gms | German Medical Science

GMS Health Innovation and Technologies

EuroScan international network e. V. (EuroScan)

ISSN 2698-6388

Perkutane Koronarinterventionen zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie bei stabiler Angina Pectoris

HTA-Kurzfassung

Suche in Medline nach

  • corresponding author Vitali Gorenoi - Abteilung für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Deutschland
  • author Matthias P. Schönermark - Abteilung für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Deutschland
  • author Anja Hagen - Abteilung für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Deutschland

GMS Health Technol Assess 2011;7:Doc07

doi: 10.3205/hta000098, urn:nbn:de:0183-hta0000980

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/hta/2011-7/hta000098.shtml

Veröffentlicht: 10. November 2011

© 2011 Gorenoi et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.

Der vollständige HTA Bericht in deutscher Sprache ist verfügbar unter: http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta297_bericht_de.pdf


Zusammenfassung

Wissenschaftlicher Hintergrund

Die stabile Angina Pectoris (AP) ist eine führende Symptomatik der chronischen koronaren Herzkrankheit (KHK), ein Krankheitsbild mit enormer epidemiologischer und gesundheitsökonomischer Bedeutung. Zu den wichtigsten Behandlungsmethoden der chronischen KHK zählen die medikamentöse Behandlung und perkutane koronare Interventionen (PCI).

Fragestellungen

Es stellen sich Fragen nach der klinischen Wirksamkeit, der Kostenwirksamkeit sowie nach ethischen, sozialen und juristischen Aspekten beim Einsatz von PCI zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie bei Patienten mit stabiler AP.

Methodik

Eine systematische Literaturrecherche wird im Juni 2010 in den elektronischen Datenbanken (MEDLINE, EMBASE etc.) durchgeführt und durch eine Handsuche ergänzt.

Bei der medizinischen Bewertung werden zunächst systematische Übersichten von randomisierten kontrollierten Studien (RCT) ausgewertet. Danach werden RCT mit aktuell optimaler medikamentöser Therapie identifiziert, bewertet und ihre Ergebnisse mittels Metaanalyse zusammengefasst. Anschließend werden die Stärke und die Anwendbarkeit der ermittelten Evidenz bewertet.

Bei der gesundheitsökonomischen Bewertung werden zunächst die publizierten Studien ausgewertet und dann eine gesundheitsökonomische Modellierung mit klinischen Annahmen aus der Metaanalyse und ökonomischen Annahmen aus den deutschen Fallpauschalen von 2011 durchgeführt.

Ergebnisse

In die medizinische Bewertung werden sieben systematische Übersichten (Anwendbarkeit der Evidenz niedrig) sowie drei RCT mit Einsatz einer optimalen medikamentösen Therapie (Anwendbarkeit der Evidenz für die Endpunkte AP und Revaskularisationen moderat, für weitere Endpunkte hoch) einbezogen. Die Ergebnisse aus den RCT dienen daher als Grundlage der Auswertung. Der routinemäßige Einsatz der PCI reduziert im Vergleich zu alleiniger optimaler medikamentöser Therapie den Anteil von Patienten mit AP-Anfällen nach einem und nach drei Jahren (Evidenzstärke moderat); nach fünf Jahren ist dieser Effekt nicht belegt (Evidenzstärke niedrig). Für keinen der weiteren untersuchten klinischen Endpunkte Tod, Tod aufgrund kardialer Ursache, Herzinfarkt und Schlaganfall (Evidenzstärke hoch) sowie schwere Herzinsuffizienz (Evidenzstärke moderat) wird ein Effektunterschied nach vier bis fünf Jahren nachgewiesen.

In die gesundheitsökonomische Bewertung werden zwei Studien einbezogen. Die Kostenschätzungen aus diesen Studien sind nicht direkt auf die entsprechenden Kosten in Deutschland übertragbar. Der im Rahmen der eigenen gesundheitsökonomischen Modellierung errechnete durchschnittliche Unterschied in den Gesamtkosten für PCI im Vergleich zur alleinigen optimalen medikamentösen Therapie beträgt 4.217 Euro pro Patient, die inkrementelle Kostenwirksamkeitsrelation 24.805 Euro pro Lebensjahr eines Patienten mit vermiedenen AP-Anfällen (Evidenzstärke moderat).

Es wird keine Publikation zu ethischen, sozialen oder juristischen Aspekten identifiziert.

