gms | German Medical Science

GMS Zeitschrift für Hebammenwissenschaft

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e.V. (DGHWi)

ISSN 2366-5076

Die außerklinische Geburt bei Status nach Sectio caesarea: Eine qualitative Analyse zur Entscheidungsfindung der Eltern für den Geburtsort

Birth in out-of-hospital settings after a caesarean section: A qualitative study of decision-making by the parents

Originalarbeit

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  • corresponding author Lea Beckmann - Hochschule Osnabrück, Deutschland; Universität Witten/Herdecke, Deutschland
  • Lena Dorin - Hochschule Osnabrück, Deutschland; Universität Witten/Herdecke, Deutschland
  • Sabine Metzing - Universität Witten/Herdecke, Deutschland; Hochschule Osnabrück, Deutschland
  • Claudia Hellmers - Hochschule Osnabrück, Deutschland; Universität Witten/Herdecke, Deutschland

GMS Z Hebammenwiss 2015;2:Doc01

doi: 10.3205/zhwi000004, urn:nbn:de:0183-zhwi0000041

Eingereicht: 3. Februar 2015
Angenommen: 11. Mai 2015
Veröffentlicht: 17. Dezember 2015

© 2015 Beckmann et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: In Deutschland entscheiden sich jährlich ca. 1,6% der werdenden Eltern für eine außerklinische Geburt. Ca. 5% der Frauen hatten einen direkt vorausgegangenen Kaiserschnitt.

Ziel: Diese Studie analysiert den Entscheidungsfindungsprozess der Eltern zur nächsten, außerklinisch angestrebten Geburt.

Methode: Qualitative Interviews mit 10 Paaren, die sich nach einem Kaiserschnitt für die außerklinische Geburt entschieden. Die Mütter und Väter wurden einzeln befragt. Die inhaltsanalytische Auswertung der 20 Interviews erfolgte nach Mayring.

Ergebnis: Einige Frauen hatten sich bereits in der ersten Schwangerschaft mit dem außerklinischen Geburtsort auseinandergesetzt, suchten aber wegen Sicherheitsbedenken der Partner oder aus medizinischen Gründen eine Klinik auf. Die dann folgende negative Klinikerfahrung beeinflusste die Entscheidung der Eltern für den außerklinischen Geburtsort beim nächsten Kind. Die Entscheidung wurde mit Hilfe professioneller medizinischer Unterstützung zwischen den Partnern ausgehandelt. Verwandte, Freunde und Nachbarn werden in einigen Fällen weder involviert noch informiert.

Schlussfolgerung: Empathisches Verhalten der klinischen Fachkräfte hat einen Einfluss auf das Geburtserleben. Hier kann professionelles und selbstreflektierendes Verhalten zum Wohlbefinden der werdenden Eltern beitragen. Das Verschweigen des geplanten Geburtsortes scheint im Zusammenhang mit der fehlenden Akzeptanz des außerklinischen Geburtsortes in der Gesellschaft zu stehen.

Schlüsselwörter: Entscheidungsfindung, außerklinische Geburt, Sectio caesarea

Abstract

Background: Nearly 1.6% of all births in Germany begin in an out-of-hospital setting. About 5% of these women had a prior cesarean section.

Aim: This study explored the decision-making process of parents choosing the out-of-hospital setting for their next birth.

Method: 10 couples were interviewed. All women had a prior cesarean section and started their next birth in an out-of-hospital setting. The mothers and fathers were interviewed separately. Structured content analysis was used to analyse the 20 interviews.

Results: Some women considered an out-of-hospital setting for their first birth, but chose the hospital because of safety concerns of their partners, or for medical reasons. The negative experience they had while giving birth in the hospital influenced the parents’ decision to choose an out-of-hospital setting for their next birth. The decision about the birthplace was negotiated between the partners and with the advice of supportive health care providers. Often, relatives, friends and neighbors were neither involved nor informed.

Conclusion: Empathic and sensitive behavior of the clinical health care provider has an influence on the birth experience. Professional and self-reflective behavior supports the well-being of the parents. There seems to be a correlation between the intimately held decision about place of birth and the lack of acceptance of out-of-hospital birth in society.

Keywords: decision making, out-of-hospital birth, cesarean section


Hintergrund

Seit ungefähr 10 Jahren ist die Zahl der Frauen, die sich für ein außerklinisches Setting entscheiden, mit ca. 1,6% im gesamten Bundesgebiet stabil [17]. Außer in Großbritannien und Island, wo die Hausgeburtsraten zwischen 1,4% und 3,7% liegen, beträgt der Anteil der Hausgeburten in den meisten europäischen Ländern weniger als ein Prozent. Die Niederlande weisen traditionell den höchsten Anteil an Hausgeburten auf. Jedoch ist die niederländische Hausgeburtsrate in den letzten Jahren rückläufig und liegt aktuell bei 16% [16]. Bei Untersuchungen der soziodemographischen Daten der Frauen, die sich für eine Geburt im außerklinischen Setting entscheiden, zeigte sich, dass diese Mütter älter sind als der Durchschnitt der Gebärenden und häufiger über eine höhere Schulbildung verfügen [26][39][3][35][12][7][41].

