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GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS)

ISSN 1860-9171

Fragebogenkonstruktion zur Evaluation von Praktikabilität und Nutzen des Bundeseinheitlichen Medikationsplans

Construction of a questionnaire for the evaluation of the benefit and use of the national German medication plan

Originalarbeit

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  • corresponding author Martin Thoma - Competence Center eHealth (CCeHealth), University of Applied Science Niederrhein, Krefeld, Deutschland
  • Dominik Ludmann - Competence Center eHealth (CCeHealth), University of Applied Science Niederrhein, Krefeld, Deutschland
  • Lasse van de Sand - Competence Center eHealth (CCeHealth), University of Applied Science Niederrhein, Krefeld, Deutschland
  • Sylvia Thun - Competence Center eHealth (CCeHealth), University of Applied Science Niederrhein, Krefeld, Deutschland

GMS Med Inform Biom Epidemiol 2017;13(2):Doc07

doi: 10.3205/mibe000174, urn:nbn:de:0183-mibe0001748

Veröffentlicht: 21. Dezember 2017

© 2017 Thoma et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Mit der Formulierung eines Anspruchs auf einen Bundeseinheitlichen Medikationsplan hat die Bundesregierung einen wichtigen Schritt zur Optimierung der Medikamentendokumentation für multimorbide Patientinnen und Patienten unternommen. Ziel des Forschungsprojektes „Medikationsplan PLUS“ ist es unter anderem, bisher unbekannte Optimierungspotentiale im Bundeseinheitlichen Medikamentenplan zu identifizieren und in eine verbesserte Spezifikation umzusetzen. Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit der Konzeption eines Fragebogens zur Bewertung von Optimierungspotentialen innerhalb des Bundeseinheitlichen Medikamentenplans. Der Fokus liegt auf der Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität der einzelnen Patientinnen und Patienten. Neben dem Rahmen und der Vielzahl an Gegenständen dienen weitere Forschungsfragen als Grundlage für das hierfür definierte Erhebungsinstrument. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Fragen, die darauf abzielen, die subjektive Wahrnehmung der Lesbarkeit sowie die allgemeine Akzeptanz und Praktikabilität des Medikamentenplans zu erheben. Obwohl der Bundeseinheitliche Medikamentenplan bereits in verschiedenen Studien- und Projektvorhaben evaluiert wurde, zeigen diese Studien teilweise erhebliche Einschränkungen, welche im Projektvorhaben Medikationsplan PLUS ausgeschlossen werden können.

Schlüsselwörter: Nutzen, Fragebogendesign, Medikamententreue, Evaluation, Medikationsplan

Abstract

With the formulation of a claim for a national uniform medication plan, the German government has taken an important step towards optimizing the documentation of medication for multimorbid patients. The aim of the research project “Medication Plan PLUS” is, amongst others, to identify previously unknown optimization potentials in the national medication plan and implement it into a more improved specification. The following work deals with the conceptualization of a questionnaire for the evaluation of optimization potentials within the national uniform medication plan. The focus lies on improving the health-related quality of life of the individual patients. In addition to the setting and the number of subjects, further research questions serve as the basis for the survey instrument defined for this purpose. The primary focus lies on questions that are aiming to determine the subjective perception of readability as well as the general acceptance and practicability of the medication plan. Although the national uniform medication plan has already been evaluated in various studies and project proposals, they show significant limitations which can be excluded in the project proposal for Medication Plan PLUS.

Keywords: utility, questionnaire design, medication adherence, evaluation, medication plan


Einleitung

Zu Beginn des Jahres 2016 ist das „Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen“ in Kraft getreten. Durch das sogenannte „E-Health-Gesetz“ soll die Nutzung moderner Kommunikations- und Informationstechnologien innerhalb des deutschen Gesundheitswesens gefördert werden und den Patientinnen und Patienten die Möglichkeit geboten werden, ihre gesundheitsbezogenen Informationen den Gesundheitsdienstleistern in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Ein wesentlicher Schwerpunkt des Gesetzes ist dabei die Einführung eines personenbezogenen, bundeseinheitlichen Medikationsplans zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit.

