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Die Rolle der Bibliothek im Forschungszyklus am Beispiel der Bibliothek des RKI. Ein Praxisbericht
The role of the library in the research lifecycle using the example of the Robert Koch Institute’s library. A field report
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Veröffentlicht: | 21. September 2017 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Bibliotheken stehen spätestens seit Beginn der Digitalisierung von Wissenschaft und Gesellschaft unter dem Druck, ihre Services konkurrierend zum Internet und zu sozialen Medien anzubieten. Um diesem Konkurrenzdruck zeitgemäß zu begegnen, müssen heute radikal die Erfahrungen und Bedürfnisse der Nutzer in den Mittelpunkt der Bibliotheksarbeit gestellt werden. Dazu sind zwei Gedanken hilfreich: Wie nehmen uns eigentlich unsere Wissenschaftler wahr? Und: Was brauchen unsere Nutzer wirklich? Die Beantwortung dieser Fragen kann zeigen, dass wir sowohl unser Selbstverständnis als auch unsere Angebote grundlegend überdenken müssen. Bibliotheksdienstleistungen müssen weniger unter dem Aspekt „Was können wir anbieten?“, sondern vermehrt unter dem Fokus „Was brauchen die Wissenschaftler?“ betrachtet werden. Bibliotheksdienstleistungen können am „Research Lifecycle“ ausgerichtet werden. Welche Ziele und welche Anforderungen an die Informationsinfrastruktur haben die Wissenschaftler während dieses Prozesses und wie können wir uns als Bibliothek an dem Prozess beteiligen?
Wir betrachten diese Frage am Beispiel der strategischen Ausrichtung der Bibliothek des RKI.
Abstract
At least since the beginning of digitization of science and society libraries are set under the pressure of competing with their services against the internet and social media. To encounter this competition, the experience and the needs of the users must be the central point of today’s library work. For this purpose two questions should be raised: How do our scientists notice us? What do our users really need? The answers to these questions might show that we will have to reconsider our self-concept as well as our services. Library services should not be designed in terms of “What can we offer?” but rather focus on the needs of the scientists. The services of a library can be aligned to the “research lifecycle”. Which aims and which requirements do the scientists have regarding the information infrastructure during this process and how can we as a library support them in this process. We will examine this question using the example of the strategy of the Robert Koch Institute’s library.
Einführung
Die digitale Transformation von Forschungsdaten, Forschungsmethoden und Forschungsprozessen hat die Wissenschaft grundlegend erfasst und verändert. Die datengetriebene Wissenschaft gilt heute neben Theorie, Empirie und Simulation als etabliertes Paradigma. Damit einher geht eine immer stärkere Vernetzung zwischen den Wissenschaftlern und auch den Wissenschaftsdisziplinen. Wissenschaftler arbeiten heute international vernetzt und benötigen für ihre Arbeit den zeit- und standortunabhängigen Zugriff auf Ressourcen der Forschungsinfrastruktur. Dies gilt insbesondere für die IKT-Infrastrukturen wie GRID, Rechner, Software und Verbindungen sowie die Informationsinfrastruktur. Bestandteile der Forschungsinfrastruktur sind Großgeräte oder Instrumente für Forschungszwecke; IKT-Infrastrukturen wie GRID, Rechner, Software und Verbindungen; jegliche sonstige für die wissenschaftliche Forschung genutzte Einrichtung (das sind z.B. Laborgebäude) sowie die Informationsinfrastruktur. Diese umfasst die Wissensressourcen der wissenschaftlichen Forschung, wie Sammlungen, Bibliotheken, Archive, strukturierte Informationen oder Systeme der Datenverarbeitung; Datenzentren [1].
