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ISSN 2698-6388

Molarenversiegelung als Kariesprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko

Kurzbeitrag

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  • corresponding author Silke Neusser - ISEG – Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung, Witten, Deutschland
  • Christian Krauth - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Deutschland
  • Rugzan Hussein - ISEG – Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung, Witten, Deutschland
  • Eva Maria Bitzer - ISEG – Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung, Witten, Deutschland

GMS Health Technol Assess 2014;10:Doc02

doi: 10.3205/hta000118, urn:nbn:de:0183-hta0001180

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/hta/2014-10/hta000118.shtml

Veröffentlicht: 1. Oktober 2014

© 2014 Neusser et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.

Der vollständige HTA Bericht in deutscher Sprache ist verfügbar unter: http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta348_bericht_de.pdf


Zusammenfassung

In Deutschland ist die Fissuren- und Grübchenversiegelung bei Kindern und Jugendlichen mit aushärtendem Kunststoffmaterial seit 1993 Bestandteil der Individualprophylaxe, die Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung ist.

In dieser Arbeit werden Fragen zu der medizinischen Wirksamkeit und Kosteneffektivität von Fissuren- und Grübchenversiegelungen in der Kariesprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko sowie zu möglichen ethischen, sozialen und rechtlichen Implikationen untersucht.

Es gibt Hinweise auf protektive Effekte der Fissuren- und Grübchenversiegelung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko. Dabei gibt es Hinweise darauf, dass diese Effekte auf längere Sicht tendenziell mit Kosteneinsparungen verbunden sein könnten. Dennoch kann die Ausweitung dieser Intervention auf nationaler Ebene nicht pauschal empfohlen werden. Denn die Studien sind mit der Gefahr systematischer Verzerrungen behaftet, die zu einer Überschätzung des protektiven Effekts der Fissuren- und Grübchenversiegelung führen können. Zudem ist die Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf den deutschen Versorgungskontext eingeschränkt. Aufgrund methodischer Schwächen liefern außerdem weder die ökonomischen Modelle noch die Primärstudien belastbare Ergebnisse zur Kosteneffektivität.

Schlüsselwörter: Adoleszent, DMFT, Fäule, Fissurenversiegelung, kariös, Kind, Zahnkaries, Glasionomer-Zemente, Primärprävention, Zahnversiegelung, Zement


Kurzfassung

Gesundheitspolitischer Hintergrund

Zahnkaries entsteht multifaktoriell. Wesentlich sind dabei die Bakterien im Zahnbelag und Nahrungsbestandteile. Um die Entstehung von Karies zu verhindern, werden präventive Interventionen, die bereits im Kindesalter ansetzen, als sinnvoll eingestuft. Seit dem Ende der 1980er Jahre sinkt der DMFT-Index deutscher Schulkinder: bei den Zwölfjährigen von durchschnittlich 4,1 in West- bzw. 3,8 in Ostdeutschland 1989 auf durchschnittlich 0,7 im Jahr 2009. Allerdings kommt es in diesem Zusammenhang zu einer Polarisierung der Betroffenen, d.h. für einen Großteil der Kinder und Jugendlichen lässt sich ein Rückgang des Kariesbefalls feststellen, während eine eher kleine Gruppe von Kindern und Jugendlichen unverhältnismäßig hoch von Karies betroffen ist.

Die Fissuren- und Grübchenversiegelung ist eine präventive Intervention, mit der einer Entstehung kariöser Läsionen an den besonders kariesanfälligen Kauflächen (Okklusalflächen) der bleibenden Seitenzähne (Molaren) vorgebeugt oder Initialkaries im Zahnschmelz gestoppt werden soll. Sie zielt darauf ab den Kariesbefall, zusätzlich zu den Präventionsmaßnahmen, die sich auf das gesamte Gebiss beziehen (bspw. adäquate häusliche Zahnpflege), zu reduzieren. In Deutschland ist die Fissuren- und Grübchenversiegelung mit aushärtendem Kunststoffmaterial Bestandteil der Individualprophylaxe, die sich an Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis einschließlich 17 Jahre richtet. Seit 1993 ist dies eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Abgerechnet wird sie als fünfte Gebührenposition des BEMA-Teil 1 (IP5-Position bei der Abrechnung; BEMA = Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen). Die Individualprophylaxe findet in der Praxis niedergelassener Zahnärzte statt. Sie wurde ergänzend zur Gruppenprophylaxe eingeführt, die Kinder in Schulen und Kindergärten aufsucht und beispielsweise Mundhygieneschulungen sowie die Erhebung des Zahnstatus umfasst.

