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GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS)

ISSN 1860-9171

Design und prototypische Implementierung eines IT-Lösungskonzepts für eine Versorgungsmanagement-Plattform mit Integration der EFA

Design and experimental implementation of an IT solution concept for a care management platform with integration of the EFA

Originalarbeit

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  • corresponding author Pascal Proksch - Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Informatik, Medizinische Informatik, Dortmund, Deutschland
  • author Britta Böckmann - Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Informatik, Medizinische Informatik, Dortmund, Deutschland

GMS Med Inform Biom Epidemiol 2016;12(2):Doc03

doi: 10.3205/mibe000165, urn:nbn:de:0183-mibe0001654

Veröffentlicht: 24. August 2016

© 2016 Proksch et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Ziel dieser Forschungsarbeit war es, eine elektronische Anwendung für das Versorgungsmanagement prototypisch zu implementieren, die das Funktionsmodell der EFA als Client-Anwendung integriert. Dazu wurde ein allgemeingültiges Lösungskonzept entworfen, das die IT-gestützte Umsetzung eines Versorgungsszenarios bestehend aus EFA und Versorgungsmanagement-Plattform beschreibt. Die Arbeit wurde als Forschungsansatz entwickelt, der dem ansteigenden Wunsch und Bestreben der deutschen Bundesregierung nach elektronischen Anwendungen im Gesundheitswesen nachkommt, über die eine Verbesserung der ganzheitlichen Versorgungsqualität erreicht werden kann. Das entwickelte System stellt eine exemplarische Lösung dar, um eine Erforschung bezüglich der Eignung des dafür aufgestellten Versorgungs- und Lösungskonzepts zu ermöglichen. Über die Abbildung von definierten Interaktionsmuster und der Integration der EFA ist die Versorgungsmanagement-Plattform in der Lage, eine zentrale Prozesssteuerung, Kommunikation und einen Datenaustausch in kooperativen Versorgungsmanagement-Konzepten zu unterstützen. Über die Modellierung des Lösungskonzepts ist zudem eine wissenschaftlich fundierte Ausarbeitung entstanden, auf der die Implementierung aufbaut und die als Basis und Referenz für ähnliche Systeme dienen kann.

Schlüsselwörter: Versorgungsmanagement, Versorgungsmanagement-Plattform, Versorgungssteuerung, Patientenkoordination, Patientenakten, EFA, elektronische Fallakte, Informationssysteme, Informationstechnologie

Abstract

The aim of this research work was to implement a prototype of an electronic application with integration of the EFA to support IT-based care management processes. A solution concept has been designed to describe an implementation of a care management scenario consisting of the EFA and a care management platform. This work is as research approach as part of the increasing efforts of the federal government to promote the use of electronic application in order to achieve an improvement in the quality of patient care. Through the representation of defined patterns of interaction and the integrated functional model of the EFA, the care management platform is able to support a central process control, communication and data exchange in collaborative care management. The solution concept is the basis for the implementation and can serve as reference for similar systems.

Keywords: patient care management, care management platform, patient records, health records, computerized patient records, electronic case record, information systems, information technology