Diskussion

Wichtige methodische Probleme der Studien sind die fehlende Verblindung der Patienten und unvollständige Ergebnisse für mehrere Endpunkte in der Nachuntersuchungszeit. Die ermittelte inkrementelle Kostenwirksamkeitsrelation pro Lebensjahr eines Patienten mit vermiedenen AP-Anfällen kann nicht als kostenwirksam angesehen werden.

Schlussfolgerungen

Der routinemäßige Einsatz von PCI zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie bei Patienten mit stabiler AP kann aus medizinischer Sicht zur Reduktion des Anteils von Patienten mit AP-Anfällen nach einem und nach drei Jahren empfohlen werden (Empfehlungsgrad schwach). Ansonsten sind die PCI bei Patienten mit anhaltender oder sich verschlechternder Symptomatik der AP trotz des Einsatzes einer optimalen medikamentösen Therapie durchzuführen; dies dürfte im Laufe von fünf Jahren ca. 27% bis 30% der Patienten betreffen.

Aus gesundheitsökonomischer Sicht kann der routinemäßige Einsatz von PCI zusätzlich zu einer optimalen medikamentösen Therapie bei Patienten mit stabiler AP nicht empfohlen werden.

Aus der vorliegenden Bewertung ergeben sich keine Hinweise auf spezielle ethische, soziale oder juristische Besonderheiten beim routinemäßigen Einsatz von PCI zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie bei Patienten mit stabiler AP.

Schlüsselwörter: akutes Koronarsyndrom/Therapie, Angina Pectoris/*, Angioplastie, Arzneimittel-beschichtete Stents, Arzneimitteltherapie/*, Arzneimitteltherapie/*Ökonomie, Ballon-Dilatation/Therapie, Behandlung, Deutschland, Durchblutung, Durchblutungsstörung, gesundheitsökonomische Analyse, Herzkrankheiten/*, Herzmuskel, Herzmuskelschwäche, Ischämie, KHK, koronare Herzkrankheit, Kosten-Nutzen-Analyse, Mangeldurchblutung, Medikament-beschichtete Stents, Medikamente-freisetzende Stents, Medikament-eludierende Stents/Ökonomie, Medikament-eludierende Stents/unerwünschte Nebenwirkungen, Medikament-eludierende Stents/Verwendung, medikamentöse Therapie, Mensch, Metaanalyse, Meta-Analyse, Myokard, Myokardischämie, perkutane Koronarintervention, PKI, Prävention, primäre Prävention, Prophylaxe, randomisierte kontrollierte Studie, RCT, stabile Angina Pectoris, Stenting, systematische Übersicht, Therapie, Übersichtsliteratur


Kurzfassung

Gesundheitspolitischer und wissenschaftlicher Hintergrund

Die stabile Angina Pectoris (AP) ist eine führende Symptomatik der chronischen koronaren Herzkrankheit (KHK). Bei häufigem Auftreten von AP-Beschwerden (vor allem Schmerzen bzw. ein einengendes Gefühl im Brustkorb) ist insbesondere die Lebensqualität der Betroffenen deutlich vermindert.

Die der stabilen AP zugrunde liegende chronische KHK führt 2008 die Liste der zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland an und gehört zu den Krankheitsbildern mit enormer epidemiologischer und gesundheitsökonomischer Bedeutung, auch wenn keine genauen Daten für die stabile AP in Deutschland vorliegen.

Die wesentlichen Ziele der Behandlung der chronischen KHK sind

  • Steigerung der krankheitsbezogenen Lebensqualität durch Vermeidung von AP-Beschwerden
  • Verbesserung der Belastungsfähigkeit,
  • Verminderung von KHK-assoziierten psychischen Erkrankungen,
  • Prävention schwerwiegenderer klinischer Manifestationen der KHK, insbesondere des akuten Myokardinfarkts, der Herzinsuffizienz sowie
  • Reduktion der Sterblichkeit.

Die wichtigsten Methoden zur Behandlung der chronischen KHK sind nicht-medikamentöse sowie medikamentöse Therapien und invasive Verfahren, wie perkutane koronare Interventionen (PCI) und Bypass-Operationen. Zu den PCI zählen vor allem die Ballondilatation und Stenting mit oder ohne Freisetzung von einer Wiederverengung verhindernden Substanzen (Drug-eluting stents).

Die Anwendung einer PCI zusätzlich zur medikamentösen Behandlung der stabilen AP wird in mehreren randomisierten kontrollierten Studien (RCT) untersucht, eine aktuelle zusammenfassende Bewertung dieser Information für Deutschland fehlt allerdings. Auch die Relation von Zusatzkosten und möglichem Zusatznutzen beim Vergleich dieser Technologien ist für Deutschland bisher unklar. Mögliche ethische, soziale und juristische Implikationen der PCI zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie sollen für Deutschland ebenfalls überprüft werden.