Der Paragraph 31a (§31a Medikationsplan) des fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) sieht vor, dass Versicherte einen Anspruch auf einen Medikationsplan haben, wenn sie gleichzeitig und dauerhaft mindestens drei verordnete Medikamente anwenden. Dieser Medikationsplan ist von einer, an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärztin bzw. eines Arztes für die Patientinnen und Patienten zu erstellen [1]. Ziel der Einführung des Bundeseinheitlichen Medikationsplans (BMP) ist, dass den Patientinnen und Patienten detaillierte Informationen zu den eingenommenen Arzneimitteln in Form eines ausgedruckten Medikationsplans zur Verfügung stehen und somit ein Beitrag zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit gewährleistet wird. Des Weiteren soll die Compliance der Patientinnen und Patienten durch die Bereitstellung von Anwendungshinweisen zur aktuellen Medikation verbessert werden.

Innerhalb des durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) geförderten Forschungsprojekts „Medikationsplan PLUS“ werden unter anderem auf Basis der aktuellen Spezifikation 2.0 des Bundeseinheitlichen Medikationsplans bisher unbekannte Optimierungspotentiale hinsichtlich der Compliance und Usability des Bundeseinheitlichen Medikationsplanes aus Sicht der Patientinnen und Patienten sowie aus Sicht der Gesundheitsdienstleister identifiziert und in einer verbesserten Spezifikation umgesetzt.

Des Weiteren wird erstmals die gesundheitsbezogene Lebensqualität über mehrere Messpunkte mit dem EQ-5D-5L ermittelt. Der Fragebogen wurde 1987 von der EuroQol Group, einer internationalen interdisziplinären Gruppe, als Selbstberichtsinstrument des Patienten entwickelt. Der EQ-5D-5L beschreibt den Gesundheitszustand von Erwachsenen auf fünf Dimensionen (5D) anhand von fünf Antwortlevel (5L).

Diese Evaluation bildet die Grundlage der anschließenden Kosten-Nutzen-Analyse. Um dieses Teilziel zu erreichen, erfolgt innerhalb des Projekts die Konstruktion eines Erhebungsinstruments in Form eines Fragebogens zur Evaluation von Nutzen und Nutzung des Bundeseinheitlichen Medikationsplans. Die folgende Arbeit beschreibt die Vorgehensweise der Erstellung des Fragebogens. Weiterhin werden innerhalb dieser Arbeit die Vor- und Nachteile dieser Art der Datenerhebungsmethode kritisch diskutiert.

Die Evaluation sowie die darin enthaltene Erstellung des Fragebogens ordnet sich, wie in Abbildung 1 [Abb. 1] dargestellt, als kontinuierlicher begleitender Prozess in das Gesamtprojekt ein. Dabei wurden parallel zur Prozessanalyse alle erhobenen praktischen Erkenntnisse in den Fragebogen eingebaut, um die Optimierungspotentiale nah an der Anwendung zu identifizieren. Die Erhebung der Nutzenparameter erfolgt kontinuierlich, wogegen die Analyse der Kostenparameter retrospektiv zum Ende der Primärdatenerhebung erfolgt.


Methode

Die Auswahl und die Konzeption des passenden Erhebungsinstrumentes orientieren sich an den verschiedenen Parametern der Fragestellung und des Forschungsdesigns. Neben dem Setting und der Anzahl der Probanden steht die Fragestellung selbst im Fokus der Überlegungen. Aus dem Forschungsauftrag des Projektvorhabens Medikationsplan PLUS geht hervor, dass die Lesbarkeit mit Hilfe einer Punktematrix evaluiert werden soll. Zusätzlich soll innerhalb einer repräsentativen Stichprobe die subjektive Wahrnehmung der Lesbarkeit sowie die generelle Akzeptanz und Praktikabilität des Medikationsplanes ermittelt werden. Somit kristallisieren sich als Grundlage des Erhebungsinstrumentes folgende Forschungsfragen heraus:

  • Wie wird die Lesbarkeit des Bundeseinheitlichen Medikationsplans von Patientinnen und Patienten sowie von Kundinnen und Kunden einer Apotheke objektiv bewertet?
  • Wie praktikabel und akzeptiert ist der Bundeseinheitliche Medikationsplan bei Patientinnen und Patienten sowie bei Kundinnen und Kunden einer Apotheke?
  • Welche Verbesserungsmöglichkeiten werden von Patientinnen und Patienten sowie von Kundinnen und Kunden einer Apotheke im Bundeseinheitlichen Medikationsplan gesehen?