1 Einleitung

Die medizinische Behandlung sämtlicher Indikationen erfolgt im Rahmen der Regelversorgung in den drei Versorgungsbereichen stationär, ambulant und im häuslichen Umfeld, nach den Vorgaben der Sozialgesetzgebung. In diesen Versorgungsstrukturen ist eine Beteiligung „neuer“ Akteure zur Erbringung von Leistungen nur möglich, wenn die gesetzlichen Normen dies explizit vorsehen oder sektoren- und versorgungsspezifische Instanzen und Gremien dies zulassen [1], [2]. Das Problem der „verkrusteten sektoralen Strukturen“ [3] und der starken Einschränkung durch Reglementierungen hat die Bestrebungen seitens des Gesetzgebers in den letzten Jahren bekräftigt, den Gesundheitsmarkt zu liberalisieren [2]. Alleine im Jahr 2015 wird das deutsche Gesundheitswesen u. a. durch das Versorgungsstärkungsgesetz, dem IT-Sicherheitsgesetz und dem Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (eHealth-Gesetz) geprägt [4]. Das eHealth-Gesetz ist ein vom Bundeskabinett Mitte 2015 beschlossener Gesetzentwurf, in dem ein Fahrplan für die Einführung einer digitalen Infrastruktur im Gesundheitswesen aufgestellt ist [5], [6]. Darin werden Selbstverwaltungsorgane und Industrie durch klare gesetzliche Vorgaben, Fristen und Anreize, aber auch durch Sanktionen aufgefordert, Anwendungen und Strukturen für eine sichere digitale Kommunikation mit zu gestalten, respektive diese zukünftig zu nutzen [6], [7]. Das Bundesministerium stellt den Wunsch nach elektronischen Anwendungen in den Fokus und gibt gezielt Anreize, deren Nutzung zu fördern, um eine Verbesserung der Versorgungsqualität zu erreichen [4]. Durch die Bestrebungen der Bundesregierung und der sukzessiven Entwicklung der Integrierten Versorgung der letzten Jahre wurden Anreize für regionale Versorgungskonzepte mit eingegliedertem Versorgungsmanagement geschaffen. Seit dem 2007 in Kraft getretenen „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung“ und dem Wirken vieler Bestandteile ab 2009 haben Versicherte Anspruch auf ein Versorgungsmanagement [8]. Das verbindlich eingeführte Versorgungsmanagement soll sicherstellen, dass eine nahtlose aufeinander abgestimmte und nach Möglichkeit integrierte Behandlung, Rehabilitation und (Vor- und Nach-)Versorgung im Gesundheitswesen erfolgt [9]. Im Rahmen einer „geführten Versorgung“ geht es um das Organisieren eines bestimmten, meistens komplexen Hilfsbegehrens eines Patienten [10]. Diese Weiterentwicklung der Anforderung an Versorgungsmodelle und -strukturen führte ebenfalls zu neuen Anforderungen an die IT-Unterstützung. Die (standortübergreifende) Integration von Systemen zählt inzwischen zu den wichtigsten Aufgaben der IT [11]. Mit der Entwicklung der Elektronischen Fallakte (EFA) wurde in den letzten Jahren ein Schritt zur Überbrückung von Kommunikationshürden gelegt. Die EFA stellt ein standardisiertes Kommunikationsmittel zwischen Einrichtungen in der Gesundheitsversorgung für einen konkreten Behandlungsfall bereit. Eine deutschlandweite Abdeckung konnte bisher aus unterschiedlichen Gründen noch nicht erreicht werden. Auch eine andere Form einer zentralen Patientenakte konnte sich bisher nicht als Standard etablieren [4]. Es existieren eine Vielzahl von „Insellösungen“, die sowohl ausgehend von eher theoretisch-wissenschaftlichen Überlegungen, als auch aus der Weiterentwicklung von kommerziellen Lösungen entstanden sind [12]. Diese decken allerdings aufgrund fehlender Möglichkeiten einer zentralen Prozesssteuerung und Organisation der gesamten Versorgung über alle Versorgungsstufen hinweg bis heute noch nicht ausreichend die Anforderungen an die neuen Formen der Integrierten Versorgung ab [13]. In komplexen Versorgungsprozessen führen sektorale und interdisziplinäre Brüche zu einer nicht effektiv durchführbaren Abstimmung zwischen den jeweiligen Gesundheitsversorgern. Besonders bei komplexen Krankheitsfällen kann keine ganzheitliche Betreuung und Behandlung übernommen werden. Dies führt an vielen Stellen im Versorgungsprozess zu Informationsdefiziten, was redundante Maßnahmen und somit steigende Kosten, einen höheren Zeitaufwand, unnötige Patientenbelastung und mehr Ressourcenbelegungen erfordert [14]. Die Verkettung dieser Prozesse und das Zusammenspiel mehrerer Gesundheitseinrichtungen beanspruchen einen eng funktionierenden Datenaustausch und die damit verbundene Aufweichung bestehender Sektorengrenzen [15]. Deshalb müssen Lösungen geschaffen werden, über die alle an einem intersektoralen Versorgungsprozess beteiligten Akteure, interdisziplinär in geeigneter Weise miteinander kooperieren können [16].

Neben den strategischen, organisatorischen und rechtlichen Umsetzungen stellt sich die Frage, wie Versorgungsmanagement auf Anwendungsebene durch Informations- und Kommunikationstechnologie realisiert werden kann. Für diese Forschungsarbeit steht die Entwicklung einer elektronischen Anwendung für das Versorgungsmanagement in Form einer Versorgungsmanagement-Plattform (VM-Plattform) mit Integration der EFA im Fokus. Aufgrund der gegebenen heterogenen Systemlandschaft im Gesundheitswesen bietet sich für eine übergreifende Komponente eine webbasierte Lösung an. Webbasierte Informationssysteme basieren i.d.R. auf einem serviceorientierten Architektur-Ansatz und ermöglichen u.a. einen Zugriff über Web-Browser ohne feste Integration in die jeweiligen Primärsysteme. Ein solches System lässt sich im Kontext des Versorgungsmanagements als eine VM-Plattform bezeichnen. Unter dem Begriff VM-Plattform sind die Hard- und Softwarekomponenten eines eigenständigen Computersystems zur IT-Unterstützung von Versorgungsmanagementprozessen zusammengefasst. VM-Plattformen sollen die bisherigen Systeme in den Versorgungskonzepten dahin gehend erweitern, dass die steigenden Anforderungen des Versorgungsmanagements abgedeckt werden und zusätzliche Funktionalitäten bereitgestellt werden können.

Für die Umsetzung einer solchen VM-Plattform ergeben sich die folgenden primären Problemstellungen: Trotz der gesetzlichen Fortschritte und Vorgaben ist eine VM-Plattform noch ein theoretisches Konzept ohne konkrete Umsetzungen und Referenzimplementierungen. Es fehlen Spezifikationen, wie solche Systeme konkret aussehen und aufgebaut sein müssen. Daher stellt sich die Frage, wie sich eine konkrete Umsetzung realisieren lässt. Generelle Anforderungen, die an Systeme im Gesundheitswesen gestellt werden, müssen auf das Konzept der VM-Plattform angewendet werden. Obwohl die EFA umfänglich spezifiziert ist, kann aufgrund fehlender Spezifikationen der VM-Plattform keine einfache Überführung des Funktionsmodells der EFA auf die VM-Plattform erfolgen. Somit ist eine der zentralen Fragen, wie die Integration der EFA funktional realisiert werden kann, um die spezifischen Anforderungen zur Realisierung neuer Versorgungsstrukturen abzudecken. Neben der technischen Integration ergibt sich das methodische Problem des nutzbringenden Zusammenspiels der beiden Systeme. Dazu ist herauszuarbeiten, zu welchen Zeitpunkten welche Synchronisationsprozesse zum Austausch von Inhalten zwischen den beiden Systemen führen.