Im Jahr 2012 hatten in Deutschland 5,2% der Frauen, die sich für eine außerklinische Geburt entschieden, eine direkt vorausgegangene Sectio [32]. Im Gegensatz zu den Niederlanden stellt in Deutschland der Status nach Sectio kein Ausschlusskriterium für eine Geburt im außerklinischen Setting dar [18]. Die Befürwortung und Ablehnung wird jedoch international kontrovers diskutiert [21][31][30][11][14][5].

Einige Autoren beschreiben bei der vaginalen Geburt nach Sectio caesarea Risiken wie Placentalösungsstörungen, Blutungen und Uterusrupturen [19][27]([44] S. 1207-24). In aktuellen Studien werden diese Ergebnisse jedoch relativiert. Das Rupturrisiko bei Status nach Sectio steigt bei klinischen Interventionen wie der Gabe von Wehen fördernden Mitteln [29][13][2] und dem Einsatz der Periduralanästhesie [9][2]. Diese Maßnahmen werden in Deutschland im außerklinischen Setting nicht eingesetzt. Zudem ist die Inzidenz von Placentalösungsstörungen und postpartalen Blutungen bei Frauen mit vorausgegangenem Kaiserschnitt gegenüber den Erstgebärenden im außerklinischen Setting in Deutschland nicht erhöht [6].

In Untersuchungen zur Motivation bei der Wahl des außerklinischen Geburtsortes sind international die am häufigsten genannten Gründe die vertraute Hebamme, die Selbstbestimmung der Frauen und die vertraute Umgebung [26][37][42][35]. In einer aktuellen Übersichtsarbeit kommen die Autorinnen zu dem Ergebnis, dass Frauen, die sich für ein außerklinisches Setting entscheiden, dem Recht auf eine informierte Entscheidung einen hohen Stellenwert beimessen [20]. Jedoch beziehen sich diese Angaben nicht explizit auf Frauen mit vorausgegangener Sectio caesarea.

In Deutschland wird die Motivation der Mütter zur Nutzung des außerklinischen Setting im Perinatalerhebungsbogen dokumentiert. Bei Frauen mit vorausgegangenem Kaiserschnitt wurden am häufigsten die vertraute Hebamme (75%), die Selbstbestimmung (73%), die Geburtserfahrung (67%) und die vertraute/angenehme Umgebung (62%) angegeben [4].

In einer schwedischen Befragung wurde landesweit an alle Frauen, die zwischen 1992 und 2005 zuhause geboren hatten, ein Fragebogen verschickt. Von den 735 angeschriebenen Frauen beantworteten 594 (80,8%) die offen gestellte Frage nach den Reaktionen des sozialen Umfeldes zu ihrer Entscheidung zum außerklinischen Geburtsort. Die schriftlichen Antworten wurden qualitativ ausgewertet. Die Autorinnen fassen in ihren Ergebnissen zusammen, dass mit emotionalen Argumenten, der Anschuldigung der Verantwortungslosigkeit bis hin zur sozialen Ausgrenzung versucht wurde, die Frauen von der Notwendigkeit eines klinischen Settings zu überzeugen [38].

Heckhausen [22] beschreibt, dass einer individuellen Entscheidung eine Interaktion von situativen Anreizen und persönlichen Eigenschaften vorausgeht. Bei Jungermann et al. [25] wird die Entscheidung als bewusste Beurteilung von mindestens zwei Möglichkeiten hinsichtlich ihres Nutzens und der möglichen Konsequenzen beschrieben. Als gelungen wird der Entscheidungsprozess von den Autoren bewertet, wenn die Ergebnisse der Recherche über die Möglichkeiten umfassend und vielseitig vorliegen. Die umfassende und vielseitige Suche nach Informationen wird jedoch häufiger von Personen mit höherem Bildungsabschluss umgesetzt [1][43].


Zielsetzung und Forschungsfragen

Die besondere Gruppe der Frauen mit Status nach Sectio in der außerklinischen Geburtshilfe ist, abgesehen von wenigen Studien zum maternalen und neonatalen Outcome, kein umfassend bearbeiteter Gegenstand der internationalen Forschung. Um erste Erkenntnisse zu gewinnen ist das Ziel dieser Arbeit die Darstellung der Entscheidungsfindung für den außerklinischen Geburtsort von Eltern nach einem erlebten Kaiserschnitt.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende Forschungsfragen.

  • Welche zentralen Einflussfaktoren führten zur Entscheidung für eine außerklinische Geburt nach vorausgegangenem Kaiserschnitt?
  • Wie gestaltete sich der Entscheidungsfindungsprozess, sowohl im Hinblick auf die individuelle als auch auf die gemeinsame Entscheidungsfindung als Paar?

Methodik

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde ein qualitatives Design gewählt. Um ein möglichst vollständiges Bild des Prozesses der Entscheidungsfindung zum Geburtsort rekonstruieren zu können, wurden beide Elternteile für ein Interview gewonnen. Da die Anwesenheit des Partners bzw. der Partnerin die Inhalte eines Interviews beeinflussen können [36], wurden die Paare getrennt befragt. Für das teilstrukturierte Interview wurde zunächst ein Leitfaden nach den Empfehlungen von Helfferich [23] und Kruse [28] entwickelt. Nach einem Erzählimpuls zu Beginn des Interviews wurden die Befragten in ihrer narrativen Erzählweise unterstützt. Bei Unklarheiten oder offenen Punkten wurden konkrete Fragen bzw. Rückfragen gestellt.