Basierend auf den Vorgaben des Studienprotokolls und der errechneten Zahl der Studienteilnehmer soll es ermöglicht werden, quantifizierbare Aussagen zur Lesbarkeit, Praktikabilität und Akzeptanz des Bundeseinheitlichen Medikationsplans abzuleiten. Da bei großen Teilnehmerzahlen Interviewleitfäden nicht praktikabel sind, fällt somit die Wahl des Erhebungsinstrumentes auf einen eigens angefertigten, selbstständig auszufüllenden, vollstrukturierten, schriftlichen Paper-Pencil Fragebogen. Dieser Bogen wird, über die am Projekt teilnehmenden Praxen und Apotheken (Praxispartner), an 50 Studienteilnehmer pro Quartal pro Partner ausgeteilt. Bei sechs Projektpartnern im Raum Düren werden somit pro Quartal 300 Studienteilnehmer befragt [2].

Vor dem Hintergrund dieser Menge an Informationen muss ein hoher Grad der Strukturierung angesetzt werden, weshalb nur in wenigen Ausnahmen die Chance auf eine Volltextantwort besteht. Die praktikabelste Umsetzung der Datenerhebung, mit Blick auf die Struktur des Settings im Sektor der ambulanten medizinischen Versorgung, war der papierbasierte Fragebogen. Leicht und für Jedermann zugänglich, bietet diese Form die höchsten Rücklaufquoten [2].

Mit Hilfe der klassischen Brainstorm-Methode konnten zunächst Ansatzpunkte zu den Themen Akzeptanz, Praktikabilität, Prozesse und Lesbarkeit ermittelt werden. An diesem Workshop nahmen die Projektpartner als Experten für Softwareentwicklung teil. Anschließend erfolgten die Formulierung der Fragen aus diesen Ansatzpunkten und die Zuordnung der Fragen in die Cluster und Subskalen. Mittels Kartenabfrage als Moderationsmethode wurden, angelehnt an die evaluierten IST-Prozesse in den Arztpraxen und Apotheken, die Fragen frei formuliert und in einem Pool gesammelt. Die Fragensammlung erfolgte am 21. September 2016 in Düren. Das Projektteam an der Hochschule Niederrhein teilte anschließend diese Fragen den voneinander abgrenzbaren Clustern zu [3]. Um eine Vergleichbarkeit zu anderen Pilotprojekten herstellen zu können, wurden die Fragen mit dem Evaluationsbogen der prospektiven Kohortenstudie im Projekt zur Messung der „Akzeptanz und Praktikabilität eines Medikationsplanes der Spezifikation 2.0 in der Modellregion Erfurt“ abgeglichen.

Mit diesem Schritt begann die Grobkonzeption der Fragebögen. Der papierbasierte Patientenfragebogen wurde nach den von Bortz und Döring beschriebenen sechs Rahmenelementen aufgebaut und strukturiert. Die Rahmenelemente des Erhebungsinstrumentes bilden somit der Fragebogentitel, Fragebogeninstruktion, inhaltliche Fragenblöcke, statistische Angaben und das Fragebogen-Feedback. Die Verabschiedung rundet als letzter Teil den Bogen ab [2].

Hinsichtlich der Komplexität der Merkmale „Akzeptanz“ und „Praktikabilität“ fiel die Wahl der Skalenart auf die psychometrische Skala. Mit Hilfe dieser Skalenart können die genannten latenten Merkmale operationalisiert werden. Somit können die einzelnen Items der Subskala „Akzeptanz“ durch die Beantwortung auf die tatsächliche Akzeptanz des Bundeseinheitlichen Medikationsplans hinweisen. Eine Einzelmessung der Akzeptanz wäre von geringer Aussagekraft. Für die Nutzung einer psychometrischen Skala spricht die Einhaltung der wissenschaftlichen Gütekriterien. Die Validität wird gesteigert, indem verschiedene Items das komplexe latente Merkmal „Akzeptanz“ beschreiben. Durch die Verwendung von Multi-Item Skalen steigt die Reliabilität im Vergleich zur Nutzung von Single-Item-Skalen, da sich Messfehler im latenten Merkmal weniger stark auswirken. Essentiell für diese Skala ist jedoch die Möglichkeit der statistischen Auswertung und der Überprüfung der Gütekriterien.

Die Erarbeitung der Items sowie ihre Bewertung orientieren sich am System der Likert-Skala. Anstatt Fragen zu stellen, sollen Probanden mit Aussagen zur Akzeptanz und Praktikabilität konfrontiert werden. Es wurde darauf geachtet, dass die Aussagen einseitig polarisiert worden sind, um Verwirrungen zu vermeiden und in der Auswertung eine Umkehrung der Polung auszuschließen. In der Literatur wird eine durchgängige einseitige Polung beschrieben und empfohlen, um die Studienteilnehmer möglichst geringen Belastungen auszusetzen und die Gefahr von Verständnisproblemen zu verringern [2].