Die medizinische Wirksamkeit der Fissuren- und Grübchenversiegelung bei Kindern und Jugendlichen wird als belegt eingestuft. Diese Einschätzung beruht allerdings oftmals auf älteren Studien, deren methodische Qualität von verschiedenen Übersichtsarbeiten unterschiedlich bewertet wird. Zudem fehlt bislang Evidenz zur Abschätzung der medizinischen Wirksamkeit der Fissuren- und Grübchenversiegelung in verschiedenen Risikogruppen.

In Deutschland betragen die Kosten einer Fissuren- und Grübchenversiegelung ca. 14 Euro bis 16 Euro pro behandeltem Zahn für gesetzlich versicherte Kinder. Insgesamt liegen die Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die Versiegelung 2011 bei 66 Millionen Euro und machten somit 17,0% der Kosten der Individualprophylaxe aus. Ökonomische Studien zur Kosteneffektivität der Fissuren- und Grübchenversiegelung kommen zu uneinheitlichen Ergebnissen. In Deutschland gibt es bisher keine ausführlichen Analysen der Kosteneffektivität dieser Intervention.

Fragestellung

Medizinische Bewertung
  • Zeigt sich bei Kindern und Jugendlichen, an deren bleibenden Molaren die Fissuren und Grübchen versiegelt sind, ein geringerer Karieszuwachs als bei Kindern und Jugendlichen:
    • deren bleibende Molaren nicht versiegelt sind?
    • deren bleibende Molaren eine professionelle Fluoridapplikation erhalten haben?
  • Zeigt sich bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko, an deren bleibenden Molaren die Fissuren und Grübchen versiegelt sind, ein geringerer Karieszuwachs als bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko:
    • deren bleibende Molaren nicht versiegelt sind?
    • deren bleibende Molaren eine professionelle Fluoridapplikation erhalten haben?
Ökonomische Bewertung
  • Wie ist die Kosteneffektivität von Fissuren- und Grübchenversiegelungen bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko gegenüber keiner Versiegelung oder der Applikation von Fluoridlack?
  • Welche Auswirkungen haben Fissuren- und Grübchenversiegelungen (verglichen mit keiner Versiegelung oder der Applikation mit Fluoridlack) auf die zahnmedizinischen Behandlungskosten der Kinder und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko?
  • Führen Fissuren- und Grübchenversiegelungen bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko (verglichen mit keiner Versiegelung oder der Applikation mit Fluoridlack) zu Kosteneinsparungen?

Bei der ökonomischen Bewertung soll die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den deutschen Versorgungskontext überprüft werden.

Ethische, soziale und rechtliche Aspekte
  • Finden sich in der identifizierten Literatur weitere Hinweise auf die Ursachen der unterschiedlichen Inanspruchnahme der Fissuren- und Grübchenversiegelung?
  • Gibt es aktuell kontrollierte Studien, die eruieren, welche Maßnahmen geeignet sein könnten, die Versorgung von Kindern mit niedrigem Sozialstatus bzw. mit Migrationshintergrund mit Fissuren- und Grübchenversiegelung zu verbessern?
  • Gibt es in den Studien, die für die medizinische Bewertung herangezogen werden, Hinweise auf systemische oder lokale Risiken der Fissuren- und Grübchenversiegelung?

Methodik

Zur Bewertung der medizinischen Wirksamkeit und Kosteneffektivität sowie der ethischen, sozialen und rechtlichen Implikationen der Fissuren- und Grübchenversiegelungen der bleibenden Molaren zur Kariesprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko wird eine systematische Literaturrecherche in 34 medizinischen Datenbanken durchgeführt. Die Suche erstreckt sich auf den gesamten verfügbaren Zeitraum in der jeweiligen Datenbank und wird in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch durchgeführt.