Fragestellung

Medizinsche Bewertung

Wie ist die medizinische Wirksamkeit der PCI zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie bei stabiler AP?

Ökonomische Bewertung

Wie ist die Kostenwirksamkeit der PCI zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie bei stabiler AP?

Ethische, soziale und juristische Bewertung

Welche ethischen, sozialen und juristischen Aspekte sind beim Einsatz der PCI zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie bei stabiler AP zu beachten?

Methodik

Medizinische Bewertung
Recherchestrategie

Die Literaturrecherche wird in den medizinischen elektronischen Datenbanken (MEDLINE, EMBASE etc.) im Juni 2010 durchgeführt. Die Recherchestrategie ist auf die Sprachen Deutsch und Englisch der Zusammenfassungen und auf ein Publikationsdatum ab 2004 beschränkt. Zusätzlich wird eine Handsuche in den Referenzlisten der relevanten Artikel durchgeführt.

Ein- und Ausschlusskriterien

Die Bewertung der Literaturrecherche erfolgt in drei Schritten. Bei der ersten Sichtung werden ausschließlich die Titel der Literaturstellen analysiert, in der zweiten die Zusammenfassungen und in der dritten die vollständigen Publikationen. Zwei unabhängige Reviewer sind an der Selektion der relevanten Publikationen beteiligt.

In die Bewertung werden zunächst alle identifizierten systematischen Übersichten von RCT zum Einsatz der PCI zusätzlich zur medikamentösen Therapie bei stabiler AP einbezogen. Nach der Festlegung der Kriterien für eine aktuelle optimale medikamentöse Therapie wird anschließend eine Analyse ausschließlich auf Basis von RCT mit aktuell optimaler medikamentöser Therapie durchgeführt und dafür entsprechende Studien ausgewählt. Bei der Auswertung werden die Endpunkte Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz, AP, Revaskularisation, Lebensqualität sowie entsprechende kombinierte Endpunkte berücksichtigt.

Datenauswertung und Informationssynthese

Angaben aus identifizierten systematischen Übersichten werden hinsichtlich ihres Verzerrungspotenzials in Anlehnung an das Instrument von Oxman und Guyatt bewertet. Danach werden die Stärke und die Anwendbarkeit der Evidenz aus den systematischen Übersichten in Anlehnung an die GRADE- (GRADE = Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation und AHRQ- (AHRQ = Agency for Healthcare Research and Quality) Instrumente eingeschätzt.

Die einbezogenen Studien werden auf ihr Verzerrungspotenzial in Anlehnung an das Risk-of-bias-Bewertungsinstrument der Cochrane Collaboration überprüft. Die Studienergebnisse werden auf ihre statistische Heterogenität untersucht und quantitativ mithilfe einer Metaanalyse zusammengefasst. Es werden dabei relative Risiken im Random-effect-Modell mit dem Programm Review Manager (RevMan) 5.0 errechnet. Anschließend werden die Stärke und die Anwendbarkeit der ermittelten Evidenz in Anlehnung an die GRADE- und AHRQ-Instrumente eingeschätzt.

Gesundheitsökonomische Bewertung
Recherchestrategie

Die Literaturrecherche wird in medizinischen, darunter auch gesundheitsökonomisch relevanten, elektronischen Datenbanken, entsprechend der medizinischen Bewertung, im Juni 2010 durchgeführt und durch eine Handsuche vervollständigt.

Ein- und Ausschlusskriterien

Die Bewertung der Literaturrecherche erfolgt analog zum medizinischen Teil der vorliegenden Arbeit durch zwei unabhängige Reviewer in drei Schritten.

In die Analyse werden gesundheitsökonomische Studien auf Basis von RCT bzw. systematische Übersichten von gesundheitsökonomischen Studien auf der Grundlage von RCT zum Einsatz der PCI zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie bei stabiler AP einbezogen (Kriterium definiert durch die medizinische Bewertung des vorliegenden Berichts). Es werden die Daten zur inkrementellen Kostenwirksamkeitsrelation (IKER) hinsichtlich der AP-Anfälle, der qualitätsadjustierten Lebensjahre, des Überlebens und des Myokardinfarkts berücksichtigt.