Eine sechsstufige Likert-Intervallskala mit den Endpunkten von „trifft nicht zu“ bis „trifft zu“ wurde verwendet. Dabei erhielten die Abstufungen zwischen den beiden äußeren Endpunkten im Fragebogen keine Bennung. In der Auswertung der Daten werden diese mit „trifft überwiegend nicht zu“, trifft eher nicht zu“, „trifft eher zu“ und „trifft überwiegend zu“ definitorisch vervollständigt. Die Intervalle folgen in allen Items gleichen Abständen. Dabei ist die Einfachnennung der Ausprägung vorausgesetzt. Mehrfachnennungen werden als fehlende Werte behandelt. Die Entscheidung zur Nutzung von geraden Ausprägungen fiel vor dem Hintergrund, dass eine Bewertungsskala mit ungerader Anzahl von Ausprägungen das Risiko der tendenziellen Antwort zur Mitte in sich trägt. Dieser Bias ist vor allem bei Aussagen mit möglichem Unsicherheitsfaktor bei Patientinnen und Patienten vorhanden. Um jedoch eine Ausweichmöglichkeit bereitzuhalten, können die Stundienteilnehmer „keine Angabe“ ankreuzen. Damit sollen fehlende Werte weitestgehend vermieden werden [2].

Die Items zur Subskala Lesbarkeit orientieren sich in den Fragebögen an der „Guideline on the readability of the labelling and package leaflet of medicinal products for human use“ der Europäischen Kommission [4]. Die einzelnen Kriterien lassen sich auf den Bundeseinheitlichen Medikatonsplan übertragen.

Der gesamte Fragebogen strukturiert sich nach den Vorgaben von Bortz und Döring. Somit folgen auf den beginnenden Titel die Instruktionen sowie die Verweise auf den Datenschutz und die Forschungsethik. Den Hauptteil bilden die Fragencluster, auf die im Ergebnisteil gesondert eingegangen wird. Um die Evaluation des Nutzens für die künftige Kosten-Nutzen-Analyse durchführen zu können, wird schon ab dem ersten Fragebogen das Europäische Lebensqualitätsinstrument in seinen fünf Dimensionen (EQ-5D-5L) angehangen. Vor dem Hintergrund höherer Sensitivität wird die Version mit fünf Antwortmöglichkeiten genutzt. Zusätzlich wird die gesundheitsbezogene Lebensqualität über die „visual analogue scale“ erhoben. Ein abschließendes Feedback und eine Danksagung an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer runden den Fragebogen in seinem Rahmen ab [5], [6].

Der Studienphase ging die Phase der Konzeptprüfung voraus. So erhielten zwei Arztpraxen und eine Apotheke jeweils 50 Fragebögen, um diese innerhalb der Pretest Phase im Feld zu testen. Nach der sechswöchigen Testphase wurden Änderungsvorschläge hinsichtlich der Formulierungen, des Umfangs und der Verteilung der Ausprägungen geprüft und, sofern die Beantwortung der Fragestellung nicht nachhaltig beeinflusst wurde, umgesetzt.


Ergebnisse

Von 150 verteilten Fragebögen konnten 119 Fragebögen in diesem Pretest ausgewertet werden. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 79,3 Prozent. Betrachtet wurden 61 von 67 Likert-skalierte Items. Sechs Items wurden nicht betrachtet, da es sich bei diesen um Folgeitems von Filterfragen handelt. Sofern Filterfragen negativ beantwortet wurden, führte dies automatisch zu einem fehlenden Wert. Die Berücksichtigung dieser sechs Items hätte zu Verzerrungen geführt.