Die durchgeführten Interviews (n= 20) mit Müttern und Vätern, die nach einem erlebten Kaiserschnitt die Geburt ihres nächsten Kindes außerklinisch begonnen hatten und deren Kind zum Zeitpunkt des Interviews unter einem Jahr alt war, wurden inhaltsanalytisch nach Mayring [33] ausgewertet. Das gesamte Interviewmaterial wurde zunächst strukturierend analysiert. Es folgte eine induktive Kategorienbildung. Die Aussagen der Paare wurden auf ihre Übereinstimmung geprüft. Die Interviews wurden unabhängig von zwei Forscherinnen ausgewertet. Die Ergebnisse wurden in einem zweiten Schritt abgeglichen. Unklare Interviewpassagen wurden in einer Analysegruppe vertiefend besprochen. Die vorliegende Arbeit orientierte sich dabei an den Gütekriterien der qualitativen Forschung nach Steinke [40]. Für das Forschungsvorhaben wurde ein Ethikantrag bei der Ethikkommission der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) e.V. gestellt, die ein ethisches Clearing erteilte.

Die Kontaktaufnahme zur Rekrutierung von Interviewteilnehmerinnen und -teilnehmern erfolgte über die Vorsitzende der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe e.V. (QUAG) und die Landeskoordinatorinnen in der außerklinischen Geburtshilfe. Die Paare wurden ausführlich und in schriftlicher Form über das Forschungsvorhaben informiert. Von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern liegt eine schriftliche Einverständniserklärung vor. Neben der Zusicherung der Anonymisierung der personenbezogenen Daten wurden alle Interviewpartner auf den jederzeit möglichen Abbruch des Interviews hingewiesen. Die Daten wurden zunächst pseudonymisiert und im Anschluss anonymisiert.


Stichprobe

Die Auswahl der Interviewteilnehmerinnen und Interviewteilnehmer fand unter dem Aspekt der höchstmöglichen Heterogenität der Gruppe statt, um ein breites Spektrum an Hintergründen und Erfahrungen in die Analysen einbeziehen zu können. Es wurde darauf geachtet, dass unterschiedlich geplante Geburtsorte und unterschiedliche Ursachen für den erlebten Geburtsmodus Kaiserschnitt beim ersten Kind vorlagen. Weitere Auswahlkriterien waren Unterschiede zum geplanten und tatsächlichen Geburtsort sowie der Geburtsmodus bei der darauf folgenden Geburt. Die 20 Interviews wurden im Zeitraum vom 31.05.2013 bis 09.01.2014 geführt. Diese wurden digital aufgezeichnet und wörtlich transkribiert.

Alle befragten Eltern lebten in einem gemeinsamen Haushalt und in einer Paarbeziehung. Es wurde jeweils ein Interview nur mit den Müttern und dann ein zweites nur mit den Vätern geführt. Die Wohnorte der Familien waren über das deutsche Bundesgebiet verteilt und die Interviews fanden bei den Paaren zuhause statt. Das Alter der Frauen lag zwischen 27 und 39 Jahren und das der Männer zwischen 29 und 45 Jahren. Die durchschnittliche Interviewdauer lag bei 30 Minuten. Das längste Interview dauerte 50 Minuten. Ein sehr kurzes Interview von 10 Minuten mit einem Vater ist dem Zeitdruck des Befragten geschuldet. Über eine Hochschulzugangsberechtigung verfügten 80% und über ein abgeschlossenes Studium 45% der Interviewpartnerinnen und -partner. Dieser Anteil ist doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung der Altersstufe 25 bis 45 Jahre [15]. Die interviewten Frauen hatten verschiedene Indikationen für die erste Sectio. Diese waren Beckenendlage, Gemini, Geburtsstillstand und Fehleinstellung. Die darauf folgende außerklinische Geburt fand bei drei Frauen zuhause und bei drei Frauen im Geburtshaus statt. Vier Frauen wurden während der Geburt in das klinische Setting verlegt. Zwei dieser Frauen erlebten eine Re-Sectio, eine Frau hatte eine Vakuum Extraktion und eine Frau hat in der Klinik spontan geboren.


Ergebnisse der Interviews

Im Folgenden werden kategoriengeleitet die zentralen Einflussfaktoren der Entscheidungsfindung für das außerklinische Setting nach erlebtem Kaiserschnitt dargestellt. Hier zeigte sich, dass das Erleben und die Verarbeitung der ersten Geburt als bedeutsamer Schritt in der Entscheidungsfindung gegen eine weitere Geburt im Krankenhaus wahrgenommen wurden. Daraus resultiert der zweite zentrale Aspekt, das Handeln in Vorbereitung auf die zweite Geburt. Im Aushandlungsprozess zwischen den Paaren zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Geburt. Ebenfalls bedeutsam sind der Umgang mit der Verbalisierung der Entscheidung gegenüber Dritten und die Reaktionen auf die Entscheidung im Umfeld der Paare. Die Bilanzierung der Entscheidung für das außerklinische Setting wird im letzten Absatz der Ergebnisdarstellung aufgeführt.