Datenauswertung und Informationssynthese

Die gesundheitsökonomischen Studien werden zunächst mit den gleichen Bewertungsinstrumenten wie die entsprechenden Publikationen der medizinischen Bewertung analysiert. Zusätzlich werden die unmittelbaren gesundheitsökonomischen Parameter wie die Studienperspektive, der Ressourcenverbrauch, die eingesetzten Kosten, der Zeithorizont und die Diskontierung bewertet.

Es wird geprüft, ob die medizinischen Ergebnisse der einbezogenen Studien mit dem Ergebnis der Informationssynthese des vorliegenden HTA-Berichts (HTA = Health Technology Assessment) übereinstimmen sowie ob die im Rahmen einer gesundheitsökonomischen Bewertung eingesetzten Kosten auf die heutige Situation in Deutschland übertragbar sind. Die Ergebnisse der Einzelstudien werden beschrieben.

Gesundheitsökonomische Modellierung

Eine gesundheitsökonomische Modellierung wird in Form eines simplifizierenden linearen Simulationsmodells mit klinischen Annahmen ausschließlich für signifikante Ergebnisse aus der eigenen Metaanalyse durchgeführt. Zur Abbildung des Kostengeschehens werden die deutschen Fallpauschalen (G-DRG, engl.: German Diagnosis Related Groups) 2011 verwendet. Hierbei wird eine eingeschränkte gesellschaftliche Perspektive eingenommen. Für das Modell wird ein Zeithorizont von fünf Jahren gewählt.

Bei der Modellierung wird davon ausgegangen, dass die Kostendifferenz zwischen den Technologien allein durch einen Unterschied in der gesamten Revaskularisationsrate (Primär- und Folgerevaskularisationen in der Nachbeobachtungszeit) verursacht wird und zwar ausschließlich in der PCI-Rate.

Anschließend wird die IKER pro Patient mit vermiedenen Anfällen von AP errechnet. Im Rahmen der Sensitivitätsanalyse werden die Ergebnisse hinsichtlich ihrer Robustheit bei der Variation verschiedener Modellparameter geprüft.

Ethische, soziale und juristische Bewertung
Recherchestrategie

Die Informationsquellen und die Recherchestrategie entsprechen der medizinischen Bewertung.

Ein- und Ausschlusskriterien

Bei der durchgeführten Literaturrecherche wird nach Publikationen zum Thema mit expliziter Betrachtung von ethischen, sozialen und juristischen Aspekten gesucht.

Datenauswertung und Informationssynthese

Da keine Studie identifiziert wird, werden diese Aspekte nur im Diskussionsteil angesprochen.

Ergebnisse

Medizinische Bewertung
Ergebnisse der Literaturrecherche

Die systematische Literaturrecherche ergibt insgesamt 949 Treffer. Davon werden 136 zur Durchsicht im Volltext ausgewählt. Es werden zunächst sieben systematische Übersichten und anschließend drei RCT in die Bewertung eingeschlossen.

Informationssynthese der systematischen Übersichten

Die Anwendbarkeit der ermittelten Evidenz aus sieben identifizierten systematischen Übersichten ist niedrig, da Studien unterschiedlicher Rekrutierungszeiträume zusammengefasst werden. Lediglich die drei RCT erfüllen die definierten Kriterien für eine aktuell optimale medikamentöse Therapie und bilden die Grundlage der medizinischen Bewertung.

Informationssynthese aus den Studien

Der routinemäßige Einsatz der PCI bei optimaler medikamentöser Therapie bei Patienten mit stabiler AP reduziert im Vergleich zur alleinigen optimalen medikamentösen Therapie den Anteil von Patienten mit AP-Anfällen nach einem und nach drei Jahren. Nach fünf Jahren ist dieser Effekt nicht mehr belegt. Die Stärke der Evidenz für ein Jahr und für drei Jahre ist als moderat, für fünf Jahre als niedrig einzustufen. Die Anwendbarkeit der ermittelten Evidenz für diese Endpunkte ist als moderat anzusehen. Auch bei geplanter alleiniger optimaler medikamentöser Therapie werden aufgrund anhaltender oder sich verschlechternder Symptomatik der AP im Laufe von fünf Jahren ca. 27% bis 30% der Patienten dennoch revaskularisiert.

