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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Kooperation zwischen Studierenden und Unterrichtenden zum Aufbau einer Sammlung von anatomischen Präparaten zur Ausleihe

Collaboration between students and teachers to accumulate a collection of anatomical preparations of high quality in order to loan them to students

Projekt Tiermedizin

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  • corresponding author Jutta Friker - Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Tieranatomie (I), insbesondere Systematische und topographische klinische Anatomie, München, Deutschland
  • author Eva Zeiler - Bundesanstalt für alpenländiische Landwirtschaft (BAL), Institut für Viehwirtschaft und Ernährungsphysiologie der landwirtschaftlichen Nutztiere, Irdning, Österreich
  • author Hans-Georg Liebich - Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Tieranatomie (I), insbesondere Systematische und topographische klinische Anatomie, München, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2005;22(2):Doc27

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/zma/2005-22/zma000027.shtml

Eingereicht: 8. November 2004
Veröffentlicht: 20. April 2005

© 2005 Friker et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Am Institut für Tieranatomie München wurde eine Kooperation zwischen Studierenden und wissenschaftlichem Personal gestartet um qualitativ hochwertige anatomische Präparate zu erstellen. Ziel ist der Aufbau einer Sammlung von Ansichtsexemplaren, die von Studierenden ausgeliehen werden können.

Die Präparationen finden an Material statt, das mit einer ungiftigen, institutseigenen Salzlösung fixiert ist. Als Zeitraum für eine Präparation, deren Themen die Studierenden selbst wählen, ist ein Semester angesetzt. Die Zeiteinteilung ist dabei den Studierenden, die jeweils in Zweiergruppen arbeiten, freigestellt. Sie können sowohl während dem Semester als auch in der vorlesungsfreien Zeit im Institut präparieren. Nach Abschluss der Präparationen werden die Präparate in Silikon umgebettet und in Plexiglasboxen verbracht.

Ungefähr ein Drittel der entstehenden Präparate erfüllt den Qualitätsanspruch des Institutes und kann somit zu Ausleihpräparaten weiter verarbeitet werden. Die Ergebnisse der restlichen zwei Drittel liegen entweder unter diesem Niveau oder die Studierenden brechen ihr Vorhaben vorzeitig ab. Die Studierenden zeigen insgesamt großes Interesse an dieser Arbeitsgruppe, so müssen jedes Semester ungefähr die Hälfte der Bewerber abgewiesen werden.

Dieses Projekt zeigt, dass durch die Zusammenarbeit mit Studierenden das verfügbare Lehr- und Lernmaterial, zum gegenseitigen Nutzen, erweitert werden kann.

Schlüsselwörter: Anatomie, Unterricht, Präparate

Abstract

In 2002 the Veterinary Medicine Faculty of Munich University (Ludwig-Maximilians-Universität) a project was started to involve students to build up a collection of anatomical preparations. The goal of this plan was to obtain long term preserved preparations for storage in boxes of plastic in order to loan them to students. The question to solve was whether it is possible and efficient to engage students. The cadavers were provided from the section hall. We used only material from animals without clinical symptoms. The students were provided with a list of themes to choose from, or they could submit a proposal. Before starting the preparation, as a first step, the basic material was conserved in a special non-toxic solution, developed at the institute of anatomy. Students could perform the preparations during the semester as well as in semester holidays. Scientific assistants helped the students throughout the project. The period specified to assemble the preparations was one semester plus semester holiday. Over the last two years we have received preparations of different quality. About one third of the preparations were of high quality and suitable for long term preservation. Approximately thirty percent of the students required two semesters to finish their preparations. The remaining preparations had to be rejected because students did not complete their project or the preparations were unsuitable for use. Students are very fascinated with this project. Every semester we accept only half of the applicants due to the overwhelming student interest. In summary, it is shown that the collaboration between the students and teachers can help to expand the learning and teaching tools. Students and teachers benefit from this teamwork. Although some preparations have to be eliminated, the students are able to apply their knowledge while gaining experience with the scalpel and tweeters.

Keywords: anatomy, instruction, anatomical preparations


Einleitung

Ein wichtiger Baustein im Anatomieunterricht ist das Lernen am Präparat. Frei zugängliche Präparate stehen den Studierenden jedoch fast ausschließlich im Rahmen von Präparierübungen zur Verfügung. Unterrichtsunabhängig können Ausstellungsstücke in Glasvitrinen besichtigt werden. Ein eingehendes Beschäftigen ist jedoch nicht möglich, für das Verständnis aber grundlegend. Da die Erstellung einer ausreichenden Anzahl von hochwertigen Präparaten sowohl die personellen als auch finanziellen Mittel weit übersteigen, wurde am Institut für Tieranatomie der LMU München ein Projekt gestartet, mit dem Ziel Studierende in die Erstellung von Feinpräparaten einzubeziehen. Es ist geplant die erstellten Präparate als Silikonplastinate, in Plexiglasboxen aufbewahrt, den Studierenden durch Ausleihe zugänglich zu machen. Über die Möglichkeit und Grenzen der Präparateerstellung durch Studierende soll im Folgenden berichtet werden. Zur Evaluation des Projektes wurden Studierende befragt.


