zugeschickt werden oder sind unter Meditum aktuell auf der Homepage einsehbar.

Benotung

Entsprechend den Vorgaben der Approbationsordnung müssen auch Blockpraktika benotet werden. Grundsätzlich erscheint es schwierig ein reines Praktikum zu benoten, daher wurden für jeden der 15 Praktikumstage vom jeweiligen Dozenten eine Einzelnote vergeben. Kriterien waren eine Mischung aus Engagement, Interesse, Fachwissen und ein kurzes Fachgespräch am Ende des Tages. Der Mittelwert der Einzelnoten ergab die Endnote auf dem Schein des Chirurgischen Blockpraktikums. Es wurden überwiegend sehr gute bis gute Gesamtnoten vergeben. Die Übermittlung der Noten vom Lehrstuhl an das Dekanat erfolgte ebenfalls über die Webplattform mediTUM, gesichert über ein PIN/TAN Verfahren. Die gespeicherten Noten kann der Studierende seinerseits im Leistungsverzeichnis seines Benutzerkontos auf der Webseite abrufen.


Ergebnisse

Evaluation

In dem chirurgischen Blockpraktikum wurden nicht nur die Studierenden, sondern auch die Dozenten benotet. Im Anschluss eines jeweiligen Blockpraktikums erfolgte eine Evaluation der einzelnen Seminare, Vorlesungen und Rotationsplätze mit Schulnoten von 1-6. Einzelkriterien waren Motivation des Dozenten, Verbesserung der praktischen und theoretischen Fähigkeiten, Lernerfolg und Weiterempfehlung der Veranstaltung. Am Anfang erfolgte die Erhebung noch mit Fragebogen, seit einem halben Jahr wird online unter http://www.meditum.de anhand des individuellen Stundenplanes die Evaluation der Lehrveranstaltungen abgegeben.

Online Auswertung der Evaluation

Im Rahmen der Evaluation der Studierenden wurde neben der Organisation, vor allem die erste Woche des rein praktisch orientierten Skilltrainings mit den vier verschiedenen Seminaren gelobt. Über 90% der Studierenden haben diese Seminare mit sehr gut und gut bewertet (Abbildung 6 [Abb. 6]). Insbesondere Seminare mit überwiegend praktischer und klinischer Relevanz erzielten die besten Noten (Gips- und Verbandkurs und Osteosynthesekurs). Auch das durch Zufallsgenerator verteilte Rotationsprinzip über die verschiedenen chirurgischen Kliniken fand sehr grosse Zustimmung bei den Studierenden. Die Beteiligung der Online Evaluation lag bei 85%. Hervorgehoben werden darf, dass sich die Studierenden im Gegensatz zu den bisher stattfindenden Lehrveranstaltungen der alten Approbationsordnung innerhalb des Blockpraktikums willkommen und ernst genommen gefühlt haben. Als positiver Nebeneffekt berichteten die chirurgischen Dozenten über deutlich mehr Freude an der Lehre und Ausbildung der Studierenden. Anzumerken ist noch, dass das sehr gute Ergebnis dieser Lehrveranstaltungen nur durch ein hervorragendes Engagement und Zusammenarbeit aller Ärzte und Schwestern der beteiligten Kliniken möglich geworden ist.


Diskussion

Die derzeitige Hochschulausbildung steht immer häufiger im Kreuzfeuer der Kritik. Studierenden kritisieren die mangelnde Praxisrelevanz in der Ausbildung und zu große Unterrichtsgruppen, Universitätsdozenten beklagen sich über halb gefüllte Hörsäle und manche Klinikärzte bemängeln den Kenntnisstand der jungen Ärzte. Die Einführung der neuen Approbationsordnung am 1. Oktober 2003 gab die Möglichkeit durch gesetzlich festegelegte Umstrukturierungen alte Lehrformen und verstaubten Unterricht durch Kleingruppenunterricht, interdisziplinäre Lehrformen und praxisnahe Seminare und Blockpraktika zu ersetzen. Aufgrund der zu erwartenden verbesserten praktischen und theoretischen Ausbildung wurde auch das AIP abgeschafft. Am Beispiel einer chirurgischen Universitätsklinik wurden die Studierenden gezielt in die Klinik im Rahmen eines Blockpraktikums für drei Wochen integriert. Praktische Fähigkeiten, die bisher kaum im praktischen Jahr erlernt wurden, sind nun Bestandteil des Pflichtprogramms. Nach den drei Wochen konnte jeder Student Knoten, eine Hautnaht durchführen, verschiedene Verbände anlegen und besaß eine klare Vorstellung wie Osteosynthesen prinzipiell durchgeführt werden [3].

