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Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Der Einsatz von PDAs durch Ärzte/Ärztinnen im Stationsalltag und in der Praxis

Physician's use of PDAs in clinic and general practice

Kurzbeitrag

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GMS Med Bibl Inf 2008;8(2):Doc19

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/mbi/2008-8/mbi000116.shtml

Veröffentlicht: 17. September 2008

© 2008 Offenberger.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Der Personal Digital Assistant (PDA) bietet dem Mediziner in Klinik und Praxis neben seinen Grundfunktionen weitere interessante Einsatzmöglichkeiten, die aber oftmals unbekannt sind. In diesem Artikel werden Software-Produkte für den PDA vorgestellt, die im Stationsalltag oder in der Arztpraxis hilfreich sind, um bei der Patientenversorgung die richtige Information rasch zur Hand zu haben.

Schlüsselwörter: Personal Digital Assistant, PDA, Palm, PocketPC, medizinische Software, PDA-Verwendung

Abstract

Beside its basic functionality the Personal Digital Assistant (PDA) offers interesting features to the medical doctor working in a clinic or general practice. However, these possibilities are often unknown even to the medical professional. This paper introduces medical software for the PDA which is helpful in the daily routine in order to have valuable information at hand at the point-of-care.

Keywords: Personal Digital Assistant, PDA, Palm, PocketPC, medical software, PDA-usage


Einleitung

Als Arzt oder Ärztin zu arbeiten – egal ob frisch nach dem Studium oder nach langjähriger Praxis – ist eine konstante Herausforderung den Anforderungen von unterschiedlichsten Krankheitsbildern in den verschiedenen Fachgebieten, immer älter werdenden, polymorbiden Patienten, ständigen Neuerungen der Medizin, sowie dem permanentem Zeitdruck gerecht zu werden.

Ein Personal Digital Assistant (PDA) kann hier für den technophilen Mediziner eine exzellente Ergänzung seines Arbeitsinstrumentariums sein. Im folgenden Artikel möchte ich aus meiner nun knapp 5-jährigen Erfahrung im Umgang mit PDAs Beispiele aufzeigen, wie ein PDA im Stationsalltag oder in der Arztpraxis nützlich sein kann.


Die Verwendung des PDAs

Zunächst: Was sind persönliche und technische Voraussetzungen sowie welche Art von Gerät empfiehlt sich?

Selbstredend benötigt man ein gewisses Maß an PC-Kenntnissen und Spaß am Umgang mit PC und PDAs, um die vielfältigen Möglichkeiten sinnvoll ausschöpfen zu können. In den letzten Jahren haben verschiedene Hersteller sehr ausgereifte PDA-Geräte auf den Markt gebracht, die oft auch ein (meist ausschaltbares) Handy integrieren, so dass man das Gerät beruflich als auch privat optimal nutzen kann. Man sollte über einen internetfähigen PC oder Mcintosh verfügen, um PDA-Programme über das Internet zu installieren oder zu synchronisieren. Der PDA selbst sollte ein großes Farbdisplay, großen internen Speicher und einen Speicherkarten-Slot bieten, sowie über einen schnellen Prozessor und ausdauernden Akku verfügen. Bonus-Optionen sind WLAN, Bluetooth sowie die Handy-Funktion.

Aktuell sind Geräte mit dem Palm Operating System (PalmOS) sowie mehr und mehr auf Windows Mobile basierte PDAs auf dem deutschsprachigen Markt am weitesten verbreitet, da es für diese beiden Betriebssysteme die meisten Programme gibt. Mit dem iPhone von Apple, Blackberry-Geräten und auf dem Betriebssystem Symbian basierte Handys wachsen aktuell allerdings aufregende Konkurrenzgeräte heran, für die es in Zukunft wohl mehr und mehr Software geben wird. Ganz besonders sticht hier das iPhone hervor, das von den großen Medizin-Softwareproduzenten hofiert wird. Ein Nachteil – dies wird bei der weiteren Lektüre dieses Artikels noch deutlich – ist die starke Dominanz hochwertiger englischsprachiger Produkte. Leider gibt es nur wenige gute deutschsprachige Medizin-Produkte für PDAs.

Hat man sich für ein Gerät entschieden, wird es Zeit, dieses mit digitalem Leben zu füllen.