Material und Methode

Den Studierenden, die in Zweiergruppen an einem Thema arbeiten, werden als Ausgangsmaterial frischtote, klinisch unauffällige Tierleichen aus der Pathologie oder den Kliniken zur Verfügung gestellt. Hierfür werden die Tierkörper zuvor in einer am Institut entwickelten ungiftigen Lösung fixiert, die den Erhalt einer naturnahen Qualität (Farbe, Elastizität und Konsistenz) garantiert. Die Themen der einzelnen Präparationen können von den Studierenden aus einer Vorschlagsliste ausgewählt werden oder sie nennen eigene. Als Zeitraum für die Fertigstellung ist jeweils ein Semester anberaumt. Hierbei können die Präparierzeiten frei gestaltet werden, sowohl während des Semesters als auch in der vorlesungsfreien Zeit. Den Studierenden steht zu diesem Zweck ein Abschnitt des Präpariersaals, außerhalb von Vorlesungszeiten, zur Verfügung. Verbrauchsmaterial wie Klingen, Handschuhe und Einmalkittel werden vom Institut gestellt. Während der gesamten Präparationszeit werden die Studierenden durch wissenschaftliche Mitarbeiter betreut. Die fertiggestellten Feinpräparate sollen durch Silikonplastination dauerhaft haltbar gemacht, in Plexiglasboxen verpackt und so den Studierenden zur Ausleihe bereitgestellt.


Ergebnisse

Das Projekt wurde vor zwei Jahren begonnen. Somit können erste Ergebnisse zusammengefasst werden.

Die Studierenden zeigen ein großes Interesse und Bereitschaft zur Mitarbeit. Die Arbeitsgruppe umfasste zwischenzeitlich 32 Studierende wurde aber, aus organisatorischen Gründen, für das kommende Semester wieder auf 24 Teilnehmer reduziert. Die Zahl der Anmeldungen zu dieser Veranstaltung übersteigt jedes Semester die Anzahl der freien Plätze um das Doppelte. So bewerben sich circa 50 Studierende, bei einer Semesterstärke von durchschnittlich 250 Studierenden.

Die bisher entstandenen Präparate weisen eine unterschiedliche Qualität auf. Etwa ein Drittel erfüllt den Qualitätsanspruch des Instituts. Ein Drittel muss wegen Präparationsfehlern, mangelnder Qualität oder vorzeitigem Ausstieg der Studierenden aus dem Projekt verworfen werden und ein Drittel wird erst nach einem weiteren Semester fertig gestellt.

Für die Mitarbeiter des Instituts bedeutet dieses Projekt einerseits einen hohen Zeitaufwand für die Betreuung der Studierenden, andererseits einen Zugewinn an exzellenten Präparaten. Probleme durch die ständige, jedoch nicht konkret planbare Anwesenheit einzelner Studierender im Institut und in den Lagerräumen, traten nicht auf.

Im Rahmen einer Evaluation wurden über drei Semester hinweg 28 Studierende des Projekts nach ihren Erfahrungen sowie nach einem Ausblick für diese Veranstaltung befragt. Positiv herausgehoben wurden die zusätzliche Präpariermöglichkeit bei freier Zeiteinteilung und die Gewissheit, dass gute Präparate nicht anschließend verworfen sondern dauerfixiert werden. Die Arbeit in einer Kleingruppe und die Möglichkeit auch einen Beitrag für die Lehre leisten zu können wurden ebenfalls genannt. Von allen Befragten wurde, in Freitextantworten, die Arbeit an ungiftig fixiertem Material begrüßt. „Endlich keine Tränen und kein Hustenreiz, so konnte ich die Präparierzeit bestimmen und wurde nicht vom Drang mal wieder frische Luft zu atmen, geleitet", so die Antwort einer Studentin. Negative Anmerkungen wurden von den Studierenden nur vereinzelt angeführt. Hierzu gehören die hohen Ansprüche von Seiten des Instituts und Probleme bei der Terminkoordination untereinander.

Die Studierenden wurden hinsichtlich der Projektzukunft befragt. 23 Studierende waren der Meinung, dass das Projekt weiter fortgesetzt bzw. ausgebaut werden soll. Zwei Studierende bezweifelten das Fortbestehen auf Grund des enormen Zeitaufwandes und drei äußerten sich nicht zum Fortgang.