Diese Problemstellungen führen zu dem primären Ziel eine VM-Plattform prototypisch zu implementieren und diese theoretisch um die Integration des Funktionsmodells eines Client-Systems der EFA zu erweitern. Die EFA stellt eine fallorientierte Kommunikationsplattform für alle an einem Behandlungsprozess beteiligten Leistungserbringer dar. Über elektronische Fallakten soll eine strukturierte und integrierte Sicht auf einem Patienten zugeordnete, medizinische Daten ermöglicht werden. Ein Fall beginnt mit der Erstdiagnose und integriert alle weiteren notwendigen Abrechnungs- und Behandlungsdaten. Die EFA-Spezifikation stellt eine interoperable Architektur bereit, mit der Einrichtungen im stationären Sektor und dem ambulanten Bereich Patientendaten im Kontext kooperativer Behandlungsszenarien untereinander nutzbar machen können. Daten sind, unter Beachtung des Datenschutzes, über verschiedene Zugangswege austausch-, integrier- und weiterverwendbar [17]. Die EFA-Spezifikation wurde in der aktuellen Version 2.0 an den Grundlagen der international etablierten Standardisierungsarbeit von IHE ausgerichtet. Konkret wurde die Kompatibilität durch die Anpassung der EFA an das technische Rahmenwerken IHE ITI erzielt [18].

Zur Umsetzung dieses Software-Projekts gilt es zum einen, ein allgemeingültiges IT-Lösungskonzept für eine VM-Plattform zu erstellen. Zum anderen soll dieses dann prototypisch implementiert werden. Das zu spezifizierende Lösungskonzept soll eine wissenschaftlich fundierte Basis bereitstellen, auf der die Implementierung aufbaut und die als Referenz für ähnliche Systeme dienen kann. Durch die Entwicklung einer VM-Plattform kann eine zentrale Prozesssteuerung, Kommunikation und ein Datenaustausch in kooperativen Versorgungsmanagement-Konzepten unterstützt werden. Die EFA leistet, als fallorientiertes Kommunikationsmedium zwischen Einrichtungen in der Gesundheitsversorgung, einen Beitrag zur Überbrückung von Kommunikationshürden. Über die Integration sollen die Möglichkeiten des Funktionsmodells der EFA in die verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten einer VM-Plattform überführt werden. Durch die Implementierung als Prototyp soll eine erste exemplarische Lösung für das aufgestellte Lösungskonzept entwickelt werden und so eine Erforschung bezüglich der Eignung des Lösungsansatzes ermöglichen.


2 Methoden

Für die Umsetzung dieser Arbeit wurde sich an dem wissenschaftlichen Vorgehensmodell Guidelines for design science orientiert, das den Entwicklungs-Zyklus in vier verschiedene Phasen gliedert: (1) Erhebung des Problembereichs, (2) Lösungsdesign, (3) Validierung sowie (4) die Implementierung des Lösungsansatzes [19].

Im ersten Schritt wurde mit der Problemerhebung gestartet, welche die detaillierte Aufbereitung des Problembereichs beabsichtigte. Einer von vier Gründen zum Anstoß zur Durchführung der Problemerhebung ist die Ziel-orientierte Erhebung. Darin soll die aktuelle Situation aufgrund neuer Ziele und Anforderungen verändert werden, ohne dass direkte Probleme von Anwendern wahrgenommen werden [20]. Die Problemerhebung für diese Arbeit ist zum Großteil in der „Analyse zur Umsetzung eines Versorgungsmanagement-Konzepts mit einer eEPA und Versorgungsmanagement-Plattform in der Integrierten Versorgung“ [21] entstanden. Für die Frage, warum es ein Konzept bestehend aus VM-Plattform, Primärsystemen mit Integration der EFA braucht, wurden die drei Stufen bei der allgemeinen Entwicklung der Integrierten Versorgung betrachtet. Darin wurde herausgestellt, welche Änderungen im Bereich der IT-Unterstützung stattgefunden haben und warum diese weitreichende Einflüsse auf die Versorgung haben.

Das Design des Lösungsansatzes stellt den zweiten Schritt des Entwicklungs-Zyklus dar und umfasst alle notwendigen Aktivitäten zur vollständigen Realisierung der Zielvorgaben. Die Ergebnisse werden in einem Lösungskonzept zusammengefasst [20]. Für die Erstellung des Lösungsdesigns wurden die Ergebnisse aus [21] in diese Arbeit überführt und darauf aufbauend folgende Schritte zur Realisierung der Zielsetzung durchgeführt:

1.
Aufstellen eines Anwendungsszenarios zur strukturierten Darstellung beim Einsatz und Zusammenspiel zwischen der VM-Plattform und EFA.
2.
Über die Abbildung von Use Case wurden die Prozesse definiert, die beim Zusammenspiel der Systeme mindestens abgebildet werden müssen.
3.
Durch die Ableitung von Interaktionsmustern wurde anhand von Ablaufplänen der Synchronisationsprozess ermittelt, wann welche Inhalte von der VM-Plattform in die EFA fließen und umgekehrt.
4.
Durch die Interaktionsmuster konnten auch die Datensets mit den Inhalte beschrieben werden, die Teil der VM-Plattform und Teil der EFA sind.
5.
Über die Analyse der Spezifikationen der EFA 2.0 wurden dann die Services definiert, die in die VM-Plattform integriert werden müssen, um die Mindestfunktionalität eines EFA-Clients abzubilden.

