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GMS Onkologische Rehabilitation und Sozialmedizin

Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie e. V. (DGHO)

ISSN 2194-2919

Frequenzmodulierte Magnetfeldtherapie bei Patienten mit Zytostatika-induzierter Polyneuropathie: Eine Phase-II-Pilotstudie

Low frequency magnetic field therapy in patients with cytostatic-induced polyneuropathy: A phase II pilot study

Originalarbeit

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  • corresponding author Oliver Rick - Klinik Reinhardshöhe, Onkologische Rehabilitation, Bad Wildungen, Deutschland
  • Georg Geiger - Klinik Reinhardshöhe, Onkologische Rehabilitation, Bad Wildungen, Deutschland

GMS Onkol Rehabil Sozialmed 2014;3:Doc12

doi: 10.3205/ors000020, urn:nbn:de:0183-ors0000207

Veröffentlicht: 19. Dezember 2014

© 2014 Rick et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Die Zytostatika-induzierte Polyneuropathie (CIPN) ist eine häufige Toxizität bei der Behandlung von Tumorpatienten und schränkt oftmals die Patienten langfristig ein. Eine kausale Behandlung sowie prophylaktische Maßnahmen sind nicht bekannt oder weitgehend erfolglos. Daher ist die Etablierung einer Therapie gegen die pPNP dringend erforderlich. Zur Magnetfelddtherapie (MFT) liegen in diesem Zusammenhang bisher nur wenige klinische Daten vor.

Von 07/2007 bis 08/2008 wurden 20 Patienten mit einer MFT mit frequenzmodulierter Intensität (4–12 Hz) zweimal täglich behandelt und neurologisch zu Beginn der Studientherapie sowie nach 3–4 Wochen untersucht. Verwendet wurden standardisierte Testverfahren, der Common Toxicity Criteria (CTC) Fragebogen des National Cancer Institute (NCI) und die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG).

Im Hinblick auf die Komponenten sensorische Ataxie und Neuropathie sowie neuropathischer Schmerz fand sich eine Verbesserung durch die MFT. Dieser Effekt konnte durch eine Zunahme der NLG in der elektrophysiologischen Untersuchung bestätigt werden. Darüber hinaus nahm die Pallhypästhesie ab und der Kraftgrad der Hände zu.

Mittels einer frequenzmodulierten MFT kann die CIPN sowohl an den Händen als auch an den Füßen positiv beeinflusst werden. Dies könnte bei diesen Patienten ein zukünftiges Therapieprinzip darstellen. Aufgrund dieser positiven Daten wurde eine randomisierte placebokontrollierte und doppelblinde Studie initiiert.

Schlüsselwörter: Tumorpatienten, Chemotherapie, Toxizitäten

Abstract

Cytostatic-induced polyneuropathy (CIPN) is a common toxicity in treating tumour patients which often poses a long-term restriction for patients. Causal treatment and prophylactic measures are not known or mainly ineffective. Therefore, there is an urgent need to establish therapy for pPNP. Only scarce clinical data is available concerning magnetic field therapy (MFT) in this context.

Between 7/2007 and 8/2008, 20 patients were treated with MFT with steady intensity (4–12 Hz) twice daily, and neurological examinations were conducted at the beginning of the trial therapy, as well as after 3–4 weeks. Standardised testing methods were applied, i.e. the Common Toxicity Criteria (CTC) questionnaire of the National Cancer Institute (NCI) and the measurement of nerve conduction velocity (NCV).

In terms of the components sensory ataxia and neuropathy as well as neuropathic pain, an improvement was achieved using low frequency MFT. This effect was confirmed by an increase in NCV in the electrophysiological examination. In addition, the pallhypesthesia decreased and hand strength rose.

Using low frequency MFT, the CIPN was influenced positively on both the hands and feet. This could represent a future therapy principle for these patients. As a result of this positive data, a randomised placebo-controlled and double-blind study was initiated.