Das Erleben und die Verarbeitung der ersten Geburt

Alle interviewten Paare präferierten in der ersten Schwangerschaft eine Spontangeburt, erlebten aber einen Kaiserschnitt. Es besteht folglich eine Diskrepanz zwischen dem gewünschten und dem erlebten Geburtsmodus. So beschreibt eine Mutter nach einer außerklinischen Anbetreuung der ersten Geburt durch eine Hebamme ihr Gefühl nach der Entscheidung zur Sectio mit folgenden Worten: „Ich war dann auch am Boden zerstört.“ (Frau 9). Aufgrund des Kaiserschnittes musste also eine Enttäuschung verarbeitet werden.

Einige Eltern berichteten, dass sie sich bereits vor der ersten Geburt mit einem möglichen außerklinischen Geburtsort auseinander gesetzt haben. Drei der befragten Mütter hatten die erste Geburt außerklinisch begonnen, wurden jedoch aufgrund eines Geburtsstillstandes subpartal in die Klinik verlegt. Mütter, die sich schon beim ersten Kind eine außerklinische Geburt wünschten, aber dennoch das klinische Setting wählten, beugten sich den Sicherheitsbedenken ihrer Partner.

„Weil ich es beim ersten Kind schon machen wollte. Und da hab ich mich nicht getraut. Mein Mann war auch nicht grad begeistert, zuhause zu entbinden. Beim ersten Kind. Beim Zweiten auch nicht. Aber ich, da hab ich mich durchgesetzt.“ (Frau 1)

Es zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in der Einstellung zum außerklinischen Geburtsort. Während sich einige der befragten Frauen klar für das außerklinische Setting positionieren, verbalisieren einige Männer Bedenken und Vorbehalte. Sie selbst würden sich aus Sorge vor möglichen Risiken eher für eine Klinikgeburt entscheiden.

1. Klinikerfahrung bei der ersten Geburt

In den Aussagen der Paare fällt auf, dass das Krankenhaus häufig mit „krank sein“ verbunden wird. Dies steht der positiven Einstellung zu Schwangerschaft und Geburt konträr gegenüber, da diese, von den hier Befragten, nicht mit Krankheit assoziiert wird. Auffallend ist, dass alle Eltern übereinstimmend bei ihrer ersten Geburt mit der Betreuung im Krankenhaus unzufrieden waren. Vor allem die fehlende Intimität und unbeachtete Privatsphäre wurden beklagt. Zudem wird von den Paaren Stress, Bevormundung und mangelnde Empathie des Personals kritisiert. Ein Vater, dessen zweites Kind nach subpartaler Verlegung spontan in der Klinik geboren wurde, beschreibt die erlebte Atmosphäre im Kreißsaal wie folgt:

„Die Ärzte kommen mal rein und raus und ich hatte das Gefühl, dass sie sich mit uns nicht unterhalten so wirklich, sondern nur gucken, was ist da Sache und gehen wieder raus und das ist halt dann ganz schwierig.“ (Mann 6)

Beiden Elternteilen bleibt in Erinnerung, dass sich die fehlende Ruhe und Wertschätzung sowie die vorherrschende Hektik negativ auf die Atmosphäre auswirkt. Eine Mutter berichtet nach zwei subpartalen Verlegungen und zwei Sectiones:

„Ich war ja dann da in so einem Kreissaalzimmer drinnen und da geht die Tür auf, zu, auf, zu, kommt jemand raus, rein. Fremde Leute, die man nicht kennt, und du willst eigentlich ganz intim dein Kind gebären und ständig ist jemand anders da, dann wird man permanent untersucht und das sind alles Fremde für mich. Das ist für mich eigentlich ist es das unnatürlichste auf der Welt sein Kind im Krankenhaus auf die Welt zu bringen, meiner Meinung nach. Das ist ein Ort des Stresses.“ (Frau 7)
2. Traumatisches Erlebnis Kaiserschnitt

Das fehlende Geburtserlebnis durch den erlebten Kaiserschnitt, gepaart mit der Gesamtsituation eines Klinikaufenthaltes, wirkt bei vielen Frauen noch lange nach. Eine Mutter beschreibt ihr Gefühl nach der ersten Sectio aufgrund von Gemini mit folgenden Worten:

„Und ich empfand das im Nachhinein/ empfand das alles als sehr traumatisch, weil das alles so hoppla hopp ging. […] ich hatte immer so das Gefühl, das war so unpersönlich, und anonym, das war so, als wären die [Anm. Kinder] mit Federal Express geliefert worden.“ (Frau 3)

Diese negativ geprägte Gesamtreflektion des Klinikaufenthalts fließt in die Entscheidung für den Geburtsort des nächsten Kindes ein. Wenn möglich, möchten die Frauen einen erneuten Kaiserschnitt vermeiden und spontan gebären. Diesem Wunsch entsprechend folgt eine intensive Auseinandersetzung, die einen Ort, an dem ausschließlich spontan geboren wird, als sehr attraktiv erscheinen lässt. Von einer Spontangeburt versprechen sich die Frauen, die oftmals traumatisch erlebte Schnittentbindung endgültig zu verarbeiten und ihr Selbstvertrauen durch eine vaginale Spontangeburt zu stärken. Eine Mutter, die ihr zweites Kind im Geburtshaus geboren hat, sagt dazu:

„Also ja, vielleicht noch so, das muss ich ganz ehrlich sagen, dass diese außerklinische Entbindung auch eine unglaublich heilsame Erfahrung war. Für mich. Also es hat wirklich ganz, ganz viel, was die erste Entbindung kaputt gemacht hat, sozusagen, wieder heile gemacht. Und mir ein unglaubliches Selbstvertrauen gegeben was das angeht. Ja, auch was in so, in puncto Körperakzeptanz und solche Sachen.“ (Frau 5)