In der Phase der Validierung wird geprüft, ob sich über die Umsetzung des Lösungskonzepts tatsächlich die Probleme lösen und die angestrebten Ziele erreichen lassen [20]. Der sich wiederholende Prozessverlauf im verwendeten Modell der Guidelines for design science steht die Validierung in der Phase vor der Implementierung. Dieser Ansatz wurde adaptiert und an die Stelle hinter der prototypischen Implementierung verschoben. Die Anpassung wurde vorgenommen, da die allgemeine Validierung für die Umsetzung eines Versorgungskonzeptes mit VM-Plattform und der EFA in [21] als Teil des darin aufgestellten Lösungskonzepts erarbeitet wurde. Die Qualitätsüberprüfung der prototypischen Implementierung fand anhand einer Validierung gegen das aufgestellte Lösungskonzept statt.

Über den vierten Schritt des Entwicklungs-Zyklus wird der Lösungsansatz in eine tatsächliche Implementierung überführt [20]. Das gesamte Lösungskonzept setzt sich aus den folgenden fünf Beschreibungen und Analysen zusammen: (1) Modellierung eines Anwendungsszenarios, (2) Definition von Interaktionsmustern, die konkret das Zusammenspiel und die Synchronisierung zwischen EFA und VM-Plattform beschreiben, (3) einer Use Case- und Datenanalyse, die Funktionalitäten und Inhalte des zu implementierenden Systems definieren, (4) einem Mapping des Funktionsmodells der EFA für die theoretische Integration und (5) der Spezifikation eines Anforderungsprofils einer VM-Plattform.


3 Ergebnisse

3.1 Lösungskonzept

Das Lösungskonzept umfasst die IT-gestützte Umsetzung eines Versorgungsszenarios, bestehend aus EFA und VM-Plattform, und bildet die theoretische sowie konzeptuelle Begründung für die prototypische Implementierung.

Für den ersten Schritt zur Modellierung des Lösungskonzepts wurde das in [21] definierte Versorgungsszenario in ein für diese Arbeit passendes Szenario überführt. Über die Modellierung des Anwendungsszenarios soll veranschaulicht werden, wie ein theoretischer Lösungsansatz für ein Versorgungskonzept am Beispiel einer COPD-Erkrankung aussehen kann und wie dafür die Versorgung über eine IT-Infrastruktur, bestehend aus EFA und VM-Plattform eingebunden ist. Das Szenario skizziert einen Versorgungsverlauf eines Patienten und in Auszügen die dabei entstehende Dokumentation. Im Verlauf der COPD-Versorgung durchläuft der Patient mehrere Bereiche. Die Versorgung beginnt bei seinem niedergelassenen Hausarzt, auf die eine ambulante Untersuchung bei einem Facharzt folgt. Von dort geht der Patient in die stationäre Behandlung in ein Krankenhaus. Auf den Krankenhausaufenthalt folgt ein weiterer stationärer Aufenthalt in einer Rehabilitationseinrichtung, der anschließend ambulant fortgesetzt wird. Das Szenario beschreibt den Gesamtprozess der Integrierten Versorgung unter Einsatz einer EFA und VM-Plattform. Abbildung 1 [Abb. 1] stellt die wesentliche Kommunikation der Versorger mit der EFA und der VM-Plattform dar. In jeder Versorgungsstufe wird die EFA weiter gefüllt bzw. liefert für nachfolgende Versorgungsschritte die benötigten Informationen. Um die Konzepte des Versorgungsmanagements umzusetzen, kommt eine VM-Plattform zur übergreifenden Prozesssteuerung, zum Erfassen von Informationen speziell aus dem Versorgungsmanagement und zur Informationsintegration aus der EFA zum Einsatz.

In dem Szenario wird dargestellt, wie sich aus den dezentralen Datenhaltungen der Versorger eine einrichtungsübergreifende, zentrale Patientenakte in Form der EFA zusammensetzen kann. Das Szenario zeigt auf, welche Interaktionen möglich sein müssen, um diese übergreifende Kommunikation mit den benötigten Informationen zu realisieren. Darüber wird eine allgemeine Referenz für die Umsetzung des Lösungsdesigns vorgegeben und ein greifbares Beispiel einer komplexen Patientenversorgung bereitgestellt.

Bei der Interaktion mit der EFA und der VM-Plattform finden Interaktionsmuster statt, die das Verhalten in bestimmten Situationen mit den Systemen definieren [22] und die wechselseitigen Reaktionen in bestimmten Situationen zeigen [23]. Die systematische Entwicklung dieser Interaktionsmuster setzt sich durch die Definitionen der Use Cases, der Datenanalyse und der Modellierung der Synchronisationsprozesse zwischen den Systemen zusammen. Dabei beschreiben die Use Cases die generellen und allgemeingültigen Funktionalitäten, die sich aus dem modellierten Szenario überführen lassen. Dafür wurden die Use Cases in die Gruppen Patient, EFA und Versorgungsprogramm gegliedert und stellen darüber die Funktionalitäten dar, die mindestens zur Umsetzung des Anwendungsszenarios möglich sein müssen. Die Use Cases der weiteren Gruppe VM-Plattform sind nicht zur Abbildung des Szenarios erforderlich, sollen allerdings Funktionen zur Unterstützung bei der Arbeit zur interdisziplinären und übergreifenden Versorgungssteuerung mit der Plattform bereitstellen.