Keywords: tumour patients, chemotherapy, toxicity


Einleitung

Die Zytostatika-induzierte Polyneuropathie (CIPN) stellt sich in der modernen zytostatischen Therapie zunehmend als eine wesentliche Langzeittoxizität heraus [1]. Dies betrifft insbesondere Patienten mit Tumorerkrankungen wie Kolon-, Bronchial-, Mamma- und Ovarialkarzinom, aber auch Non-Hodgkin-Lymphome, Kopf-Hals- und Keimzelltumoren, da diese Erkrankungen vornehmlich mit Platinpräparaten, Taxanen oder Vincaalkaloiden behandelt werden [2]. Während Vincaalkaloide zu einer axonalen Degeneration führen, rufen Platinpräparate Demyelinisierungen der peripheren Nerven hervor [3], [4]. Die CIPN manifestiert sich in der Regel als sensorische Neuropathie mit Parästhesien in Händen und/oder Füßen, beginnend gewöhnlich mit distal betonten, strumpf- und handschuhförmigen Dysästhesien, Taubheitsgefühl und Kribbelparaesthesien, die mit Schmerzsensationen und Ausbreitung nach proximal einhergehen [5].

Da die CIPN nicht nur von den betroffenen Patienten als unangenehm und schmerzhaft empfunden wird, sondern sich daraus auch Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung mit den entsprechenden volkswirtschaftlichen Konsequenzen ergeben kann, ist eine konsequente Behandlung ausgesprochen wünschenswert. Dieser Notwendigkeit konnten sowohl präventive und supportive Maßnahmen als auch medikamentöse Therapien bisher nicht Rechnung tragen und haben bisher in weiten Bereichen entäuscht [6], [7]. Positive Effekte konnten mittels eines sensomotorischen Trainingsprogramms als auch unter Verwendung einer Kombinationstherapie bestehend aus Physio- und physikalischer Therapie ermittelt werden [8], [9]. Weitere Ergebnisse in dieser Richtung konnten durch die eigene Arbeitsgruppe mittels einer niederfrequenten (50–100 Hz) Wechselstromtherapie erzielt werden. Die Rate an Patienten, die an einer sensorischen wie auch an einer motorischen CIPN Grad 2 und 3 litten, konnte um 20% während eines 3- bis 4-wöchigen Behandlungszeitraumes reduziert werden [10]. Darüber hinaus konnten Gabrys et al. erstmals durch eine pulsierende Magnetfeldtherapie (MFT) bei Patienten mit Zytostatika-induzierter pPNP einen interessanten Ansatz aufzeigen und eine mögliche Effektivität nachweisen [11]. Weitaus mehr Daten zur MFT gibt es für die Therapie der diabetischen Neuropathie. Insbesondere die neuropathischen Schmerzen können mittels der MFT bei Diabetikern positiv beeinflusst werden [12], [13], [14].

Ziel unserer Studie war es, die Veränderungen der CIPN unter einer MFT im Hinblick auf verschiedene neurophysiologische Qualitäten zu erfassen.


Material und Methoden

Bei der Pilotstudie handelte es sich um eine prospektive Phase-II-Studie in Vorbereitung auf eine randomsierte, placebokontrollierte, doppelblinde Phase-III-Studie. Ein positives Votum der Etikkommission der Landesärztekammer Hessen wurde im Vorfeld der Pilotstudie eingeholt.

Jeder Patient erhielt die MFT mittels des Magnetic-Cell-Stimulators MAGCELL® MICROCIRC (Fa. Physiomed Elektromedizin GmbH, Schnaittach, Deutschland) zweimal täglich morgens und abends in frequenzmodulierter Intensität (4–12 Hz, 200 mT) für jeweils 5 Minuten separat für jede betroffene Extremität. Zusätzlich erhielten alle Patienten standardmäßig dreimal pro Woche eine ergotherapeutische Behandlungen im Bereich der betroffenen Extremität.

Zu den Einschlusskriterien der Studie gehörten: CIPN Grad I–IV, gute Patienten-Compliance, Lebenserwartung von mehr als 6 Monaten. Alle Patienten wurden über die geplante Behandlung aufgeklärt und gaben ihr schriftliches Einverständnis. Als Ausschlusskriterien wurden definiert: Akute Infektionen, Diabetes mellitus, perniziöse Anämie, Spinalkanalstenosen, unzureichend eingestellter arterieller Hypertonus, Metallimplantate im unmittelbaren Bereich des zu behandelnden Areals, Herzschrittmacher, akute kardiale Erkrankungen, Thrombosen oder arterielle Verschlusskrankheit im Bereich der zu behandelnden Extremität, neu eingeleitete oder veränderte Schmerztherapie aufgrund der CIPN eine Woche vor Studieneinschluss oder während der Studientherapie, fehlende schriftliche Einwilligungserklärung des Patienten.