Die Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur schlussfolgerte schon 2011: „Heute und in Zukunft geht es um komplexe, integrierte Dienstleistungen zur Unterstützung des Wissenschaftlers auf allen Stufen des Forschungsprozesses bis hin zur Integration der Forschungsergebnisse in die Lehre.“ [2]
Diese umfassende Sicht auf moderne Informationsdienstleistungen stellt Bibliotheken vor neue Herausforderungen. Um künftig erfolgreich zu sein, müssen sie stärker als bisher den Bedarf der Wissenschaftler im Umgang mit Informationen als Grundlage ihres strategischen Handelns sehen. Insbesondere für Spezialbibliotheken an Forschungseinrichtungen empfiehlt es sich, in engem Kontakt mit den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen des Hauses Bibliotheksservices über den gesamten Forschungszyklus hinweg zu entwickeln. Dies setzt die Bereitschaft der Bibliotheken voraus, ihre klassischen Aufgabenfelder zu erweitern und als Partner auf Augenhöhe mit den Forschenden zu arbeiten. Im Folgenden wird beschrieben, wie die Bibliothek des Robert Koch-Instituts sich diesen Herausforderungen stellt.
Institutionelle Rahmenbedingungen
Das Robert Koch-Institut ist die wissenschaftlich-medizinische Leitinstitution der Bundesregierung und nimmt die Aufgaben eines nationalen Public Health-Instituts wahr. Es ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Es wurde 1891 als Königlich Preußisches Institut für Infektionskrankheiten gegründet. Sein erster Direktor war der Bakteriologe Robert Koch, dessen Namen das Institut 1912, zwei Jahre nach seinem Tod, als Beinamen erhielt [3].
Das Robert Koch-Institut sieht seine Aufgaben im Bereich der Vorbeugung und Bekämpfung sowohl von Infektionskrankheiten wie auch von nicht-übertragbaren Krankheiten. Es analysiert gesundheitliche Trends in der deutschen Bevölkerung und nutzt dazu sowohl selbst im Rahmen von Surveys erhobene Daten als auch externe Daten (z.B. vom Statistischen Bundesamt). Daneben entwickelt es Standards im Gesundheitsbereich und leistet Politikberatung [4]. Seit Beginn des neuen Jahrtausends ist die Internationalisierung der Arbeit des Instituts ausgebaut worden. So waren z.B. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerinnen des RKI an der Bekämpfung des Ebolafieber-Ausbruches im Jahr 2014/2015 auch vor Ort beteiligt [5].
Derzeit arbeiten am RKI rund 1.100 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, davon sind ca. 450 wissenschaftlich tätig. Das RKI hat seinen Hauptsitz in Berlin-Wedding am Nordufer. Darüber hinaus gibt es noch zwei weitere Liegenschaften in Berlin sowie einen Institutsteil in Wernigerode im Harz.
Die Bibliothek des Robert Koch-Instituts
Die Bibliothek des RKI existiert seit der Gründung des Instituts [6]. Sie verfügt über einen Bestand von ca. 100.000 Büchern und gedruckten Zeitschriften. In der Bibliothek wird auch die private Fachbibliothek Robert Kochs aufbewahrt. In den letzten Jahren konnten wichtige Zugänge zu medizinischer Fachliteratur lizensiert werden. Die Nutzer und Nutzerinnen können auf über 4.600 elektronische Zeitschriften sowie Nachschlagewerke, kostenpflichtige Literaturdatenbanken wie Scopus und Embase sowie E-Books zugreifen.
Die Bibliothek wird von 5 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut. Drei Bibliotheksbeschäftigte sowie die Leitung haben ihr Büro in Berlin. Eine Mitarbeiterin betreut die Bibliothek in der Liegenschaft Wernigerode. Neben den klassischen Dienstleistungen wie der Medienbeschaffung und -bereitstellung betreibt die Bibliothek seit 2009 erfolgreich das institutionelle Repositorium des RKI [7] und bietet Schulungen für die Erhöhung der Informationskompetenz der wissenschaftlich Tätigen an [8].