Handeln als Vorbereitung auf die zweite Geburt

Dem in der passiven Rolle erlebten Kaiserschnitt begegnen die Frauen nun mit einer aktiv handelnden Vorgehensweise in Vorbereitung auf die Geburt des zweiten Kindes. Vor allem die Mütter setzten sich mit ihren persönlichen Erfahrungen intensiv auseinander und suchten nach individuellen Lösungen für den Geburtsmodus und den Geburtsort für das zweite Kind. Im Aushandlungsprozess zwischen den Paaren nimmt der Wunsch der Mütter für ein außerklinisches Setting nun einen anderen Stellenwert ein. Nicht mehr der Sicherheitsgedanke, sondern das Wohlbefinden der Partnerin gewinnt eine höhere Bedeutung.

„….weil letztendlich ist sie ja die, die das Kind da austragen muss und dann zur Welt bringen muss und die soll sich wohl fühlen“ (Mann 6)

Von den Vätern wird klar verbalisiert, dass ihre Partnerin die größere Verletzung an Körper und Seele durch den erlebten Kaiserschnitt erlitten hat. So gibt ein Vater, dessen Frau bei beiden Geburten eine Hausgeburt anstrebte und zweimal eine Sectio erlebte, an:

„Letzten Endes ist es der Bauch von meiner Frau und es ist die, auch die Narbe von meiner Frau, die letztlich diesen Geburtsprozess überstehen muss.“ (Mann 8)
1. Informationsquellen

Zur Verarbeitung ihrer Erlebnisse suchen Frauen den Erfahrungsaustausch mit betroffenen Müttern und sammeln Informationen über ihre Möglichkeiten für eine vaginale Geburt. Dazu nutzen sie Bücher, Broschüren, das Internet und Fernsehen. Hier zeigt sich eine größere Initiative auf Seiten der Frauen, die dann ihren Partnern eher eine Zusammenfassung ihrer Informationen weitergeben. Im Kontext der Auseinandersetzung mit dem Geburtsort wird die bereits erlebte Geburt wieder präsenter und erneut reflektiert. Eine Mutter, die sich bereits in der ersten Schwangerschaft für eine Geburt im Geburtshaus interessiert hatte, sich aber dann für eine Klinikgeburt entschied, berichtet:

„Und dann habe ich auch so einen Geburtsbericht im Internet gelesen und ah ja, ich habe noch dieses Buch, wie heißt dieses Buch, „Kaiserschnitt-Mütter“, also das Buch habe ich gelesen und da kam mir langsam der Gedanke, dass ich wahrscheinlich bei der Wahl der, vom Geburtsort nicht richtig gemacht habe.“ (Frau 9)

Dies kann also dazu beitragen, dass eine starke Verbindung zwischen dem Krankenhaus als Geburtsort und dem erlebten Kaiserschnitt hergestellt wird. Da der Geburtsort in Deutschland frei wählbar ist, liegt somit auch die Verantwortung für diese Wahl zumindest teilweise bei den Eltern selbst. Dies kann dazu führen, dass die Krankenhausentscheidung nachträglich als „fehlerhaft“ klassifiziert und damit sogar eine Teilschuld am erlittenen Kaiserschnitt verbunden wird.

Durch die Beschäftigung mit dem Thema werden jedoch nicht nur Informationen gesammelt, sondern auch Bestätigung für die eigene Entscheidung, eine außerklinische Geburt anzustreben, gesucht und manchmal auch atmosphärische Erwartungen geweckt.

„Wir haben uns Bücher eigentlich besorgt und in den Büchern gelesen und gemerkt, dass gerade Leute, die eine natürliche Geburt zuhause oder im Geburtshaus bevorzugen, einfach schöne Argumente hatten dafür, dass man das lieber dort macht, weil die Atmosphäre ruhiger ist, weil man viel familiärer da ist und nicht in so einem gleißendem Licht und nicht so einer Sterilität und Anonymität da durchgeschleust wird, sondern es viel persönlicher ist.“ (Mann 10)
2. Einflüsse von außen

Auf der Suche nach Vorbildern nehmen Frauen Kontakt mit anderen Müttern auf, die nach einem Kaiserschnitt vaginal geboren haben.

Einen hohen Stellenwert haben zudem die Toleranz und, sofern vorhanden, die Unterstützung der behandelnden Ärztinnen/Ärzte. Übereinstimmend berichteten die Frauen, dass sie bei ärztlicher Ablehnung gegenüber ihres Vorhabens, nach einem Kaiserschnitt außerklinisch zu gebären, nach alternativer, sie unterstützender Betreuung suchten. Alle Frauen hatten während ihrer zweiten Schwangerschaft neben der Betreuung durch Hebammen auch ärztliche Begleitung. Männer registrierten die Toleranz von Medizinern für ihr Vorhaben zum Teil mit Überraschung.