Die durchschnittliche Antwortquote lag bei 87 Prozent. Die geringste Antwortquote (71 Prozent) war bei den Items mit der Aussage „Auf diese Information(en) kann ich verzichten“ zu verzeichnen. Alle Patientinnen und Patienten, deren Bögen zur Auswertung vorlagen, antworteten auf die Frage nach der Einlösung der Arzneimittelrezepte. Am Pretest nahmen mit 55,5 Prozent mehr Männer als Frauen teil. In der Mehrheit wurden in den Arztpraxen und der Apotheke verheiratete Personen in den Pretest eingeschlossen, weshalb auch in dieser Kohorte mehrheitlich zwei oder mehr Personen in den Haushalten leben. Mit mehr als 72 Prozent sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den höheren Altersklassen zwischen 60 bis 70 Jahren sowie 70 bis 80 Jahren zuzuordnen. Angesichts dieser Verteilung ist die Anzahl der Rentnerinnen und Rentnern zu diesen Ergebnissen konsistent. Überwiegend erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine niedrige Schulbildung. Die vergleichsweise hohe Zahl an fehlenden Werten in dieser speziellen Angabe spricht für Effekt der sozialen Erwünschtheit, da die gesellschaftliche Wertung diese Frage in der Beantwortung verzerrt. Fehlende Auswahlmöglichkeiten bzw. die lediglich grobe Ausdifferenzierung in diesem Item können jedoch ebenfalls für die hohe Zahl an fehlenden Werten verantwortlich sein (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Zur Berechnung der internen Konsistenz des psychometrischen Instruments wurde Cronbachs Alpha hinzugezogen. Dieser Wert wurde zunächst für die Subskalen einzeln errechnet. Wie aus der nachfolgenden Tabelle entnommen werden kann, liegen die Werte für Cronbachs Alpha bei mindestens 0,861. Nach Nunnally werden Werte größer 0,80 als „gut“ definiert, was die interne Konsistenz eher bestätigt als ablehnt. Die Subskalen Akzeptanz, Abläufe, Anwendungsfreundlichkeit und Unerwartete Arneimittelwirkungen wurden für sich ausgewertet. Vor dem Hintergrund der Vielzahl der Items wurde die Subskala Lesbarkeit in ihren Unterskalen einzeln ausgewertet (Tabelle 2 [Tab. 2]) [7].

Alle Informationen innerhalb der Studienphase lassen durch ein eigens angefertigtes Werkzeug zur Pseudonymisierung keinen Rückschluss auf den einzelnen Patienten zu. Jede Patientin und jeder Patient erhält eine Patientenkennziffer, welche sich aus einer zweistelligen Praxisnummer der Arztpraxis und einer dreistelligen unveränderbaren Patientennummer besteht. Damit werden Dopplungen und Verwechslungen ausgeschlossen. Die Genehmigung der Umsetzung des Fragebogens sowie der Datenauswertung wurde durch den Datenschutzbeauftragten der Hochschule Niederrhein erlassen.

Der post-review Fragebogen besteht aus sechs verschiedenen Skalen mit insgesamt 76 Items. Zusätzlich verfügt der Bogen über den EQ-5D-5L und eine „visual analogue scale“ (VAS) zur Einschätzung des persönlichen Gesundheitszustandes [6].

Pre-Post-Anpassungen im Abschnitt soziodemographischer Daten

Die gängige Literatur empfiehlt einen leichten Eintritt in den Fragebogen, weshalb in der ersten von sechs Skalen soziodemographische Daten unter Angaben zur Person abgefragt werden. Es werden hier Daten zu Geschlecht, Alter, Familienstand, Haushaltsgröße, Schulbildung, beruflicher Situation, Muttersprache, Nationalität, sowie die Organisation der Medikation erfragt. Aus der post-review Version wurde die Frage zur Anzahl der Medikationspläne entfernt und die Überschrift gesellschaftsfähiger formuliert. Zusätzlich wurde die Frage zur Schulbildung in die Frage nach dem höchsten Schulabschluss geändert, um ungewollte Mehrfachantworten zu vermeiden. Mit diesen Informationen kann die Repräsentativität der Stichprobe überprüft werden. Weiterhin gibt das Wissen über die soziodemographischen Aspekte Aufschluss über mögliche Korrelationen zur Nutzung und Akzeptanz der Medikationspläne. Es ließe sich somit ermitteln, welche Personengruppe die Nutzung des Medikationsplanes favorisiert und welche eher abgeneigt gegenübersteht.