In einem ersten Schritt werden die Treffer anhand von Selektionskriterien auf Basis von Titel und Abstract geprüft. Im zweiten Schritt wird die Relevanz der Publikationen auf Grundlage der Volltextversion bewertet. Die Selektion erfolgt in jedem Schritt durch zwei unabhängige Reviewer.

Die methodische Qualität der einbezogenen Publikationen wird für die medizinische und die ökonomische Bewertung anhand vorbereiteter, für die jeweilige Themenstellung geeigneter Extraktionsformulare erfasst.

Medizinische Bewertung

Von den im Rahmen der medizinischen Literaturrecherche identifizierten 1.249 Publikationen werden insgesamt 104 für die medizinische Bewertung als potenziell relevant eingestuft und für die Sichtung im Volltext bei der Deutschen Agentur für Health Technology Assessment (DAHTA) bestellt.

Insgesamt erfüllen 15 randomisierte oder quasi-randomisierte Studien (RCT) und vier systematische Übersichtsarbeiten die Einschlusskriterien. Von den RCT werden acht im Parallelgruppen- und sieben im Split-Mouth-Design durchgeführt. In 14 RCT wird die Effektivität der Fissuren- und Grübchenversiegelung im Vergleich zu keiner Versiegelung untersucht und drei Studien vergleichen die Fissuren- und Grübchenversiegelung zusätzlich bzw. ausschließlich mit der Applikation von Fluoridlack. Kinder bzw. Jugendliche mit hohem Kariesrisiko werden in sieben RCT einbezogen. Zudem erfüllen vier Übersichtsarbeiten die Einschlusskriterien, von denen drei die Fissuren- und Grübchenversiegelung im Vergleich zu keiner Versiegelung und eine im Vergleich zu der Applikation von Fluoridlack untersuchen.

Alle RCT und Quasi-RCT sind mit einer hohen bis sehr hohen Gefahr für systematische Verzerrungen (bspw. Selektions- und Detektionsbias) zugunsten der Fissuren- und Grübchenversiegelung behaftet und daher auf den Evidenzgrad 1– einzustufen. Dabei zeigen drei neuere RCT im Parallelgruppendesign und zwei ältere Split-Mouth-RCT-Ansätze, dass es möglich ist, verzerrende Einflüsse zu reduzieren oder transparent zu machen. In drei anderen Parallelgruppen- und den übrigen Split-Mouth-Studien ist die Gefahr systematischer Verzerrungen nicht zuletzt aufgrund der unzulänglichen Berichtsqualität besonders stark ausgeprägt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Studien unter sehr heterogenen soziokulturellen und institutionellen Bedingungen entstanden. Damit ist die Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit der Studienergebnisse eingeschränkt. Eine der vier einbezogenen systematischen Übersichtsarbeiten kommt unter Verwendung ähnlicher Qualitätskriterien zu einer vergleichbaren Einschätzung. Die übrigen Übersichtsarbeiten beziehen weniger rigorose Kriterien in ihre Bewertung ein und kommen zu einer positiveren Beurteilung der methodischen Qualität oder machen keine Angaben zur Studienqualität.

Für Kinder und Jugendliche, insbesondere mit hohem Kariesrisiko, zeigen sich in nahezu allen Studien protektive Effekte der Fissuren- und Grübchenversiegelung. Zu diesem Ergebnis kommen auch die Übersichtsarbeiten. Die protektiven Effekte bestehen im Vergleich der Fissuren- und Grübchenversiegelung mit keiner Versiegelung sowie im Vergleich der Versiegelung mit der Applikation von Fluoridlack. Allerdings sind diese Resultate vorsichtig zu interpretieren, da alle Studien methodische Schwächen aufweisen.

Gesundheitsökonomische Bewertung

Die gesundheitsökonomische Literaturrecherche ergibt 263 Artikel, von denen 63 in die Volltextsichtung einbezogen werden.