Im Anwendungsszenario gibt es drei datenhaltende Quellen, in denen zusammengefasst der Großteil aller medizinischen und administrativen Daten der Patientenversorgung gespeichert sind: die Primärsysteme, die EFA und die VM-Plattform. Die Datenanalyse besteht aus einer Untersuchung der unterschiedlichen Informationsinhalte in den drei abgegrenzten Systemen auf oberster Ebene der Datentypen. Diese Daten werden über die drei Systeme entsprechend ihres Einsatzgebiets und ihrer Funktionen je nach Integrationsstufe im Versorgungsverbund bereitgestellt. Aus diesen analysierten medizinischen und administrativen Daten beim Versorgungsmanagement, ergibt sich eine Matrix, in der die Inhalte den datenhaltenden Systemen zugeordnet sind. Die Zuordnung erfolgt aus den zuvor durchgeführten Grundlagenbeschreibungen und der „Abgrenzung der Systeme für ein Versorgungskonzept“ aus [21].

Für die prototypische Integration der EFA in die VM-Plattform ist ein Verständnis über den Ablauf und die Synchronisation bei der Implementierung entscheidend für die Auswahl der Services. Die Synchronisationsprozesse sollen aufbauend auf den definierten Use Cases und den analysierten Dateninhalten zeigen, wann ein Austausch dieser Daten stattfindet, welche Daten betroffen sind und wo diese Daten gespeichert werden. Über den „Fluss“ der Daten soll gezeigt werden, welche Inhalte in welchem System wann entstehen, wann diese Inhalte ausgetauscht und redundant, oder als Verweis temporär oder langfristig verfügbar sind und was die anstoßenden Aktionen dafür sind. Die Synchronisationsprozesse wurden als Datenflussdiagramme modelliert. Die Diagramme bilden die generellen Prozesse und die dabei „fließenden“ Daten ab. Abweichungen, Zwischenschritte ohne Datenfluss oder Eventualitäten wie bspw. das Abfragen, ob Daten schon vorhanden sind, wurden nicht eingebaut. Um die Datenflüsse zwischen der VM-Plattform und EFA für das beispielhaft aufgestellte Szenario abzubilden, finden die folgenden Synchronisationsprozesse P1–P7 zwischen den beiden Systemen statt: (P1) Patient in Versorgungsprogramm einschreiben, (P2) Fallakte in VM-Plattform anlegen, (P3) Fallakte bei Provider anlegen, (P4) Fallakten laden, (P5) Inhalte einer Fallakte laden, (P6) Inhalte in Fallakte einstellen/aktualisieren und (P7) Fallakte abschließen. Der in Abbildung 2 [Abb. 2] dargestellte Synchronisationsprozess P2 – Fallakte in VM-Plattform anlegen ist ein Beispiel, wie die Synchronisationsprozesse definiert und modelliert wurden.

Über die Analyse der EFA-Spezifikation 2.0 werden die Services der EFA bestimmt, die in die VM-Plattform integriert werden müssen, um die Funktionalitäten aus den Interaktionsmustern anhand der EFA 2.0 abdecken zu können. Die Untersuchung der EFA-Spezifikation stellt die konkreten Services heraus, die auf Seiten des EFA-Providers bereitgestellt werden. Diese lassen sich dann in die Systemarchitektur der VM-Plattform integrieren. Die Integration der EFA erfolgt auf Ebene der Geschäftslogik, die wiederum mit der Kommunikationsschicht der VM-Plattform verbunden ist. Die Integration ist über die Aufrufe der Webservice-Schnittstelle nach der EFA-Spezifikation 2.0 vorgesehen. Die VM-Plattform steht im Kontext einer Client-Anwendung. Demzufolge ist die Spezifikation der Client-API auf den Vorgaben der IHE für die Implementierung relevant. Durch die Anpassung der EFA an das technische Rahmenwerk der IHE beschreibt die Implementierungs-Komponente der Spezifikation transparent die Umsetzung der Logik-Komponente über das Integrationsprofil IHE-XDS als separate Services. Dafür wurden die Akteure und Transaktionen des Integrationsprofils IHE-XDS auf den Gültigkeitsbereich der EFA überführt. Die EFA-Akteure führen die in sich geschlossenen Vorgänge zum Datenaustausch (Transaktionen) mit der EFA aus. Die analysierten 11 Transaktionen sind aus der API-Dokumentation der EFA entnommen und beschreiben alle Möglichkeiten zur Interaktion, die von der EFA bereitgestellt werden. Die Menge dieser Operationen bildet das Funktionsmodell (engl. Service Functional Model) der EFA-Anwendungsarchitektur, das eine vollständige plattformunabhängige Beschreibung der technisch umzusetzenden EFA-Funktionalität liefert [18]. Diese Transaktionen und Akteure der EFA-Spezifikation wurden auf die Ergebnisse der Interaktionsmuster projiziert. Dadurch wird das theoretische Funktionsmodell der EFA-Spezifikation in das Lösungskonzept integriert. Die Menge der zu integrierenden Operationen des Funktionsmodells der EFA richtet sich an den Aufrufen aus den einzelnen Synchronisationsprozessen aus. Das Mapping der EFA-Transaktionen auf die Prozesse der VM-Plattform ist in Tabelle 1 [Tab. 1] abgebildet.