Wichtige Grundfunktionen eines PDAs wie Telefonbuch, Kontaktliste, Terminkalender oder Aufgaben-Liste können viel Zeit und Nerven sparen:

  • Beispiel Telefonbuch/Kontaktliste: wichtige, häufig genutzte Telefon- und Fax-Nummern oder Email-Adressen im eigenen Krankenhaus, Praxis-Netzwerk oder von anderen Instituten etc. im PDA zu speichern. Wenn man nicht erst den Pförtner um die Vermittlung an die nächstgelegene Universitäts-Notaufnahme bitten muss, sondern gleich die Durchwahl-Nummer im PDA nachschlägt, geht es einfach schneller.
  • Beispiel Terminkalender: wenn gut gepflegt und aktualisiert, kann man schneller auf Terminanfragen reagieren, wenn es um Notdienst-Anfragen oder Fortbildungs-Veranstaltungen geht. Das Mittragen eines Taschenkalenders entfällt. Auch Geburtstage, Hochzeitstage (mit Alarmfunktion mehrere Tage zuvor!) und Urlaubszeiten können eingetragen werden.
  • Beispiel Aufgaben-Liste: wichtigste Aufgaben werden hier notiert und peu à peu abgearbeitet, so geht nichts im hektischen Arbeitsalltag unter.

Hat man sich an den Umgang mit dem PDA gewöhnt, liegt dem geneigten Mediziner nun nichts näher, als das Gerät in den Arbeitsalltag zu integrieren.

Eines der häufigsten Probleme im klinischen Alltag sind Fragen zu Pharmazeutika: was ist die korrekte Dosis oder Maximaldosis, ist Anpassung bei Niereninsuffizienz nötig oder nicht, was sind Kontraindikationen für den Einsatz etc.?

Hier können Nachschlagewerke wie das Arzneimittel-Pocket, Thieme's Checkliste Arzneimittel A-Z oder aber – das beste seiner Art – das amerikanische, in der Basisversion kostenfreie ePocrates schnell Antworten liefern.

ePocrates ist das weltweit beliebteste Medikamenten-Nachschlagewerk und bietet mit seinem „Multi-Drug-Check“ eine sehr nützliche Funktion an: einfach bis zu 20 Medikamente eines Patienten eingeben und das Programm berechnet sämtliche Interaktionen; man ist oft überrascht, was man solchermaßen noch dazulernen kann. Bis vor kurzem integrierte ePocrates auch noch deutsche Handelsnamen, leider wurde dies kürzlich aufgegeben. Dennoch ist ePocrates ein „must have“ auf dem Mediziner-PDA: Über Internet-Synchronisation werden stets neueste Präparate auf den PDA überspielt, dazu steht eine „MedNews“ Sektion bereit und zahlreiche Taschenrechner- und Algorithmen-Funktionen.

À propos Taschenrechner: Programme wie z.B. MedCalc oder Archimedes erübrigen nicht nur Kopfrechnungen wie „Body Mass Index“, Konversion von Maßeinheiten oder welche Dosis bei welchem Gewicht in wie viel NaCl infundiert werden muss, nein, auch komplexe kardiologische, nephrologische oder anästhesiologische etc. Formeln und Risk Scores stehen zur Verfügung. Was ist das Risiko für diesen 47-jährigen Raucher mit Hypertonie und Diabetes, einen Myokardinfarkt zu erleiden, gemäß Framingham Risk Score? Mit einem PDA hat man die Antwort in wenigen Augenblicken zur Hand.

Nun schwindet leider mit der Zeit das Wissen des Mediziners über Erkrankungen in anderen Fachgebieten, oder man wird konfrontiert mit selteneren Leiden. Wie z.B. in einer internistischen oder chirurgischen Notfall-Ambulanz an einem arbeitsintensivem Wochenende, wenn der Oberarzt nachts um 3 Uhr lieber nicht mehr angerufen werden sollte. Abhilfe können hier eine Reihe von eleganten Programmen bieten.

  • Beispiel Diagnosaurus: Dies ist ein kostenfreies Programm, welches, je nach Symptom, Organsystem oder Erkrankung, Differentialdiagnosen in absteigender Häufigkeit nennt. Was könnte dieser Patient mit epigastrischem Schmerz noch haben, wenn die gängigen Verdachtsdiagnosen erschöpft sind? Was ist die Differentialdiagnose des Hodenschmerzes? Was ist die mögliche Ätiologie der Eisenmangel-Anämie? Gerade für den Mediziner in der Facharzt-Weiterbildungszeit ist Diagnosaurus sehr wertvoll.
  • Beispiel UpToDate: Dies ist das wohl ausführlichste PDA-Nachschlagewerk (englischsprachig). Vielleicht kennt es mancher Leser, denn an großen Universitätskliniken wird UpToDate sehr gerne eingesetzt, da es medizinische Themen mit aktuellsten evidenzbasierten Erkenntnissen von Experten in ihrem Fachgebiet beschreibt. Der Fokus liegt klar auf Innerer Medizin und Intensivmedizin, aber auch Allgemeinmedizin, Neurologie oder Gynäkologie sowie Pädiatrie werden abgedeckt. Wie ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Säugling in der Notaufnahme, der auf den Kopf gefallen ist und zweimalig erbrochen hat, eine intrazerebrale Blutung hat? Was ist der Stellenwert adjuvanter Strahlentherapie in der Behandlung des Glioblastoms? UpToDate liefert Antworten auf solche Fragen, zur Hand auf dem PDA in der Kitteltasche wenn man sie braucht, und nicht erst auf dem Computer im Arztzimmer im 3. Stock. Es gibt Hinweise zur adäquaten Diagnostik und Therapie, die – UpToDate ist ein amerikanisches Produkt – nicht eins zu eins auf die europäische Situation zu übertragen sind, dennoch ist es als umfassendes, aktuelles Nachschlagewerk unübertroffen.
  • Andere Beispiele für empfehlenswerte, von mir gern genutzte Nachschlagewerke sind Clinical Medicine Consult, Harrison's Internal Medicine, die 5-Minute Consult-Serie von Skyscape oder das Merck Manual mit seinem integrierten „Pocket Guide to Diagnostic Tests“. Der auf dem deutschsprachigen Markt äußerst beliebte Herold – Innere Medizin ist ebenfalls als eBook erhältlich.