Reorganisation der Bibliotheksarbeit 2015
Nachdem altersbedingt in den Jahren 2012 bis 2014 fast alle Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter aus dem aktiven Dienst ausgeschieden waren und ein neues Bibliotheksteam zusammengestellt worden war, bot es sich an, die Bibliotheksstrategie umfassend neu zu definieren. Dazu wurde im Mai 2015 ein zweitägiger Workshop unter externer Leitung durchgeführt, der zum Ziel hatte, ein neues Arbeitsprogramm für die Bibliothek zu entwickeln. Inhaltliche Schwerpunkte waren eine Stakeholder- und Zielgruppen-Analyse, die Überarbeitung der Schwerpunkte der Kerntätigkeiten der Bibliothek sowie der Entwurf einer Vision der künftigen Arbeit. Es fand eine Klärung darüber statt, ob aus Sicht der Bibliotheksbeschäftigten die bibliothekarische Arbeit noch einen Sinn in einem zunehmend digitalen Umfeld hat, welchen Bedarf an Information im weitesten Sinn die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben, und ob sie diesen Bedarf noch mit der Bibliothek in Verbindung bringen. Es wurde herausgearbeitet, dass die Bibliotheksmitarbeiter und -mitarbeiterinnen zu wenig über die „gains and pains“ [9] ihrer Kunden wissen, und dass ein wichtiger Schritt beim Aufbau neuer Services darin besteht, den tatsächlichen Bedarf gemeinsam mit den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zu eruieren.
Es wurden verschiedene Möglichkeiten der Bedarfserfassung diskutiert. Das „management by walking around“ [10], bei dem der Bibliothekar/ die Bibliothekarin die Forschenden an ihrem Arbeitsplatz aufsucht, wurde als eine gute Möglichkeit der Kontaktaufnahme angesehen. Da die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aufgefordert sind, ihre Publikationen für die Ablage auf dem institutionellen Repositorium in der Bibliothek abzuliefern, ergibt sich hier ein weiterer Punkt, mit ihnen ihre Arbeitsergebnisse zu diskutieren und sie zum Beispiel darauf hinzuweisen, wie hoch die Zugriffe auf ihre Arbeiten über das Repositorium sind – Sichtbarkeit ist schließlich die „Währung“ in der Wissenschaft.
Um zu erfahren, mit welchen Themen und Fragestellungen die Forschenden beschäftigt sind, bietet es sich an, Fachvorträge und -veranstaltungen zu besuchen. Häufig ergeben sich für die Bibliothekare und Bibliothekarinnen spannende Einblicke in die „gains and pains“ eines Projektes oder zu den Trends in der jeweiligen Wissenschaftsdisziplin. So konnte die Bibliothek beispielsweise über die wissenschaftlichen Publikationen hinausreichende Informationen zum Zika-Virus-Ausbruch bereitstellen, weil sie Tweets bei Twitter und bibliometrische Analysen via Altmetrics auswertete.
Als überaus wichtig für die Entwicklung einer Bibliotheksstrategie wurde es angesehen, die Rolle der Bibliothek innerhalb der Trägerinstitution zu klären. Diskussionsgrundlage war hier die Aussage Guy St. Clairs, nach dem es der Auftrag oder die Mission der Bibliothek ist, „die Beratungs- und Informationsdienstleistungen und Produkte vorzuhalten, die die informationssuchenden Nutzer der Bibliothek in den Stand versetzen, wiederum ihrem Auftrag gerecht zu werden.“ [10]
Bibliothek im Forschungszyklus
Will sich die Bibliothek künftig stärker am Bedarf der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen orientieren, ist es hilfreich sich zu vergegenwärtigen, welche Schritte der Forschungsprozess im Allgemeinen durchläuft. Dabei entwickelt der Wissenschaftler/ die Wissenschaftlerin eine Projektidee, formuliert eine Forschungsfrage, beantragt Gelder (Funding), sammelt mit geeigneten Methoden Informationen (z.B. auch in Form von Daten) und wertet diese Informationen im Hinblick auf die eingangs generierte Forschungsfrage aus. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden in einer wissenschaftlichen Publikation der Fachwelt zugänglich gemacht. Darüber hinaus werden immer häufiger auch die verwendeten Daten veröffentlicht (in Abhängigkeit zur Forschungsdisziplin können das die gewonnenen Rohdaten oder die im Blick auf die Forschungsfrage prozessierten Daten sein).
Diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse fließen in den Wissenskanon der Fachdisziplin ein und können Ansätze für weitere Forschungsfragen bilden und in die Lehre einfließen [11].
Beispielhaft wurde durch das Bibliotheksteam ein den Forschungsprozess begleitender Kreis der Bibliotheksdienstleistungen erarbeitet. Dabei wurden die Fragestellungen, die Wissenschaftler in der jeweiligen Zyklusphase in Bezug auf Informationen und Informationsdienstleistungen haben, zugrunde gelegt. Es zeigte sich, dass sich das Spektrum möglicher bibliothekarischer Dienstleistungen signifikant ausweiten lässt, wenn der Begriff der „wissenschaftlichen Information“ weiter gefasst wird als das im bibliothekarischen Kontext üblich ist und eher die Sichtweise des Wissenschaftlers/der Wissenschaftlerin bedient (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).
Schon zur Generierung der Forschungsfrage und zur Sichtung der Forschungslandschaft benötigt der Wissenschaftler/ die Wissenschaftlerin entsprechende Kompetenzen, um geeignete Datenbanken für die Suche zu identifizieren und zu nutzen, die Suchanfrage zu gestalten und die erzielten Treffer auf ihre Relevanz zu prüfen. Diese Suche umfasst heute nicht mehr nur den Bereich der Literaturdatenbanken. Da Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Daten, die sie selbst erheben, zunehmend mit Sekundärdaten aus anderen Prozessen verknüpfen, müssen sie in der Lage sein, Datenrepositorien zu finden und für ihre Zwecke zu nutzen. Die Bibliothek kann hier adäquate Schulungsangebote entwickeln und die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bei ihren individuellen Recherchen z.B. durch Helpdesks unterstützen [12].
In die Phase der Datensammlung fallen die „klassischen“ Bibliotheksdienstleistungen der Informationsbeschaffung und -bereitstellung. Hierzu kann auch die Beschaffung von externen Daten gehören, indem die Bibliothek die entsprechenden Kontakte herstellt, Nutzungsverträge organisiert und verwaltet.
Der große Komplex des Forschungsdatenmanagements soll hier nur kurz erwähnt werden. Die Rolle von Bibliotheken in diesem Prozess wird derzeit in größerem Rahmen diskutiert [13]. Im RKI forciert die Bibliothek das Thema Forschungsdatenmanagement und war an der Erstellung der Data Policy des Hauses aktiv beteiligt [14].
Im RKI ist die Bibliothek schon seit Jahren ein zentraler Anlaufpunkt bei der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Publikationen. Die umfassende Betreuung der Autoren und Autorinnen des Hauses stärkt die Vertrauenswürdigkeit der Arbeit der Bibliothek und bietet damit eine gute Ausgangsbasis für die Platzierung neuer Services [15].
Aufgrund der niedrigschwelligen Angebote der Bibliothek im Bereich der Wissenschaftskommunikation wird überlegt, gemeinsam mit dem Beauftragten für die Gute Wissenschaftliche Praxis Schulungsangebote für spezielle Gruppen, z.B. Doktoranden anzubieten. Die Bibliothek kann hier ihre Veranstaltungsformate sind noch nicht etabliert, aber in Vorbereitung.
Auswirkung auf die Arbeitsorganisation in der Bibliothek
Die konsequente Ausrichtung der Services der Bibliothek auf den tatsächlichen wissenschaftlichen Informationsbedarf verändert auch die Arbeitsorganisation und die Anforderungen an die Bibliotheksmitarbeiter und -mitarbeiterinnen.