Aus diesen Ergebnissen des modellierten Szenarios, der Analysen der Interaktionsmuster und der EFA-Spezifikation, sowie den Definitionen der Datenflüsse und Softwareanforderungen, ist ein konkretes IT-Konzept entstanden. Abbildung 3 [Abb. 3] zeigt eine mögliche konzeptuelle Umsetzung von Versorgungs-Szenarien mit dem Einsatz einer VM-Plattform und zentraler EFA für ein übergreifendes Versorgungsmanagement. Dabei erfolgt die Patientenversorgung und daraus folgenden primäre Dokumentation aller medizinischen und administrativen Daten in den Primärsystemen. Die EFA ist als standardisiertes und einrichtungsübergreifendes Kommunikationsmedium zentral verfügbar und wird je nach Integrationsstufe an die Primärsysteme angebunden. Zur zentralen Steuerung und Verwaltung der übergreifenden Versorgung, sowie zur erweiterten Dokumentation kommt eine VM-Plattform zum Einsatz. Die VM-Plattform integriert die EFA über die 2.0er-Spezifikation als Client-Anwendung. Zusätzlich zur EFA-Integration verfügt die VM-Plattform über eine eigenen Datenhaltung zur Langzeitarchivierung der Versorgungsmanagement-Daten [21].

Aus allgemeiner Sicht zeigen die Ergebnisse dieses Lösungskonzepts, dass zusätzlich zur EFA eine VM-Plattform benötigt wird, um die Anwendungsfälle aus dem beispielhaften Szenario mit allen dabei entstehenden Daten und Kommunikationsprozesse abbilden zu können. Es benötigt eine Integration der Services in die Kommunikations- und Arbeitsprozesse, um einen wie in der Analyse definierten Datenaustausch zu ermöglichen. Die Erkenntnisse stellen ein gesamtheitliches Lösungskonzept für die prototypische Implementierung der VM-Plattform mit Integration der EFA dar.

3.2 Prototypische Implementierung

Die prototypische Implementierung ist die Überführung des zuvor aufgestellten Lösungskonzepts. Im Rahmen der Softwareentwicklung sind mit einem Prototyp oder dem Prototyping Methoden der Softwareentwicklung gemeint, die schnell zu ersten Ergebnissen führen sollen und so ein frühzeitiges Feedback bezüglich der Eignung eines Lösungsansatzes ermöglichen [24]. Für die Implementierung dieser Forschungsarbeit bezieht sich die Bezeichnung auf eine exemplarische Entwicklung, um eine mögliche technische Lösung für das aufgestellte Versorgungs- und Lösungskonzept zu geben. Dabei wurde die Implementierung als eine alleinstehende, als Prototyp voll funktionsfähige und skalierbare Webanwendung umgesetzt, die an der Schnittstellen-Schicht eines möglichen Backends aufhört. Serverseitige Anwendungslogik sowie eine erforderliche Sicherheitsarchitektur sind nicht Teil des Prototypens. Das Design der Anwendungsarchitektur beschreibt den technischen und logischen Aufbau der Frontend-Anwendung. Das für die Entwicklung primär verwendete Framework ist Ember.js, das auf dem MVC-Architekturmuster basiert und eine umfassende Lösung zur Erstellung von komplexen und skalierbaren Webanwendungen darstellt [25]. In Verwendung mit dem Build- und Dependency-Management-Framework ember-cli ist die grundlegende Struktur der Anwendung als MVC-Konzept und somit der Anwendungsarchitektur vorgegeben. Die Anwendung teilt sich logisch in die sechs Bereiche (1) Informationsmodell, (2) RESTful API, (3) Grafische Benutzeroberfläche, (4) Geschäftslogik, (5) Konfiguration und (6) Tests auf. Diese werden funktional miteinander gekoppelt und durch ember-cli gebündelt als eine Anwendung bereitgestellt.

Das Informationsmodell beschreibt die Ebene der Datenmodellierung zur Abbildung aller dynamischen Werte der Anwendung. Über das Informationsmodell werden die Objektklassen der Anwendung abstrakt mit ihren Eigenschaften, Beziehungen und Verhalten definiert. Die RESTful API stellt die Schnittstelle zum Backend und zur Integration der Anwendung in eine serviceorientierte Architektur oder externe Anwendungen bereit. Die Schnittstelle wurde über Express.js als Middleware der Anwendung umgesetzt und besteht aus zwei wesentlichen Konzepten: der Verwendung des Softwarearchitekturstils REST und JSON als Dateiformat zur Abbildung und Übertragung von Daten. Durch die Implementierung als RESTful API, respektive der Umsetzung mit REST als Programmierparadigma in Form eines ressourcenorientierten Architekturkonzepts für verteilte, multimediale Systeme ist die API logisch in Ressourcen aufgeteilt [26]. Tabelle 2 [Tab. 2] zeigt das durchgehend eingehaltene Konzept bei der Definition von Ressourcen der Schnittstelle. Die 2. Zeile ist ein Beispiel für einen Aufbau einer Unter-Ressource des Patienten.

In der Implementierung der RESTful API sind die folgenden vier Hauptressourcen: (1) Patienten, (2) Versorgungsprogramme, (3) Fallakten und (4) Organisationen nach diesem Prinzip definiert.