„Das war, jeder hat gesagt, ‚es ist alles in Ordnung‘ bei uns. ‚Super. Das Kind ist klar in der Norm.‘ Also alles. ‚Macht das.‘ Also ich habe eigentlich immer erwartet, dass die uns das ausreden im Krankenhaus. ‚Wieso macht ihr das?‘ oder so. Aber eigentlich, der Arzt hat das auch gesagt, ‚ja es spricht nichts dagegen‘ und das hat uns bestärkt halt eigentlich, weil es war ja alles, die Werte und so alles gut, wo man sich halt danach richten kann.“ (Mann 7)

Sehr wichtig für die Paare ist das persönliche Gespräch mit den begleitenden Hebammen, zu denen sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Hier zeigt sich, dass die Mütter mit ihrem Wunsch nach einer außerklinischen Geburt aktiv an eine Hebamme herantreten, die dann die Aufgabe übernimmt, die Sicherheitsbedenken der Partner ernst zu nehmen und zu relativieren. Ein Vater, dessen Frau schon beim ersten Kind zuhause bleiben wollte, sich aber aufgrund der Sicherheitsbedenken des Partners für eine Geburt in der Klinik entschied, beschreibt:

„Und das hat mich dann schon jetzt für die Entscheidung dann beim [Name vom Kind] eine Hausgeburt zu machen, schon ein bisschen beunruhigt immer, dass das wieder irgendwo das Problem sein könnte. Aber gut, ich hab mich dann auch von der Hebamme überzeugen lassen.“ (Mann 1)
3. Umgang mit sozialem Umfeld

Die Entscheidungsfindung wird zwischen den Paaren ausgehandelt und größtenteils nicht offen im sozialen Umfeld kommuniziert. Findet ein Austausch über den geplanten Geburtsort in den Familien statt, so dominieren manchmal Vorbehalte, Skepsis und Unverständnis für diese Entscheidung.

„Und dann kam eine Invasion an, ‚das kannst du nicht machen‘, ‚oh mein Gott, das ist zu gefährlich‘ und ‚jetzt stell dir mal vor, da passiert was‘“ (Frau 7)
„Zwischen ‚sie ist verrückt‘, zwischen, ja, ‚auf gar keinen Fall, das darfst du nicht zulassen‘. Und, na ja, alles Negatives. Wirklich, es ist kein einziger Mensch gesagt, ‚ja‘.“ (Mann 4)

Als Konsequenz auf die ablehnenden Reaktionen und aus Selbstschutz vor weiteren negativen Äußerungen von Skeptikern, wird die Kommunikation mit dem sozialen Umfeld gemieden, bis hin zum retrospektiven Verschweigen des Geburtsortes.

„Ich wollte meine Kräfte sparen, also ich wollte mich nicht auf diese Diskussionen einlassen und ja, also ich dachte, ich mache einfach meine Sache und im Nachhinein erzähle ich das oder auch nicht. […] Also unsere Eltern wissen das heute nicht, dass die Enkeltochter im Geburtshaus zur Welt kam. Das wäre für sie wahrscheinlich eine Horrorvorstellung. So ohne Ärzte.“ (Frau 9)

Wenn auf die Wahl des außerklinischen Settings nicht mit Ablehnung reagiert wird, so wird die Entscheidung als mutig bewertet. Damit bleibt die Verantwortung für die Entscheidung bei den werdenden Eltern. Mit Mut wird im Allgemeinen nicht nur positives Handeln, sondern auch die Risikobereitschaft ausgedrückt. Damit wird vermittelt, dass mit der Entscheidung potenzielle Risiken in Kauf genommen werden. Gelingt das „Risiko“ einer außerklinischen Geburt, so wird im Nachhinein Anerkennung geäußert. Gelingt die außerklinische Geburt jedoch nicht, so wird das mit der eingegangenen Risikobereitschaft verbunden und durchaus als gescheitertes Vorhaben gewertet. So bewertet eine Mutter, die ihr zweites Kind im Geburtshaus zur Welt brachte, ihre Entscheidung selbst als mutig.

„Ich kenne Frauen, die sich in einem Krankenhaus auch einfach sicherer fühlen würden. Ich kenne auch Frauen, die auch bei der ersten Geburt schon Mut dazu haben zuhause zu bleiben, dazu braucht man in heutiger Zeit Mut, glaube ich.“ (Frau 9)

Ein Vater beurteilte die zweite subpartale Verlegung seiner Frau unter dem Aspekt der öffentlichen Verlegung eher negativ.

„Hat mir nicht so gefallen, das wir da jetzt wieder einpacken müssen mit den Wehen und die Nachbarn sind draußen auf der Terrasse und sehen uns“. (Mann 7)

Der von außen suggerierte nötige Mut für diese Entscheidung stärkt jedoch das Selbstbewusstsein und erfüllt besonders die Mütter nach gelungener außerklinischer Geburt mit Stolz über ihre eigene Leistung.

Bilanzierung der Entscheidung

Rückblickend bilanzieren alle Paare ihre Entscheidung für den außerklinischen Geburtsbeginn positiv. Lediglich eine Frau und kein Mann würden bei einer weiteren Geburt das Krankenhaus dem außerklinischen Setting vorziehen. Auch bei den Paaren, die beide Geburten in der Klinik erlebt haben, zwei davon mit einer Re-Sectio, überwiegt die positive Erinnerung an das außerklinische Setting. Eine dieser beiden Frauen mit zwei Sectiones sagt:

„und falls es einmal irgendwie ein Drittes gibt, ich glaube dann würde ich es zumindest wieder daheim anfangen lassen.“ (Frau 8)

Insbesondere die persönliche Betreuung, die angenehme Atmosphäre in gewohnter Umgebung und die Ruhe bleiben den Eltern in positiver Erinnerung. Gleichzeitig werden auch notwendige Voraussetzungen wie ein unauffälliger Schwangerschaftsverlauf für diese Entscheidung beschrieben.