Neben der Bereitschaft, sich auch kurzfristig in neue Themenbereiche einzuarbeiten, benötigen die Mitglieder des Bibliotheksteams ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten sowie didaktische Kompetenzen bei der Vermittlung von Kenntnissen im Umgang mit Informationen und Daten.
Auch wenn das Bibliotheksteam nur fünf Teammitglieder umfasst, sind die regelmäßigen Teambesprechungen inzwischen fester Bestandteil der Arbeitsplanung und -organisation. Um zu überblicken, welches Teammitglied welche aktuellen Aufgaben erledigt, wird in der RKI-Bibliothek die Management-Software Kanbanize erfolgreich eingesetzt. Im Backlog von Kanbanize werden die anfallenden Aufgaben erfasst und jedes Teammitglied kann sich einer konkreten Aufgabe zuordnen. Die anderen Teammitglieder können jederzeit den Erfüllungsgrad einsehen, Hinweise hinzufügen oder Teilaufgaben übernehmen. Die Möglichkeit, selbständig zu entscheiden, eine Aufgabe zu übernehmen, stärkt das Selbstvertrauen des/der Einzelnen und die Bereitschaft zum eigenverantwortlichen Handeln.
Flankiert wird dieser Prozess von der Möglichkeit, sich regelmäßig bedarfsgerecht fortzubilden. Das RKI bietet seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eine Vielzahl von Möglichkeiten für die persönliche, soziale und fachliche Entwicklung.
Die Teilnahme an bibliothekarischen Fachveranstaltungen, Konferenzen zu Datenmanagement und Forschungsevaluation sowie Open Science werden von den Teammitgliedern regelmäßig wahrgenommen.
Daneben wird der Arbeitsalltag zunehmend von der direkten Kommunikation mit den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen geprägt. Dies heißt auch, dass die Mitglieder des Bibliotheksteams an Abteilungskolloquien teilnehmen, Fachvorträge besuchen und auf Einladung von Fachgebieten zu aktuellen Entwicklungen im informationswissenschaftlichen Bereich berichten.
Verbesserungen für die Wissenschaftler in der Bereichsbibliothek Wernigerode
Am Standort in Wernigerode sind aktuell 100 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt. Zu den Hauptkunden der Bereichsbibliothek, die als One-Person-Library betrieben wird, zählen ca. 40 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und derzeit 12 Promovierende.
Am Anfang des Jahres 2016 wurden alle Bestandskunden der Bibliothek in ihren Büros aufgesucht und eine Ausleihrevision durchgeführt. Jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler wurde direkt nach seinen/ihren Wünschen und Erwartungen an die Bibliothek befragt. Es wurden Meetings mit dem Führungspersonal, den „Stakeholdern“, in der Bibliothek verabredet, um über die Aktualität des bestehenden Buchbestandes und einzelner Signaturengruppen zu sprechen. Daraufhin wurden, mit Hilfe der Auszubildenden, ganze Fachgruppen und veraltete Bücher ausgesondert und der gesamte Bestand neu aufgestellt [10].
Am Standort Wernigerode findet monatlich eine Sitzung der Leitungen aller Organisationseinheiten, Forschungs- und Projektgruppen statt. Die regelmäßige Teilnahme an diesen Liegenschaftssitzungen ist ein wichtiger Teil der Kommunikation mit den Beschäftigten. Einerseits wird über die Neuigkeiten der Bibliothek informiert und für die Dienstleistungen der Bibliothek geworben, andererseits sollen die Sitzungen dazu dienen den Bedarf der Wissenschaftler zu erfassen.
Es wurde eine Informationsveranstaltung zu den einzelnen Dienstleistungen und Hilfeangeboten der Bibliothek innerhalb des Forschungsprozesses angeboten. Weitere Kunden aus dem Kreis der Beschäftigten wurden dazugewonnen und die Anzahl der Literaturbestellungen um fast 300% gesteigert (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).