Pre-Post-Anpassungen im Abschnitt Lesbarkeit

Die zweite Skala befasst sich mit der Lesbarkeit der Bundeseinheitlichen Medikationspläne. In vier Items werden die Zufriedenheit, der Informationsgehalt sowie das Verständnis des Dokumentes geprüft. Neben der Schriftgröße und Papiergröße wurden die Eindrücke zur Schriftart, dem Zeilenabstand, der Farbe und Struktur sowie der Papierstärke aus der pre-review Version unter dem Punkt Übersichtlichkeit in der post-review Version zusammengezogen. Im zweiten Item wird überprüft, inwieweit sich die Patientinnen und Patienten beziehungsweise die Kunden über den Grund der Medikation, den Einnahmezeitpunkt, der Dosierung und der Form des Medikamentes informiert fühlen. Die Frage nach der Wirkungsweise wurde jedoch gestrichen, da diese voraussichtlich die Kenntnisse der Patientinnen und Patienten übersteigt. Das dritte und vierte Item dieser Unterskala beschäftigt sich mit dem Verständnis der Überschriften und Spalteninformationen des Bundeseinheitlichen Medikationsplanes. Die Patientinnen und Patienten sowie die Apothekenkunden sollen angeben, ob sie die Informationen zu Wirkstoff, Handelsname, Stärke, Form, Einnahmezeitpunkt, Einheit, Hinweise und Grund verstehen (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Pre-Post-Anpassungen im Abschnitt Akzeptanz

Die generelle Akzeptanz des Bundeseinheitlichen Medikationsplanes ist anhand von acht Items operationalisiert worden. Die wesentlichen Punkte der Akzeptanz sahen die Autoren in den Fragen, ob die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer sich an ihren Plan halten, ob sie ihn generell als hilfreich erachten, ob sich das subjektive Gefühl der Sicherheit bei der Medikamenteneinnahme verbessert hat und ob Eintragungen der Akteure im ambulanten Bereich nachvollziehbar und rückverfolgbar sind. Abschließend wird den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben, bestimmte Informationen aus dem Bogen zu löschen. Fragen, die aus unterschiedlicher Formulierung heraus in dieser Subskala doppelt vorkamen, wurden aus der post-review Version entfernt.

Pre-Post-Anpassungen im Abschnitt Abläufe und Prozesse

In der vierten Subskala sollen Aspekte hinsichtlich der Abläufe und Prozesse mit dem Bundeseinheitlichen Medikationsplan überprüft werden. Zu den Prozessen gehören die Interaktion zwischen Ärztin/Arzt beziehungsweise Apothekerin/Apotheker mit den Patientinnen und Patienten sowie die einzelnen Aspekte der Nutzung des Medikationsplans. Im Zentrum der Betrachtung liegen Fragen des alltäglichen Gebrauchs und mögliche Probleme, die auf Grund des Formats oder mangelhafter Kommunikation auftreten. 14 Items umfasst diese Skala und besteht aus dichotomen Fragen mit Filterfunktion sowie aus Fragen mit gleicher Intervallausprägung wie in den vorangegangenen Unterskalen. Da das Projekt mit der Aufgabe konfrontiert ist, den Bundeseinheitlichen Medikationsplan nach Optimierungsmöglichkeiten zu untersuchen und die identifizierten Potentiale umzusetzen, ist die Erhebung prozessualer Aspekte notwendig. Aus den Fragen soll deutlich werden, ob der Medikationsplan sowohl die Leistungserbringer als auch die Nutzer im Medikationsprozess unterstützt. Dabei wird der Medikationsprozess beginnend beim Arztgespräch, über die Aktualisierung und Abholung in der Apotheke bis hin zum Stellen und Einnehmen der Medikamente definiert. Bei jedem einzelnen Prozess in dieser Prozesskette kann der Medikationsplan zum Einsatz kommen. Vier Fragen wurden aus der post-review Version entfernt, da sie nach Angaben der Praxispartner Prozesse abbilden würden, die innerhalb des Praxisalltags nicht vorkommen können (Abbildung 3 [Abb. 3]).

Pre-Post-Anpassungen im Abschnitt Anwendungsfreundlichkeit und Nutzen

Die Skala zur Praktikabilität und zum Nutzen erhielt nach ihrer Bearbeitung die geläufigere Überschrift „Anwendungsfreundlichkeit und Nutzen“. Innerhalb dieser Skala sollten fünf Items Auskunft über den Umgang, den Transport und damit in Verbindung stehende Probleme geben. Ebenso fokussiert diese Skala organisatorische Probleme der Dateneingabe und Datenverarbeitung. Die Frage nach der Aufbewahrung des papierbasierten Medikationsplans in einer Schutzfolie wurde ersatzlos gestrichen. Ein Freitextfeld zu Verbesserungsvorschlägen wurde an das Ende der Subskala zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen verschoben. Mögliche Probleme im Umgang mit dem Medikationsplan werden nur noch mit Bezug auf die Bearbeitung abgefragt (ausdrucken, bearbeiten, ausfüllen).