Am Anfang und am Ende der Therapie wurden zur Bewertung der Studienziele und zur Vermeidung von Therapienebenwirkungen die ausführliche körperliche Untersuchung unter Einschluss eines neurologischen Status und die detaillierte Befragung durchgeführt. Gemäß der neurologischen Untersuchung wurde der Schweregrad der CIPN anhand des Common Toxicity Criteria (CTC) Bogens des National Cancer Institute (NCI) vor Beginn und am Ende der Behandlung erfasst. Darüber hinaus wurde am Anfang und am Ende der Therapie eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) und die Evaluierung der neuropathischen Schmerzen mittels visueller Analogskala und painDETECT®-Fragebogen (Deutscher Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz) durchgeführt.

Der ausführliche neurologische Status der Patienten wurde mit den objektiven bzw. semiobjektiven Standarduntersuchungsmethoden ergänzt.

Für die Erfassung und Dokumentation der CIPN verwendeten wir zur Ermittlung der mechanisch-statischen und mechanisch-dynamischen Hypästhesie den Twin-Tip® Monofilament (Twin-Tip GmbH, Heinsberg, Deutschland) und Reflexhammerpinsel sowie zur Ermittlung der Pallhypästhesie die Stimmgabel C128. Zur Überprüfung der oberflächlichen Lokalisationsempfindung erfolgte die Dokumentation der Zweipunkte-Diskrimination (in mm). Zur Ermittlung der muskulären Kraft in den Händen wurde eine Hand-Dynamometrie (JAMAR Hydraulic, ZELLTEC, Höhenkirchen, Deutschland) in mmHg durchgefürt. Am Anfang und am Ende der Therapie wurde die NLG in der sensiblen Neurographie an den Nerven ulnaris und suralis gemessen (Medtronic, Meerbusch, Deutschland). Zur Überprüfung der Thermhypästhesie erprobten wir eine experimentelle Überprüfung der thermischen Unterschiedschwellen (TSL – thermal sensory limen) mit Hilfe eines USB Cooler & Warmer und eines digitalen Multimeters (in °C) (ThinkGeek Inc., Fairfax, USA).

Alle Patienten wurden anhand einheitlicher Dokumentationsunterlagen dokumentiert. Die so erhobenen Daten wurden für die weitere Auswertung computerisiert erfasst und mit Hilfe eines kommerziell erhältlichen Statistikprogramms (Statistika, StatSoft, Hamburg, Deutschland) ausgewertet.

Die Studie wurde nach dem „intent-to-treat“-Prinzip angelegt, d.h. alle protokollgerecht in die Studie eingeschlossenen Patienten gingen in die Endauswertung ein.