Diskussion

Motivation der Studierenden

Grundvoraussetzung für die Durchführung dieses Projektes ist das Engagement der Studierenden. In den vergangenen zwei Jahren zeigte sich, dass Studierende bereit sind auch einen Teil ihre Freizeit Tätigkeiten am Institut zu widmen. Einige sind seit zwei Jahren beteiligt und wollen auch im nächsten Semester als Tutoren in der Arbeitsgruppe weiterarbeiten. Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass es im Rahmen der Veranstaltung zu keinem Kontakt mit lebenden Tieren kommt, dem eigentlichen Berufsziel der meisten Studierenden. Auch die Vorbereitung für anstehende Prüfungen scheint nicht das vorrangige Ziel der Studierenden zu sein, berücksichtigt man die Mitarbeit von Studierenden aus klinischen Semestern. Ebenso entfällt der Aspekt Geld, da es für die Tätigkeiten keinerlei finanziellen Ausgleich gibt. Letztlich bleibt die Anerkennung als Wahlpflichtfach und die Möglichkeit zur Erstellung von Dauerpräparaten bei freier Zeiteinteilung. Die Chance Präparate noch nach Jahren besichtigen oder zeigen zu können, könnte einen zusätzlichen Motivationsschub geben.

Dauerhafte Haltbarkeit, keine Zerstörung durch Lagerung

Die ersten Präparationen sind mittlerweile abgeschlossen und die Präparate werden durch Silikonplastination dauerhaft haltbar gemacht. Durch ihre Lagerung in portablen Plexiglasboxen sind sie über Jahre hinweg vor Verschleiß oder Zerstörung geschützt, was bei Präparaten, die direkter Berührung ausgesetzt sind, nicht möglich ist. Dies wiederum wird der langen Anfertigungszeit gerecht und macht die Erstellung von komplexen Präparaten sinnvoll.

Organisation des Projektes

Ein Kernpunkt dieses Projektes ist die freie Zeiteinteilung für Studierende. Dies bedeutet aber für das wissenschaftliche Personal eine nicht planbare Abrufbarkeit. Ein Punkt, der gerade in der Vorlesungszeit nicht einfach zu bewerkstelligen ist. So entstanden durch die zunehmende Anzahl an Beteiligten Engpässe. Da Präparationen aber nicht immer unterbrochen werden können, musste nach einer Lösung für die Betreuung gesucht werden. Im kommenden Semester werden drei Studierende als Tutoren bei der Betreuung mithelfen. Alle drei arbeiten seit über einem Jahr im Projekt mit.

Keine Probleme bereitete die Anwesenheit der Studierenden im Präparier- und Lagerraum. Befürchtete Verschmutzungen oder Beschädigungen der Institutsräumlichkeiten blieben aus.

Arbeit an ungiftig konservierten und naturnahen Präparaten

Die am Institut entwickelte ungiftige Konservierungslösung auf Salzbasis bringt zwei große Vorteile für Präparierende. Zum einen bleiben unangenehme Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Reizung der Konjunktiven oder Schleimhäute, wie sie beispielsweise bei Formalinfixierung auftreten, aus [1], [2]. Zum anderen wird Ausgangsmaterial mit naturnaher Qualität (Konsistenz, Elastizität und Farbe) bereitgestellt, dass die Präparation erleichtert. Durch diese beiden Effekte beschäftigen sich die Studierenden länger mit ihren Präparaten, was wiederum der Qualität zu Gute kommt (Abbildung 1 [Abb. 1], Abbildung 2 [Abb. 2]).

Anzahl der letztlich brauchbaren Präparate

Die Anzahl der letztlich zur Ausleihe geeigneten Präparate liegt weit unter der der begonnenen Präparationen. Hierfür sind der hohe Qualitätsanspruch von Seiten des Instituts, Fehler bei der Präparation sowie vorzeitige Ausstiege aus dem Projekt verantwortlich. Da jedoch erst nach der Fertigstellung der Präparate giftige und kostspieligere Substanzen zum Einsatz kommen, liegen die Verluste nicht auf der finanziellen sondern vor allem auf der ideellen Seite. In diesem Zusammenhang darf aber nicht vergessen werden, dass auch ein letztlich verworfenes Präparat für die Studierenden eine Schulung im Umgang mit medizinischem Instrumentarium bedeutet.

Ausblick

Nachdem die Studierenden weiter Interesse am Projekt zeigen und zahlreiche Präparate mit hoher Qualität entstanden sind, wird die Arbeitsgruppe weiter fortbestehen. Mit der Ausleihe wird begonnen, sobald ein Grundstock an Präparaten zur Verfügung steht.


Literatur

1.
Kurz H. Die Entwicklung moderner Koservierungsmethoden. Der Präparator 1978;24:180-187.
2.
Stoff E, Nitsche I, Mayet A. Formaldehydgehalt in der Flut der Präpariersäle. Zbl Bakt Hyg I. Abt. Orig B, Stuttgart 1971;155:60