Basierend auf den Wünschen der Beschäftigten wurden eine Papierschneidemaschine, ein Laminiergerät und eine Ringbindemaschine angeschafft. Besonders diese bibliothekarischen Dienstleistungen werden jetzt vermehrt auch von anderen Beschäftigtengruppen, wie Laborpersonal, Sekretariatsmitarbeitern etc. genutzt.
In der Bibliothek findet auf Wunsch des wissenschaftlichen Personals seit April 2016 ein Get-together nach hausinternen Vorträgen statt (Abbildung 3 [Abb. 3]). An diesen Veranstaltungen nehmen zwischen 15–35 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der unterschiedlichsten Berufsgruppen teil.
Fazit
Das Konzept der Ausrichtung bibliothekarischer Dienstleistungen am Forschungszyklus wird seit nunmehr zwei Jahren in der RKI-Bibliothek erfolgreich eingesetzt. Die Bibliothek ist fester Bestandteil des wissenschaftlichen Alltags und wird zu vielen Fragestellungen bei Publikationen hinzugezogen. Sie bringt informationswissenschaftliche Expertise bei der Einführung eines umfassenden Forschungsdatenmanagement im RKI ein. Durch die kontinuierliche Kommunikation mit den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen können Bibliotheksservices flexibel und bedarfsgerecht entwickelt werden. Im Zuge dessen wird auch der Fortbildungsbedarf der Bibliothekmitarbeiter und -mitarbeiterinnen davon gesteuert, welche Kompetenzen zur Unterstützung der wissenschaftlichen Informationsinfrastruktur gezielt benötigt werden.
Das Modell der am Forschungszyklus ausgerichteten bibliothekarischen Dienstleistungen wird in beiden Bibliotheksstandorten umgesetzt. In besonderer Weise profitieren davon die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im Institutsbereich in Wernigerode, da die baulichen Gegebenheiten vor Ort und die verhältnismäßig geringe Größe der Liegenschaft ideale Voraussetzungen sind, um die Kultur des „management by walking around“ im Alltag umzusetzen. Durch die kontinuierliche, gezielte Ansprache aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnte die Bibliothek in den Fokus der Beschäftigten rücken. Sie ist heute ein Ort der Kommunikation und des Austausches und trägt somit maßgeblich zur integrativen Arbeitsatmosphäre bei.
Anmerkung
Interessenkonflikte
Die Autorinnen erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Literatur
- 1.
- Bundesministerium für Bildung und Forschung/EU-Büro. Nationale Kontaktstellen (NKS). Forschungsinfrastrukturen. Verfügbar unter: http://www.eubuero.de/infra.htm
- 2.
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- 3.
- Gradmann C. Ein Fehlschlag und seine Folgen: Robert Kochs Tuberkulin und die Gründung des Instituts für Infektionskrankheiten in Berlin 1891. In: Gradmann C, Schlich T, Hrsg. Strategien der Kausalität: Konzepte der Krankheitsverursachung im 19. und 20. Jahrhundert. Pfaffenweiler: Centaurus; 1999. S. 29-52. (Neuere Medizin- und Wissenschaftsgeschichte).
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- 6.
- Böttger P. Das Kochsche Institut für Infektionskrankheiten in Berlin. Centralblatt der Bauverwaltung. 1891;11(23):223-5.
- 7.
- Senst H, Erling J. Neue Arbeitsfelder in der Bibliothek des Robert Koch-Instituts: Open Access und institutionelles Repositorium. GMS Med Bibl Inf. 2012;12(3):Doc24. DOI: 10.3205/mbi000260
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- Senst H, Erling J. Das Fortbildungsangebot der Bibliothek des Robert Koch-Instituts: Dienstleistung im Publikationsprozess. GMS Med Bibl Inf. 2013;13(3):Doc30. DOI: 10.3205/mbi000294
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