Es muss jedoch nicht immer das teure Produkt mit klanghaftem Namen sein. So kann man sich z.B. mit etwas Tüftelei (Beschreibung siehe http://pda-medicus.de/AnleitungiSiloX.htm) HTML-Webseiten in ein PDA-Format konvertieren und so immer zur Hand haben, auch ohne Internet-Zugang. Ein Beispiel wäre z.B. eine Seite mit diversen Fraktur-Klassifikationen und Röntgen-Beispielen (TraumaRad).

Ein sehr praktisches Feature eines PDAs ist die Notizzettel-Funktion („Memo“). Hier kann man entweder über den PDA selbst oder über die Computer-Software und dann per Kabel-Synchronisation jegliche Art von Information auf dem Gerät festhalten. Beispiele hierfür sind Medikamentendosierungen, Zusammenfassungen eines gerade gelesenen Fachartikels, Studienergebnisse, Differentialdiagnosen, therapeutisches Procedere, wichtige private Passwörter etc. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Ich habe parallel zum Studium meine eigenen Memos für bestimmte Erkrankungen konstant ausgebaut und so eine Art Lehrbuch zusammengebastelt, in dem ich selbst immer wieder nachschlage. Mit der Such-Funktion lassen sich die Memos ganz einfach durchsuchen und notwenige Information auffinden. So wird der PDA zur persönlichen Wissens-Datenbank, zum „peripheral brain“.

Die Bild- und Video-Funktion eines PDAs kann man im gleichen Sinne nutzen. Hat man ein nützliches Schema als Bilddatei oder die Durchführung einer bestimmten medizinischen Prozedur als Video (Beispiel: NEJM Videos in Clinical Medicine), so kann man diese auf den PDA als tragbare Multimedia-Datenbank transferieren. Auch Podcasts und Audio-Dateien sind mit entsprechender Software auf dem PDA verwendbar.

Manche Literaturverwaltungsprogramme, wie zum Beispiel EndNote, bieten als kostenlosen Teil des Programm-Paketes eine PDA-Software an, womit sich sämtliche Einträge der persönlichen Literatur-Bibliothek in Kurzform auch auf dem PDA lesen lassen – für wissenschaftlich tätige Ärzte vielleicht von besonderem Interesse.

Für den niedergelassenen Mediziner, der regelmäßig Hausbesuche durchführt oder im Notarzt-Dienst arbeitet, könnte sich eine in den PDA integrierte Navigations-Software wie z.B. TomTom anbieten.


Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein PDA zahlreiche Optionen bietet, derer sich viele Mediziner nicht bewusst sind. Zumeist wird der PDA nur für Adressverwaltung und Kontakte benutzt.

Zahlreiche Beispiele zeigen aber, wie man unter Zuhilfenahme eines PDAs und entsprechender Software eine qualitativ hochwertige, evidenzbasierte medizinische Versorgung anbieten könnte – mit der richtigen Information zur Hand, zum richtigen Zeitpunkt am Ort der Patientenversorgung, ob in der Klinik oder in der Praxis.


Anmerkung

Wolfgang Offenberger, Jahrgang 1979, ist Assistenzarzt im 2. Weiterbildungsjahr zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Auf seiner Website http://www.pda-medicus.de/ listet er eine Vielzahl von medizinischen PDA-Programmen auf – die meisten davon gratis im Internet verfügbar. Trotz medizinischem Alltag versucht er, die Webseite weiterhin in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren. Für Kritik und Software-Vorschläge ist er sehr dankbar und steht gerne für Fragen per Email zur Verfügung. Er nutzt einen Palm TX. Für das Erstellen dieses Manuskripts hat er keine Zahlungen von in diesem Artikel beschriebenen Anbietern erhalten.