Für keinen der weiteren untersuchten klinischen Endpunkte kann im Rahmen der vorliegenden Bewertung ein Effekt des zusätzlichen Einsatzes von PCI bei optimaler medikamentöser Therapie bei Patienten mit stabiler AP nachgewiesen werden. Die Stärke der Evidenz für die Endpunkte Tod, Tod kardialer Ursache, Herzinfarkt und Schlaganfall ist als hoch einzustufen. Die Evidenzstärke für den kombinierten Endpunkt Tod oder Herzinfarkt sowie den kombinierten Endpunkt Tod oder Herzinfarkt oder Schlaganfall ist als moderat anzusehen. Die Stärke der Evidenz für den Endpunkt schwere Herzinsuffizienz wird als moderat und für den kombinierten Endpunkt Tod oder Herzinfarkt oder schwere Herzinsuffizienz als niedrig betrachtet. Die Anwendbarkeit der ermittelten Evidenz für alle diese Endpunkte ist hoch.

Gesundheitsökonomische Bewertung
Ergebnisse der Literaturrecherche

Nach der Sichtung der 949 Titel und Zusammenfassungen werden 136 Treffer zur Durchsicht im Volltext ausgewählt. Es werden vier Publikationen mit gesundheitsökonomischen Bewertungen zu drei Studien identifiziert. Da die medikamentöse Therapie laut vorliegender medizinischer Bewertung nur in zwei Studien nach heutigem Standard aktuell ist, werden in die gesundheitsökonomische Bewertung ausschließlich die Publikationen zu diesen beiden Studien einbezogen.

Zusammenfassung der Studienergebnisse

Die Kostenschätzungen aus den Studien sind inkonsistent und zudem nicht direkt auf die Kosten in Deutschland übertragbar. Es werden für diese Berechnungen mehrere in klinischen Studien nicht geprüfte Annnahmen verwendet. Außerdem wird ein qualitätsadjustiertes Lebensjahr mithilfe indirekter Parameter und darüber hinaus lediglich für ein in der Nachbeobachtungszeit unvollständiges Patientenkollektiv berechnet.

Gesundheitsökonomische Modellierung

Der durchschnittliche Unterschied in den Gesamtkosten pro Patient zwischen PCI und alleiniger medikamentöser Therapie beträgt 4.217 Euro. Im Laufe von fünf Jahren sind im Durchschnitt in der PCI-Gruppe zusätzlich ca. 0,17 Jahre pro Patient frei von AP-Anfällen. Das führt zu einer IKER von 24.805 Euro pro Lebensjahr eines Patienten mit vermiedenen AP-Anfällen. Die Evidenzstärke der Ergebnisse wird als moderat stark eingestuft.

In der Sensitivitätsanalyse zeigen die Variationen in den Bewertungsrelationen den größten Einfluss auf die durchschnittliche Kostendifferenz pro Patient zwischen den Behandlungsalternativen. Bei der Sensitivitätsanalyse für die IKER wird der größte Einfluss auf diesen Parameter durch Änderungen in der Rate von Patienten mit vermiedenen AP-Anfällen festgestellt.

Ethische, soziale und juristische Bewertung

Nach der Durchsicht der 949 Titel und der Zusammenfassungen sowie durch die Handsuche wird keine Publikation zu ethischen, sozialen oder juristischen Aspekten im Rahmen der Anwendung der PCI zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie bei stabiler AP identifiziert.

Diskussion

Medizinische Bewertung

Die ermittelten Ergebnisse können prinzipiell durch methodische Aspekte der Recherche, der systematischen Übersichten, der primären Studien und der Informationssynthese beeinflusst werden.

Ein Publikationsbias ist nicht vollkommen auszuschließen. Die Problematik der Qualität von systematischen Übersichten fällt durch die eingeschränkte Anwendbarkeit ihrer Ergebnisse auf die heutige Situation in Deutschland allerdings wenig ins Gewicht.

Ein sehr wichtiges methodisches Problem der Studien ist die fehlende Verblindung der Patienten. Durch eigene Präferenzen können Patienten die durchzuführende Intervention zumindest zum Teil beeinflussen. Dies kann z. B. dazu führen, dass eher Patienten mit niedrigerem Risiko für weitere kardiovaskuläre Ereignisse in der PCI-Gruppe die Revaskularisation im geplanten Zeitraum nicht erhalten, dagegen eher Patienten mit höherem Risiko in der Kontrollgruppe doch revaskularisiert werden.

Außerdem kann das Wissen über die Intervention entweder zu einem höheren Sicherheits- oder Unsicherheitsgefühl führen und folglich die Schmerzwahrnehmung und ggf. die Schwelle für eine erneute Intervention beeinflussen, was besonders für den subjektiven Endpunkt AP relevant ist.