Die grafische Benutzeroberfläche umfasst das Design aller Templates zur Darstellung von Inhalten und zur Interaktion mit den Anwendern und bildet darüber die Use Cases des Lösungskonzepts ab. Bei der Gestaltung der Oberflächen wurde auf bestimmte Aspekte aus dem Design-Muster Card-based User Interface zurückgegriffen. Die Oberflächen sind in Module aufgeteilt und sowohl hinsichtlich der Implementierung als auch bei der Darstellung inhaltlich getrennt. Die Einteilung der Sichten der VM-Plattform entspricht der Gruppierung der Use Cases in die vier Module: (1) Patient, (2) Versorgungsprogramm, (3) Fallakte und (4) VM-Plattform. Das Modul Patient implementiert die patientenzentrierte Sicht, bei der die Arbeit auf die Patienten zur Versorgungssteuerung ausgerichtet ist. Im Modul Versorgungsprogramm sind die Funktionalitäten für die Steuerung der Versorgungsprogramme implementiert. Dabei erwartet den Anwender die Sicht auf ein oder mehrere Versorgungsprogramme. Über das Modul der Fallakte werden die Inhalte der EFA in den Mittelpunkt gestellt. Die Sicht ist auf alle Fallakten konzentriert, von denen die weiteren Aktivitäten wie Navigation in eine einzelne Fallakte ausgehen. Die unter VM-Plattform zusammengefassten Use Cases wurden noch nicht vollständig als einzelne Module implementiert, sondern deuten prototypisch mögliche Funktionalitäten an. Teilweise sind diese Funktionen zur Organisation, Kommunikation und Prozesssteuerung auch in anderen Modulen integriert oder als allgemeine Teile der Frontend-Anwendung entwickelt. Das in Abbildung 4 [Abb. 4] dargestellte Dashboard ist Ausgangspunkt und Startseite der VM-Plattform, über das sich alle Module ansteuern lassen. Neben den Modulen ist eine Art benutzerabhängiger Arbeitsbereich prototypisch angedeutet. Über den Arbeitsbereich sollen dem Anwender seine letzten, offenen und gespeicherten Aktivitäten sowie neueste Nachrichten und Dokumente als Arbeitsliste präsentiert werden. Auf dem Dashboard ist ebenfalls das in der Anwendung durchge-hend eingesetzte Designprinzip zu erkennen.

Der Einstieg in die patientenorientierte Sicht erfolgt über das Dashboard oder über den direkten URL-Aufruf /patients. Die einzelnen Patientenakten bilden eine Gesamtübersicht über den medizinischen Status des Patienten ab. Bei bekannter ID des Patienten ist jede Akte auch über den URL-Aufruf /patients/:id erreichbar. Patientenakten sind für jeden Patienten wie in Abbildung 5 [Abb. 5] aufgebaut. Auf der linken Seite sind dabei die Stammdaten und wichtige, inhaltsübergreifende Informationen dargestellt. Die medizinischen Inhalte sind logisch auf einzelnen Kacheln auf der rechten Seite der Akte gruppiert. Da Fallakten immer mit einem Patienten verknüpft sind, wird die detaillierte Ansicht einer Akte auch immer als Teil der Patientenakte angezeigt. Der Aufruf einer Fallakte erfolgt wahlweise über die Navigation aus der Sicht aller Fallakten (/ecrs), per Klick auf die Fallakte innerhalb der Patientenakte oder – sofern die IDs bekannt sind – durch URL-Aufruf der Patientenakte mit angehängter Fallakten-ID (/patients/:id/ecrs/:id). Abbildung 5 [Abb. 5] zeigt die Ansicht einer Fallakte als Teil der Patientenakte. Diese wird über die Meta-Daten im oberen Teil der Seite abgebildet. Die mit der Akte verknüpften medizinischen Inhalte sind als Bereiche dargestellt, die sich einzeln ein- und ausblenden lassen.

Die gezielte Steuerung und Versorgung von Patienten einer meist indikationsbezogenen Population sind in Versorgungsprogrammen zusammengefasst. Die Verwaltung und Übersicht aller Versorgungsprogramme ist über ein entsprechendes Modul der Anwendung implementiert und über die URL /careprovisions oder aus dem Dashboard erreichbar. Ausgehend von der Ansicht der Stammdaten lässt sich von jeder Stelle der Akte der Einschreibeprozess für diesen Patienten starten. Zusatzdienste sind Funktionen zur Organisation, Kommunikation und Prozesssteuerung, die den Umfang einer VM-Plattform erweitern können. Die Dienste sind unter dem Modul VM-Plattform zusammengefasst.