Pre-Post-Anpassungen im Abschnitt unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Die letzte Skala erfragt das Auftreten von sogenannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW). Dabei erfragt lediglich ein Item auf dichotomer Antwortbasis das Auftreten einer UAW, welche als Filter fungiert. Sollte es im vorgegebenen Zeitraum zu diesen Wirkungen gekommen sein, kann der Patient eine mögliche Folge der Nebenwirkungen auswählen. Auf diese Weise können nicht nur das Vorkommen von UAWs dokumentiert, sondern auch ihre Folgen grob abgeschätzt werden. Im Anschluss an alle vollstrukturierten Items hat der Studienteilnehmer die Chance, seine subjektive Bewertung in eigenen Worten mitzuteilen und einen Freitext zu verfassen (Abbildung 4 [Abb. 4]).

Pre-Post-Anpassungen im Abschnitt Gesundheitsfragebogen

Der Gesundheitsfragebogen EQ-5D-5L der EuroQol Group soll in dieser Studie herangezogen werden, um die gesundheitsbezogene Lebensqualität zu messen und diese als Nutzenfaktor in die Kosten-Nutzen-Analyse einfließen zu lassen. Die Autoren entschieden sich vor dem Hintergrund höherer Sensitivität für die EQ-5D-5L Version mit fünf Ausprägungen anstatt der Version mit drei Ausprägungen. Die „visual analogue scale“ (VAS) des EQ-5D wurde in den Erhebungsbogen übernommen. Diese dient der Messung des tagesaktuellen subjektiven Gesundheitszustandes. Die Skala nimmt Werte zwischen null, welche den subektiv schlechtesten und 100, welche den subektiv besten Gesundheitszustand definiert. Die Werte folgen in gleichen Interallabständen. In der post-review Version ergänzten die Autoren die VAS mit einer beispielhaften Skizze als Ausfüllhilfe, um eine hohe und valide Antwortrate sichern zu können. Weiterhin wurde ein konkreter und eindringlicher Hinweis formuliert, der auf die Rückseite des Fragebogen aufmerksam machen soll. Manche Teilnehmer schienen in der Pretest Phase den Abschnitt der VAS vergessen zu haben.


Diskussion

Die Datenerhebung mittels Fragebogen weist im Vergleich zu anderen Methoden gewisse Limitationen auf. Die Notwendigkeit von Lese- und Schreibkompetenzen, die Reduzierung auf wenige und klar umschriebene Befragungsinhalte im Vergleich zum Interview sowie die fehlende Individualität und geringe Transparenz sind als eher nachteilig zu empfinden. Außerdem handelt es sich beim Fragebogen um eine reaktive Methode der Datengenerierung was bedeutet, dass anders als bei einer verdeckten Beobachtung die Studienteilnehmer realisieren, dass sie an einer wissenschaftlichen Erhebung teilnehmen. Diese Verzerrung lässt sich jedoch weder aus Interviews, noch aus Fragebögen ausschließen.

Bei einem selbst-administrierten Fragebogen besteht immer die Gefahr, dass einzelne Items in den latenten Merkmalen nicht verstanden werden, was wiederum zu Verzerrungen führt. Durch das Review und die Phase des Pretests konnte jedoch diesen Problemen begegnet werden. Angesichts der hohen Zahl an Studienteilnehmern und dem Hintergrund der begrenzten finanziellen Mittel musste jede Erhebungsmethode mit personellem Mehraufwand zurückgestellt werden. Durch das Studiendesign und die Akquise über vier Arztpraxen und zwei Apotheken besteht jedoch für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stets die Möglichkeit, mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt und der Apothekerin/ dem Apotheker über Unklarheiten zu sprechen. Dies kann als deutlicher Vorteil gewertet werden, da durch das Feedback der Ärztinnen und Ärzte der Fragebogen somit auch einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess unterliegt.


Fazit

Die Evaluation des Bundeseinheitlichen Medikationsplans wurde in verschiedenen Studien, wie bei Botermann et al. [8] oder Waltering et al. [9] sowie in diversen Projektvorhaben, wie beispielsweise die „Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen“ oder die „Erprobung eines Medikationsplanes in der Praxis hinsichtlich Akzeptanz und Praktikabilität – Modellregion Erfurt“, durchgeführt. Über alle vollendeten und laufenden Erhebungen hinweg werden drei wesentliche Limitationen deutlich, welche die Fragebogenkonstruktion im Projekt Medikationsplan PLUS beeinflusste.