Insgesamt werden 14 relevante Publikationen identifiziert: eine systematische Übersichtsarbeit, acht prospektive oder retrospektive Studien und fünf Modellanalysen. Die ökonomischen Modellanalysen deuten auf Kosteneinsparungen der Fissuren- und Grübchenversiegelung im Vergleich zur Standardversorgung ohne Versiegelung hin, während sich unter den prospektiven und retrospektiven Studien ein uneinheitliches Bild abzeichnet. Dabei weisen die Ergebnisse einiger prospektiver oder retrospektiver Studien auf die Tendenz zu Kosteneinsparungen bei längeren Nachbeobachtungszeiten hin. Diese Tendenz findet sich auch in den Modellen, die längere Analysezeiträume verwenden. Zudem deuten die prospektiven und retrospektiven Studien darauf hin, dass bei der Versiegelung der bleibenden Molaren von Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko eher Kosteneinsparungen erreicht werden können. Auch die Modellanalysen zeigen Kosteneinsparungen insbesondere bei Kindern bzw. Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko. Aufgrund methodischer Schwächen liefern weder die Modelle noch die Primärstudien belastbare Ergebnisse. Damit liegt keine ausreichende Evidenz vor, um die Kosteneffektivität der Fissuren- und Grübchenversiegelung zu bewerten. Eine Einschätzung der Auswirkungen der Fissuren- und Grübchenversiegelung auf die zahnmedizinischen Behandlungskosten der Kinder und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko ist auf Basis der aktuellen Evidenzlage nicht möglich. Daher fehlt auch die Grundlage, um die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den deutschen Versorgungskontext zu überprüfen.

Ethische, soziale und rechtliche Aspekte

Insgesamt werden 39 Publikationen im Volltext bestellt. Keiner der überprüften Artikel erweist sich in Bezug auf die Fragestellung als relevant. Bezogen auf die Fragestellung zu ethischen, rechtlichen und sozialen Implikationen liegen somit

  • keine Publikationen vor, die Angaben zu möglichen Ursachen der unterschiedlichen Inanspruchnahme der Fissuren- und Grübchenversiegelung in verschiedenen Gruppen (bspw. Kinder mit Migrationshintergrund) machen.
  • keine kontrollierten Studien vor, die Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit niedrigem Sozialstatus bzw. mit Migrationshintergrund untersuchen.

Mögliche Risiken der Fissuren- und Grübchenversiegelung werden lediglich in drei neueren Publikationen angesprochen, die für die medizinische Bewertung einbezogen werden.

Diskussion

Für Kinder und Jugendliche, insbesondere mit hohem Kariesrisiko, zeigen sich protektive Effekte der Fissuren- und Grübchenversiegelung. Zu diesem Ergebnis kommen auch die Übersichtsarbeiten. Allerdings sind diese Resultate vorsichtig zu interpretieren, da alle Studien mit dem Risiko von Verzerrungen zugunsten der Fissuren- und Grübchenversiegelung behaftet sind. Zudem sind die Ergebnisse der Studien nur eingeschränkt auf den deutschen Versorgungskontext übertragbar, da sie beispielsweise in einem anderen soziokulturellen Kontext durchgeführt wurden.

Es deutet sich an, dass Kosteneinsparungen eher über längere Beobachtungszeiträume und bei Gruppen mit hohem Kariesrisiko erreicht werden können. Allerdings liefern weder die Modelle noch die prospektiven oder retrospektiven Studien hierzu belastbare Ergebnisse. Die berücksichtigte Übersichtsarbeit kommt zu einer ähnlichen Einschätzung.