Die Rotation der Studierenden innerhalb der Tutorcoaching Wochen durch alle Bereiche der Chirurgischen Klinik, ermöglichte eine praxisnahe Ausbildung in einer bisher nicht erreichten Gruppengröße von 1-2 Studierenden pro Dozent. Am OP-Tisch war es möglich gleichzeitig zu operieren und zu lehren ohne dass der Tagesablauf des am Patienten tätigen Chirurgen wesentlich beeinträchtigt worden wäre. Die Bereitschaft der Dozenten die jeweils wechselnden Studierenden in die Alltagsroutine zu integrieren erforderte etwas Übung, Zeit und Geduld von beiden Seiten. Die Erfahrung mit den vier durchlaufenden Blockpraktika ergab, dass die Studierenden und Dozenten trotz wechselnder Kombinationen sich im Laufe des Jahres immer besser aufeinander abstimmten. Der Unterricht während der drei Wochen eines jeden Blockpraktikum wurde als Gemeinschaftsaufgabe aller Professoren, Oberärzte und Assistenzärzte gesehen. Die Vielfalt der angebotenen Lehrformen bietet aber auch Dozenten, die nicht in vordersten akademischer Front stehen die Möglichkeit sich in Vorlesungen, Seminaren und Kursen zu etablieren.

Auch wenn nicht alle Studierende Chirurgen oder Orthopäden werden können, so konnte dieses Praktikum doch viele Studierenden für ein operatives Fach begeistern. Allein das Bewusstsein der Studierenden an einem Praktikumstag willkommen zu sein und nicht als Fremdkörper lästig im Weg zu stehen, führte bei allen zu einer deutlich höheren Motivation sich auch theoretisch weiter einzubringen. Dieses erhöhte Interesse ist insofern von Bedeutung, da für chirurgische Fächer an einzelnen Standorten mit Nachwuchsproblemen zu rechnen ist [4]. Als positiver Nebeneffekt berichteten die chirurgischen Dozenten über deutlich mehr Freude an der Lehre und Ausbildung der Studierenden.

Durch den Einsatz von mediTUM ist die Medizinische Fakultät der TUM in der Lage, die vollständig EDV-gestützte Organisation des Medizinstudiums anzubieten. Dies erlaubt den Studierenden, den zeitlichen Aufwand für die Organisation der Kursbelegungen auf ein Minimum zu reduzieren, sich unmittelbar zur Qualität der Lehrveranstaltungen zu äußern und bietet erstmals die Möglichkeit, das gesamte Potential eines Lehrkrankenhauses für den Studierendenunterricht zu nutzen.

Die hier vorgestellte Umsetzung der neuen Approbationsordnung ist nur eine Form der Interpretation der neuen gesetzlichen Vorgaben. Die neu verankerten Lehrformen mit Blockpraktika und Kleinstgruppen können eine hohe Akzeptanz bei der Ausbildung der Medizinstudierenden erreichen. Trotz Integration der Studierenden in die tägliche Alltagsroutine ist die Mehrbelastung von ca. 30% der Dozenten in der Lehre zu spüren. Manche Routinearbeiten und wissenschaftliche Projekte müssen auf die Zeit zwischen den Blockpraktika verschoben werden oder können erst in zu späten Abendstunden fortgesetzt werden. In Einzelfällen müssen auch Routineoperationen auf den Folgetag verschoben werden. Um auf breiter Basis langfristig die Lehre zu verbessern und die Reihenfolge der Gewichtung Lehre -> Forschung-> Patientenversorgung an Universitätskliniken zu unterstreichen, ist die Gleichstellung der erbrachten Lehre im Vergleich zum Einwerben von Drittmittel und der Kumulation von Impakt-Punkten im Labor ohne Studierendenkontakt zu fordern. Ein großer Teil der erbrachten Mehrleistung fällt in den Bereich der nur zum Teil bezahlten Überstunden. Eine positive Belohnung für Dozenten, die Studierende trotz den hohen Anforderungen in der täglichen Routine begeistern können, wäre zum Beispiel durch eine bevorzugte Vergabe von akademischen Titeln (z.B. apl Professur etc.) innerhalb der jeweiligen Fakultät anzustreben. Die von verschiedenen Trägern von Universitätskliniken zeitgleich verordneten Stellenkürzungen sind für die Ausbildung der Studierenden auf breiter Basis allerdings völlig kontraproduktiv.


Literatur

1.
Hommel U. Deutsche Unis sind zu selbstverliebt. Süddeutsche Zeitung. 17.07.2005:2. Zugänglich unter: www:sueddeutsche.de.
2.
Bundesgesetzblatt. Approbationsordnung für Ärzte. Bundesgesetzblatt. 2002;Teil I:Nr. 44.
3.
Brauer RB. Chirurgische Blockpraktika haben sich bewährt. Dtsch Arztebl. 2005;45:A3140.
4.
Merten M. Chirurgie: Personalmangel programmiert. Dtsch Arztebl. 2005;102(3):84.