Ergebnisse

In der Zeit von 07/2007 bis 08/2008 wurden 20 Patienten, 15 Frauen (75%) und 5 Männer (25%), mit einer CIPN eingeschlossen. Alle Patienten erhielten eine potentiell neurotoxische Chemotherapie (Tabelle 1 [Tab. 1]). Das mediane Alter des Gesamtkollektives betrug 59 Jahre (Range: 42–73 Jahre). Im Median erhielten die Patienten 6 Chemotherapiezyklen (Range: 4–12 Zyklen) und der mediane Zeitraum zwischen der letzten Chemotherapie und dem Beginn der Studienbehandlung lag bei 85 Tagen (Range: 3–385 Tage). Die Studientherapie pro Patient dauerte im Median 18,5 Tage (Range: 10–28 Tage) und 18 Patienten (90%) erhielten die Studientherapie an den Händen und den Füßen. Die Mehrzahl der Patienten litt an einer Neuropathie Grad 1–2. Eine Neuropathie Grad 4 fand sich bei keinem Patienten (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Durch die Studientherapie fand sich ein Rückgang der klinisch relevanten neurologischen Symptomatik. Gemäß der CTC litten vor der Studientherapie an einer sensorischen Ataxie 2. und 3. Grades 18/20 Patienten (90%), bei Therapieende waren es nur noch 7/20 Patienten (35%) (Tabelle 2 [Tab. 2]). An einer motorischen Neuropathie Grad 1 und 2 litten vor dem Therapiebeginn entsprechend 5/20 Patienten (25%), bei Therapieende konnte nur noch bei einem Patienten (5%) eine motorische Neuropathie Grad 1 gemessen werden (Tabelle 3 [Tab. 3]). Eine sensorische Neuropathie 2. und 3. Grades fand sich vor dem Therapiebeginn bei 16/20 Patienten (80%), bei Therapieende lediglich bei 6/20 Patienten (30%) (Tabelle 4 [Tab. 4]). Zu Beginn der Studientherapie klagten 13/20 Patienten (65%) über neuropathische Schmerzen Grad 2 und 3. Nach der Studientherapie berichteten nur noch 8/20 Patienten (40%) von diesen Beschwerden (Tabelle 5 [Tab. 5]). Neben der Befragung der Patienten wurde die Quantität des neuropathischen Schmerzen mittels visueller Analogskala (VAS) und painDETECT®-Fragebogens evaluiert. Der VAS-Wert vor Therapiebeginn lag im Median bei 5 Punkten (Range: 0–9 Punkte) und am Therapieende im Median bei 4 Punkten (Range: 0–8 Punkte). Die im painDETECT®-Fragebogen dokumentierten Qualitäten hinsichtlich des neuropathischen Schmerzes sind in der Abbildung 1 [Abb. 1] dargestellt. Es zeigt sich eine Abnahme der Kribbelparästhesien, der Kälte- und/oder Wärme-Allodynie und des Taubheitsgefühls in Händen und/oder den Füßen. Der Gesamt-Score verringerte sich im Median von 13,7 auf 11,8 Punkte (Abbildung 1 [Abb. 1]). Bei der Prüfung des Vibrationsempfindens zeigte sich eine Verbesserung der Pallhypästhesie an den Händen im Median von 5/8 auf 6/8 (Range: 4/8–8/8). An den Füßen zeigte sich eine Verbesserung der Pallhypästhesie im Median von 3/8 auf 4/8 (Range: 0/8–8/8) (Tabelle 6 [Tab. 6]). Zu Überprüfung der oberflächlichen Lokalisationsempfindung erfolgte die Dokumentation der Zweipunkte-Diskrimination in mm, die Ergebnisse sind in der Tabelle 7 [Tab. 7] dargestellt. Dabei zeigte sich eine eindeutige Verbesserung der Zweipunkte-Diskrimination in den Händen, während sich in den Füßen keine Veränderung ergab (Tabelle 7 [Tab. 7]). Die Ergebnisse der Hand-Dynamometrie (in mmHg) zur Ermittlung der muskuleren Kraft in den Händen zeigten einen geringen Kraftzuwachs in beiden Händen (Tabelle 8 [Tab. 8]).

Die sensible Neurographie am N. ulnaris zeigte im Vergleich vor und nach der Therapie einen Anstieg der Nervenleitgeschwindigkeit von durchschnittlich 49 m/s auf 52 m/s sowie am N. suralis durchschnittlich von 24 m/s auf 29 m/s. Die gemessenen Amplituden blieben bei beiden Nerven im Wesentlichen unverändert (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Die von uns erprobte experimentelle Überprüfung der thermischen Unterschiedschwellen (TSL – thermal sensory limen) mit Hilfe eines USB Cooler & Warmer und eines digitalen Multimeters (n=12) zeigte im Vergleich vor und nach der Therapie eine Senkung der Kälte-Unterschiedschwelle von 1°C, im Median von 30°C auf 29°C. Die Wärme-Unterschiedschwelle blieb dabei unverändert im Median bei 32°C.

Alle Unterschiede waren statistisch nicht signifikant (p>0.05).