Die systematische Bewertung der medizinischen Wirksamkeit und der Kosteneffektivität verdeutlicht eine Reihe von Schwachstellen und Informationslücken bei den identifizierten Studien:

  • Die Studien weisen oftmals eine unzulängliche Berichtsqualität auf.
  • In den Studien werden heterogene Kriterien zur Definition der betrachteten Gruppe der Kinder bzw. Jugendliche mit hohem Kariesrisiko verwendet. Zudem entstammen die Studien verschiedenen Settings und unterliegen schon aus diesem Grund einem breiten Spektrum soziokultureller, sozialstruktureller und institutioneller Einflussfaktoren auf die Kariesentstehung und -behandlung. Damit ist die Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit der Studienergebnisse eingeschränkt.
  • Alle für die medizinische Bewertung einbezogenen RCT bzw. Quasi-RCT sind mit der Gefahr systematischer Verzerrungen zugunsten der Fissuren- und Grübchenversiegelung behaftet.
  • Die ökonomischen Primärstudien und Modelle liefern keine belastbaren Ergebnisse. Zu diesem Schluss kommt auch die systematische Übersichtsarbeit.
  • Die heterogenen Outcomes der ökonomischen Primärstudien und Modellanalysen zeigen, dass bislang kein Konsens über patientenrelevante Outcomes besteht, die für eine ökonomische Bewertung geeignet sind. Damit ist eine über reine Kostenfragen hinausgehende Interpretation der Ergebnisse nicht möglich.

Für eine umfassende medizinische und ökonomische Bewertung von Fissuren- und Grübchenversiegelungen fehlt letztlich eine größere, methodisch hochwertige Studie, die auch Langzeiteffekte untersucht, optimalerweise in Deutschland bzw. Ländern mit vergleichbaren soziokulturellen, sozialstrukturellen und institutionellen Mustern. Zudem ist ein Diskurs über patientenrelevante Outcomes für die ökonomische Bewertung erforderlich, um auf dieser Basis zusätzliche Kosten beurteilen zu können. Unter den für die medizinische Bewertung einbezogenen Studien stellen die Identifikation der Studienpopulation mit hohem Kariesrisiko über Schulen und die Versiegelung in diesem Setting eine übliche Vorgehensweise dar. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Effekte, die innerhalb eines schulbasierten Präventionsprogramms erreicht werden, nicht direkt auf den deutschen Versorgungskontext übertragbar sind, in dem die Fissuren- und Grübchenversiegelung in den Aufgabenbereich der niedergelassenen Zahnärzte fällt. Entsprechend dürfte es im deutschen Versorgungskontext schwieriger sein, eine vergleichbare Anzahl von Kinder und Jugendlichen mit einer geringen Präventionsorientierung zu erreichen.

Schlussfolgerungen

Es gibt Hinweise auf protektive Effekte der Fissuren- und Grübchenversiegelung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko. Dabei gibt es Hinweise darauf, dass diese Effekte auf längere Sicht tendenziell mit Kosteneinsparungen verbunden sein könnten. Dennoch kann die Ausweitung dieser Intervention auf die nationale Ebene nicht pauschal empfohlen werden. Denn die Studien sind mit der Gefahr systematischer Verzerrungen behaftet, die zu einer Überschätzung des protektiven Effekts der Fissuren- und Grübchenversiegelung führen können. Zudem ist die Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf den deutschen Versorgungskontext eingeschränkt. Auch in Bezug auf die Kosteneffektivität liefern, aufgrund methodischer Schwächen, weder die Modelle noch die Primärstudien belastbare Ergebnisse.

Gleichzeitig besteht das Problem der Konzentration des Kariesbefalls in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko. Daher scheinen zusätzliche präventive Interventionen in dieser Gruppe erforderlich. Dazu sollte überprüft werden, welche Maßnahmen der bestehenden Individual- und Gruppenprophylaxe als Kariesprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko geeignet sind. Um die Effektivität der Fissuren- und Grübchenversiegelung bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko im deutschen Versorgungskontext zuverlässig abschätzen zu können, ist eine methodisch hochwertige Studie erforderlich, die in Deutschland bzw. Ländern mit vergleichbaren soziokulturellen, sozialstrukturellen und institutionellen Mustern durchgeführt wird. Die Effektivität dieser Intervention vorausgesetzt wäre in einem weiteren Schritt zu prüfen, wie diese Zielgruppe erreicht und die Inanspruchnahme erhöht werden kann.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.