„Wenn die Schwangerschaft normal verläuft, und Frau und Kind gesund sind, und man keine größeren Bedenken erst mal sieht, dann würde ich das auf jeden Fall empfehlen, weil: Es ist einfach eine völlig andere Atmosphäre. Das ist eine völlig andere Art und Weise, zu entbinden. Und es ist einfach. Ja, da wird halt dieses Medizinische total raus genommen. Das ist eine Geburt. Das ist ein natürlicher Vorgang.“ (Mann 5)

Mit dem Wissen, dass eine Spontangeburt nach einem Kaiserschnitt möglich ist, suchen sich die Eltern mit dem außerklinischen Geburtsort ein Setting, in dem die Atmosphäre einer spontanen Geburt aus ihrer Sicht förderlich ist. In Erinnerung bleibt, dass das außerklinische Setting den natürlichen Geburtsvorgang sehr angenehm unterstützt.


Diskussion

Die hier befragten Paare blicken auf Geburtserfahrungen sowohl im klinischen als auch im außerklinischen Setting zurück. Einen wichtigen Einflussfaktor zur Entscheidung für den außerklinischen Geburtsort stellt die negative Klinikerfahrung dar. Frauen, die sich bereits vor der ersten Geburt mit dem außerklinischen Setting auseinander gesetzt hatten, beugten sich den Sicherheitsbedenken der Partner und wählten als Geburtsort eine Klinik. Hier zeigt sich die hohe Bedeutung der gemeinschaftlichen Entscheidung der Paare bei der Wahl des Geburtsortes für das gemeinsame Kind. Mit der zweiten Schwangerschaft wird die Entscheidung für einen Geburtsort erneut ausgehandelt. Die hier befragten Mütter und Väter haben, als gemeinsame Erfahrung, die erste Geburt und den Klinikaufenthalt in negativer Erinnerung. Die Väter reagieren in der zweiten Schwangerschaft auf den Wunsch ihrer Partnerinnen, ihr Kind im Geburtshaus oder Zuhause zur Welt zu bringen, nicht mehr mit Abwehr, sondern mit Verständnis. Die negative erste Geburtserfahrung als wesentlicher Einflussfaktor für die Entscheidung, beim nächsten Kind das außerklinische Setting zu wählen, wurde bereits von Boucher et al. [8] beschrieben. Dass das mütterliche Wohlbefinden – zumindest zeitweise – beeinträchtigt ist, wenn der geplante Geburtsmodus nicht dem tatsächlichen entspricht, beschreibt auch Hellmers ([24] S. 187). Die hohe Priorität der vertrauten oder angenehmen Umgebung, die auch aus einer erlebten Klinikerfahrung resultieren kann, wird bei Cheyney [10] und Murray-Davis et al. [34] aufgezeigt.

Die Entscheidungsfindung als Paar, nach einem von beiden Partnern negativ erlebten Klinikaufenthalt, wird von den Vätern häufig als eine, durch die Frau dominierte Entscheidung beschrieben, der die männlichen Partner dann aber gut folgen konnten. Hier scheinen geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung zum Gebären und zum klinischen Setting eine tragende Rolle zu spielen. Die Entscheidung, ein Kind nicht im Krankenhaus sondern zuhause oder im Geburtshaus zu gebären, wird in Deutschland von einer Minderheit umgesetzt. In der Mehrheit der Bevölkerung scheinen Sicherheitsbedenken zu bestehen oder es fehlen Informationen über das außerklinische Setting, die sich in Abwehrreaktionen zeigen. Auffallend ist die Übereinstimmung der Interviewteilnehmerinnen und -teilnehmer zu den negativen Reaktionen des sozialen Umfeldes. So wird das klinische Setting von außenstehenden Personen mit dem Aspekt der Sicherheit für Mutter und Kind assoziiert, das außerklinische Setting hingegen mit der Vorstellung von der mangelnden Möglichkeit des raschen Handelns bei Komplikationen.

Dieses Ergebnis stimmt mit der Arbeit von Sjöblom et al. [38] überein. Die Betroffenen begegnen den Vorbehalten aber nicht argumentativ, sondern durch Verschweigen des geplanten Geburtsortes. Die Auseinandersetzung wird gemieden, um „Kraft zu sparen“. Die befragten Frauen waren sich sehr sicher, mit dem außerklinischen Setting die richtige Wahl zum Geburtsort getroffen zu haben. Geburt wurde von allen Frauen als natürlicher Vorgang wahrgenommen und Krankenhaus mit „krank sein“ assoziiert. Die Mütter hatten sich umfassend mit den Möglichkeiten und Grenzen der außerklinischen Geburt bei Status nach Sectio auseinandergesetzt, sahen es aber nicht als ihre Aufgabe an, die Entscheidung gegenüber Dritten zu rechtfertigen. Nach der erfolgreichen außerklinischen Geburt reagieren Familie, Freunde, Nachbarn und Kollegen positiv. Dann wird die Entscheidung für das außerklinische Setting als mutig bezeichnet. Unklar bleibt, ob sich der Mut auf das eingegangene Risiko oder auf die Abweichung vom Normverhalten bezieht. Hier ist weitergehende Forschung notwendig, um das Phänomen der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz des außerklinischen Geburtsortes zu untersuchen.