Diskussion

Die Ergebnisse der Pilotstudie zur MFT mit dem Gerät MAGCELL® MICROCIRC zeigen einen tendenziell positiven Einfluss auf die CIPN im Hinblick auf die meisten neurophysiologischen Qualitäten, obwohl die Therapie nur über 3–4 Wochen durchgeführt wurde. Insbesondere verbesserten sich dabei die Komponenten der sensorischen Ataxie und Neuropathie. Auch die Evaluierung der neuropathischen Schmerzen, mittels visueller Analogskala und painDETECT®-Fragebogen dokumentiert, zeigte eine Verminderung der Symptomatik. Darüber hinaus nahmen die Kribbelparästhesien und das Taubheitsgefühls insbesondere in den Händen wie auch die Kälte-Allodynie durch die Studientherapie ab. Die Pallhypästhesie verbesserte sich besonders deutlich in den Füßen und die oberflächliche Lokalisationsempfindung zeigte eine deutliche Verbesserung der Zweipunkte-Diskrimination in den Händen. Ebenfalls verbesserte sich die muskuläre Kraft in beiden Händen leicht. Die sensible Neurographie zeigte im Vergleich vor und nach der Therapie einen Anstieg der Nervenleitgeschwindigkeit am N. ulnaris wie auch am N. suralis. Wenngleich sich der durchschnittliche neurophysiologische Wert der NLG für den N. ulnaris im Normbereich befand und nur für den N. suralis pathologisch war, konnte durch die Verbesserung der Werte im Therapieverlauf die Effektivität der MFT untermauert werden.

Die Verbesserung der thermischen Unterschiedschwellen ist als möglicher Hinweis auf die Linderung der Kälte-Allodynie zu interpretieren.

Insbesondere bei den Qualitäten neuropathischer Schmerz, Kribbelparästhesien und Taubheitsgefühl ist ein Placeboeffekt durch die Therapie nicht sicher auszuschließen. Weniger wahrscheinlich ist dieser Effekt aufgrund der Messverfahren bei den semiobjektivierbaren Störungen wie Kälte-Allodynie und der Pallhypästhesie. Im Hinblick auf die Qualitäten Kribbelparästhesien und Taubheitsgefühl konnten Koerber et al. positive Effekte durch eine Kombinationstherapie bestehend aus Physio-, Ergo- und physikalischer Therapie mittels transkutaner Elektrostimulation verzeichnen. In der Gruppe der schwer betroffenen Patienten nahm die Kribbelparästhesie absolut um 60% und das Taubheitsgefühl um 18% ab [9]. Diese Daten decken sich mit Daten einer eigenen Studie, die eine frequenzmodulierte Elektrotherapie einsetzte und eine Abnahme der sensorischen wie auch der motorischen CIPN Grad 2 und 3 um 20% während eines 3- bis 4-wöchigen Behandlungszeitraumes zeigte [10].

Ähnliche Effekte einer MFT auf die CIPN konnten bereits in einer früheren Studie erhoben werden [11]. Gabrys therapierte 44 Patienten mit einer pulsierenden MFT und konnte bei 18/44 Patienten (41%) ein sehr gutes Ansprechen mit einer Verbesserung der Symptomatik um mehr als 50% feststellen. Weitere 21/44 Patienten (48%) zeigten eine Verbesserung der CIPN um 30–49%, welches als mittelmäßiges Ansprechen auf die MFT gedeutet wurde. Die übrigen 5/44 Patienten (11%) zeigten kein oder nur ein sehr geringes Therapieansprechen (<30%), so dass diese als Therapieversager gewertet wurden. Als Verlaufsparamter zur Beurteilung der Therapieeffektivität wurden allerdings nur die Pallhypästhesie im Stimmgabelversuch und der neuropathische Schmerz gemessen anhand der VAS Analogskale herangezogen [11]. In dieser Hinsicht ist die von uns vorgelegte Studie in der Therapiebeurteilung differenzierter und damit aussagekräftiger. Darüber hinaus handelte es sich bei der von Gabrys gewählten Studientherapie um eine pulsierende Form der MFT, während wir eine statische Applikation verwendeten.

Zusammenfassend bietet nach Ansicht der Autoren das beschriebene Verfahren einen möglicherweise erfolgversprechenden therapeutischen Ansatz, der ansonsten nur unzureichend behandelbaren und für den Patienten als sehr belastend empfundenen CIPN. Die Daten lieferten somit die Grundlage zur Durchführung einer randomisierten placebokontrollierten und doppelblinden Studie, die im August 2009 begonnen wurde und aktuell ausgewertet wird.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.

Sponsoring

Die Studie wurde von der Firma Physiomed Elektromedizin GmbH, Schnaittach, Deutschland finanziell unterstützt.


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