Die unvollständigen Ergebnisse für mehrere Endpunkte (insbesondere für AP) in der Nachbeobachtungszeit können die Ergebnisse der Studien ebenfalls verzerren. Da sowohl gesündere als auch kränkere Probanden zu den sogenannten Loss-to-follow-up zählen können, kann dies zur Unter- bzw. zur Überschätzung des Effekts einer Intervention führen.

Die einbezogenen Studien sind nicht gleich in Hinblick auf das untersuchte Patientenkollektiv und die durchgeführten Interventionen. Deswegen sind die aus diesen Studien ermittelten Effekte nur eingeschränkt miteinander vergleichbar. Auch fehlende Daten zum Endpunkt Revaskularisation für die PCI-Gruppe einer Studie erschweren die Interpretation der Ergebnisse.

Ökonomische Bewertung

Anhand der medizinischen Bewertung weisen die beiden RCT mit gesundheitsökonomischen Analysen einige methodische Limitationen auf. Auch die Übertragbarkeit der Studien und die Aktualität ihrer Ergebnisse sind stark eingeschränkt.

Die durchgeführte eigene Modellierung vermeidet zum großen Teil die Probleme der einzelnen gesundheitsökonomischen Studien und ermöglicht, den hohen Evidenzgrad der ermittelten Ergebnisse aus der medizinischen Analyse zu übernehmen.

Die ermittelte IKER pro Lebensjahr eines Patienten mit vermiedenen AP-Anfällen kann auf Basis indirekter Daten nicht als kostenwirksam angesehen werden. Die Vermeidung einer wiederholten Revaskularisation, oft Spiegelung der AP-Symptomatik, wird erst bei zusätzlichen Kosten von unter 8.000 USD als kostenwirksam eingeschätzt, was deutlich unter dem durch die vorliegende Analyse ermittelten Wert für vermiedene AP-Anfälle liegt.

Die ermittelte Evidenz für die errechnete IKER wird jedoch durch die verminderte Evidenzstärke für den Endpunkt AP gemindert.

Die gesamtwirtschaftliche Betrachtung des Kostengeschehens wird durch fehlende Daten zu Kosten möglicher Rehabilitationsmaßnahmen, des Produktivitätsverlusts durch Arbeitsausfall sowie intangible Kosten etwas eingeschränkt.

Ethische, soziale und juristische Bewertung

In Deutschland scheint der Zugang zu PCI in den letzten Jahren unproblematisch gewesen zu sein, obwohl, laut Versorgungsdaten, ein Ost-West-Gefälle zu vermuten ist. Wichtig ist es, die Unabhängigkeit und die Privatsphäre der Patienten nur so wenig wie möglich einzuschränken. Aus dieser Sicht ist die „partizipative Entscheidungsfindung“ bei der Patient-Arzt-Beziehung von besonderer Bedeutung. Eine informierte Einwilligung der Patienten und eine entsprechende Dokumentation sind ebenfalls sehr wichtige Aspekte bei der Anwendung von verschiedenen PCI-Modifikationen. Juristische Implikationen beim Einsatz oder fehlendem Einsatz der PCI zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie sind in Deutschland nicht zu erwarten.

Schlussfolgerungen

Der routinemäßige Einsatz von PCI zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie bei Patienten mit stabiler AP kann aus medizinischer Sicht zur Reduktion des Anteils von Patienten mit AP-Anfällen nach einem und nach drei Jahren empfohlen werden. Der Empfehlungsgrad ist jedoch aufgrund moderater Evidenzstärke und Anwendbarkeit der Ergebnisse schwach. Eine Reduktion der Raten von Todesfällen, Herzinfarkten, Schlaganfällen und schwerer Herzinsuffizienz ist nicht zu erwarten. Ansonsten sind die PCI bei Patienten mit anhaltender oder sich verschlechternder Symptomatik der AP trotz Einsatz optimaler medikamentöser Therapie durchzuführen; dies dürfte im Laufe von fünf Jahren ca. 27% bis 30% der Patienten betreffen.

Aus gesundheitsökonomischer Sicht kann keine Empfehlung für den routinemäßigen Einsatz von PCI zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie bei Patienten mit stabiler AP aufgrund fehlender Kostenwirksamkeit gegeben werden.

Aus der vorliegenden Bewertung ergeben sich keine Hinweise auf spezielle ethische, soziale oder juristische Besonderheiten beim routinemäßigen Einsatz von PCI zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie bei Patienten mit stabiler AP.