gms | German Medical Science

GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS)

ISSN 1860-9171

Prozesssteuerung und Qualitätsmanagement in Tierkliniken durch Einsatz mobiler IT – Erfahrungsbericht aus einer Universitätstierklinik nach 5-jähriger Anwendung

Kurzmitteilung

Suche in Medline nach

  • corresponding author M. Metzner - Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinik für Wiederkäuer mit Ambulanz und Bestandsbetreuung, Lehrstuhl für Innere Medizin und Chirurgie der Wiederkäuer, München, Deutschland
  • author D. Gull - Universität Augsburg, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik und Financial Engineering, Augsburg, Deutschland
  • author M. Gull - Fujitsu Siemens Computers GmbH, München, Deutschland
  • author O. Stadler - Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinik für Wiederkäuer mit Ambulanz und Bestandsbetreuung, Lehrstuhl für Innere Medizin und Chirurgie der Wiederkäuer, München, Deutschland

GMS Med Inform Biom Epidemiol 2008;4(3):Doc16

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/mibe/2008-4/mibe000075.shtml

Veröffentlicht: 28. Oktober 2008

© 2008 Metzner et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Im Zuge des Neubaus der Klinik für Wiederkäuer der Ludwig-Maximilians-Universität München wurde im Rahmen einer Diplomarbeit am Institut für Informatik der Technischen Universität München ein maßgeschneidertes mobiles System für das Patientenmanagement entwickelt.

Zunächst wurden sämtliche für die Patientenbehandlung notwendigen Klinikprozesse, wie Stammdatenverwaltung, medikamentelle Therapie, Behandlungsmaßnahmen, Diagnosen- und Labordatenverarbeitung, Fütterungs- und Melkmanagement sowie Informations- und Rechnungswesen, in Form von Aktivitätsdiagrammen modelliert und zusammen mit dem prozessverantwortlichen Oberarzt optimiert. Entwicklung und Erprobung der einzelnen Module zur Prozessunterstützung und -steuerung erfolgten separat und interaktiv, was Entwicklungszeit und Fehlerquote erheblich reduzierte. Anschließend erfolgte die Integration in das Gesamtsystem mit Anbindung an ein redundantes Datenbanksystem (SQL-Server).

Die Hauptaufgabe des Kliniksystems ist die Verbesserung der Prozessunterstützung der täglich anfallenden Aufgaben. Hierzu gehören insbesondere die Dokumentation bestimmter Maßnahmen (z.B. Anwendung von Medikamenten, Materialverbrauch und Leistungen) und die Erstellung von Anschreiben (z.B. die Festlegung von Wartezeiten in Abhängigkeit der verwendeten Pharmaka und ihrer Applikationsart). Die Patientendaten werden individuell aufbereitet und klinikweit vorgehalten. Bereits während der morgendlichen Patientenvisite werden alle notwendigen Arbeitsprozesse angestoßen und die erfassten Daten den anderen Arbeitsgruppen (Assistenten, Chirurgen, Tierpflegern, Laborangestellten, Verwaltungsangestellten, Studenten) unmittelbar zur Verfügung gestellt, so dass diese parallel und ohne Zeitverlust mit der Bearbeitung beginnen können. Papier und Kugelschreiber konnten auf diese Weise für die Routinearbeit in vielen Bereichen abgeschafft werden, wodurch redundante Eingaben vermieden und die Zahl der Überstunden verringert wurden.

Eine weitere Aufgabe des Systems ist die Prozesssteuerung und Qualitätskontrolle. Die Abarbeitung bestimmter Tätigkeiten wird durch das System strikt vorgegeben und überwacht. So wird z.B. die Verwendung der ermolkenen Milch von Kühen in Funktion der bei ihnen angewendeten Medikamente gesteuert. Aufgetretene Fehler im Arbeitsprozess, wie z.B. das Vergessen der Tränkeplanung bei einem Patienten, werden automatisch erkannt und gemeldet, so dass unmittelbar darauf reagiert werden kann. Die Implementierung der Fehlererkennung und der Plausibilitätskontrollen im System erfolgte sowohl durch reguläre Ausdrücke, die Falscheingaben sofort feststellen und verhindern, als auch durch Prüfalgorithmen, welche Fehler auf Basis des vorhandenen Patientendatenbestands selbstständig identifizieren können (z.B. durch Vergleich der Bewertung der Tränkeaufnahmen der Kälber durch die Tierpfleger mit den tatsächlich aufgenommenen Tränkemengen).

Die Benutzerschnittstelle und die Endgeräte wurden speziell auf den rauen Arbeitsalltag einer Rinderklinik ausgerichtet. So erwies es sich als zweckmäßig, an einigen Stellen robuste und schmutzunempfindliche Touchscreens fest zu montieren, mit deren Hilfe eine rationelle Steuerung der Software in Schmutzbereichen möglich ist. Die Bereitstellung eines flächendeckenden Wireless-LAN (WLAN) auf dem weitläufigen Klinikgelände im Innen- und Außenbereich mit geeigneten Außenantennen bietet eine große Mobilität und Flexibilität beim Einsatz der auch im Stehen bedienbaren Tablet-PCs. Dies zahlt sich gerade auch bei den in einer Tierklinik sehr häufig durchgeführten Standplatzwechseln der Patienten aus, da ihre elektronische Patientenakte nun anhand der Tiernummer überall und sofort verfügbar ist.

Bisher melden sich die auf den Tablet-PCs installierten Clients mittels direkter Verbindung am SQL-Server an. Dies bedeutet aber auch, dass bei einer eventuellen schlechten oder unterbrochenen WLAN-Verbindung ein Arbeiten an den mobilen Stationen zwischenzeitlich nicht möglich ist. Durch eine eigenständige SQL-Server-Installation, die sich mittels Merge-Replikation an den Haupt-SQL-Server anbindet, würde diese Limitation wegfallen. Nach nunmehr fünf Jahren Einsatz der mobilen Hardware wird zum Jahresende hin das erste Hardwareupgrade durchgeführt, damit durch den Umstieg auf neue WLAN-Technologie und neue Tablet-PCs diese kurzfristig auch im Offline-Betrieb eingesetzt werden können.

Abgesehen vom Klinikalltag hat die Einführung des Patientenmanagementsystems auch eine wichtige Grundlage für wissenschaftliche Arbeiten gelegt. Auf Basis der elektronischen Patientendaten konnten bereits etliche empirische Untersuchungen durchgeführt werden. So ist beispielsweise die Verknüpfung von Labordaten mit Diagnosen aus einer über 1700 Einträgen enthaltenden hierarchischen Baumstruktur häufig die Grundlage für retrospektive wissenschaftliche Untersuchungen.

Die anfängliche Skepsis der Mitarbeiter gegenüber der Abhängigkeit von einem ungewohnten und für sie nicht kontrollierbaren IT-System konnte mittlerweile überwunden werden. Dennoch gibt es auch Bereiche, insbesondere bei der Mitarbeit ständig wechselnder Studierender, die wegen ihrer kurzen Aufenthaltsdauer in der Klinik nicht in das Patientenmanagementsystem eingearbeitet werden können, in denen die Software bisher nur bedingt genutzt wird und die Abarbeitung der Aufgaben weiterhin über schriftlich erstellte Pläne erfolgt.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Keine angegeben.