4 Diskussion und Fazit

Ziel der vorliegenden Forschungsarbeit war es, eine VM-Plattform prototypisch zu implementieren, die das Funktionsmodell der EFA als Client-Anwendung integriert. Aus Sicht der Versorgungssituation im Gesundheitswesen wurde die Problematik adressiert, dass Lösungen geschaffen werden müssen, über die alle an einem intersektoralen Versorgungsprozess beteiligten Akteure interdisziplinär in geeigneter Weise kooperieren können. Die Arbeit wurde als Forschungsansatz entwickelt, der dem ansteigenden Wunsch und Bestreben der deutschen Bundesregierung nach elektronischen Anwendungen im Gesundheitswesen nachkommt, über die eine Verbesserung der ganzheitlichen Versorgungsqualität erreicht werden kann. Vor dem Hintergrund der fehlenden Spezifikationen an die Implementierung einer VM-Plattform wurde ein daran ausgerichtetes Lösungskonzept erstellt. Die Ergebnisse der Modellierung eines Versorgungsszenarios, das Design und die Beschreibungen von Interaktionsmustern, die Analyse der EFA-Spezifikation sowie die Definitionen von Datenflüssen und Softwareanforderungen sind in einem konkreten IT-Konzept zusammengeführt. Aus technischer Sicht definiert das Lösungskonzept den methodischen Hintergrund einer VM-Plattform und spezifiziert über die funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen die Basis der Implementierung. Aus allgemeiner Sicht stellen die Ergebnisse des Lösungskonzepts dar, dass es zusätzlich zur EFA eine VM-Plattform benötigt, um die Anwendungsfälle aus dem Indikationsbeispiel des Versorgungsszenarios mit den dabei entstehenden Daten und Kommunikationsprozessen abbilden zu können. Es ist eine Integration des EFA-Funktionsmodells als aktive Client-Anwendung in die VM-Plattform notwendig, um die Interaktionen des Fallbeispiels zu ermöglichen. Bei Betrachtung der definierten Anforderungsspezifikation an die Implementierung ist zu beachten, dass Anforderungen ein System aus Sicht der Anwender und der technischen Rahmenbedingungen wiedergeben sollen. Da diese Arbeit ohne Anwender entstanden ist, muss das aufgestellte Anforderungsprofil kritisch hinterfragt werden. Die funktionalen Anforderungen wurden in Teilen aus den Beschreibungen und Bewertungen der analysierten Services der EFA-Spezifikation übernommen. Trotzdem gilt es zu prüfen, ob potenzielle Anwender der VM-Plattform die Anforderungen in gleicher Weise äußern und gewichten würden. Bei der Einstufung der Qualitätsanforderungen in die nach ISO/IEC 25000 vorgegebenen Merkmale wurden primär die definierten Ziele der Arbeit verfolgt. Diese Einstufung muss gleichermaßen vor der Überführung in ein Realsystem anhand von gegebenen technischen Rahmenbedingungen und der letztendlichen Einsatzumgebung evaluiert werden. Die Aufstellung einer Anforderungsspezifikation begründet sich auch durch die – neben der eigentlichen Implementierung – existierende Zielstellung, ein theoretisches Konzept hinsichtlich des Anforderungsprofils und der Umsetzung einer VM-Plattform bereitzustellen.

Die praktische Umsetzung der VM-Plattform ist als eine reine Frontend-Anwendung entwickelt, die auf dem MVC-Architekturmuster basiert. Die Implementierung der Plattform wurde bis zur Schnittstellen-Schicht umgesetzt und stellt eine alleinstehende, als Prototyp voll funktionsfähige und skalierbare Webanwendung dar. Aufgrund des Status eines Prototyps sollte das Risiko in Bezug auf die noch ausstehenden Schritte zur technischen Realisierung einer ersten Verfügbarkeit einer Produktiv-Version nicht unterschätzt werden. Neben den Aufgaben, die geplanten Kernfunktionalitäten als stabile und für die Anwender komfortabel bedienbare Version umzusetzen, fallen auch eine Vielzahl von Tätigkeiten an, die zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Prototyps nicht berücksichtigt werden konnten [24]. Bei detaillierter Betrachtung des Prototyps werden außerdem viele Möglichkeiten ersichtlich, die Funktionalitäten des Systems zu verbessern und zu erweitern. Als essenzielle Schritte zur Weiterentwicklung der VM-Plattform gilt es zum einen, die prototypische Implementierung der EFA-Serviceschicht in eine echte Integration über IHE XDS und der EFA-Services v2.0 zu überführen. Zum anderen ist die Fertigstellung von bisher lediglich angedeuteten Funktionen unabdingbar für einen nutzbringenden Einsatz. Die als Teil eines Forschungsprojekts von [13] veröffentlichten Ergebnisse zeigen die steigende Bedeutung einer leitlinienbasierten Behandlung in interdisziplinären und intersektoralen Versorgungsprozessen. Der dort beschriebene Ansatz, über die Integration von formalisierten Leitlinien eine evidenzbasierte Prozesssteuerung zu unterstützen, muss auch für die Weiterentwicklung dieser Plattform in Betracht gezogen werden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Lösungskonzept und die Implementierung über die Erfüllung der Anforderungen erfolgreich validiert werden konnten. Die Ergebnisse der Software-Entwicklung müssen allerdings unter der Berücksichtigung des Status eines Prototyps differenziert betrachtet werden. Die VM-Plattform stellt eine erste exemplarische Lösung als Frontend dar, um eine Erforschung bezüglich der Eignung des aufgestellten Versorgungs- und Lösungskonzepts zu ermöglichen. Eine generelle Eignung der Analyse und Konzeption konnte mit Hilfe der Entwicklungen als eine prototypische elektronische Anwendung für das Gesundheitswesen verifiziert werden. Über die Abbildung der Interaktionsmuster und dem integrierten Funktionsmodell der EFA ist das System in der Lage, eine zentrale Prozesssteuerung, Kommunikation und einen Datenaustausch in kooperativen Versorgungsmanagement-Konzepten zu unterstützen. Über die Modellierung des Lösungskonzepts ist zudem eine wissenschaftlich fundierte Ausarbeitung entstanden, auf der die Implementierung aufbaut und die als Basis und Referenz für ähnliche Systeme dienen kann.


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