Im Projekt Medikationsplan PLUS wird die Zahl der Teilnehmer erstens weitaus größer sein und eine Längsschnitterhebung beinhalten. Zweitens ist die Dauer der Erhebung mit 21 Monaten vergleichsweise lang angesetzt, um die Entwicklung der Medikationspläne zu beobachten und den Umgang der Studienteilnehmer zu evaluieren. Mit insgesamt sieben geplanten Messpunkten muss das Erhebungsinstrument somit auch Veränderungen mit der erforderlichen Sensitivität wahrnehmen. Drittens bietet das erstellte Erhebungsinstrument mit dem EQ-5D-5L in der EuroQol visual analogue scale erstmals die Möglichkeit, Veränderungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität abzufragen und für eine anschließende Kosten-Nutzen-Analyse vorzubereiten.

Angesichts dieser Aspekte bestand die Notwendigkeit darin ein Instrument zu erstellen, das sowohl die Lesbarkeit und das Nutzungsverhalten, als auch die Abläufe und die Anwendungsfreundlichkeit des Bundeseinheitlichen Medikationsplans in einer Längsschnitterhebung evaluieren kann. Anders als bei Botermann et al. [8] werden mit 300 Patientinnen und Patienten weitaus mehr Probanden befragt. Den Autoren war es weiterhin wichtig, dass Aspekte wie Akzeptanz, Abläufe und Lesbarkeit nach einer transparenten Methodik in Multi-Item-Skalen evaluiert werden. In vorangegangen Projekten stellten sich diese Gesichtspunkte als Herausforderung dar, da diese Punkte nicht als latente Merkmale abgefragt worden sind [8], [9].


Anmerkungen

Supplement

Der Fragebogen ist in seiner aktuellen Version unter folgender Adresse abrufbar: http://medikationsplan-plus.de/wp-content/uploads/2017/03/Patientenfragebogen-MP-PLUS-V2.0.pdf.

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze: E-Health-Gesetz. Bundesgesetzblatt. 2015;I(54):2408-23. [cited 2017 Feb 28]. Available from: http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl115s2408.pdf Externer Link
2.
Döring N, Bortz J. Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. 5. vollständig überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Auflage. Heidelberg: Springer; 2016. DOI: 10.1007/978-3-642-41089-5 Externer Link
3.
Poguntke S. Corporate Think Tanks: Zukunftsgerichtete Denkfabriken, Innovation Labs, Kreativforen & Co. Wiesbaden: Springer Gabler; 2014. DOI: 10.1007/978-3-658-04318-6 Externer Link
4.
European Commission. Guideline on the readability of the label and package leaflet of medicinal products for human use. Revision 1 (2004/27/EC). Brussels; 2009 [cited 2017 Mar 1]. Available from: http://ec.europa.eu/health//sites/health/files/files/eudralex/vol-2/c/2009_01_12_readability_guideline_final_en.pdf Externer Link
5.
Whitehead SJ, Ali S. Health outcomes in economic evaluation: the QALY and utilities. Br Med Bull. 2010;96:5-21. DOI: 10.1093/bmb/ldq033 Externer Link
6.
Hinz A, Kohlmann T, Stöbel-Richter Y, Zenger M, Brähler E. The quality of life questionnaire EQ-5D-5L: psychometric properties and normative values for the general German population. Qual Life Res. 2014 Mar;23(2):443-7. DOI: 10.1007/s11136-013-0498-2 Externer Link
7.
Nunnally JC, Bernstein IH. Psychometric theory. 3rd ed. New York, NY: McGraw-Hill; 2008. (McGraw-Hill series in psychology).
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Botermann L, Monzel K, Krueger K, Eickhoff C, Wachter A, Kloft C, Laufs U, Schulz M. Evaluating patients' comprehensibility of a standardized medication plan. Eur J Clin Pharmacol. 2016 Oct;72(10):1229-1237. DOI: 10.1007/s00228-016-2082-5 Externer Link
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Waltering I, Schwalbe O, Hempel G. Informationsgehalt von Medikationsplänen vor dem Hintergrund der Einführung des einheitlichen patientenbezogenen Medikationsplans [Information content of medication schedules prior to the implementation of the federal standard medication plan]. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2016 Oct;115-116:24-32. DOI: 10.1016/j.zefq.2016.06.004 Externer Link