Der mütterliche Stress, der durch eine subpartale Verlegung hervorgerufen werden kann, dient häufig als Argumentation, den vorausgegangenen Kaiserschnitt als Ausschlusskriterium für die Außerklinik zu definieren. In der vorliegenden Arbeit konnte diese Annahme nicht bestätigt werden und wurde auch von Wiegers et al. [45] entkräftet. Die Autoren beschreiben, dass die ungeplante subpartale Verlegung wenig Einfluss auf die Entscheidung des nächsten Geburtsortes hat. Vielmehr ist die positive Geburtserfahrung ein wesentlicher Indikator, den bekannten Geburtsort erneut zu präferieren. Die hier befragten Eltern hoben alle die Vorteile einer vertrauten bzw. angenehmen Umgebung auch für den Geburtsbeginn hervor. Die Vorteile der außerklinischen Anbetreuung wurden von allen Männern, deren Frauen verlegt wurden, deutlich betont. Bei den subpartal verlegten Frauen bilanzierte lediglich eine Mutter, dass sie beim nächsten Kind von Beginn an ein klinisches Setting wählen würde. Hier zeigt sich ein Umdenken bei den Vätern. Diejenigen, die bei der ersten Geburt noch Sicherheitsbedenken äußerten, sind nach der außerklinischen Erfahrung von der richtigen Entscheidung zum Geburtsort überzeugt.

Limitationen

Die Anzahl der befragten Mütter und Väter ist mit n=20 gering, so dass die hier gewonnenen ersten Erkenntnisse in weiterführenden Studien verifiziert werden sollten. Zudem hätte eine tiefergehende Sequenzanalyse möglicherweise weitere Entscheidungshintergründe aufgedeckt. Ebenfalls bedeutsam könnte die Gewichtung der Einflussfaktoren sein, die jedoch durch die inhaltsanalytische Auswertung nach Mayring limitiert ist. Die hier untersuchte Gruppe weist starke Gemeinsamkeiten in der Einstellung zum Geburtsort auf. Eine kontrastierende Studie, die Paare einbezieht, die sich aufgrund von Bedenken des werdenden Vaters gegen ein außerklinisches Setting entscheiden, könnte die hier gewonnenen Erkenntnisse vertiefen. Zudem wären gemeinsame Interviews mit Paaren, in denen sich der Aushandlungsprozess klarer zeigen könnte, eine Möglichkeit für weitere Forschung.


Schlussfolgerung

Der Einflussfaktor „negative Geburtserfahrung“, der zur Entscheidung für das außerklinische Setting beigetragen hat, ist von wesentlicher Bedeutung. Die Anbetreuung Zuhause, auch bei anschließender Verlegung, wurde von allen Paaren als positiv beschrieben. Hier wird der Stellenwert der vertrauten oder angenehmen Umgebung deutlich sichtbar. Wenn eine Anbetreuung im außerklinischen Setting, auch bei (geplanter) Verlegung wesentlich zum Wohlbefinden der Gebärenden beiträgt, könnte dies als ein mögliches Betreuungsmodell weiter ausgebaut werden. Die Intimität der gewohnten Umgebung, die Anwesenheit vertrauter Menschen und die damit assoziierte Ruhe, die nötig ist, um in Sicherheit zu gebären, wird von vielen Paaren hervorgehoben. Dieses Bedürfnis wird auch in anderen Studien beschrieben [8][10]. Die hier untersuchte Gruppe von Müttern und Vätern, die nach einem vorausgegangenen Kaiserschnitt das außerklinische Setting der Klinik vorzogen, fühlte sich umfassend über die Möglichkeiten und Grenzen der außerklinischen Geburt bei Status nach Sectio informiert. Die Mütter, die über die hohe bundesweite Verlegungsrate von 38% [5] informiert waren, bezogen diese Zahl nicht auf die eigene Situation und nahmen sie auch nicht als Bedrohung wahr.

Die übereinstimmend negative Klinikerfahrung der Befragten kann durch professionelles und selbstreflektierendes Verhalten der klinischen Fachkräfte im Krankenhaus deutlich minimiert werden um eine Atmosphäre zu schaffen, die zum Wohlbefinden der werdenden Eltern beiträgt. Auch bei einem notwendigen Kaiserschnitt muss die Atmosphäre nicht zwangsläufig, wie bei der untersuchten Gruppe, mit Unruhe, mangelnder Empathie und Stress verbunden sein. Wenn die Geburt als intimer Moment der werdenden Eltern von allen Beteiligten wahrgenommen, respektiert und empathisch begleitet wird, dann kann auch das klinische Setting als „angenehme Umgebung“ wahrgenommen werden. Die Erkenntnis, dass die Gesellschaft kritisch auf die Entscheidung eines außerklinischen Geburtsortes reagiert, sollte zu vermehrter Aufklärung in der Öffentlichkeit führen, um Vorurteilen und Fehlinformationen entgegen zu wirken.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Das Forschungskolleg FamiLe – Familiengesundheit im Lebensverlauf, in dessen Rahmen diese Arbeit entstand, wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert (FKZ 01KX1113A; FKZ 01KX1113B). Es wurde jedoch keinerlei Einfluss auf diese Arbeit genommen.


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